GEOMETRIEUNTERRICHT MIT COMPUTEREINSATZ IN DER GRUNDSCHULE

Wilfried Schwirtz

Das Programm IGEL als Werkzeug im Geometrieunterricht

 Das Programm IGEL ist wesentliche Komponente der Entwicklung von Geometrieunterricht mit integriertem Computereinsatz . Es ist nicht nur Zeichenwerkzeug der Kinder sondern auch Werkzeug des Unterrichts neben den üblichen Materialien und Aktivitäten. Lehrende können Aufgabendateien selbst erstellen und im Lehrermodus abspeichern. Die Bearbeitungen der Kinder werden von diesen gespeichert und können später geladen und eingesehen werden. Es wird nicht nur das fertige Bild mit dem vom Kind eingegebenen Ergebnistext gezeigt, sondern man kann zusätzlich den Entstehungsprozess des Lösungsbildes im Protokollmodus analysieren.

Erstes Zeichnen einer drehymmetrischen Figur

Gegeben ist das offene Drehfeld 60° und die Ausgangsfigur in einem Segment des Feldes. Als Hilfe steht ein Arbeitsblatt mit der gleichen Aufgabe zur Verfügung, jedoch ist die Ausgangsfigur zusätzlich als drehbares Duplikat über der Ausgangsfigur vorhanden. Dieses wird um 60° gedreht und anschließend in das entsprechende Segment am Computer eingezeichnet. Dann wird erneut weitergedreht und gezeichnet usw.

Die Kombination von Handlung und Zeichnung am Computer dient der operativen Begriffsbildung von 'drehsymmetrisch' als Eigenschaft einer Figur durch Herstellung eines Repräsentanten des Begriffs.

 

Die Kinder zeichnen mit dem Programm, indem sie einem Zeichenroboter ('Igel') über die Tastatur Befehle erteilen. Dieser führt die Befehle in einem Punktraster (Gitter) aus. Durch die Beschränkung auf das Gitter wird eine für Kinder überschaubare geometrische Welt erschlossen, die mit fast allen Themen der Grundschulgeometrie unmittelbar verbunden ist und damit eine integrierende Basis dieses Lernbereichs sein kann.

 Abzeichnen, Zerlegen und Nachbauen eines Würfelkörpers


Gegeben ist ein unzerlegter Würfelkörper im Schrägbild, er soll zunächst abgezeichnet werden, um eine genauere Erfassung der Struktur beim Kind zu erreichen.

 
Dadurch wird es leichter, den Würfelkörper in Einheitswürfel zu zerlegen, deren Anzahl zu bestimmen und parallel den Körper zu bauen. Passende Würfelstangen stehen zur Verfügung.

 
Am Computer werden die einzelnen Würfel mit wechselnder Farbe gefärbt, wobei an ein und demselben Würfel immer nur eine Farbe erlaubt ist. Dies zwingt zur Identifizierung der sichtbaren Seitenflächen jedes Würfels.

 

 

Weitere Informationen zum Programm IGEL

 

Eine Demoversion des Programms erlaubt die Erprobung aller Funktionen der Vollversion, jedoch fehlen die Aufgaben für den Unterricht und es können nur maximal fünf Bilder gespeichert werden. Die Bedienungsanleitung sollte bei der Erprobung hinzugenommen werden sowie der Text 'Mathematische Grundlagen der Gittergeometrie'. Die Vollversion des Programms IGEL enthält den Namenseintrag der Schule (Schullizenz) oder der Lehrerin/ des Lehrers (Lehrerlizenz) und kann zusammen mit umfangreichem Material zur Verfügung gestellt werden. Verwenden Sie das angegebene Bestellformular.

 

Downloads:

info.zip                        Vorführung zum Programm IGEL und seinem Einsatz im Unterricht
                                   (ca. 70 Min.)

igel.zip                        Demoversion des Progamms IGEL in der Version 6.0

bestellg.pdf                 Bestellformular der Vollversion

anleitg.pdf                   Bedienungsanleitung

themen.pdf                 Themen aus einem Modellversuch in einer 4. Grundschulklasse

grundlg.pdf                 Mathematische Grundlagen der Gittergeometrie

gitter.pdf                     PDF-Datei zum Druck von Gitterpapier

 

Die Textdateien können auch aus dem Browser unmittelbar gedruckt werden, der Acrobat Reader muss auf Ihrem Computer installiert sein. Die ZIP-Dateien downloaden Sie in vorbereitete Ordner (z.B. C:\info\ bzw. C:\igel\). Extrahieren Sie anschließend den Inhalt in den jeweiligen Ordner und öffnen Sie info.exe bzw. igeldemo.exe.

 

Didaktische und lernpsychologische Gesichtspunkte zum Igelprogramm

 

Das Gitter als Zeichenoberfläche

 

Eine didaktische und speziell auch lernpsychologische Bewertung der Möglichkeiten eines Geometrieunterrichts, der das Programm einsetzt, muss von den folgenden beiden Tatsachen ausgehen:

Gezeichnet werden nur gerade Linien als spezielle Punktverbindungen in einem Raster aus regelmäßig angeordneten Punkten. Geschlossene Flächen können gefärbt werden.

Die Zeichnung und Färbung wird am Computer von einem gerichteten Zeichenroboter (Igel) ausgeführt, in den die Kinder sich hineinversetzen müssen um ihm die passenden Befehle geben zu können. Der Roboter arbeitet schrittweise, wobei jeder Schritt durch einmaliges Drücken einer Taste ausgelöst wird. Es gibt den Zeichenschritt in Blickrichtung des Igels, die Drehschritte linksherum oder rechtsherum, verschiedene Springschritte je nach gewünschter Richtung und die Färbbefehle.

 

Es werden zwei Typen von Punktrastern verwendet: Das Quadratraster besteht aus Punkten in Quadratanordnung, das Dreiecksraster aus Punkten in Dreiecksanordnung. Die jeweilige Grundfigur ist im ersten Fall das Quadrat, im zweiten Fall das gleichseitige Dreieck.

 Quadratgitter  Dreiecksgitter

Ein Punkt kann nur mit den im Bild dargestellten anderen Punkten verbunden werden. Es gibt daher in jedem der beiden Gitter nur den kleinen Zeichenschritt s und den großen g. Sitzt der Igel auf dem im Bild gekennzeichneten Punkt, so hat er genau eine der durch die Strecken realisierten Richtungen als Blickrichtung. Soll er sich um einen rechten Winkel drehen, so ist eine der Drehtasten 2-mal (Quadratgitter) oder 3-mal (Dreiecksgitter) zu betätigen. Nach Kennzeichnung des rechten Winkels als 90°-Winkel sind alle Winkel des jeweiligen Gitters in ihrer Größe ebenso 'ablesbar' wie die Längen der Strecken als Zahl kleiner oder großer Igelschritte, da die Gitterpunkte durch kleine Pluszeichen markiert sind.

 

 

 

Didaktische Aspekte des Zeichnens im Gitter

 

Die folgenden Abbildungen zeigen zwei Möglichkeiten der Winkelbestimmung bei Figuren im Gitter. Im ersten Fall wird der Igel schrittweise durch den Winkel gedreht und die Anzahl der Drehschritte ermittelt, im zweiten Bild sind Teilungslinien gezeichnet, aus denen sich die Anzahl der Drehschritte ergibt. Drehung oder Teilungslinien können (und sollten) von den Kindern auch nur in der Vorstellung genutzt werden um die Winkelgröße zu gewinnen.

 

 Messung eines Winkels im Parallelogramm: 3 Drehschritte = 135°

 Winkelbestimmung mit Hilfe von Teilungslinien: 4 mal 30° = 120°

 

 

Da alle Winkel im Gitter bestimmbar sind, besteht die Möglichkeit, geometrische Figuren nach Seiten und Winkeln einschließlich Winkelsumme zu überprüfen, wobei Kinder mathematisch exakte Begründungen geben können, die auf der Gitterstruktur basieren, siehe auch grundlg.pdf.

Dies gilt auch für den Flächenvergleich von Figuren, der durch Zerlegen und zuordnendes Färben im Sinne der mathematischen Zerlegungsgleichheit durchgeführt wird.

 
 
                              Flächenvergleich durch Zerlegen und zuordnendes Färben


 

 

Neben einem operativen Zugang zu Grundideen wie Länge, Winkel, Fläche, Volumen bietet das maßstäbliche Vergrößern und Verkleinern einen ersten formel- und symbolfreien Zugang zur mathematischen Idee der Ähnlichkeit. Beim Vergrößern wird das quadratische Flächenwachstum ebenso erfahren wie das kubische Anwachsen des Volumens von Würfelkörpern (hierzu themen.pdf).

 

 
 

Volumenwachstum beim maßstäblichen Vergrößern

 

Ein nützliches Thema ist die Erzeugung symmetrischer Figuren aus einem Ausgangsmotiv durch Verschieben, Drehen oder Spiegeln an einer oder zwei zueinander senkrechten Achsen. 

 

   Erzeugung einer drehsymmetrischen Figur durch Hinzufügung gedrehter Bilder des Motivs

                                                 (drehsymmtrisches Ergänzen)


 

 

Bei jedem Zeichnen wird das Erfassen von Lagebeziehungen trainiert, insbesondere: Seiten: links von, rechts von; Drehsinn: rechtsherum, linksherum; Stärke der Drehung: für jeden Drehschritt 45° bzw. 30°; Streckenlängen: Anzahl der kleinen oder großen Schritte.

 

Lernpsychologische Aspekte des Zeichnens im Gitter

 

Die Igelsteuerung über Tasten verlangt eine intensive geistige Auseinandersetzung mit der Situation, allein schon um überhaupt sinnvoll zeichnen zu können. Die damit ausgelöste geistige Inanspruchnahme überträgt sich auf die Auseinandersetzung mit der geometrisch mathematischen Aufgabe. Die Rolle des Computers ist es somit, den Verinnerlichungsvorgang voranzubringen. Natürlich sollten alle Aufgaben zusätzlich auch auf Gitterpapier gelöst werden. Es ist jedoch in mehrfacher Hinsicht notwendig, den Computer zur Verfügung zu haben: Zunächst ist die Einhaltung der Zeichenregel auf Papier nicht selbstverständlich. Zum anderen besteht nur beim Computer die Möglichkeit, schon Gezeichnetes in beliebigem Umfang rückgängig zu machen. Dies fördert die kritische Prüfung durch die Kinder erheblich. Schließlich ist der Winkelbegriff nur über die Drehung des Igels zugänglich und quantifizierbar. Generell gilt: Die am Computer aufgebauten Vorstellungen werden zum Arbeitsblatt (und darüber hinaus) 'mitgenommen'.

 

Geometrieunterricht als mathematischer Unterricht

 

Wie der Arithmetikunterricht sollte auch der Geometrieunterricht in der Grundschule den Anspruch erheben können, mathematischer Unterricht zu sein. Hierzu kann der Einsatz des Igelprogramms einen deutlichen Beitrag leisten. Allerdings reicht es nicht, den Kindern das Programm zur Verfügung zu stellen. Es ist ein Werkzeug des Unterrichts und verlangt die mathematikdidaktische Kompetenz der Lehrenden, die die mathematischen Inhalte vorbereiten, klare Fragestellungen entwickeln und nach Realisierung am Computer begrifflich aufarbeiten.

 

 

Literatur zum Igelprogramm (Auswahl)

 

Schwirtz, W.: Maßstäbliches Verändern im Gitter mit Computereinsatz. Grundschule 27 (1995) 10, 29-32

Schwirtz, W. & Bruchhausen, M. & Dzewas, Ch.(1998): Zur Aufarbeitung arithmetischer Defizite mit Computerunterstützung. Sache-Wort-Zahl 26 (1998) 14, 48-53

Schwirtz, W. (1995): Lernpsychologische und didaktische Effekte des Computers als Zeichenwerkzeug in der Primarstufe. In Müller, K.P. (Hrsg.): Beiträge zum Mathematikunterricht 1995 (S. 432-435). Hildesheim

Schwirtz, W. (2002): Geometrieunterricht mit integriertem Computereinsatz in der Grundschule. In: Abele, Albrecht und Selter, Christoph (Hrsg.): Mathematikunterricht zwischen Tradition und Innovation, (S. 347-371), Weinheim und Basel

Farbiger Sonderdruck des Artikels im PDF-Format (komprimiert) zum Download: sodruck1.pdf

Schwirtz, W. (2003): Zeichnen im Gitter als Basis geometrisch-mathematischer Förderung. In: Hefendehl-Hebeker, Lisa und Hußmann, Stephan (Hrsg.): Mathematikdidaktik zwischen Fachorientierung und Empirie. Festschrift für Norbert Knoche, (S. 202-213), Hildesheim und Berlin
Farbiger Sonderdruck des Artikels im PDF-Format zum Download: sodruck2.pdf