Forschungsspiegel

Nach dem postmodernen Erzählen
Von der Forschung blieb Anna Katharina Hahn bislang nahezu unbeachtet. Einzig Alexandra Tischel widmet sich Hahns Roman Am Schwarzen Berg unter dem Titel Erzählen nach der Postmoderne – Intertextualität im zeitgenössischen Roman. Dabei betrachtet sie einerseits den Roman von Hahn, andererseits untersucht sie Christian Krachts Roman Imperium.
Tischel fragt, ob Hahns Roman noch als ‚postmodern‘ zu lesen sei oder ob sich in der Gegenwartsliteratur nicht ein Erzählen jenseits postmoderner Erzählverfahren herausbilde. Um ihre Überlegungen zu fundieren, rekapituliert Tischel zunächst die Merkmale, die die Literatur der Postmoderne kennzeichnet. Zu diesen gehören die „Einebnung der Grenze von Hoch- und Populärkultur“ (Tischel, S. 162), die sich inhaltlich als „Rückgriff auf populäre Genres wie den Kriminal- und den historischen Roman“ (ebd.) und formal als „Rückkehr zu realistischen, linearen und auktorialen Erzählverfahren“ (ebd.) auszeichnet. Hinzu kommt eine „hohe Intertextualitätsdichte“, die sich durch die Begriffe „Parodie, Plagiat und Ironie“ (ebd., S. 166) charakterisieren lässt. Außerdem führt Tischel an, dass postmoderne Texte verstärkt eine „Selbstreferenz“ (ebd.), „Fiktionsbetonung“ (ebd.) und „Illusionsdurchbrechung“ (ebd.) aufweisen.
Im Anschluss an diese Ausführungen formuliert Tischel ihre These, dass „die postmodernen Erzählverfahren in die Gegenwartsliteratur diffundiert und gleichsam in die literarische Zirkulation aufgenommen worden sind“ (ebd., S. 167). Anhand der Romane Am Schwarzen Berg sowie Imperium versucht sie nun aufzuzeigen, dass Merkmale des postmodernen Schreibens auch in der Gegenwart Verwendung finden.
Am Schwarzen Berg ist seiner Struktur nach gekennzeichnet durch ein multiperspektives Erzählen, zahlreiche Analepsen sowie durchgehende intertextuelle Verweise auf Eduard Mörike (vgl. ebd., S. 168). Sowohl die Fokalisierung als auch die Multiperspektivität haben dabei einen eher „modernen, als postmodernen Index“, da das „lineare Erzählen vielfach auf[gebrochen]“ (ebd., S .169) wird und Hahn nicht mit der für die Postmoderne typischen Nullfokalisierung arbeite. Auch das realistische Erzählen, das einer „Umweltreferenz“ (ebd.) zuzuordnen ist, widerspricht dem „selbstreferenziellen Verfahren der Postmoderne“ (ebd.).
Zuletzt widmet sich Tischel die Intertextualität in Hahns Roman, die sich einerseits durch die Zitation verschiedener Gedichte Mörikes finden lässt, andererseits in der Handlung durch die „fiktive Mörike-Biographie“ (ebd., S. 170) gegeben ist. Laut Tischel handelt es sich bei dieser Intertextualität jedoch um eine „markierte, intendierte und begrenzte“ (ebd., S. 172), was der Postmoderne, für die eine ‚globale‘ Intertextualität kennzeichnend ist, nicht entspricht. So werden lyrische Prätexte explizit zitiert und lassen sich sinnvoll auf den Roman beziehen; es findet also kein postmodernes Spiel mit Bedeutungsvielfalt statt, sondern Hahn vereindeutigt die Lesart des Romans durch die literarischen Verweise.
Zusammenfassend könne man daher sagen, dass man bei Hahn „Rückgriffe auf typisch moderne Erzählverfahren erkennen“ (ebd., S. 173) kann, wobei besonders das „multiperspektivische Erzählen und die Tendenz zu Rückwendungen zu nennen“ (ebd.) sind. Aber auch die „Intertextualität wird modern, zumindest aber unironisch gebraucht“ (ebd.). Hahn schlage somit einen „Bogen über die Postmoderne hinweg zurück in die literarische Moderne“ (ebd.).

» Autor*innenstartseite