Abteilung für Didaktik der Geschichte / Forschungsprojekte

Forschungsprojekte

 

Promotionsprojekte

 

Marcel Ebers: Erfahrungen mit dem und Erwartungen an das historische(n) Lernen am Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe I: (Arbeitstitel)

Mit einem Appell für die Etablierung des historischen Lernens in der Grundschule wurde die Diskussion beendet, die den Lernenden der Grundschule die dafür notwendigen Voraussetzungen absprach. Als Ergebnis sind nun historische Themen in den Primarlehrplänen zu finden.

Unklar und von der Forschung bisher unberücksichtigt ist die Frage, wie historische Lernen in den Grundschulen verläuft. Das Promotionsvorhaben stellt diese Frage ins Zentrum ihres Forschungsinteresses. Mithilfe einer empirischen Erhebung sollen sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler zum Ende der vierten Klasse mittels eines Fragebogens zu ihren Erfahrungen und Einstellungen im Kontext des historischen Lernens in der Primarstufe befragt werden.

Durch die spezielle Konzeption des Sachunterrichts als Fächerverbund kann die Vermutung aufgestellt werden, dass es beim Übergang zur Sekundarstufe I zu einem Bruch im historischen Lernprozess kommt, und dies, obwohl beide Schulformen scheinbar auf ähnliche Konzepte, Vorstellungen und Materialien zurückgreifen. Dennoch existieren bisher keine Ideen oder sogar Untersuchungen dazu, wie das Lernen in beiden Systemen optimal miteinander vernetzt werden kann.

Daher gilt es, die in der Primarstufe gesammelten Ergebnisse, in der Auswertung in Bezug zur Sekundarstufe I zu setzen. Dazu sollen mithilfe einer ähnlichen Untersuchung die Erfahrungen während historischer Lernprozesse der Lehrenden und Lernenden erfasst werden. Von großer Bedeutung sind die Erwartungen der Lehrkräfte der weiterführenden Schulen an den Kenntnisstand der Schulabgänger. Hier gilt es zu erfragen, was die Lehrpersonen der Sekundarstufe I an Wissens- und Kompetenzvermittlung von den Grundschullehrerinnen und –lehrern fordern.Es ist angedacht, durch Interviews an beiden Schulformen einen qualitativen Blick auf die Thematik zu gewinnen und somit die Datenbasis um einen weiteren Aspekt zu ergänzen.

 

Christopher Friedburg:
Die Praxis der Geschichtskultur 2.0 – eine Untersuchung der von Nutzern eingebrachten Inhalte und Überzeugungen auf der Videoplattform YouTube

Die Informationsstrukturen geschichtskulturellen Wissens transformieren sich fortschreitend – weg von analogen Datenspeichern, hin zur digitalen Medientechnik. Die daraus resultierenden Diskussionen in der historischen Fachdidaktik werden beeinflusst von Begriffen und Konzepten der IT-Branche, die eine umfassende, wenn nicht gar revolutionäre Veränderung bestehender Anforderungen an die historischen Bildung implizieren. Sie bedienen Utopien, die sich aus erstrebenswerten Zielen wie einer fortschreitenden Demokratisierung und Diversifikation der Medienlandschaft speisen. Allerdings konnten diese Erwartungen bisher empirisch noch nicht belegt werden.
Eine dieser Annahmen besagt, dass vor allem junge Menschen im 21. Jahrhundert ihre Informationen immer weniger aus traditionellen, etablierten Bildungsinstanzen wie der Schule oder den Museen beziehen, sondern dafür die Kommunikationskanäle der so genannten „Neuen Medien“ nutzen. Vor allem das Videoportal YouTube hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Medium einer wachsenden Selbstbildungskultur entwickelt, das den Nutzern nicht nur das unkomplizierte Publizieren und Teilen von Inhalten, sondern auch die Bewertung, Rezeption und Diskussion der Angebote abseits der Aufsicht von Bildungsexperten ermöglicht.
Das Dissertationsprojekt will anhand des Exempels YouTube einen Beitrag zur Erforschung der Frage leisten, wie sich die Auseinandersetzung mit Geschichte und die Vermittlung historischer Inhalte im Zuge des „digitalen Wandels“ verändert. Für die Annäherung an dieses Desiderat orientiert sich das Promotionsprojekt an drei übergeordneten Frage-Komplexen, die es zu beantworten gilt:

  1.  Kann die Geschichtsdidaktik das Phänomen YouTube überhaupt mit dem bereits vorhandenen Theoriegebilde adäquat identifizieren, analysieren und einordnen?
  2. Auf welche Geschichts-Produkte können Heranwachsende auf der Plattform YouTube treffen? Wie ist das Angebot strukturiert, wie gehen die Beiträge mit historischen Themen um und wie werden Überzeugungen bedient? Lassen sich bestimmte Strategien identifizieren?
  3. Wie rezipieren User Geschichte auf YouTube? Welche Möglichkeiten zur Partizipation und Kommunikation bietet die Videoplattform, wie werden im dortigen Diskurs Überzeugungen generiert, kommentiert, referiert, verändert? Wie entstehen „geteilte Überzeugungen“?

Das Promotionsprojekt wählt einen möglichst realitätsnahen Ansatz für die Korpus-Erhebung und -Analyse: Die Suche nach dem bewusst verkürzten Schlagwort „Hitler“, referierend auf die historische Person Adolf Hitler, führt auf einfachstem Wege zu Content über einen historischen Gegenstand, der in den Neuen Medien auffallend häufig thematisiert wird. Um theoretischen Vorannahmen durch utopisch aufgeladene Begriffe zu entgehen, blickt das Projekt so auf die geschichtskulturelle Praxis der Online-Plattform und versucht abschließend, die anhand der explorativ-empirischen Studie gewonnenen Ergebnisse an die geschichtsdidaktische Theorie-Diskussion anzuschließen.

 

Irini Mitanoudi:
Regionalgeschichte im Geschichtsunterricht (Arbeitstitel)

Regionalgeschichtlich akzentuiertes Lernen ist für den Geschichtsunterricht besonders ergiebig, weil die dort behandelten Gegenstände an die Lebens- und Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler anknüpfen und damit einen Gegenwartsbezug herstellen.
So lautet die These, die zunächst auch plausibel erscheint, ohne dass empirische Befunde existieren, ob die damit in Verbindung gebrachten Lernerwartungen erfüllt werden.  Seit den 1970er Jahren ist die Regionalgeschichte in der Geschichtsdidaktik in die Defensive gerückt, weil man die so genannte „Heimatkunde“ verdächtigte, lediglich zur Stiftung naiver Identitäten beizutragen. Im Zuge der Diskussion um Erinnerungsorte und -kollektive ist in der Geschichtsdidaktik eine Rehabilitation der Regionalgeschichte zu erkennen. Zum einen wird der sozialräumliche bzw. psychosoziale Charakter von Raumkonstruktionen betont und zum anderen wird der Konstruktcharakter von Räumen betont. Dietmar Schiersner hat 2011 das  Potenzial der Regionalgeschichte für den Geschichtsunterricht hervorgehoben. Das neu erwachte Interesse an der Regionalgeschichte ist theoriebestimmt, indem die Region für translokale kollektive Identifikationsprozesse in Anspruch genommen wird. Davon unbenommen bleibt aber die Behauptung positiver Wirkung von regionalen Themen im Geschichtsunterricht.
Das Dissertationsprojekt untersucht deshalb, ob sich regionalgeschichtlich akzentuiertes Lernen positiv auf das historische Lernen von Schülerinnen und Schüler auswirkt. Dazu werden die Effekte auf die Motivation, das Interesse und den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler gemessen. In diesem Projekt werden auch Lehrerinnen und Lehrer, als wichtiger Faktor für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schüler, in den Blick genommen. Geschichtslehrerinnen und –lehrer werden mittels einer schriftlichen Befragung zu ihrem Regions- und Raumverständnis, zu erwarteten Lerneffekten von regional- und lokalgeschichtlich akzentuiertem Lernen und dem Einsatz der Regionalgeschichte im Geschichtsunterricht befragt. Die quantitative und qualitative Auswertung dieser Daten wird zur weiteren Hypothesenbildung genutzt. Im Anschluss werden Mental maps von Schülerinnen und Schülern untersucht, um deren Wahrnehmung von Region und Lokalität  erheben zu können. In der Hauptuntersuchung werden mit Hilfe der Ergebnisse aus der Lehrerbefragung sowie den Ergebnissen der Mental Maps Untersuchung regionalgeschichtliche Lehr- und Lernmaterialien konzipiert, im Unterricht eingesetzt und evaluiert. Durch regelmäßige qualitative Erhebungen, das Videografieren einzelner Unterrichtsphasen und das Interviewen einzelner Schüler, können Lernprogressionen, Interessen- und Motivationsentwicklung der Schülerinnen und Schüler erfasst werden. Besonders auf die eventuell wahrgenommene Relevanz und Konstruktion des Regionalen wird explizit eingegangen.

 

Sven Alexander Neeb:
Lernerunterstützung beim historischen Begriffslernen und Textverstehen durch Scaffolding-Angebote im digitalen Geschichtsschulbuch. Eine empirische Untersuchung (Arbeitstitel)

Können digitale Schulbücher die Schülerinnen und Schüler beim historischen Lernen besser unterstützen als analoge Bücher? Derzeit befindet sich das Schulbuch als „Leitmedium“ des Geschichtsunterrichts in einer kritischen Phase. Auf verschiedenen Ebenen wird darüber diskutiert, ob es in Zukunft digital sein wird. Es fehlt dieser zum Teil heftig geführten Diskussion jedoch eine empirische Basis: Das Forschungs- und Dissertationsprojekt will mit Hilfe eines in der Geschichtsdidaktik der Universität Duisburg-Essen entwickelten Prototyps eines digitalen Geschichtsschulbuchs in einer vergleichend empirischen Untersuchung überprüfen,
a) ob Unterstützungsangebote (Scaffolding), die durch das digitale Schulbuch ermöglicht werden, das historische Begriffsverstehen und damit das Verstehen von historischen Texten besser gefördert werden können als die in analogen Schulbüchern üblichen Formate und
b) ob diese Förderung nachhaltig ist, das heißt ob Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit mit dem digitalen Schulbuch Strategien zur Begriffsentschlüsselung gelernt haben.

 

Sabrina Schmitz:
Die Schulbucherzählung: ein Ort von Zukunftshandeln?

In dem Projekt geht es um Schulgeschichtsbücher, ihren Produktionsprozess und die Gestaltung von Zukunftsnarrationen in Schulbüchern. In Abgrenzung zur bisherigen geschichtsdidaktischen Schulbuchforschung wird die Inhaltsanalyse mit dem Entstehungs- und Produktionsprozess der Schulbuchnarration verknüpft. Angesichts fehlender Vorgaben in den Lehrplänen stellt dieses Projekt auf der ersten Ebene die Frage, wie die Zukunftsnarrationen inhaltlich gestaltet werden und welche Themen Eingang finden. Auf der zweiten Ebene wird der Produktionsprozess praxeologisch analysiert und gefragt wie diese besondere Form von Schulbuchnarration entsteht, in Korrektur- und Zulassungsverfahren bestätigt und im Schulgeschichtsbuch veröffentlicht wird.
Die thematische Gestaltung der Zukunftsnarrationen reicht von der Warnung vor der Eskalation von Konflikten über die Konstruktion fiktiver Bedrohungsszenarien bis zu konkreten Handlungsanweisungen für die Schülerinnen und Schüler. Zur Analyse der Inhalte wird von Basisnarrativen ausgegangen, die als geschichtliche Inhalte von hoher Bedeutung im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft und in der Geschichtsvermittlung verstanden werden. Sie stehen als gemeinsame Wissensbestände der Schulbuchautoren, Verlagsredakteure und –herausgeber sowie Schulbuchgutachter hinter den Praktiken der Schulbuchproduktion.
Im Prozess der Reproduktion gegenwärtiger Basisnarrative und deren Projektion in die Zukunft heben die Akteure die Zeitebenen Gegenwart und Zukunft auf, indem sie gesellschaftliche Vergangenheits- und Gegenwartserfahrungen zu Zukunftsdeutungen für Schüler werden lassen. Zugleich wird durch die Weitergabe dieser Deutungen die Kontingenz der Zukunft reduziert und Kontinuität der Geschichte suggeriert, um Orientierung und Sicherheit zu stiften. Schulgeschichtsbücher können somit als Artefakte, als das Produkt von Kontingenzbewältigung verstanden werden. Das Projekt untersucht im Zeitraum von 1945-2000 den Produktionsprozess von Zukunftsnarrationen deutschsprachiger Schulgeschichtsbücher. Außerdem sollen die kultusministeriellen Akten zur Schulbuchzulassung und zu Lehrplänen hinzugezogen sowie Interviews mit beteiligten Akteuren geführt werden.

 

Helen Wagner:
Vergangenheit als Zukunft?
Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln zur Bewältigung strukturellen Wandels

Das Ruhrgebiet ist als ehemals größte Industrieregion Europas seit der Kohlekrise Ende der 1950er Jahre und der Stahlkrise Ende der 1970er Jahre einem enormen wirtschaftlichen und sozialen Wandel unterworfen. Der Strukturwandel ließ nicht nur die soziale und wirtschaftliche Zukunft des Ruhrgebiets ungewiss werden, sondern er stellte die Region als solche in Frage, da sich ihr regionaler Charakter nicht durch naturräumliche, politische oder administrative Gegebenheiten definierte, sondern über die wirtschaftliche Prägung durch Kohle und Stahl. Der Niedergang dieser Schlüsselindustrien führte so zur grundlegenden Erschütterung des regionalen Selbstbewusstseins und der kollektiven Identität der Ruhrgebietsbewohner und warf die Frage auf, ob das Ruhrgebiet als Region überhaupt noch existiere und in Zukunft als solche definiert werden könne.
Zur Bewältigung der durch diesen grundlegenden Wandel als unsicher erfahrenen Zukunftsperspektive entwickelten die regionalen Akteure und Akteurinnen abhängig von ihren sozialen Positionen und Identitäten sehr unterschiedliche Haltungen und Handlungsoptionen. Sind politische, wirtschaftliche und soziale Handlungsstrategien, wie etwa Arbeitskämpfe oder Strukturprogramme, noch recht eindeutig als Reaktion auf die Krisenerfahrung des Strukturwandels zu verstehen, ist zu fragen, ob nicht auch die regionale Kulturpolitik als Zukunftshandeln gedeutet werden muss. Die Dissertation untersucht, inwiefern die geschichtskulturellen Maßnahmen, die mit der wertschätzenden Erhaltung schwerindustrieller Produktionsstandorte als Zeugnisse der Industriekultur begannen und im Kulturhauptstadtjahr 2010 gipfelten, als Reaktion auf die unsicher gewordene Zukunft einer regionalen Ruhrgebietsidentität verstanden werden können.
Neben der Erweiterung der von sozial- und politikwissenschaftlichen Ansätzen dominierten Forschung zum Phänomen des Strukturwandels im Ruhrgebiet werden auch weiterführende Fragen der Geschichts- und Erinnerungskultur aufgegriffen. Die Analyse von Geschichtskultur als Feld von Zukunftshandeln am Beispiel des Ruhrgebiets soll einen Beitrag zur Erklärung des Erinnerungs-, Museums- und Geschichtsbooms der letzten dreißig Jahre leisten. Neben Aktenbeständen zu zentralen Programmen wie der IBA Emscher Park oder des Kulturhauptstadtjahrs sollen Interviews mit Akteuren und Akteurinnen der geschichtskulturellen Landschaft des Ruhrgebiets als Quellengrundlage dienen.

 

Mareike Wickner:
Schreibförderung im Fachunterricht Geschichte (Arbeitstitel)

Denken und Schreiben stehen in einem sich wechselseitig bedingenden Verhältnis. Dies stellte unlängst Jörn Rüsen in seiner Monographie „Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft“ deutlich heraus: „Das Denken erstreckt sich in das Formulieren und Darstellen hinein und vollendet sich auch erst mit ihm“. Diese Einsicht überschneidet sich mit den Ergebnissen sprachwissenschaftlicher und kognitionspsychologischer Forschungsarbeiten über die Bedeutsamkeit des epistemischen Schreibens für den Erwerb neuer Erkenntnisse und die Vernetzung und Erweiterung von bereits vorhandenen Wissensbeständen. Nicht zuletzt die Habilitationsschrift von Olaf Hartung überträgt dies Annahme auf historische Lern- und Verstehensprozesse. Studien wie die von Michele Barricelli, Olaf Hartung, Josef Memminger und Hans-Jürgen Pandel belegen aber zugleich, dass dem Schreiben im Geschichtsunterricht bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das Schreiben fungiert hier vielmehr als Mittel zum Zweck denn als eigenständige Lernmethode zur Generierung neuer historischer Wissensbestände und zur Anbahnung komplexer Verstehensleistungen. Dies wäre jedoch eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur mit den unterschiedlichen Texten, mit denen sie im Geschichtsunterricht in Form von Quellen und Darstellungen konfrontiert werden, adäquat umgehen können, sondern vor allem auch dafür, dass sie selbst eigene Texte produzieren können, die ihnen ihr eigenes historisches Lernen und Verstehen vergegenwärtigen und es somit reflektierbar machen.
Das Dissertationsprojekt nimmt sich zum Ziel, Möglichkeiten von schreibfördernden Unterrichtsphasen für den Geschichtsunterricht auszuloten, geeignete Lehr-Lernmittel zu erarbeiten und diese zu erproben und zu evaluieren. Hierzu werden zunächst in einer umfangreichen Stichprobe Daten zum soziokulturellen Hintergrund, zur Intelligenz, zur allgemeinen Sprachfähigkeit, zum Leseverstehen, zum historischen Fachwissen und zur Schreibfähigkeit von Schülerinnen und Schülern erhoben. Die quantitative und qualitative Auswertung dieser Daten soll Aufschluss darüber geben, inwiefern sich die unterschiedlichen Schülereigenschaften und -fähigkeiten wechselseitig bedingen. Ferner lässt sich durch die Daten ermitteln, an welchen Stellen die Intervention ansetzen muss, um die Schreibfähigkeiten der Lernenden bestmöglich zu fördern und somit historische Lern- und Verstehensprozesse zielgerichtet durch geeignete Lehr-Lernmittel zu unterstützen.
Die Interventionsphase erstreckt sich über ein Schulhalbjahr und wird durch regelmäßige qualitative Erhebungen und das Videografieren einzelner Unterrichtsphasen begleitet. Somit können Lernprogressionen erfasst werden, die bei der lediglich punktuellen Überprüfung von Schreibleistungen schwerlich überprüfbar wären.
Das Projekt ist in das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Schreiben im Fachunterricht der Sekundarstufe I unter Einbeziehung des Türkischen. Eine empirische Studie zur Wirksamkeit von schreibfördernden Konzepten im Fachunterricht und im Herkunftssprachenunterricht Türkisch (SchriFT)“ eingebunden.

Weitere Informationen unter: https://www.uni-due.de/daz-daf/projektschrift.php

 

Postdoc-Projekte

Katalin Morgan:
Zeugen der Shoah

Seit September 2015 arbeitet Alexander von Humboldt Stipendiatin Katalin Morgan an einem von ihr konzipierten Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte von Prof. Dr. Markus Bernhardt an der Universität Duisburg-Essen. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt mit dem Kommunikationswissenschaftler Herrn Prof. Dr. Matthias Proske von der Universität zu Köln. Katalin Morgan erforscht, wie Lehrerinnen und Lehrer sowie Jugendliche an Schulen mit dem digitalen DVD-Bildungsmedium "Zeugen der Shoah, schulisches Lernen mit Video Interviews" arbeiten. Mit Hilfe eines ethnographischen Zuganges wird der Einsatz der DVD im Geschichtsunterricht an fünf Schule in Nordrhein-Westfalen untersucht. Die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer haben die DVDs eigenständig in ihrem Geschichtsunterricht explorativ eingesetzt.
Der theoretische Rahmen des Projekts ist multidisziplinär und verbindet geschichtsdidaktische Ansätze mit Erkenntnissen aus der Philosophie, Sprachwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Psychologie, um der Frage nachzugehen, welchen Einfluss die DVD-Reihe auf das Bewusstsein von Schuld und Verantwortung deutscher Jugendlicher als Teil ihres Geschichtsbewusstseins hat. Folgende Forschungsfragen sollen dabei berücksichtigt werden: Wie reagieren Jugendliche auf den Inhalt der DVD-Reihe? Wie rezipieren sie dieses Medium? Wie konstruiert die Erinnerung der Zeugen die heutigen Begegnungen der Schülerinnen und Schüler mit diesem Thema? Diese Fragen werden mit Hilfe systematischer Unterrichtsbeobachtungen, Lehrer- und Schülerinterviews sowie Aufgabenbearbeitungen der Schülerinnen und Schüler beantwortet. Die Daten werden diskursanalytisch systematisiert und ausgewertet. Ob die Befunde des Projekts über das Deutsche Bildungswesen hinaus zur Vermittlung von Geschichte in Kontexten, in denen Identität und Emotion eine Rolle spielen, Einfluss haben, bleibt noch zu explorieren.

Björn Onken
Die Darstellung des Achaimenidenreiches in deutschen Schulbüchern im Imperialismus (1880-1918)

Der Gegensatz zwischen Europa und Asien gehört zu den wirkmächtigsten Traditionen der europäischen Geschichtskultur. Ein wesentliches Motiv dieses Narrativs sind die Kriege zwischen dem Perserreich unter den Achaimeniden und griechischen Poleis im 5. Jahrhundert v. Chr., in denen die griechische Siege Europa vor einer asiatischen Barbarei gerettet haben sollen. Es erscheint naheliegend, dass dieses Narrativ in Schulbüchern im Imperialismus in besonderer Weise herausgestellt wird. Der Blick in die Schulbücher zeigt jedoch, dass Differenzierungen notwendig sind. Die frühen Perserkönige, allen voran Kyros, werden in den meisten Schulbüchern als erfolgreiche Herrscher präsentiert, die ein Weltreich erschaffen und effektiv verwaltet haben, was gerade in der Zeit des Imperialismus Vorbildcharakter haben konnte. Als asiatische Barbaren erscheinen die Perser in einigen Schulbüchern erst zu der Zeit, in der das Perserreich unter dem Angriff Alexanders zusammenbricht. Die Barbarentopik hat auch deshalb Schwierigkeiten mit dem Achaimenidenreich, da aufgrund der gemeinsamen indogermanischen Wurzel des Persischen und der europäischen Sprachen im 19. Jahrhundert eine biologische Verwandtschaft der Völker angenommen wurde. Im Forschungsprojekt soll es daher darum gehen, die verschiedenen Traditionsstränge des Perserbildes in den Schulbüchern aufzuspüren, zu differenzieren und einer Diskursanalyse zu unterziehen.

Weitere Forschungsprojekte

Denkort Denkmal Projekt

Die Denkmalslandschaft in Nordrhein-Westfalen hat einiges zu bieten. Von kleinen Personendenkmälern mit lokalen und regionalen Bezügen bis hin zu überregionalen Monumenten sowie Kultur- und Nationaldenkmälern sind alle typischen Denkmalsarten vertreten. Doch obwohl diese Phänomene der Geschichtskultur durch ihre öffentliche Zugänglichkeit zu einem Teil der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern werden könnten, schenken ihnen die Lernenden von sich aus selten Beachtung. Vielmehr werden sie entweder erst gar nicht wahrgenommen, oder sie lassen sich auf Grund ihrer fremdartig anmutenden Symbolsprache nur schwerlich interpretieren.
Gerade aber weil Denkmäler authentische Quellen „zum Anfassen“ sind, die auch als Stifter regionaler Identität fungieren können und gerade weil sie sich nicht von selbst erklären, sondern viele Fragen aufwerfen, kann eine längerfristige Beschäftigung mit ihnen das Interesse der Schülerinnen und Schüler binden und somit historische Lernprozesse nachhaltig anregen.
Dies ist das erklärte Ziel des zweijährigen Projektes „Denkort Denkmal – Denkmäler als Ausdruck regionaler Identität“, welches seit September 2013 als Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und dem Institut für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung (InKuR) koordiniert und durchgeführt wird. Gefördert wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung. Bereits das erste Projektjahr hat gezeigt, dass sich für die Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulformen und Jahrgangsstufen viele Lerngelegenheiten bieten, die über die Möglichkeiten des „klassischen“ Geschichtsunterrichts hinausweisen. Durch die enge Anbindung an verschiedene Kooperationspartner (u.a. Universitätsarchiv, Universitätsbibliothek, Schreibwerkstatt, Stadtarchive, Landesarchiv NRW, Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Verkehrsplanung u.v.a.) kann eine zielgerichtete und individuelle Betreuung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewährleistet werden. Gerade auf Grund dieses breiten Spektrums an Expertinnen und Experten haben die Lernenden die Möglichkeit, ihre Kompetenzen in den unterschiedlichen Bereichen der historischen Methoden weiter zu vertiefen. Im Vordergrund stehen vor allem die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der jeweiligen Denkmäler, die sich in den entsprechenden Stadtarchiven hervorragend erschließen lassen und deren Erkundung vielfach unerwartete und spannende Ergebnisse hervorbringt.
Diese und weitere Ergebnisse der einzelnen Gruppen aus den Forschungsphasen werden auf den die Projektjahre abschließenden Tagungen präsentiert. Ebenso wird ein gemeinsamer Projektband geplant, in welchem die Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern ihre Projektergebnisse präsentieren können.

Weitere Informationen unter: https://www.uni-due.de/inkur/denkort_denkmal_main.shtml

 

Digitales Schulbuch (eBook-Projekt)

Das eBook-Projekt der Abteilung für Didaktik der Geschichte am Historischen Institut der Universität Duisburg-Essen kann einerseits als Reaktion auf die Herausforderungen des „digitalen Wandels“ verstanden werden, andererseits befasst es sich mit dem Schulbuch, das als „Leitmedium“ des Geschichtsunterrichts gilt. Insofern stellt das Projekt ein zentrales Medium des alltäglichen Geschichtsunterrichts in den Mittelpunkt der Untersuchung und erkundet Wege zu seiner Optimierung.
Dem digitalen Schulbuch werden auf der einen Seite verschiedene Vorzüge zugeschrieben, die Nachteile der herkömmlichen Schulbücher vermeiden würden. Auf der anderen Seite herrscht große Skepsis, ob das digitale Schulbuch tatsächlich mehr sein kann als eine technische Spielerei. Angesichts dieser Situation ist es geboten, einen reflektierenden und empirisch fundierten Blick auf die tatsächlichen Möglichkeiten von digitalen Schulbüchern zu werfen, wenn sie als Alternative zum traditionellen gedruckten Schulbuch zum Einsatz kommen sollen. Das eBook-Projekt will diesem Anspruch gerecht werden.
Wesentliche Merkmale und Kennzeichen sind in diesem Kontext insbesondere zahlreiche Unterstützungsangebote zum Quellen- und Textverstehen, die weit über das herkömmliche Maß hinausgehen, sich an geschichtsdidaktischen Prinzipien orientieren und auf der Begriffs- und Strukturebene der dargebotenen Texte angesiedelt sind. Weiterhin verfolgt das Projekt das Ziel auditive und audiovisuelle Medien sinnvoll in digitaler Form zu integrieren und die Potentiale dieser Medien für historisches Lernen nutzbar zu machen.
Das skizierte Vorhaben wird dabei auf gängige Forschungsmethoden der empirischen Sozialwissenschaft zurückgreifen und sowohl quantitative als auch qualitative Erhebungs- und Auswertungsverfahren verwenden.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Rebecca Quick
Josef Suwelack (1888-1915): Flugpionier, Unternehmer, Kriegsteilnehmer. Annäherungen an einen westfälischen Flieger und seinen Mythos

Das Forschungsvorhaben widmet sich in einer Einzelfallanalyse der Biographie von Joseph Suwelack (1888-1915). Josef Suwelack, geboren und aufgewachsen in Billerbeck in Westfalen, war Flugpionier, ‚Unternehmer’ in der Flugzeugkonstruktion und -produktion in Berlin und Essen und fiel als Pilot eines deutschen Aufklärungsflugzeuges 1915 über der Westfront des Ersten Weltkrieges in Frankreich.

Um eine reflektierte und selbstreflexive Biographie Josef Suwelacks schreiben zu können, werden a) an seinem Beispiel die biographische Rezeption seiner Person und deren narrative Muster erarbeitet; b) diese empirisch gewonnenen Ergebnisse mit den normativen Ansprüchen moderner Biographie-Forschung in Verbindung gebracht und c) vor dem theoretischen Hintergrund der daraus entwickelten Kriterien, Kategorien und Methoden auf Basis der Quellen eine neue biographische Rekonstruktion verfasst.

Gerade das Genre der Biographik müsse sich, so Christian Klein, den Vorwurf, „eine andere Art der Kontingenzbekämpfung zu betreiben“, gefallen lassen, wurden und werden Biographien zum Teil immer noch so verfasst, dass sie aus einer Ex-Post Perspektive heraus ein Leben erzählen. Diese positivistische Genrespezifik lässt sich auch für große Teile der Überlieferung über Josef Suwelack konstatieren und findet sich auch in anderen Fliegerbiographien wieder. Überhaupt ist festzustellen, dass die Rezeptionsdokumente über den westfälischen Flieger einen hohen Grad an Individualisierung und Stilisierung aufweisen.

Eine erkenntnistheoretisch zentrale Rolle bei der Analyse und Wahrnehmung der Narrationen über Josef Suwelack spielt der Begriff des Mythos, der nicht als fiktive oder gar unwahre Erzählung verstanden wird, sondern, nach Herfried Münkler als ein „Instrument, um Widersprüche handhabbar zu machen, Komplexität zu reduzieren und Kontingenz wegzuerzählen“. Damit erfüllt der Mythos eine wichtige gesellschaftliche Funktion, nämlich leicht verständliche Sinnbildung über Zeiterfahrung. Über diese zentrale Denkfigur Jörn Rüsens ist eine Verknüpfung mit dem Bereich der Geschichts- und Erinnerungskultur möglich, indem nach den Funktionen, Kontinuitäten und Wandlungen des Suwelack-Mythos in unterschiedlichen Epochen gefragt wird.

Dem Leser einen alternativen Vorschlag zum Umgang mit Suwelacks Geschichte zu machen und für die Mechanismen seiner Flieger(helden)konstruktion zu sensibilisieren sind zentrale Anliegen der Arbeit. Ziel der Dekonstruktion ist es, die Mythen über Josef Suwelack ihre Verankerung in der Fliegertopik herauszuarbeiten und die dahinterstehende Erzählabsicht in einem diachronen Vergleich zu analysieren. In der Rekonstruktion wiederum sollen Kontingenzen – Diskontinuitäten, Brüche und weniger planbare beziehungsweise geplante Momente und Entscheidungen – sichtbar gemacht werden.