Turbulente Flammen und Strömungen: Strukturanalyse von turbulenten Flammen mittels Formaldehyd

Der Energiebedarf von vielen technischen Prozessen wird heute und in absehbarer Zukunft durch die Verbrennung von Erdgas befriedigt. Erdgas zeichnet sich durch seinen hohen Heizwert und eine Verbrennung mit vergleichsweise geringem Schadstoffausstoß aus. Es ist von großem Interesse, die Verbrennungstechniken weiter zu optimieren und somit die Effizienz der Energienutzung zu erhöhen und den Schadstoffausstoß zu minimieren. Hierzu werden Untersuchungen zur Charakterisierung von turbulenten Flammen durchgeführt. Für diese Untersuchungen sind Methoden zur Lokalisierung der Position des maximalen Energieumsatzes wichtig. Häufig wird zur Lokalisierung der Flammenzone die Verteilung des Hydroxylradikals (OH) herangezogen. Es bildet sich in der Reaktionszone, ist aber auch im heißen Abgas in hoher Konzentration vorhanden. In zahlreichen Untersuchungen wird daher der steilste Anstieg der OH-Konzentration als Ort der Flammenfront interpretiert. Theoretische Untersuchungen zeigen aber, dass diese Bestimmung besonders in hochturbulenten Flammen mit einem erheblichen Fehler belegt sein kann. Auf Basis von reaktionskinetischen Untersuchungen wurde erkannt, dass der Ort der maximalen Konzentration des Formylradikals (HCO) gut mit dem ort des maximalen Energieumsatzes korreliert. HCO lässt sich wegen seiner schnellen Prädissoziation in turbulenten Flammen aber nicht visualisieren, daher wurde von Paul et al. [1] vorgeschlagen, stattdessen die beiden Reaktionspartner OH und Formaldehyd (CH2O) darzustellen, da sich nur an Positionen, an denen beide Spezies mit ausreichender Konzentration vorliegen HCO bilden kann.

CH2O + OH → HCO + H2O

Die Lokalisierung des Ortes der größten Wärmefreisetzung erfordert daher eine simultane Bestimmung der Verteilung von OH und CH2O in der Flamme. Für die Messungen mit diesem Verfahren wurde ein Experiment aufgebaut, welches die simultane Bestimmung von zweidimensionalen Temperatur-, CH2O-LIF- und OH-LIF-Verteilungen in turbulenten Flammen ermöglichte. Durch das berührungslose Laser-basierte Messverfahren wird eine Störung der Strömungsverhältnisse und der Reaktion in der turbulenten Flamme vermieden.

Abbildung 1: Emissionsspektrum von CH2O nach Anregung bei 353,2 nm
In Voruntersuchungen an einer Bunsenbrennerflamme wurde ein Spektrum von Formaldehyd aufgenommen um den geeigneten Übergang für abbildende Messungen bei 353,2 nm zu identifizieren, welcher mit Hilfe eines abstimmbaren XeF-Excimer-Lasers angeregt werden kann (Abb. 1). Siehe dazu auch den folgenden Abschnitt: CH2O-Spektroskopie.

Die folgenden Messungen umfassten zum einen simultane Momentan-Messungen an der Bunsenbrenner-Flamme, sowie entsprechende Messungen am standardisierten TECFLAM-Drallbrenner technischen Maßstabs. In der Abb. 2 sind die Ergebnisse aus einer simultanen Momentanaufnahme im Bunsenbrenner exemplarisch veranschaulicht. Abb. 3 zeigt den Messbereich in der Flamme.

 

 

 

Abbildung 2: Simultane Momentanaufnahmen im Bunsenbrenner

 

 

Abbildung 3: Messbereich in der Flamme

Gezeigt sind von oben:
Temperaturverteilung (bestimmt durch Rayleigh-Thermometrie), CH2O-LIF-Verteilung, OH-LIF-Verteilung sowie das Produkt der beiden LIF-Intensitäten von CH2O und OH.
Deutlich ist das lokal sehr eng begrenzte Vorkommen von CH2O am Rande der Frischgaszone (Bildmitte) zu erkennen, bedingt durch die kurze Lebensdauer des CH2O-Moleküls in der reaktiven Zone. Eine deutlich längere Lebensdauer des OH-Radikals in den heißen Verbrennungsgasen bewirkt die hier gut zu erkennende großflächige Verteilung von OH in der Flamme. Beim Vergleich mit dem Temperaturbild lässt sich außerdem leicht erkennen, dass CH2O, wie oben erwähnt, bereits früh im Verbrennungsprozess entsteht (Nähe zum Frischgas), während OH hauptsächlich in den heißesten Bereichen der Flamme (rot) vorkommt.
Im letzten Bild der Abb. 2 zeigt sich schließlich durch die Produktbildung aus CH2O- und OH-LIF-Intensitäten das Überlappungsgebiet der beiden Spezies. In diesem Bereich besteht die Möglichkeit der Bildung von HCO gemäß der oben angegebenen Reaktionsgleichung. Damit ist hier ist auch die Flammenfront und die Zone der höchsten Wärmefreisetzung lokalisiert.

CH2O-LIF-Spektroskopie im Detail
Formaldehyd ist eines der wenigen verbrennungsrelevanten mehratomigen Moleküle, die spektroskopisch gut untersucht sind [2]. Für spektroskopische Untersuchungen ist vor allem der elektronische Übergang H2co Formel 2 von Interesse und folglich gut dokumentiert.
Das CH2O-Moleküls besitzt sechs Normalschwingungen, die hier abgebildet sind (Abb. 4):

 

Abbildung 4: Normalschwingungen des CH2O
Mit zunehmender Anregungsenergie nehmen die Lebensdauern der Schwingungszustände des elektronisch angeregten Zustandes durch Prädissoziation ab.

Besonders geeignet für LIF-Messungen erweist sich das ch2o Formel 3-Schwingungsband, welches sich von 352 bis 357 nm erstreckt. Sein Bandenkopf liegt bei 353,20 nm und die Anregung lässt sich mit einem schmalbandigen XeF-Excimer-Laser realisieren. Die Emissionen des XeF-Excimer-Lasers liegen in den Wellenlängenbereichen 348,8 nm, 351,1 nm und 353,2 nm. Die Emission bei 353,2 nm überlappt dabei mit dem langwelligen Ende des CH2O-Absorptionsspektrums, in dem das H2co Formel 3-Schwingungsband liegt.
Bei 348,8 nm absorbiert aufgrund geringer Absorptionsquerschnitte weder Formaldehyd noch eine andere in der Verbrennung relevante Spezies. Mit einer schwachen Anregung der CH2O-Moleküle ist jedoch durch die Laser-Emission bei 351,1 nm zu rechnen, welche durch die ASE (amplified spontaneous emission) des Lasers, die etwa 40% der Gesamtemission ausmacht, verursacht wird. Ein Übergang, der mit diesem Wellenlängenbereich überlappt, ist z.B. der Schwingungsübergang H2co Formel 4 bei 351,67 nm. In Abb. 1 (s.o.) ist ein Emissionsspektrum von CH2O nach Anregung des H2co Formel 3-Überganges bei 353,2 nm gezeigt. Spektroskopische Untersuchungen des H2co Formel 2-Überganges zeigten, dass die CH2O-Fluoreszenzintensität mit hohen Strahlungsdichten linear ansteigt, während die Fluoreszenz von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die ebenfalls in diesem Bereich absorbieren, schon früh in Sättigung geht.

Literatur:
[1] Paul, P.H., Najm, H.N., Planar Laser-induced Fluorescence Imaging of Flame Heat Release Rate, Proc. Combust. Inst. 27, 43-50 (1998).
[2] Harrington, J.E., Smyth, K.S., Laser-induced fluorescence measurements of formaldehyde in a methane/air diffusion flame, Chem. Phys. Lett. 202, 196-202 (1993).
[3] S. Böckle, J. Kazenwadel, T. Kunzelmann, D.-I. Shin, C. Schulz, and J. Wolfrum, "Simultaneous single-shot laser-based imaging of formaldehyde, OH and temperature in turbulent flames," Proc. Combust. Inst. 28, 279-286 (2000).
[4] S. Böckle, J. Kazenwadel, T. Kunzelmann, D.-I. Shin, and C. Schulz, "Single-shot laser-induced fluorescence imaging of formaldehyde with XeF excimer excitation," Appl. Phys. B 70, 733-735 (2000).
[5] K.-U. Schildmacher, A. Hoffmann, L. Selle, R. Koch, C. Schulz, H.-J. Bauer, and T. Poinsot, "Unsteady flame and flow-field interaction of a premixed model gas turbine burner," Proc. Combust. Inst. 31, in press (2006).