Adel und Abstammung.
Die Rezeption Widukinds von Sachsen im Kontext genealogischer Adelslegitimation in der Frühen Neuzeit


Studientag
"Manifestation von Adel und höfische Repräsentation am frühneuzeitlichen Hof.
Politische und kulturelle Legitimationsstrategien"

am Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) in Essen am 15./16. März 2013


"Adel und Abstammung" ist Thema des ab Juli 2010 für die Dauer von drei Jahren von der DFG geförderten Projekts, in dessen Fokus die frühneuzeitliche Rezeption Widukinds von Sachsen steht. Unter der Leitung des Frühneuzeithistorikers Prof. Stefan Brakensiek (Universität Essen-Duisburg) und des Kunsthistorikers Prof. Dietrich Erben (TU München) soll in interdisziplinärer Zusammenarbeit der Einsatz genealogischer Legitimationsstrategien des frühneuzeitlichen Adels am Beispiel zweier bedeutender Fürstenhäuser erforscht werden.

Edle Herkunft aus einem alten Geschlecht war im Europa des Ancien Régime für die Behauptung von Adeligkeit ein Hauptargument. Der fiktionale Nachweis historisch weit zurück reichender Abstammung bildete einen zentralen Aspekt der permanent erfolgenden Konstruktion von nobilitas. Dabei dienten Genealogien sowohl der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Akzeptanz innerhalb der politisch-sozialen Führungsschicht als auch der Erzeugung von sozialer und kultureller Distanz zu anderen gesellschaftlichen Gruppen. Je weiter die Statusansprüche einer Dynastie reichten, umso strengere Maßstäbe waren anzulegen, an das Alter des Geschlechts, an die Bedeutung der genealogisch inkorporierten Ahnen und an die Kunstfertigkeit der dabei zum Tragen kommenden narrativen Strategien.

Für die methodische Leitfrage des Projekts nach dem grundlegend konstruktivistischen und fiktionalen Gehalt von Genealogie bietet die Rezeption der Gestalt Widukinds von Sachsen einen Fall von exemplarischer, zugleich hervorragender Bedeutung. Seit dem Spätmittelalter wurde er als Ahnherr zahlreicher europäischer Fürstenhäuser – darunter die Wettiner in Dresden und die Savoyer in Turin – in Anspruch genommen. Im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit werden die fiktionalen Konstruktionsweisen fürstlicher Genealogie in transnationaler Perspektive untersucht, indem die genealogischen Strategien dieser beiden bedeutenden fürstlichen Geschlechter in ihren wechselseitigen Bezügen analysiert werden.

Die Dynastie der Dresdner Wettiner, die als Kurfürsten von Sachsen zu den Kaiserwählern gehörten, und die in Turin beheimateten Savoyer, die im 19. Jahrhundert die italienischen Könige stellten, betrieben eine ausgeprägte "Ahnenpolitik". Dadurch demonstrierten beide Geschlechter ihre Zugehörigkeit zur politischen Führungsschicht Europas und grenzten sich sozial und kulturell gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen ab. Beide Dynastien beriefen sich dabei auf ihre edle Abstammung von Widukind, dem Anführer der Sachsen im Kampf gegen Karl den Großen.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter aus den Bereichen Kunstgeschichte (Saniye Al-Baghdadi) und Geschichte der Frühen Neuzeit (Olav Heinemann) werden fürstliche Chroniken und illustrierte Prachthandschriften auswerten, Ahnengalerien und historische Bildzyklen untersuchen sowie die bedeutende archivalische Überlieferung in Dresden und Turin analysieren.