WEBVTT 00:01.000 --> 00:11.000 Also mein Name ist Christina Flores, ich bin 46 Jahre alt und ich bin Professorin an der Universidade do Minho in Portugal an der Germanistikabteilung. 00:13.000 --> 00:28.000 Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Meine Eltern sind als Gastarbeiter in den 70er Jahren nach Deutschland gezogen und ich bin in Hamburg aufgewachsen und habe eine jüngere Schwester. 00:29.000 --> 00:46.000 Und ich bin zweisprachig aufgewachsen. Was bedeutet das? Meine Eltern haben zu Hause immer portugiesisch gesprochen. Meine Mutter hat nie richtig deutsch gelernt, also portugiesisch war unsere Familiensprache. 00:48.000 --> 01:06.000 Mit meiner Schwester habe ich natürlich deutsch gesprochen und in der Schule und außerhalb und mit Freunden, auch mit portugiesischen Freunden. Das heißt, portugiesisch war immer - nein, deutsch war immer meine dominante Sprache, die ich bevorzugt habe. 01:07.000 --> 01:20.000 Ich habe also portugiesisch zu Hause gesprochen, aber auch einen Portugiesisch-Kurs besucht. Wir nannten den ,die portugiesische Schule' und der funktionierte zwar zwei Mal in der Woche am Nachmittag, war also freiwillig *freiwillig*. 01:22.000 --> 01:44.000 Meine Eltern haben darauf bestanden, dass ich dahingehe und in diesem Portugiesisch-Kurs haben wir schreiben gelernt, lesen, auch portugiesische Geschichte, Geografie und so weiter. Ich bin da natürlich nicht gerne hingegangen als Kind. 01:45.000 --> 02:01.000 Meine Freunde, zum Beispiel meine türkischen Freunde, meine griechischen Freunde, die durften auf dem Hof spielen und wir mussten zur *portugiesischen Schule*. Also bin ich da natürlich nicht gerne hingegangen als Kind. 02:02.000 --> 02:18.000 Aber heute bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mich da hingeschickt haben, denn ich kann - was heißt *perfekt* - ich kann deutsch und portugiesisch schreiben und lesen. 02:20.000 --> 02:44.000 Jedenfalls hat dieser Kurs auch mein Leben beeinflusst, meine Zukunft, weil ich dann ab der siebten Klasse eine Portugiesisch-Lehrerin hatte, die verliebt war in portugiesische Literatur und *diese Liebe* sozusagen ihren Schülern übertragen hat. 02:45.000 --> 02:59.000 Das heißt, wir haben sehr viel gelesen, auch Klassiker, also ich habe alle portugiesischen Klassiker gelesen bis zum Abitur. Dieser Unterricht ging immer am Nachmittag, bis zum Abitur. 03:00.000 --> 03:17.000 Und ja, und damit entwickelte sich auch eben eine Liebe zum Portugiesischen und zur portugiesischen Literatur. Und als ich mein Abitur abgeschlossen habe, wollte ich eigentlich Mathematik studieren. 03:18.000 --> 03:33.000 Ich war sehr gut in Mathe, also hatte einen prima Abschluss in Mathe, im Abitur einen Preis bekommen für das beste Abitur in Mathematik und habe mich in der Tat an der Uni Hamburg eingeschrieben in Mathematik, 03:34.000 --> 03:45.000 aber gleichzeitig hatte ich diesen Traum, portugiesische Literatur zu studieren [lacht]. Und das kam eben von diesem Herkunftssprachenkurs. 03:47.000 --> 03:59.000 Und ich wohne seit 1994 in Portugal, ich bin dann allein, also meine Eltern, meine Schwester, die sind alle weiter in Deutschland geblieben, bin ich nach Portugal gezogen 04:00.000 --> 04:12.000 und habe mich eingeschrieben in einem ja Bachelor oder Kurs für portugiesisch und deutsch, damals noch auf Lehramt. 04:13.000 --> 04:25.000 Und in diesem Portugiesisch-Studium habe ich eben portugiesische Literatur studiert und auch nach dem ersten Semester sofort gemerkt, dass ich zwar gerne portugiesische Literatur lese, aber nicht studiere [lacht]. 04:27.000 --> 04:38.000 Und da habe ich dann die Linguistik entdeckt und ja und bin dann in der Tat in Portugal geblieben, entgegen all den Plänen. 04:40.000 --> 04:56.000 Ja, weil ich dann eine Stelle bekommen habe, zunächst als Hilfskraft in einem Projekt und damit ja, und danach, nachdem ich studiert habe, wurde mir eine Stelle angeboten, zunächst als Lektorin und so weiter. Und dann bin ich an der Uni geblieben. 05:00.000 --> 05:19.000 Und ja, und bin bilingual. Bin aber schon sehr lange in Portugal und mittlerweile denke ich, ist die portugiesische Sprache stärker und mir fallen oft deutsche Wörter nicht ein. 05:20.000 --> 05:32.000 Und ich habe noch diese Entwicklung der Jugendsprache und so nicht mitgemacht. Es gibt schon Ausdrücke, die ich auf deutsch sage, da lachen meine deutschen Freunde, weil man das nicht mehr sagt (lacht). 05:35.000 --> 05:53.000 Ja. Aber ja, das, um zu zeigen, wie wichtig es doch ist, die Familiensprache zu sprechen. Der Herkunftssprachenunterricht, wie wichtig der sein kann. Und wie wichtig, wie sehr die Zukunft auch eines Kindes beeinflussen kann.