Pressespiegel

Mängelexemplar
Sarah Kuttners Debütroman Mängelexemplar (2009) wird in der Presse vielfach besprochen. Das könnte daran liegen, dass Kuttner mit der im Roman besprochenen Thematik von Depressionen und Panikattacken eine Diskussion um psychische Krankheiten eröffnet. Depressionen sind zu dieser Zeit gesellschaftlich kein Tabuthema mehr, allerdings schafft es Kuttner durch ihren Roman die Krankheit nicht mehr Abstrakt erscheinen zu lassen. Gleichzeitig bestürzt die Krankheit Depression die Gesellschaft im Jahr 2009 etwa durch den Suizid des Profi-Fußballers Robert Enke, der an dieser Krankheit litt. Kathrin Buchner (Stern Online, 11.03.2009) bezeichnet diese Thematik von psychischen Krankheiten als wiederkehrendes Problem der Generation der über 30-Jährigen, besonders der der emanzipierten Frauen, die sich gleichzeitig stark nach Zuneigung sehnen, sich aber selbst finden müssen. Bei der Suche einer 30-Jährigen nach dem eigenen Ich, wird Kuttner in fast allen Rezensionen mit der Autorin Charlotte Roche verglichen, zwei Autorinnen mit ähnlichen beruflichen Lebensläufen. Sie beginnen ihre TV-Karriere als Moderatorinnen bei dem Musiksender VIVA. Beide veröffentlichen ihre ersten Romane in einem Zeitraum von einem Jahr. Thematisch behandeln sie ähnliche Aspekte: Selbstzweifel, Depression und gesellschaftliches Versagen durch genderspezifische Erwartungen. Überwiegend Beachtung findet Kuttner in der Presse durch ihre einfache Sprache, die die Depressionen und panischen Ängste für den/die Leser*in greifbarer scheinen lassen. Kathrin Buchner (Stern Online, 11.03.2009) lobt ihre klaren Formulierungen. Die Beobachtungen und Reflexionen der Protagonistin ermöglichen es Arne Willander (Die Welt, 12.04.2009) die Entwicklungen einer Depression nachzuvollziehen. Das Besondere an Mängelexemplar sei die Sprache- so etwa Ursula März (Zeit Online, 8.04.2009), die Kuttner bei  ihrem dritten Roman für ihre Sprache kritisiert, lobt noch 2009 den Jargon, von dem Kuttners Debütroman lebt. Kristina Maidt-Zinke (Süddeutsche Online, 17.05.2010) kritisiert hningegen Kuttners Jargon, ihre Sprache sei überfüllt mit Anglizismen und es benötigt einen Code für Leser*innen, die die Jugendsprache nicht beherrschen.

Wachstumsschmerz
Kurrtners zweiter Roman Wachstumsschmerz findet große Beachtung in der Presse, besonders weil Kuttner sich mit einer Thematik beschäftigt, die viele Menschen, die älter als  30 Jahre sind, vielleicht nicht nachvollziehen können. DIe in dem Roman thematisierte Quarterlife Crisis ist die Unsicherheit und Angst darüber, zu viele Möglichkeiten zu haben. Zu viele Chancen können lähmend wirken, meistens werden sie aber mit dem Gefühl von Freiheit verstanden. Sich ständig selbst zu optimieren, bedeutet Stress zu haben und sich selbst unter Druck zu setzten. Genau dieses Paradoxon ist Kuttners Leitthema in Wachstumsschmerz. Und dieses Thema ist auch der Schwerpunkt in den Rezensionen zu Kuttners Roman. Die Hannoversche Allgemeine beschreibt die unterschiedlichen Auffassungen der unbegrenzten Möglichkeiten als Generationsproblem und als Tabuthema. In der Generation Kuttner sei jung zu bleiben, aber kein Problem mehr, da es die Gesellschaft einfordere: „Würdevoll erwachsen werden aber? Ist fast unmöglich geworden“ (Hannoversche Allgemeine, 29.11.2011). Gerrit Bartels (Süddeutsche Online, 13.12.2011) und Anna Maria Wallner (Die Presse, 12.12.2011) bezeichnen Kuttners Roman deshalb auch als Generationsroman. Damit reiht sie sich ein neben die Autorinnen Antonia Baum, Nina Pauer oder Meredith Haaf. Bartels nimmt die Probleme dieser Generation allerdings als Luxusprobleme wahr.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt die Presse auf Kuttners Protagonisten. Andrea Diener (Frankfurter Allgemeine, 2.12.2011) kritisiert, dass Kuttner mit ihrer Thematik zwar einer Generation aus der Seele spreche, die Handlung und Protagonisten Karo und Flo aber zu eintönig sei. Diener bezeichnet sie sogar als Menschenhüllen: „Das Paar lebt sich auseinander und trennt sich. Es tut das, was Millionen anderer Paare tun, es streitet und heult, es zappelt und resigniert, die Gründe sind langweilig und die Folgen absehbar. Luise zickt, Flo leidet stumm. Frauen halt, Männer halt. Dazu ein Haufen falscher Vorstellungen. Es ist so unendlich normal und öde. Und traurig.“ Dabei ist Diener die Figur der Karo zu sehr angelehnt an Kuttners erster Protagonistin im Roman Mängelexemplar und sie findet die Art der Protagonistin Karo anstrengend zu lesen. Auch Anna Maria Wallner (Die Presse, 12.12.2011) bezeichnet die Handlung als „so belanglos und sprachlich uninspiriert erzählt, dass sie einen nicht mitreißt, keine neuen Fragen aufwirft.“ Kuttner schaffe es nicht die Frage zu beantworten, warum sich die Generation um die Protagonistin von den unbegrenzten Möglichkeiten im Leben unter Druck gesetzt fühlt.  

180° Meer 
Im Presseurteil befindet sich das gesamte Spektrum von sehr negativen bis überaus positiven Beurteilungen. Die Rezensionen zu 180° Meer (2016) lassen im Wesentlichen zwei Schwerpunkte erkennen. Wird Kuttners Roman Mängelexemplar noch als gut zu lesendes Buch mit einfachen Sprachstil gelobt, blickt die Presse bei 180° Meer kritischer auf Kuttners Wortwahl und ist sich mit seiner Bewertung nicht einig. Das mag daran liegen, dass Kuttner mit ihrem dritten Roman inhaltlich keine Unterschiede zu ihren letzten beiden Romanen anbietet, deshalb fokussiert die Presse die Betrachtung auf die Sprache. In der Presse entsteht die Diskussion, ob Kuttners Wortwahl zeitgenössischer Jugendsprachstil sei, oder literarisch ein sehr niedriges Niveau aufweist. Ursula März (Zeit Online, 12.05.2016) kritisiert dabei drastisch ihren Schreibstil: „Entweder kam der neue Roman von Sarah Kuttner mit dem Titel 180° Meer nie auf den Tisch eines Lektors. Oder er wurde unter der kulturpessimistischen Prämisse lektoriert, die vermutlich jüngere Leserschaft Sarah Kuttners ließe sich nur auf einem sehr schrägen Stil- und Sprachniveau erreichen“. Die Rezensentin bekennt, dass sie sich aufgrund der Stilblüten weder auf die Handlung konzentrieren noch das Seelenleben der Protagonistin verfolgen konnte. Kuttners Wortwahl gleiche der eines neun Jahre alten Kindes. Philipp Haibach (Welt Online, 21.01.2016) geht so weit zu sagen, dass ihre Sprache „unzureichendes, enervierendes Geplapper“ ist. Kathleen Hildebrand (Bücher.de, 12.04.2016) bezeichnet ihr Werk als „kluge Unterhaltung“, aber auch als „Dampfgeplauder“. Ronald Meyer-Arlt (Hannoversche Allgemeine, 30.03.2016) hingegen findet Kuttners Sprache schonungslos, verspielt und originell. Dies sei eine Kombination, die im Roman gut funktioniere. Sarah Kuttner schaffe es mit ihrer Sprache die Charaktere im Roman gelungen wiederzugeben. Vienna Online (Vienna Online, 17.01.2016) lobt und kritisiert Kuttners Charakterbeschreibungen, da sie einerseits brillant formuliert seien, die Charaktere sich aber nicht weiter entwickeln. Als Beispiel dafür wird der Freund der Protagonistin angeführt; in Kuttner Roman heiße es: „Er bildet gern Paare. Wenn es zwei bewegliche Komponenten in der unmittelbaren Nähe voneinander gibt, sollen sie miteinander verbunden sein. Bestenfalls mit einer Schleife” (S. 22). Gelobt wird, dass die losen Enden und Tims Wunsch, alles zusammenzuhalten, immer wieder im Roman auftauchen. Dass sich die Figuren im Roman nicht weiterentwickeln, kritisiert hingegen die Tiroler Tageszeitung (Tiroler Tageszeitung, 01.02.2016) und begründet damit, dass der Roman den/die Leser*in nicht packt.
Ein zweiter Schwerpunkt in der Presse sind Kuttners Beschreibungen der Emotionen der Protagonistin Jule. Die inneren Monologe sind zentrale Aspekte in allen Romanen Kuttners und führen zu unterschiedlichen Beurteilungen in der Kritik. Das Hamburger Abendblatt (Hamburger Abendblatt, 19.01.2016) kritisiert Kuttners immer wiederkehrende Monologe. Diese hemmen die Handlungsstränge. Die inneren Monologe bezeichnet Vienna Online (Vienna Online, 17.01.2016) als eignes Genre, typisch für die Gefühlswelt der Generation, der über 30-Jährgen, die innerlich unzufrieden und auf der Suche nach Orientierung seien. Trotzdem führen sie nicht dazu der Handlung Tiefgang zu verleiten. Spannung oder Interesse an den Protagonisten kommen nicht auf. Philipp Haibach (Welt Online, 21.01.2016) findet an den Gefühlsbeschreibungen von Jule nichts Positives. Von einer ehemaligen Moderatorin einen tragenden inneren Monolog oder aber eine interessante Handlung zu erwarten, sei unfair. Doch kommt er zu dem Schluss, dass die inneren Ausführungen der Protagonistin Küchenpsychologie sind und verreißt Kuttners dritten Roman. Auch Britta Heidemann (Der Westen, 12.01.2016) kommt zu dem Schluss, dass Kuttner mit ihren inneren Monologen zu sehr an der Oberfläche bleibt.

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