Kurzbiographie

Feridun Zaimoglu (eig. Zaimoğlu), am 4.12.1964 in Bolu/Türkei geboren, kommt 1965 mit seinen Eltern nach Deutschland, wo sie zunächst in Berlin leben. 1970 folgt der Umzug nach München. Nachdem er das Abitur als Jahrgangsbester abgeschließt, nimmt er 1985 zunächst ein Medizinstudium auf, wechselt jedoch bald das Studienfach und beginnt ein Kunststudium, welches er ebenfalls nicht abschließt. Kanak Sprak, 1995 im Rotbuch Verlag veröffentlicht, ist sein erster Erfolg und etabliert ihn als 'enfant terrible' der deutschen Literaturszene. Es folgen zahlreiche Beiträge für Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien und Interviews. Seine Lesereisen erreichen aufgrund ihres performativen Charakters Kultstatus. Unter anderem schrieb und schreibt er für die Welt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Zeit und die Frankfurter Rundschau, regelmäßig für Spex und er war Kolumnist für das Zeitmagazin. Er ist häufig Gast in Talkshows und Diskussionsrunden. Mit seinem Auftritt in der Talkshow Drei nach Neun (NDR) im Jahre 1998 und sorgt er für Irritation in der Talkrunde, in der sich unter anderen Heide Simonis, Norbert Blüm und Harald Juhnke befinden. Besonders die damalige Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, Heide Simonis, reagiert mit Unverständnis und warf Zaimoglu vor, sich mit seiner „menschenverachtenden Sprache“ im Ton zu vergreifen und damit deutsche Integrationsbemühungen ebenso wie sein eigenes „türkisches Erbe“ zu verraten. Er ist einer der Mitbegründer der aus Kanak Sprak entstandenen pan-ethnischen sozial-kulturellen Bewegung Kanak Attak.
Zaimoglu betätigt sich zudem als Theaterregisseur und Verfasser von Bühnenstücken. 1999 bis 2000 ist er unter Bruno Klimek Theaterdichter am Nationaltheater Mannheim. Gemeinsam mit dem 1958 in Neumünster geborenen ehemaligen Buchhändler und Drehbuchautoren Günter Senkel verfasst er seit 2000 bundesweit aufgeführte Theaterstücke und Drehbücher als Auftragsarbeiten, welche zum Teil sehr gut rezipiert und oft kontrovers diskutiert werden. Das Drehbuch der Verfilmung seines Romans Abschaum. Die wahre Geschichte von Ertan Ongun unter dem Titel KANAK ATTAK verfasst er selbst. Mit Thomas Röschner dreht er 1997 den Film DEUTSCHLAND IM WINTER – KANAKISTAN. EINE RAP-REPORTAGE. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller, Regisseur und Journalist widmet er sich der Malerei; seine Werke waren in mehreren Ausstellungen in Kiel zu sehen. Mit seiner Fahneninstallation Kanak Attak. Die dritte Türkenbelagerung (7.-28.3.2005 in der Kunsthalle Wien) erregt er international Aufsehen. Im Sommersemester 2004 hat er die Samuel-Fischer-Gastprofessur an der Freien Universität Berlin inne, in dessen Rahmen er die Gesprächssammlung Literature to go veröffentlichte. 2003 ist er Inselschreiber auf Sylt, 2005 Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Seine Werke werden in mehrere Sprachen übersetzt, unter anderem ins Italienische, Türkische, Französische und Hebräische.
Ebenso umstritten wie sein Werk ist auch seine Person als Schriftsteller. Als bekanntester deutscher Autor türkischer Abstammung macht er in den neunziger Jahren durch seine kämpferische Haltung („Zur Schönheit gehört der Fight, und zum Fight gehört Schönheit“; Winkelmann 1999, S. 29) und seinen Widerstand gegen Identitätszuschreibungen („Dieses Schwindelwort von der Identität ist der Dreh- und Angelpunkt des westlichen Bewusstseins. Bullshit! Es gibt keine Identität. Wurzeln, Verortung, alles Dreck. Identitätskrise, lächerlich. Was es gibt, sind wir. Die Kanaksta. Und wir werden uns zeigen. Wir werden auffällig werden. Es geht ab... Kanak Attak!“; Lottmann 1997) von sich reden. Provokation gehört zu seinem Konzept, er bekennt sich zu seiner Wut über die deutschen Zustände (vgl. Topcu/Ulrich) . Für einige ist er deshalb „der einzige politische Autor deutscher Sprache“ (Tuschick 1998). Sein politischer Anspruch richtet sich gegen den besonders im Zuge der Wiedervereinigung zu Tage getretenen Rassismus sowie gegen einen liberalen Multikulturalismus und eine pauschale Verurteilung des Islam. Im Zuge seiner Theaterarbeit und als Reaktion auf den 11. September 2001 outet er sich 2006 als „deutscher Muslim“ (anonym 2006), der Gleichberechtigung für Deutschlands Muslime fordert und hysterische Debatten ablehnt. Infolgedessen tritt er im selben Jahr von der zweiten deutschen Islamkonferenz zurück und wendet sich gegen die dort (vermeintlich) vorherrschende Exklusivität säkularer Standpunkte. Neben seiner Kritik an Islamkritikerinnen wie Necla  Kelek und Seyran Ateş fordert er die Einbeziehung gläubiger Muslima. Gegenüber der Islamischen Zeitung bekennt er 2006: „Mein Glaube ist zentral und diesen Glauben will ich immer wieder ins Spiel bringen.“ Zugleich betont er jedoch auch immer seine Liebe zu Deutschland, zur deutschen Sprache und Literatur sowie die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Kiel, in der er seit 1985 lebt.

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