Psychiatrische Behandlung und Delinquenzentwicklung bei gemäß § 63 StGB untergebrachten Schizophrenen vor Begehung des Anlassdeliktes

Prof. Dr. med. Norbert Leygraf, Dipl.-Psych. Kristina Piontek, Dr. med. Sven-Uwe Kutscher (externer Projektberater)

Kooperationskliniken:

  • Alexianer Krankenhaus Köln
  • LVR-Klinikum Düsseldorf
  • LVR-Klinikum Essen
  • LVR-Klinikum Köln
  • LVR-Klinik Bedburg-Hau
  • LVR-Klinik Langenfeld
  • LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn
  • LWL-Klinik Münster
  • St. Rochus-Hospital Telgte
  • Stiftung Tannenhof (Remscheid)

Zusammenfassung:

Eine kleine Subgruppe schizophren Erkrankter weist gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko auf, schwere Gewaltdelikte und andere Straftaten zu begehen. Bisher besteht kein ausreichendes Wissen darüber, anhand welcher Charakteristika man diese Hochrisikogruppe erkennen und wie man ihrer krankheitsbedingten Gefährlichkeit kriminalpräventiv begegnen kann.
In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Untersuchung wurden im Jahr 2006 durch das Institut für Forensische Psychiatrie Charakteristika von 531 schizophrenen Patienten des Maßregelvollzugs des Landes NRW erfasst. Rund 80% der schizophrenen Patienten befanden sich bereits vor der Unterbringung (gem. § 63 StGB) in einer allgemeinpsychiatrischen Behandlung und wiesen eine hohe medikamentöse Non-Compliance auf. Darüber hinaus zeichneten sie sich durch eine hohe Vorstrafenbelastung mit frühem Delinquenzbeginn und durch eine hohe Komorbiditätsbelastung aus.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich eine Subgruppe Schizophrener bereits vor dem Anlassdelikt durch bestimmte Risikofaktoren auszeichnet. Die aktuell am Essener Institut durchgeführte DFG-Folgestudie untersucht gem. § 63 StGB untergebrachte Schizophrene hinsichtlich ihrer Krankheitsentwicklung, Behandlungshistorie und Vordelinquenz. Um ein umfassendes Bild des bisherigen Behandlungsweges zu skizzieren, werden ambulante/stationäre Vorbehandler, ggf. gesetzliche Betreuer und Bewährungshelfer, zu Behandlungsschwierigkeiten und Warnhinweisen befragt. Bisher bekannte klinische und statische Risikofaktoren für eine zukünftige Delinquenz sollen durch den Vergleich mit einer Kontrollgruppe schizophrener Patienten aus der Allgemeinpsychiatrie wissenschaftlich überprüft werden, um geeignete kriminalpräventive Interventionsstrategien abzuleiten. Diese Präventionsmaßnahmen sollten bei solchen Patienten zur Anwendung kommen, die neben einer schizophrenen Grunderkrankung Risikofaktoren für eine forensisch relevante Delinquenz aufweisen. Die Behandlungsmaßnahmen sollten zukünftig prospektiv hinsichtlich ihrer Effizienz in einer kontrollierten Studie untersucht werden.

Förderung:

seit 2006 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Le 519/5-3), letzter Förderungsabschnitt 10/2007-09/2009, aktueller Förderungsabschnitt von 10/2009-09/2011.

Literatur:

  • Habermeyer E, Wolff R, Gillner M, Strohm R, Kutscher S (2010). Patienten mit schizophrenen Störungen im psychiatrischen Maßregelvollzug, Nervenarzt, 81, 1117-1124.
  • Piontek K, Kutscher S (2010). Straffälligkeit schizophrener Patienten – Überraschende Anlasstat aus dem Nichts? In: Saimeh, N. (Hrsg.) Kriminalität als biografisches Scheitern, Psychiatrie-Verlag, Bonn, 85-95.
  • Kutscher S, Schiffer B, Seifert D (2009). Schizophrene Patienten im psychiatrischen Maßregelvollzug (§ 63 StGB) Nordrhein-Westfalens: Entwicklungen und Patientencharak-teristika, Fortschritte Neurologie Psychiatrie, 7, 91-96.
  • Dönisch-Seidel U, van Treeck B, Geelen A, Siebert M, Rahn E, Scherbaum N, Kutscher  S (2007). Zur Vernetzung von forensischer Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie, Recht und Psychiatrie, 25, 183-187.
  • Kutscher S, Seifert D (2007). Zur aktuellen Situation schizophrener Patienten im Maßregel-vollzug gemäß § 63 StGB in Nordrhein-Westfalen, In: Saimeh, N. (Hrsg.) Maßregelvollzug in Zeiten ökonomischer Begrenzung, Psychiatrie-Verlag, Bonn, 130-137.
  • Kutscher S, Möller-Mussavi S, Seifert D (2006): Schizophrene Psychosen im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB: Legalprognose entlassener Patienten und aktuelle Entwicklungen. In: Saimeh, N. (Hrsg.) Gesellschaft mit (un-) beschränkter Haftung, Psychiatrie-Verlag, Bonn, 201-208.

Leitung

Prof. Dr. med. Norbert Leygraf

Kontakt
Dipl.-Psych. Kristina Piontek
Dr. med. Sven-Uwe Kutscher (externer Projektberater)

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