Exkursion nach Paris: 28. April – 1. Mai 2016 „In Dareios Palast in Susa“

Im Iran mussten wir immer wieder feststellen: Die Franzosen waren vor uns da! Konsequenterweise geht die nächste Reise nach Paris, um dort Säulen und Reliefs, Keramik und Schmiedekunst aus Susa, Persepolis und Chogha Zanbil zu sehen – und natürlich auch die Stele des Hammurapi, die nach Susa verschleppt worden war. Neben der vorderasiatischen werden wir auch die ägyptische Abteilung des Louvre (http://www.louvre.fr) besuchen.

Als Wiege der polytheistischen und monotheistischen Religionen wird die arabische Welt bei einer geführten Tour im Institut du monde arabe „Mythes et religions“ (http://www.imarabe.org/activites-jeunes/mythes-et-religions) in den Blick kommen. Von dort werden wir uns auf die Spuren des arabisch-muslimischen Paris (http://www.imarabe.org/le-paris-arabe-historique) begeben und mit einem Besuch in der Grande Mosquée von Paris (http://www.mosqueedeparis.net/) enden. Neben dem Islam in Paris werden wir auch jüdisches Leben in Frankreich erkunden. Dazu werden wir das Musée d’art et d’histoire du Judaisme (http://www.mahj.org/fr/index.php) besuchen und bei einer geführten Tour das jüdische Viertel Marais erkunden. Freitagabend werden wir an der Kabbalat Shabbat in der Communauté juive libérale teilnehmen (http://www.cjl-paris.org/). Und daneben wird natürlich auch Zeit sein, die französische Art zu leben zu genießen!

Paris. Die Stadt der Liebe, Fotos unterʼm Eifelturm, kleine Straßencafés, teure Boutiquen – daran denken die meisten, wenn sie den Namen der französischen Hauptstadt hören. Vielleicht gehen die Assoziationen noch weiter zu Versailles und Napoleon oder zu Charlie Hebdo und den Anschlägen am 13.11.2015. An jüdische Gemeinden, jahrtausendalte Kulturen und arabische Connections habe ich zumindest nicht sofort gedacht. Aber genau das war es, was uns in den knapp vier Tagen begegnete.

Dafür haben wir uns von einem jüdischen Tourguide in seine Welt entführen lassen. Das Viertel Marais, das früher ausschließlich Sumpfgebiet war, stellt heute ein jüdisches Zentrum in Paris dar und zählt dank der architektonischen Neuerschließung Charles de Gaulles im 20. Jahrhundert zu den kostspieligsten Vierteln der Stadt.

Zu den wohl interessantesten Gebäuden im Marais gehört die Synagoge der Rue Pavée, entworfen von dem Architekten Hector Guimard, der bekannt für die Jugendstileingänge der Pariser Métro ist. Aber auch die Synagoge 17, Rue des Rosiers war ihren Besuch wert. Kleiner und unauffällig zwischen anderen Häusern versteckt, hätten wir sie vermutlich übersehen. So aber durften wir das Innere des Hauptraumes betreten und einem Rabbiner bei der Kantillation eines Psalmes lauschen.

Weiter ging es zum Mémorial de la Shoah mit den 76 000 Namen der jüdischen französischen Deportierten und der Mauer der Gerechten, einem Gedenkort für all jene, die Juden zur Zeit der Nationalsozialisten und des Vichy-Regimes geholfen haben. Im Jüdischen Museum entdeckten wir Gegenständen aus Vergangenheit und Gegenwart und übten uns am Entziffern des Hebräischen.

 

In der Communauté juive Libérale de Paris, einer liberalen jüdischen Gemeinde, hatten wir schließlich die Gelegenheit, an einem Gebet teilzunehmen. Mit unglaublicher Herzlichkeit kam man uns entgegen und lud uns ein mitzufeiern, zu singen und zu beten. Schon nach kurzer Zeit konnte man manche der harmonischen Melodien zumindest mit summen und sich von ihnen davontragen lassen. Dabei war es egal, wenn man weder der hebräischen noch der französischen Sprache mächtig war – wobei die Hebräischanfänger unter uns stolz waren, zwischen den Worten ein Šalom zu erkennen. Vielmehr ging es um das Kennenlernen einer anderen Religion, das Zusammensein, das gemeinsame Beten und  Feiern.

Hinaus aus der jüdischen und aktuellen Welt haben wir uns in die Zeit des Alten Ägyptens und in den Nahen Osten gewagt. Den unterschiedlichsten Kulturen auf der Spur, egal ob Babylonier oder Kassiten, Sumerer oder Perser, Assyrer oder Hethiter, sind wir durch Raum und Zeit gereist – Allons-y! Dass alter Stein faszinieren kann, haben wir an teilweise über fünf Meter hohen Statuen und Tempelsäulen erkannt, die in ihrer detailgetreuen Verarbeitung von atemberaubender Handwerkskunst zeugen, wie man sie von Jahrtausend alten Bauten nicht erwartet hätte. Von geflügelten Stieren aus dem Palast Sargons II – vier Meter hohe Statuen, die im Ganzen nach Frankreich geschifft wurden –, über fein gearbeiteten Schmuck und die mühevoll zusammengepuzzelten Kleinteile unterschiedlichster Funde war aus jeder Kultur etwas dabei. Auch Bezüge zu biblischen Texten ließen sich bei vielen Exponaten herstellen: die ersten Kuchenformen, wie sie auch die Frauen in Israel nutzten, um unerlaubterweise der Himmelsgöttin zu Ehren zu backen oder die Gesetzestexte der bekannten Stele des Hammurabi, die denen aus dem Alten Testament ähneln. Ebenso begeistert haben uns die Sarkophage und der Totenkult der Alten Ägypter, aber auch ihre Schminkteller, Kajaltöpfe und Wandbilder.

Zuletzt blieb natürlich in der Mittagspause auch Zeit für einen kurzen Abstecher zu Da Vincis weltberühmter Mona Lisa!

 

Da wir uns jedoch nicht nur mit dem Judentum in Paris, sondern auch mit dem Islam und den Verbindungen zur Arabischen Welt auseinander gesetzt haben, durfte ein Besuch im Institut du monde arabe nicht fehlen. Schon von außen beeindruckt das Gebäude durch seine architektonisch besondere Fassade. Die von der Moscheearchitektur inspirierte Glasfront ist auf der Südseite mit unzähligen Irisblenden versehen, die computergesteuert den Einfall des Sonnenlichtes regulieren. Damit wird schon äußerlich gezeigt, was das Institut vereinen will: alte, arabische Kultur und die Modernität des Westens.

Auch hier wurde wieder unser Interesse für Altes, scheinbar Vergessenes, geweckt. Uns begegnete das Skurrile, das zu Recht oder Unrecht Verlorene. Vergangenes zog uns unaufhaltsam in seinen Bann: Ein sechs Meter langer Taschenkoran, verfasst mit einem Ein-Haar-Pinsel oder lebensgroße Ornamente, beispielsweise von Gräbern aus Palmyra – die Ägypter waren nicht die einzigen mit spektakulären oder verblüffenden Todesstätten. Aber auch Edelsteine und Überreste von Skulpturen, Stelen oder Steintafeln und schmerzhaft aussehende Ohrringe, die geschätzt fünf Kilo pro Ohrläppchen aufführten, erzählten uns ihre Geschichten.

Die anschließende Führung durch das umliegende Viertel mündete in einer Besichtigung der Großen Pariser Moschee, die nach dem Ersten Weltkrieg als Zeichen der Anerkennung gegenüber den Muslimen in der französischen Armee gebaut wurde.

Zurückblicken können wir also auf vier (auch anstrengende) Tage, in denen wir eine Zeitreise quer durch die Geschichte unternommen haben. Wir sind „mal eben“ tausende Jahre in der Zeit zurückgesprungen und haben die unterschiedlichsten Orte bereist, um festzustellen, dass die Vergangenheit manchmal gar nicht so vergangen ist, wie sie zunächst scheint. Wenn man sich darauf einlässt, kann man erkennen, dass sie bis in unsere Gegenwart und vielleicht auch hin zu einem ganz speziellen Ort reichen kann. Es erfordert zwar bisweilen ein wenig Unterstützung, aber Offenheit und Neugierde können schon den perfekten Start in ein neues Abenteuer bilden!

(Isabel Werner)