© Jochen Tack

Themenschwerpunkt: Ewiger Wettstreit

Ohne Plan B geht es nicht

  • von Ulrike Bohnsack
  • 20.07.2016

Wer Prof werden will, muss gezielt vorgehen – und damit rechnen, dass es nicht klappt. Foto: Jochen Tack

Es ist ein Traumjob mit schlechten Aussichten: Die Stellen sind rar, die Konkurrenz groß. Und doch reizt viele Promovierende, später als Professor/in mit großer Freiheit forschen und lehren zu dürfen. Der Weg indes ist lang und unsicher. Oft hangeln sie sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten – ohne Happy End. Oder schlimmer: Die Geschichte vom Privatdozenten, der sein halbes Berufsleben an der Uni verbracht hat, unentgeltlich Vorlesungen hält, um seine Lehrbefugnis nicht zu verlieren, und nun auf Hartz IV ist, kennen auch die Beraterinnen Dr. Renate Petersen und Dr. Jutta Wergen. So ein Absturz sei aber die Ausnahme und vermeidbar, wenn man vorausschauend plane, betonen sie.

Die meisten Profs sind Mitte 30 bis Mitte 40, wenn sie erstmals berufen werden. Man rechnet Studium plus etwa je sechs Doktoranden- und Postdoc-Jahre. „Eine sehr gute Promotion ist immer noch Mindestanforderung. Ob man habilitiert haben muss und in welcher Weise, hängt vom Fach ab“, erklärt Petersen. Sie koordiniert die Mentoring-Programme für den wissenschaftlichen Nachwuchs an der UDE. „Die Juniorprofessur hat den klassischen Weg etwas verkürzt.“

Das bestätigt Wergen, die in den Gesellschaftswissenschaften Doktorand/innen berät: „Die typische Laufbahn hat man heute weniger, dafür mehr strukturierte Förderung. Als Postdoc kann man sich über eine Nachwuchsgruppenleitung, ein Graduiertenprogramm oder Forschungsstipendium qualifizieren; die Juniorprofessur ist eine Option. Die Wege sind vielfältiger geworden, aber nicht weniger riskant.“

Lässt sich eine Hochschulkarriere strategisch planen? Ja, sagen beide, und man sollte damit direkt nach dem Studium beginnen. „Der größte Fehler ist zu glauben, im eigenen Kämmerlein forschen zu können und entdeckt zu werden“, formuliert es Petersen überspitzt. „Deshalb vermitteln wir in unserem Mentoring die Strukturen und Spielregeln des Wissenschaftsbetriebs. Es geht unter anderem darum, wo und wie viel ich publiziere, an welchen Tagungen ich teilnehme, in welchen Uni-Gremien ich mitwirke – auch um zu lernen wie eine Uni tickt –, und wie ich mich darüber hinaus vernetze, um meine Arbeit in der Community bekannt zu machen.“

Worauf es noch ankommt: auf Auslandsaufenthalte, interdisziplinäres Arbeiten, die Balance zwischen thematischer Breite und Tiefe, auf Drittmittelakquise und – einen Plan B. Wer wissenschaftlich nicht in MINT-Fächern oder in der Medizin zuhause ist, benötigt ihn noch dringender: „Man sollte den Arbeitsmarkt außerhalb der Uni schon während der Promotion beobachten und entsprechende Schlüsselkompetenzen erwerben“, sagt Wergen. „Ansonsten riskiert man, in einem kritischen Alter arbeitslos zu werden.“

 

Wer die akademische Laufbahn verlässt, ist nicht nur fachlich top. Er bzw. sie hat viel zu bieten: Führungsqualitäten, Kenntnisse in Akquise, im Selbstmanagement oder Marketing. „Solche Leute werden gebraucht in Beratungsfirmen, Verbänden oder der Politik. Für die Geistes- und Kulturwissenschaften ist es in der freien Wirtschaft allerdings schwerer.“

Auch das sind Optionen: Prof an einer Fachhochschule werden. Oder Deutschland verlassen. Während hierzulande Professor/innen nicht mal zehn Prozent des wissenschaftlichen Personals ausmachen, gibt es in den USA, in Frankreich oder England deutlich mehr Stellen.*

Wissenschaft ist Wettbewerb, betont Bundesforschungsministerin Wanka. Dennoch will sie die Lage etwas entspannen – durch Tenure-Track-Professuren. Über ein Förderprogramm sollen in den kommenden zehn Jahren insgesamt 1.000 solcher Stellen entstehen. Den meisten, die sich seit langem um eine Professur mühen, wird diese Initiative nichts nützen: Sie sind hierfür zu alt.

Mehr zur wissenschaftlichen Karriere an der UDE:https://www.uni-due.de/zfh/karriere.shtml

* Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 (der nächste erscheint 2017):http://www.buwin.de/site/assets/files/1002/6004283_web_verlinkt.pdf

Zurück