Exkursion nach London: 20.-23. März 2014 „In Sanheribs Palast in Ninive“

Auch im Frühjahr 2014 möchten wir den Orient in Europa erkunden! In London werden wir den Menschen aus Ain Ghazal in die zehntausend Jahre alten Augen blicken, in die wir vor kurzem noch in Amman schauten. Wir werden durch Ninive und Chorsabad laufen und Jehu, den König von Israel, sehen.

Geplant ist eine von allen vorbereitete Reise in die britische Hauptstadt. Neben dem Besuch des British Museum mit einer Tour Behind the Scenes in der Ägyptischen Sammlung werden wir an einem jüdischen Shabbat-Gottesdienst in der West-London-Synagogue teilnehmen, uns mit einem London Walk auf die Spuren jüdischen Lebens im East End begeben, major sights nach Belieben anschauen, so z.B. die Tate Modern und das Globe Theater und englische Pubkultur in The Mitrekennen lernen. Einen Schein wird es nicht geben, dafür bei entsprechender Entdeckerfreude jede Menge Highlights aus dem Orient und einfach ein paar schöne gemeinsame Tage.

 

Bericht nach der Exkursion

Möchte man in die Fußstapfen des Mose, seiner Zeitgenossen und anderer biblischer Figuren treten, so muss man sich auf den Weg nach Jordanien und Israel oder in andere „biblische Länder“ machen – wie wir es auch schon taten. Doch paradoxerweise lässt sich nicht alles direkt vor Ort in Augenschein nehmen, denn viele Steinchen und Scherben oder sogar große Teile einst imposanter Bauwerke und kolossale Statuen haben ihren Ort gewechselt und sind aus dem Orient nach Europa gelangt.

Im British Museum London begegneten wir – bereichert und erhellt durch studentische Beiträge – Herrschern aus dem Alten Ägypten, aus Assyrien und Babylonien und Königen der persischen Großmacht.

In Ägypten schauten wir in das Antlitz von Ramses II, dem „Pharao der israelitischen Unterdrückung“. Wir hatten Teil an Pharao Echnatons göttlicher Dreiheit, die durch ihn, seiner Gemahlin Nofretete und den allumfassenden und universellen Sonnengott Aton gebildet wird. Sein „Sonnengesang“ bot uns einen außerbiblischen Vergleichstext zu den Schöpfungsgeschichten der Bibel, und seine Briefe aus seiner Residenzstadt Tell el-Amarna gaben uns Einblick in seine Herrschaft und die Levante der Bronzezeit.

In Mesopotamien durchschritten wir Sanheribs Palast in Ninive und nahmen teil an der Eroberung der Stadt Lachisch, der zweitmächtigsten Stadt Judas nach Jerusalem. Auf insgesamt 12 Reliefs sahen wir Kampfszenen mit Steinschleudern, Bogenschützen, Speerträgern, Rammböcken, Fackeln sowie Gefangene und König Sanherib selbst auf seinem Thron. Anschließend erlebten wir eine assyrische Löwenjagd. Wir hatten die Tontafeln vor Augen, die beschreiben, wie der babylonische König Nebukadnezzar Jerusalem einnimmt – wenn auch (zugegeben) für uns nicht lesbar… Viele Herrscher sahen wir, das war nicht einmalig. Was jedoch einmalig ist, ist die bislang einzige Darstellung eines israelischen Königs, Jehu – auf dem schwarzen Obelisk von Salmanassar III. Auch ihm blickten wir ins Gesicht!

 

Nicht nur politische Themen bewegten unsere Gemüter, sondern auch Lebensauffassungen und -fragen eines jeden Menschen. Schon im Alten Ägypten stellte man sich die Frage, wie das Leben nach dem Tod aussehen könnte. So sahen wir Papyrusrollen, die uns klar vor Augen führten, wie die Jenseitsvorstellungen im Alten Ägypten ausgesehen haben: Mit der einmaligen Gelegenheit, eine „tour behind the scenes“ durch die ägyptologische Sammlung zu machen, wurde Vergangenheit ganz besonders lebendig. Die in den Regalen archivierten Papyrusrollen von vor rund 3000 Jahren zeigten uns Jenseitsvorstellung auf, ebenso wie die bunten Verzierungen  noch verschlossener Sarkophage ... Wir verspürten das Bedürfnis, nach funkelnden Schmuckstücken zu greifen, weil sie uns schutzlos ausgeliefert waren. Wir zählten unzählige, nebeneinander in Reih und Glied aufgestellte Statuen und Massen an Keramik. Wir sahen „Beweisstücke“ wie den Schilfrohrkorb, in welchem Mose ausgesetzt wurde, und den Stab, den Aaron vor Pharao zu einer Schlange hat werden lassen (Ex 7,11)… Wir waren einfach fasziniert.

Die Vergangenheit wurde uns nicht nur gegenwärtig in Ausstellungen und Archiven, sondern auch in Form eines Spaziergangs durch das jüdische Viertel im East End, in dem wir auf den Spuren der jüdischen Bevölkerung gewandelt sind. Vertieft wurde dieser Einblick in einem Gespräch mit der Rabbinerin Helen Freemann auf der Grundlage unserer Eindrücke aus dem Jewish Museum in Camden und im Anschluss an unsere lebhafte Diskussion durch den Besuch der Kabbalat Shabbat in der West London Synagogue.

Auch das gemeinschaftliche Wohl wurde beglückt – man tagte zwecks regem Austausch allabendlich im Pub. Cheers!

(Justine Cylkowski und Christine Hohmt)