Exkursion nach Israel: 20. September bis 1. Oktober 2012

eine Fahrt mit der KHG Essen / Bochum und Pfr. Klaus Giepmann (Hochschulseelsorger)

„Sowohl von Jerusalem wie auch von Britannien aus steht der Himmel in gleicher Weise offen, 'denn das Reich Gottes ist in euch'.“ (Hieronymus)

Warum als Theologe nach Israel fahren? Worin liegt die Faszination der biblischen Orte begründet, dass Menschen seit Jahrhunderten dorthin reisen, wo die Möglichkeit, Gott zu erfahren, doch nicht an Orte gebunden ist? Hinzu kommt: In den biblischen Texten ist die lokale Situierung oft als theologische Botschaft zu verstehen. Die Biblische Archäologie lehrt, dass sich vieles nicht so und nicht an den genannten Orten zugetragen haben kann. Sind die Stätten der Verehrung dann Betrug?

Diese Fragen tauchten im Vorbereitungsseminar der Exkursion „Begegnungen mit Israel“ im SoSe 2012 bei den ungefähr 40 Studierenden immer wieder auf. Die theologischen Erzählungen werden in Erinnerungslandschaften verräumlicht. Kriterium ist die Lebensdienlichkeit der Gedächtniskultur, nicht ihre historische Korrektheit. Das vergangene, erzählte Ereignis wird durch den verehrten Ort vergegenwärtigt. Biblische Erzählungen sind nicht raum- und zeitlos, sondern die Texte sind von der Lebenswelt der Verfasser geprägt. Dieser wollen wir uns mit den Besuchen von Bet Shean, Hazor und Dan, von Kapharnaum und Caesarea Philippi nähern. Doch nicht nur das Israel der Vergangenheit war Thema des Seminars, sondern auch das Israel der Gegenwart, jüdisches und muslimisches Leben, Orte christlich-jüdischer Begegnung und die Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen Situation in Filmproduktionen. So bildete der Besuch von „Cinema Jenin“ den Abschluss des Seminars.

Wir sind gespannt auf die Gegenwart vor Ort. Und: Auch Hieronymus war im Heiligen Land.

Bericht nach der Exkursion

Am 20. September 2012 begann unsere Reise nach Israel. Im Vorfeld haben wir im Rahmen eines vorbereitenden Seminars viel darüber erfahren, was uns wohl erwarten wird. Wir sprachen über die Geschichte des Landes, den Nah-Ost Konflikt, die unterschiedlichen Religionen und die Sehenswürdigkeiten, die wir besuchen würden. Wir entwickelten dabei auch Fragen an dieses Land und seine Besonderheit, die unsere Reise begleiten sollten. So beschäftigten wir uns beispielsweise mit der „Heiligkeit“ von Orten und ihrer Bedeutung für uns und waren sehr gespannt, was diese Orte in uns auslösen würden. Voller Informationen, Gedanken und Neugierde machten wir uns auf und bemerkten schnell, dass praktisch dann doch alles etwas anders ist als in der Theorie…

Das Erleben anderer Religionen war für uns besonders spannend. Gerade das Judentum authentisch gelebt zu erfahren, war für viele von uns neu und aufregend, gibt es doch in Deutschland kaum Berührungspunkte mit der jüdischen Kultur. Dabei ist es für uns Christen gerade besonders wichtig, den gemeinsamen Ursprung unseres Glaubens zu kennen, um unsere Tradition besser  verstehen zu können. Der Besuch in der Synagoge in Safed, die Teilnahme an einem Sabbat-Gottesdienst in Jerusalem, die Begegnungen an der Klagemauer an Yom Kippur und die Einladung unserer Reiseleitung in ihre Laubhütte an Sukkot  gaben uns einen tieferen Einblick in die jüdischen Traditionen.

Wir erlebten nicht nur das Judentum, sondern auch den Islam ganz neu. Wir besichtigten eine Moschee in Akko, besuchten den Tempelberg und bewunderten Tag und Nacht aus verschiedensten Blickwinkeln die leuchtend goldene Kuppel des Felsendoms, die das typische Bild Jerusalems auf den Panoramafotos ausmacht. Der arabischen Kultur begegneten wir auch im Essen: Falafel und Schawarma dominierten elf Tage lang unseren Speiseplan.   

Nicht nur die Menschen, ihre Kulturen und Religionen faszinierten uns, sondern auch die wunderschöne Natur Israels. Wir schnupperten Mittelmeeratmosphäre in Cäsarea und Akko, wanderten durchs Naturreservat  Tel Dan und schwammen im Toten Meer. Verbunden mit der Geschichte und Archäologie Israels lernten wir so das Land sehr vielseitig kennen. Dazu gehörte auch der Besuch einiger Tells wie Hazor oder Bet Shean und natürlich die eindrucksvolle Festung Masada sowie Qumran.

Am See Genezareth und seiner wunderschönen Umgebung wurden die uns bekannten Erzählungen aus der Bibel besonders spürbar und lebendig. Wir konnten natürlich nicht wie Jesus übers Wasser laufen, aber dafür von der Brotvermehrungskirche in Tabgha nach Kapharnaum, „the town of Jesus“.  Auch in Jerusalem und Nazareth besichtigten wir die Stätten der Verehrung der Taten Jesu. Wir feierten Gottesdienste an ganz besonderen Orten und folgten den Spuren der Via Dolorosa durch enge, verwinkelte Gassen, die durch ihren starken Marktbetrieb weniger zur Andacht anrührten, sondern eher arabische Souk-Atmosphäre in der Gruppe verbreiteten. Jerusalem bestach nicht nur durch wunderschöne Kirchenbauten, sondern auch durch die Erfahrung des Miteinanders vieler verschiedener religiöser Traditionen. Christentum, Judentum und Islam prägen diese Stadt wie keine andere. In der Grabeskirche erlebten wir die emotional sehr stark aufgeladene chaotische Atmosphäre in den verschiedenen Kapellen im Innenraum der Kirche, wobei die klar strukturierten, aber doch hektisch wirkenden Abläufe der verschiedenen christlichen Traditionen in manchen von uns Faszination und Irritation zugleich auslösten. In Bethlehem besichtigten wir den Ort der Verehrung der Geburt Jesu, kauften Holzschnitzfiguren und wurden am gleichen Tag mit den Auswirkungen des Konfliktes zwischen Palästina und Israel konfrontiert. Wir durchquerten die Sperranlage, sahen die neun Meter hohe Mauer, besprüht mit Graffitis, die eine Sehnsucht nach Freiheit und Frieden ausdrücken, und die palästinensische Reiseleitung berichtete uns von Wasserproblemen, die das Leben in den palästinensischen Autonomiegebieten erschweren. Wir verließen den Ort mit gemischten Gefühlen. Auch der Besuch in Yad Vashem berührte uns sehr, eine besondere Stätte des Gedenkens und gegen das Vergessen der Opfer der Schoa.

Die Reise nach Israel war eine Zeit vielfältigster Erfahrungen und Emotionen. Wir wurden zum Nachdenken angeregt, potenzierten unser Wissen, lernten interessante Menschen kennen und erlebten tolle Naturbilder. Bei allem blieb natürlich auch der Spaß nicht auf der Strecke, es wurde viel geredet, gesungen und gelacht. Manchmal ertappten wir uns dabei, wie wir von unserem ‚Urlaub‘  in Israel sprachen. Wir alle haben in Israel sehr viel gelernt und dieses neue Wissen und die wunderbaren Erfahrungen werden uns mit Sicherheit in vielen Lebensbereichen nützlich sein und uns begleiten.

(Marie-Christin Gaul,  Kira Heese und Lea Helle)