Editorial

Die zweite Ausgabe der mauerschau wartet mit einigen Veränderungen auf. Zum Einen hat der Autorenkreis der mauerschau zum ersten und hoffentlich nicht letzten Mal die Grenzen der Universität Duisburg-Essen verlassen. Gegenseitige Anfragen zur Mitarbeit wechselten zwischen uns und den Universitäten Köln, Wuppertal und Nürnberg und so zeigt die zweite mauerschau nicht nur den wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Duisburg-Essen, sondern auch einen Beitrag der Universität Köln. Ebenfalls zum ersten – und hoffentlich nicht letzten Mal -  haben wir aufgrund der angebotenen Arbeiten die Auswahl unserer Texte auf kleinere essayistische Arbeiten und Rezensionen erweitert.

Wie schon bei der ersten Ausgabe hatten wir die Autoren gebeten, frei über das Thema der mauerschau zu assoziieren und dieses in ihren Texten zu bearbeiten. Überraschend für uns war, dass im Zentrum der Texte weniger der Gedanke von Krieg und Konfrontation stand, als vielmehr die Gewalt seiner medialen Vermittlung, die zum Auslöser gesellschaftlicher Diskurse führt oder die Darstellung des Scheiterns von Diskursen der Kriegsverarbeitung.

Autoren, deren Arbeit geprägt ist vom Widerstand gegen die gesellschaftliche Ordnung oder die selbst im Zentrum von Diskursen stehen, sind ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe. Das Interview mit dem Gustav-Regler Preisträger Erasmus Schöfer zeigt einen Autoren, der sich selbst als engagierter Schriftsteller versteht und mit seiner Tetralogie „Die Kinder des Sisyfos“ eine Geschichte der politischen Linken in Deutschland seit 1968 aufgeschrieben hat.

Die Redaktion der zweiten mauerschau besteht wieder aus dem germanistischen Nachwuchs der Universität Duisburg-Essen, so wie auch das ganze Projekt dem Gedanken verpflichtet ist, Jungwissenschaftlern eine Plattform zu bieten, sich selbst im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses auszuprobieren. An dieser Stelle sei auch dem wissenschaftlichen Beirat gedankt, der uns mit Rat und Tat zur Seite stand und ebenfalls Dr. Hannes Krauss, der uns bei der Vor- und Nachbereitung des Schöfer-Interviews eine große Hilfe war.  Dr. Hermann Cölfen und dem Universitätsverlag Rhein-Ruhr gilt unser Dank für ihre Unterstützung und ganz besonders Dr. Andreas Erb für seine Ratschläge und Hilfestellung.

Ralf Wohlgemuth im Juli 2008


Inhalt und Einzelaufsätze

Mark A. Halawa: Betroffene Sichtbarkeiten Abu Ghraib und die Gewalt des Blicks
Bilder „betreffen“ mittels ihrer Visibilität ihre Betrachter. Sie sind dazu imstande, Gewaltakte zu konstruieren und sichtbar zu machen. Dies zeigt sich nicht nur in der abgebildeten Darstellung von Folter, wie sie in diesem Aufsatz exemplarisch an den Bildern von Abu Ghraib dargestellt wird, sondern auch in den Subjekt-Objekt Strukturen von Schauendem und Beschautem. Der Aufsatz diskutiert diese Strukturen und setzt die Bildvermittlung in ein Spannungsfeld der Konstruktion von Macht und Gewalt.    

Alexander Weinstock: „Kein Körnchen gemeinsamer Seele“ über Widerstand und Nonkonformismus in Leben und Werk Ossip Mandelstams
Der Dichter Ossip Mandelstam ist ein aufmerksamer Beobachter der Umwälzungen seiner Zeit. Seine Dichtung ist Zeugnis eines Autors, der stets im Widerstand zu den herrschenden Bedingungen des aufkommenden Stalinismus stand und diesen Widerstand mit alles Konsequenzen für sein eigenes Leben vertritt. Nicht die Heroisierung eines nonkonformen Autors steht im Zentrum dieser Arbeit, sondern die literarische Darstellung von Widerstand in Lyrik und Prosa, die zugleich Angriff auf den sich etablierenden Stalinismus ist. 

Alice Mazurek: Literaturdebatten – differenzierte Literaturkritik oder doch nur ein Angriff auf Autoren?
Anhand der zwei großen Literaturskandale der letzten Jahre – die Heine-Preis Verleihung an Peter Handke und das SS-Geständnis von Günter Grass – vollzieht dieser Aufsatz die Prozesse von Werkbetrachtung innerhalb „eines Skandalblicks“ nach. Es wird die Frage nach Text- und Autorendiskursen aufgeworfen und in wieweit eine literaturkritische Betrachtung von Texten einer „Skandalbetrachtung“ weichen muss.

Tino Minas: Die Sprach-Auslöschung der 1977er
Das Phänomen der RAF besitzt noch heute, dreißig Jahre nach dem „deutschen Herbst“ eine hohe Brisanz. Diese Brisanz und auch das Interesse für die RAF ist unter dem Aspekt der „Sprachauslöschung“ mehrfach greifbar. Zum einen durch die Aufkündigung des Dialogs sowohl auf Seiten der Terroristen als auch auf Staatsseite, zum anderen durch die Problematik noch heute keine adäquate Möglichkeit gefunden zu haben, über den damaligen Terror zu sprechen. Anhand der frühen Dokumente der RAF werden ihr Prinzip der Sprachauslöschung nachvollzogen und die Mechanismen ihrer Anziehung diskutiert. 

Ralf Wohlgemuth: „Ich bin nicht deine Fickmaschine!” Grundsätzliche Überlegungen zur Analyse von Liedtexten am Beispiel der frühen Nina Hagen Lieder.
Dieser Essay zeigt die Diskursanbindungen der frühen Nina Hagen Texte an Geschlechter- und Sexualitätsdiskursen in der BRD der 70er Jahre. Darüber hinaus versucht er die Problematiken anzusprechen, die bei der Analyse von Liedtexten entstehen können.
 

mauerschau ::: 2/2008
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