Eine Rezension zu Martin Piekars Lyrik Ich fühle mich so Gewinner

(von Nils Koopmann)

Darf man das lyrische Ich und den Autor gleichsetzen? Bei Martin Piekar fordere ich dies vehement! Mit seiner schwarzen Gothic-Erscheinung (Kleidung, Fingernägel, Haare und Lidstrich) auf der Bühne wirken seine Texte daher authentisch. Und Martin Piekars Authentizität ist seine größte Waffe.

Schon der erste Vers schlägt ein wie eine Bombe: „Ich fühle mich so Bastard / zwischen Wüste und Oase“. Damit beginnt ein Zyklus der sich selbstbewusst „Bastard“ nennt. Das erste Gedicht bezieht sich auf ein surreales Gemälde Salvador Dalís und beschreibt das Unvermögen, nicht Teil der Gesellschaft sein zu können.

Salvador Dalí: Swans Reflecting Elephants (1937)

Das lyrische Ich kann zwar in die Gesellschaft hineinsehen, sie sogar durchschauen, doch wird es selbst Teil davon, sieht es nichts mehr. Es sieht nicht, dass „ein Elefant auch ein Schwan sein“, also selbst ein schöner Teil der Gesellschaft werden kann. Die anderen Teile des Bastardzyklus behandeln ebenso ein Zwischen-den-Stühlen-Sitzen. Mal ist es die Sprache, die nicht genutzt werden kann, um sich auszudrücken. Mal Schlaflosigkeit, mal falsche Beziehungen. „Ich bin müde. Will wieder Träume / spinnen. Ohne Fließbandangst. Teilwahnsinn“, schreibt Martin Piekar in „Bastard IIII Von Argen und von Alben“.

Zwei weitere Zyklen „Hauptbahnhof Frankfurt am Main“ und „Bedürfnis nach dir und Kirschblüte“ führen diese Gedanken und Gefühle weiter. Besonders die gescheiterte Liebesgeschichte, die in „Bedürfnis nach dir und Kirschblüte“ hervorscheint, überrascht mit Ehrlichkeit und Offenheit: „Und erst nach dir... lange nach / Sah ich die Kirschblüten / Wie Asteroiden / Auf mich fliegen“.

Martin Piekar überzeugt mit einer direkten, schönen Sprache („Sind Zungenspiele bloße Sparch-Affären“) mit interessanten Bildern und Vergleichen („jeder Chatlog hatte Dominaspuren“). Er gewann zurecht den Preis für Lyrik, da er ein etwas anderes Werk einreichte als die anderen Lyriker. Der nervige Bruder der Prosa, wie er von vielen Besuchern des open mike empfunden wird, stellte in diesem Jahr einen gefühlten Einheitsbrei dar. Auf diesem Brei sind Martin Piekars Gedichte das Kirschmus, welches für den Geschmack sorgt. Auch wenn das Mus tiefschwarz ist, so schwarz wie Martin Piekars Erscheinung.

Bibliographische Angabe:
Martin Piekar: Gedichte. In: 20. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2012. S. 123-134.