Gender-Marketing

Gender-Marketing – Schwer lukrativ oder leicht verwerflich?

„Die Revolution frisst ihre Kinder" - ist es auch so bei der Emanzipation der Frau? Mit ihrer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung verfügt sie über ihr eigenes Einkommen. Die Frau wurde frei und mit beziehungsweise gerade wegen ihrer Befreiung kamen die Kosmetik- und Reizwäschebranche in ein goldenes Zeitalter. Die Werbung, die zur Festlegung eines absoluten Schönheitsideals beitrug, wurde je ausgeprägter, desto mehr die Frau als Kundenzielgruppe an Bedeutung gewann. Genau so wie ihre beruflichen Freiheit und Selbstbestimmung fortan stiegen, stiegen auch die Werbemaßnahmen mit denen die Aufmerksamkeit der Käuferinnen gewonnen werden sollte.

Wo trifft man heutzutage nicht auf sich räkelnde perfekte Frauen, die im Sommer an jeder Werbetafel in Bikinis posieren. Selbst lächeln uns im Winter Frauen von jedem Plakat an...nur diesmal in Winterdessous und ohne Sonne und Meer im Hintergrund. Immer mit demselben lasziven Lächeln im Gesicht, das dir zu sagen scheint: Nimm mich!
Und damit ist natürlich die Spitzenunterwäsche gemeint.

So schaffte die Werbeindustrie durch ein aufsehenerregendes Marketing (knapp bekleidete Topmodels und makellose Werbegesichter) neue Fesseln für die gerade erst befreite Frau. Früh wurde das Kaufpotenzial der Frauen erkannt: verschiedenen Studien zufolge gehen über 80% der Kaufentscheidungen in Familien von Frauen aus.

Dies ist eins der Beispiele  für die Empfehlung eines „geschlechtersensiblen Marketings", die Kreienkramp in ihrem Buch ausspricht. Laut ihrer Aussage Kundinnen und Kunden nicht nach ihrem Geschlecht oder nach Zielgruppe zu ordnen, sollten Produktentwicklung, Vertrieb, Preispolitik und die Kommunikation an die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebenssituationen angepasst werden. Gender-Marketing sei keine Summierung aller Einzelteile sondern „begreift Kunden und Kundinnen in der Komplexität der Persönlichkeiten". Das zeigt, dass neue demografische und soziale Veränderungen beobachtet und verwertet werden.

Ein weiteres Beispiel stellt die Frauen dar, die für männlich ausgerichtete Werbestrategien bspw. im Finanz- und Lebensberatungssektor nicht empfänglich sind. Um das brachliegende Potenzial im Versicherungssektor auszuschöpfen bedarf es einer gemeinsamen Sprache, die die Finanzdienstleister erst noch erlernen müssen. Eine andere Entwicklung besteht im Hinblick auf die alleinstehenden Männer, um die 30, die sich alleine versorgen müssen. Eine extra für den Mann entworfene Waschmaschine soll die hierfür traditionelle Zielgruppe erweitern.

Die heutige Produktpalette spiegelt den Zustand der Gesellschaft wieder und gleichzeitig gibt dieses Angebot den Kunden das Gefühl in ihrer Einstellung angenommen zu sein. Diese zwei Phänomene wiegeln sich gegenseitig auf was dazu führt, dass der Konsument nicht mehr weiß, ob er seinem wirklichen Verlangen überhaupt noch nachkommt.

Nach Kreienkamp sollen alle ökonomischen Handlungen auf die Arbeitswelt, Familie und Gesellschaft ohne diese aktiv zu manipulieren, abfärben. Es soll ein Ansporn gegeben werden Normen und festgefahrene Verhaltenskodexe, also auch geschlechtstypisches Verhalten durch die Einbeziehung dieses Werkzeug Gender-Marketing zu durchbrechen.

Dennoch werden die unterschiedlichen Verhaltenweisen der Kundinnen und Kunden stark beleuchtet. Bei Frauen sollen Emotionen hervorgehoben werden, um so einen langfristigen Vertrag abzuschließen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in diesem Ansatz geschlechtstypische Unterschiede im Kommunikations- und Kaufverhalten sich zu Nutze gemacht werden um Kundenzufriedenheit zu generieren und Verkaufszahlen zu vervielfachen.

Letztendlich wird mit dieser Methode jedoch kein gesellschaftskritisches Ziel verfolgt. Die Dekonstruktion der Geschlechter mit der der Genderbegriff ursprünglich einherging rückt in den Hintergrund. Geschlechterunterschiede werden reproduziert um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Stereotypische Verhaltensmuster verschieben sich nun auf andere Zielgruppen und traditionelle werden von neuen und vielfältigere Rollenbilder überschrieben. Die Vielfalt wird nun in ein neues Korsett gesteckt.

Mit dem Gender-Management gehen weitere Entwicklungstendenzen einher:

  • Produkte werden fortschrittlicher und innovativer, gemäß der neuen Rollenbilder der Geschlechter
  • Produkte werden zukunftsfähiger und nachhaltiger, Kunden kaufen lieber mit reinem Gewissen (Social Responsability) ein
  • Produkte werden maßgeschneidert auf die Konsumentin und Konsumenten: Geschlechterspezifische Ansprache unter Berücksichtung der Verknüpfungen vieler Faktoren wie Einkommen, Bildung, kulturelle Einflüsse, Alter, Religion, sexuelle Orientierung und spezielle Fähigkeiten. All diese werden nicht mehr einzeln betrachtet sondern als Zusammenspiel aller Lebensumstände
  • Diversity-Management, der Umgang mit Vielfalt wird in den Mittelpunkt gestellt, damit werden Motivation, Zufriedenheit, Akzeptanz und Harmonie bei den Mitarbeitern gefördert

Die Autorin Lisa Hövelborn Bellido studiert Kulturwirtschaft an der UDE.

Die Seite ist im Rahmen des Blended-Learning-Seminars “Gender is […] something you do...” entstanden. Studierende haben hier im Gender-Portal Raum, ihre Arbeitsergebnisse und Lern- bzw. Forschungsinteressen vorzustellen.