Nachbetrachtungen zum OA-Gespräch China und der russische Einmarsch in die Ukraine

Das Interesse an der Veranstaltung war riesig. 500 Teilnehmer schalteten sich über ZOOM zu dieser von Johannes Pflug moderierten Diskussion zu. In kurzen Eingangsstatements zeichneten die Diskutanten ein sehr differenziertes Bild der chinesischen Politik und der Gründe des russischen Überfalls auf die Ukraine.

Nele Noesselt führte aus, dass zahlreiche Forderungen derzeit seitens der internationalen Staatengemeinschaft an die VR China adressiert werden – mit dem Wunsch, dass Peking als „verwantwortungsbewusste“ Großmacht seine Sonderbeziehungen mit Moskau dazu einsetzen solle, auf ein Ende des Militäreinsatzes in der Ukraine hinzuwirken. Die chinesische Seite verwahrt sich entschieden dagegen, nach Regieanweisungen aus Washington zu handeln, und sieht die Hauptverantwortung für den Konflikt bei den USA und den Osterweiterungsrunden der NATO, durch die sich eine direkte Bedrohungssituation für russische Sicherheitsinteressen ergeben habe. So sollte auch die Enthaltung Pekings bei der Abstimmung über die UN-Resolution im UN-Sicherheitsrat nicht überbewertet werden. Denn dies signalisiert keinen Bruch mit Russland, sondern unterstreicht Chinas Positionierung als unabhängiger, neutraler Akteur. Und ist generell im Einklang mit den Grundlagen der postmaoistischen chinesischen Außenpolitik. Die oft in der transatlantischen Debatte vermutete strategische Kooperation zwischen Peking und Moskau steht weit weniger für den strategischen Schulterschluss zwischen zwei Autokratien, sondern für ein Zweckbündnis – befördert durch die Sanktionen und Abgrenzungspolitik gegen Russland und China, die in diesen Szenarien als Herausforderer der liberalen, regelbasierten Weltordnung klassifiziert werden. Derartige holzschnittartige Muster werden jedoch der vielschichtigen Realität der sino-russischen Beziehungen nicht gerecht. Die Weltordnungsvisionen und außenpolitischen Interessen Pekings sind mit Kriegen entlang der von China avisierten Neuen Seidenstraßenkorridore nicht kompatibel. Inwiefern sich Peking als Mediator und Schlichter in den Konflikt einbringen kann, bleibt abzuwarten.

Markus Taube fokussierte auf die ökonomische Verflechtung Chinas mit Russland und die Frage, inwiefern China Russland darin unterstützen kann, westliche Sanktionen zu unterlaufen. Er zeichnete das Bild einer asymmetrischen Beziehung, in der China in erster Linie als Käufer russischer Rohstoffe (Öl, Gas, Getreide) auftritt, während Russland auf China als Lieferant von Technologiegütern angewiesen ist. Auf dieser Basis kann China die russische Volkswirtschaft stützten, aber bei weitem nicht das volle Maß westlicher Sanktionen ausgleichen. Darüber hinaus wird Chinas Führung darauf bedacht sein, seine Unterstützung der russischen Volkswirtschaft in einem Rahmen zu halten, der keine zusätzlichen Sanktionen Chinas durch die westlichen Staaten (inkl. Japan und Korea) provoziert. Mit letzteren unterhält China bislang sehr viel intensivere und wichtigere Wirtschaftsbeziehungen als mit Russland. Er kommt zu dem Schluss, dass China vielleicht aber auch grundsätzlich gar kein Interesse daran hat, die russische Volkswirtschaft maximal zu unterstützen. Eine längerfristig auf der Importseite auf chinesische Technologien angewiesene russische Volkswirtschaft, die auch in Hinblick auf ihre Ausfuhren in hohem Maße von China abhängig ist, setzt China in eine privilegierte Position gegenüber einem in wachsende Abhängigkeit abrutschenden russischen Junior-Partner.

Klaus Waschik (Ruhr-Universität Bochum) wies in seinem Statement auf die engen Verschränkungen zwischen nationalistischen Ideologien und machtpolitischen Ambitionen in der gegenwärtigen Politik Russlands hin (vgl. Übersicht). In den letzten Jahrzehnten haben sich auf der Basis eines ethnographisch und pseudohistorisch argumentierenden Nationalismus Konzepte zur Vereinigung aller im Ausland verstreuten Russen etabliert, die seit mehr als 10 Jahren auch die russische Regierungspolitik maßgeblich beeinflussen. Hinzu kommt eine Abwendung von einer regelbasierten und Hinwendung zu einer interessenbasierten Außenpolitik, die auch die Anwendung militärischer Gewalt nicht ausschließt.

Waschik Schichtenmodell Rahmenbedingungen Russische Außenpolitik

Daran schloss sich eine sehr lebhafte Diskussion mit dem Publikum an, in dem viele der Kontroversen und Position vertieft wurden. Aus den Augen verloren die Teilnehmer und Organisatoren auch nicht die Hauptleidtragenden der russischen Aggression. Wir alle sind zur Solidarität und Hilfe aufgerufen.

 

Möglichkeiten zur Spende für die Leidtragenden des Krieges:

Ukrainische humanitäre Organisation
Voices of children: Arseniy
https://voices.org.ua/en/

Spendenkonto-Nothilfe Bündnis Entwicklung Hilft und Aktion Deutschland Hilft:
BEH und ADH
IBAN: DE53 200 400 600 200 400 600
BIC: COBADEFFXXX (Commerzbank)
Stichwort: Nothilfe Ukraine

Deutsch-Ukrainisches Forum e.V. zusammen mit den Johannitern:
http://www.d-u-forum.de/hilfsaktion-kein-krieg-in-europa/
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.,
IBAN: DE94 3702 0500 0433 0433 00
BIC: BFSWDE33XXX (Bank für Sozialwirtschaft)
Stichwort: Ukraine

 
Johannes Pflug erinnerte zum Ende der Diskussion daran, dass wir in Deutschland auch Anfeindungen, die zunehmend gegenüber hier lebenden russischen Mitbürgern zu verzeichnen sind, entschieden entgegentreten müssen. Auch dürfe man nicht alle Russen für die Aggression gegen die Ukraine verantwortlich machen – auch sie würden unter dem Krieg leiden.

Stimmen von Teilnehmern zum Ostasiengespräch

 
„Ich möchte mich für das gestrige hochinteressante und informative Ostasiengespräch beim IN-EAST, vor allem bei den Podiumsteilnehmer*innen bedanken! Die große Teilnehmer*innenzahl zeigt, dass es in der derzeitigen Krisensituation ein verbreitetes Interesse an fundierten Informationen durch ausgewiesene Expert*innen gibt. Ich hoffe, das IN-EAST engagiert sich weiter mit dieser Form öffentlicher Kommunikation. Es ist wichtig, es ist eine gute Werbung für das IN-EAST, es ist aber auch Werbung für wissenschaftlich fundierte Informationen. Deren Wertschätzung hat durch die Pandemie ja leider nachgelassen.“

Dr. Helmut Schneider, Geograph, Düsseldorf

 
„Ich möchte mich auf diesem Wege sehr herzlich dafür bedanken, dass ich an der hervorragenden Veranstaltung gestern teilnehmen durfte! Es beschäftigt mich schon viele Jahre, wohin sich China entwickelt und ob sie wirklich Weltmacht Nr. 1 werden wollen. Nur ist es ja nicht gerade einfach, an sachlich fundierte Informationen zu kommen. Ihre Veranstaltung gestern war ein echtes „Highlight“ und hat viele gute Argumente aus verschiedenen Richtungen gegeben.“

Michael Helmich, ehem. Bundeswehroffizier, Hünxe

 
„Ganz herzlichen Dank für diese wirklich sehr informative und vielschichtige Diskussion!“

Prof. Dr. Sigrid Quack, Direktorin des Käte Hamburger Kollegs Global Cooperation Research, Duisburg

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