Karl du Prel

 

 

Beiträge zu einer Philosophie der Lyrik.

 

1. Einleitung
2. Die dichterische Phantasie im Traume
3. Die Traumphantasie in der Dichtkunst
4. Das Malerische im lyrischen Gedichte
5. Die ästhetische Anschauung

Editionsbericht
Werkverzeichnis
Literatur

 

The art itself is nature.                                                
(Shakespeare: Wintermärchen IV. 3.)

 

[289] 1. Einleitung.

 

Zur Zeit, als der Mensch begann, sich von der Natur abzulösen und mit objectivem Blicke die Erscheinungen zu betrachten, faßte er dieselben – wie es noch manche Sprachreste beweisen – durchaus anthropopathisch auf. Jede Bewegung in der Natur erschien ihm als Beseelung, oder als äußerliche Anregung durch unsichtbare Wesen. Wenn er nun, ohne alle physiologische Einsicht in die Functionen seines Körpers, seine Aufmerksamkeit auf die Vorgänge seines Inneren lenkte, und etwa auf die rhythmischen Bewegungen seines Herzens horchte, die ganz ohne sein Zuthun, Sekunde für Sekunde, mit größter Regelmäßigkeit vor sich gingen, dann mußte er wohl von tiefem Staunen erfaßt werden; es konnte aber nicht wohl anders sein, als daß er die Unwillkürlichkeit dieser Bewegung als Thätigkeit eines ihm fremden Agens deutete, das von seinem Inneren Besitz genommen. Bei seiner vollständigen Unkenntniß aber über die principielle Bedeutung dieser Function, und da gerade ihre Regelmäßigkeit einschläferte, mußte wohl die abstumpfende Macht der Gewohnheit ihren Einfluß geltend machen.

Eine anhaltendere Verwunderung läßt sich dagegen voraussetzen gegenüber solchen physiologischen Erscheinungen des Inneren, welche, ebenfalls der Willkür entzogen, unregelmäßig und scheinbar ganz unvermittelt auftreten, mögen sie auch vom Standpunkte der Physiologie als ganz normal gelten. Die Völkerkunde weist in der That nach, daß noch heute bei wilden Völkern die Anschauung herrscht, als stehe der Organismus bei solchen Bewegungen, die wir Reflexbewegungen heißen, – Gähnen, Nießen etc. – unter der Herrschaft einer ihm fremden, geheimnißvollen Macht; ja die sonderbare, bis auf unsere Tage erhaltene Sitte, dem Nießenden ein "Helf' Gott!" zuzurufen, erweist sich lediglich als ein Ueberbleibsel jener Anschauung. Wir finden diese Sitte von Homer, Aristoteles, Apulejus, Plinius und den jüdischen Rabbinern erwähnt, und sie ist auch in Kurdistan, Florida, auf Otahiti und den Tongainseln üblich. 1)

Aehnliche Vorstellungen mußten sich auch knüpfen an die Erscheinungen gesteigerter Lebensthätigkeit, wie sie z.B. beim Genuße berauschender Getränke stattfinden; es mußte sich der steigernde Einfluß derselben auf Phantasie, Witz und Association der Ideen leicht bemerklich machen und als Begeisterung aufgefaßt werden, welche den Menschen in Besitz genommen, daher sich denn seit ältesten Zeiten die Berauschung mit dem religiösen Cultus verbunden findet. In Nordafrika ist der Haschisch, in Südasien das Opium, auf den oceanischen Inseln das Tabu gebräuchlich, während in Nordasien der Absud des Fliegenschwammes angewendet wird; im Mittelalter waren Hexensalben üblich, bei den Dionysosfesten der alten Griechen der Wein, und bei Orakeln der alten Aegypter wurden berauschende und anderweitige Mittel angewendet, um eine künstliche Begeisterung zu erzeugen, wodurch man Aufschlüsse über die Zukunft zu erhalten hoffte. 2)

[290] Eine nicht weniger befremdliche Erscheinung mußte das naive Bewußtsein in den Träumen sehen, die anfänglich sicherlich als wirkliche Erlebnisse der den Körper verlassenden Seele gedeutet wurden, wie es noch heute bei den Negern und Grönländern der Fall ist; ja der Ursprung der sorgfältigen Behandlung der Leichen liegt wohl in der Anschauung, daß auch der Tod nur ein Schlaf sei, während dessen die Seele andere Gegenden aufsucht. Auch die Träume finden wir daher mit dem religiösen Cultus verbunden. Seit ältesten Zeiten und bei allen Völkern findet sich der Glaube an prophetische Träume. Homer 1) spricht davon, bei den Pythagoräern und anderen Philosophen wurde Mantik gelehrt 2), und bekanntlich ist noch in unseren Tagen dieser Glaube vorhanden.

Als offenbare Eingriffe äußerer Mächte, in den Organismus, mußten besonders die Krankheiten erscheinen, welchen gegenüber die Wilden ihr Causalitätsbedürfniß dadurch befriedigen, daß sie dieselben auf den Einfluß böser Geister zurückführen. Demgemäß tritt auch die Heilkunde bei den Wilden als Zauberei auf und wird von den Priestern besorgt, welche den bösen Geist durch Beschwörung und andere Mittel aus dem Körper vertreiben. Diese Anschauung findet sich noch heute bei den verschiedensten Völkern 3); ja die Vorstellung eines natürlichen Todes fehlt oft ganz, so daß z.B. die Australier von jedem Todten glauben, er sei durch Zauberei umgekommen. 4) Daß während des ganzen Mittelalters Epileptische als Besessene behandelt wurden, ist bekannt, und eben so, daß in dem gesegneten Lande Tirol noch heute der Geistliche in Krankheitsfällen, sogar der Hausthiere, häufig mehr gilt, als der Arzt.

Es ist nun allen diesen Anschauungen ganz analog, daß die Menschen, als sie ohne physiologische Kenntnisse anfingen, ihre Aufmerksamkeit den höheren psychologischen Fähigkeiten ihres Inneren zuzuwenden, welche ebenfalls mehr oder minder den Charakter der Unwillkürlichkeit an sich trugen und Aehnlichkeit mit den erwähnten physiologischen Reflexbewegungen verriethen, davon in hohem Grade betroffen sein mußten. Der Reflexion, dem discursiven Denken, ertheilt das begleitende Bewußtsein den Schein der Willkür und läßt sie als Selbstthätigkeit des Individuums erscheinen; dagegen mußte die Intuition dem naiven Bewußtsein als eine mühelose, ohne Antheil des Individuums eintretende Conception erscheinen, die sich nur als Inspiration erklären ließ.

Wenn der Proceß unseres Denkens in allen Fällen im Bewußtsein vorgehen würde, wenn die Wehen des Gehirns stetig von unserem Bewußtsein begleitet wären, so würde darin nur eine freie Bethätigung individueller Kräfte erkannt werden können. Nun findet sich aber gerade in der höchsten geistigen Thätigkeit, in der Philosophie und Kunst, daß diese Wehen im Unbewußten verlaufen und die Idee als fertiges Resultat plötzlich in's Bewußtsein tritt; ja die besten Ideen sind gerade jene, welche uns mühelos in den Schooß fallen.

"Schlank und leicht, wie aus dem Nichts gesprungen,
Steht das Bild vor dem entzückten Blick." 5)

Kein Wunder daher, daß dem naiven Bewußtsein, welches den Begriff des unbewußten Denkens noch nicht construirt hat, in diesem Falle das Gehirn gleichsam von einer höheren Intelligenz in Besitz genommen erscheint. Die alten Griechen, welche als die Ersten im Abendlande in der Philosophie und Kunst bewundernswerthe Schöpfungen hervorbrachten, woben um manche ihrer Philosophen und Dichter den Nimbus göttlichen Umgangs. Pythagoras wurde als höheres Wesen verehrt; man nannte ihn Liebling, ja Sohn Apollos und ihm allein wurde die Fähigkeit zugeschrieben, die "Harmonie der Sphären" zu hören. 6)

Die künstlerische Begeisterung wurde neben die religiöse gestellt und als eine Art Wahnsinn bezeichnet, welcher der bewußten Einsicht entgegengestellt und aus göttlicher Ursächlichkeit erklärt wurde. Plato, welcher auch den philosophischen Trieb aus der Begeisterung (μανία) [291] hervorgehen läßt, 1) sagt von den Dichtern, daß ihre Schöpfungen nicht dem Wissen entspringen, sondern einer Art Naturbegabung und Begeisterung – οὐ σοφία ποιοῖεν ἃ ποιοῖεν, ἀλλὰ φύσει τινὶ καὶ ἐνθουσιάζοντες – und auch im Io heißt es, daß die Dichter nicht durch Kunst – τέχνῃ – sondern durch göttliche Begeisterung – ϑείᾳ μοίρᾳ – reden.

Mit der ganzen Naivetät von Menschen, welche zuerst in die labyrinthischen Gänge der Gedankenwerkstätte zu dringen versuchten, haben die Alten in drastischen Bildern und Worten die Unwillkürlichkeit der philosophischen und künstlerischen Production ausgedrückt. "Negat enim sine furore Democritus <quemquam> poetam magnum esse posse," sagt Cicero. 2) Der Dichter heißt begeistert, trunken, "des Gottes voll". In Portici wurde ein Gemälde gefunden, von dem Feuerbach 3) sagt: "Im langen, weißen Talar, vom breiten tragischen Gürtel zusammengehalten, sitzt der Dichter auf einem Throne. In der Linken hält er, stolz, wie der olympische Zeus, den silbernen Scepter mit goldener Spitze. Ihm zur Rechten kniet eine Muse, sie ist damit beschäftigt, seine Worte aufzuzeichnen; vor ihr die tragische Maske. Der Dichter ist durch dichterische Begeisterung zum thronenden Gott erhoben, gewiß zum Dionysos selbst, wie so oft auch der Priester auf alten Gemälden in die Gestalt und Tracht seines Gottes gehüllt ist." So wurde auch Aeschylus mit Auszeichnung der Genosse des Dionysos genannt 4) und hatte vom erscheinenden Gotte selbst die Weihe des tragischen Dichters erhalten; vom Weine berauscht, so erzählte man, habe er sich selbst unbewußt gedichtet. Die Nebeneinanderstellung der Trunkenheit und der künstlerischen Begeisterung wird durch das gemeinsame Merkmal der unwillkürlicheren, mehr intuitiven, als reflectiven Geistesthätigkeit gerechtfertigt.

Manche wilde Völker betrachten noch heute die durch narkotische Mittel erzeugten Hallucinationen als übernatürliche Visionen und wie es bei den Bacchanalien der Griechen und Römer der Fall war, so finden wir es bei den Sonthals, einem indischen Stamme, daß sie ihre religiösen Feste in berauschtem Zustande feiern. 5)

Die Ausdrücke, wodurch die Alten die Productionsweise des Dichters als eine göttliche Begeisterung bezeichnen, sei es nun eine bloß zeitweilig zuertheilte Inspiration, oder als Naturanlage ein Geschenk für immer – Pindar stellt die natürliche Begabung hoch über alles Anerlernte, und die schöpferischen Geister über die anderen, wie den Adler des Zeus über krächzende Raben 6) – diese Ausdrücke kehren bei ihnen so häufig wieder, daß dieser Umstand allein schon uns von der Annahme abhalten muß, als hätten sie dabei lediglich metaphorisch gesprochen. Aber auch aus den psychologischen Gründen, welche nachzuweisen oben versucht wurde, sind wir gehalten, derlei Ausdrücke als wörtlich verstanden anzusehen, mag es uns auch von unserem reflectiven Standpunkte aus schwer fallen, in jenes naive Bewußtsein uns zurückzudenken, dem sie entstammen. Wenn Homer im Eingange der Ilias die Göttin anruft, den Zorn des Achilles zu singen – Μῆνιν ἀεῖδε ϑέα – so können wir glauben, daß er bei der Mühelosigkeit seiner Conceptionen ganz ernstlich als ein inspirirtes Werkzeug sich ansah, und es wäre unpsychologisch, wollten wir diese Worte nicht wörtlich verstehen. Dagegen entspricht es ganz dem Standpunkte des gebildeten Dichters, wenn Vergilius, der sich doch mehr als Imitator bewußt sein mußte, die Selbstthätigkeit betonend, in den (übrigens zweifelhaften) Eingangsworten der Aeneis, in unwillkührlicher Aufrichtigkeit die bescheidenere Form wählt: Arma virumque cano!

Ich glaube, daß wir Modernen uns sehr irren, wenn wir es lediglich als eine mythologische Schwierigkeit empfinden, die Anschauung der alten Griechen über die künstlerische Productionsweise zu theilen. Daß wir die zur Charakterisirung derselben gewählten Ausdrücke nicht ganz naiv aufzufassen vermögen, und in ihnen bloße Redensart sehen wollen, ist vielmehr ein sehr deutlicher Beweis dafür, daß uns die Productionsweise der Alten abhanden gekommen ist, und fast nur das surrogative Verfahren der [292] Nachahmung durch bewußte Technik uns zu Gebote steht, wie es den Zeitaltern hoher reflectiver Bildung eigen ist.

Wenn die Entwicklung der Kunst Hand in Hand ginge mit der Entwicklung des wissenschaftlichen Bewußtseins der Menschheit, mit anderen Worten: wenn die künstlerische Production das Werk des reflectirenden Bewußtseins wäre, und nicht vielmehr aus dem dunklen Borne des Unbewußten entspringen würde, so müßten unsere künstlerischen Fähigkeiten der Klarheit des reflectirenden Bewußtseins entsprechen, insoferne dasselbe das Schöne zum Gegenstande hat; also müßten Aesthetik und Kunst gleichen Schritt halten. Daß davon aber das gerade Gegentheil der Fall ist, läßt sich nicht nur historisch an ganzen Völkern, sondern auch an individuellen Beispielen nachweisen. Bei den alten Griechen, bei welchen die Kunst als hochentwickelte Naturanlage tief im Volksgeiste wurzelte, und die eben darum das Höchste leisteten, war die Wissenschaft der Aesthetik nur in ihren Anfängen entwickelt. Unsere Aesthetik dagegen ist zwar noch lange nicht frei von Phrasen und Schönrednerei, besitzt aber doch ungleich mehr wissenschaftliche Bestimmtheit, als die der Alten, ohne daß wir doch auch nur annähernd die künstlerischen Fähigkeiten der letzteren hätten.

Unter dem verinnerlichenden Einfluße der mittelalterlichen Ideen ist uns der Sinn für die äußeren Formen abhanden gekommen, und es ist nicht zu viel gesagt, daß die Kunst in allen Gebieten, die sich an den Gesichtssinn wenden, zurückgegangen ist. Wir haben die Kunst, zu sehen, verlernt, mag es sich nun um das leibliche Sehen handeln, oder um das geistige reproducirende Sehen der Phantasie. So sehr plastisch sehend war dagegen die Phantasie der alten Griechen, daß selbst das Fehlerhafte ihrer Kunstproducte nur hieraus sich erklärt, z.B. das gleichsam plastische Erstarren der Scenerien in ihren Tragödien, deren Figuren in so isolirenden Umrissen gezeichnet sind, daß sie fast den Eindruck einer Gruppe von Relieffiguren eines Giebelfeldes machen. "Ueberall ist" – wie Feuerbach 1) sagt – "das Bestreben sichtbar, der vorüberfliehenden Zeit, unter der Maske des Dauernden, das Bleibende des Räumlichen anzutäuschen, auch den flüchtigsten Moment der Bewegung in die ruhige Gegenwart einer plastischen Anschauung festzubannen... Im Gange der dramatischen Handlung selbst endlich, nirgend ein stürmisches Forteilen, nirgend ein plötzliches Abreißen des Fadens durch einen entscheidenden Schlag, überall ein ruhiges Verweilen, zögernde Bewegung".

Insoferne nun, als die Schilderung menschlicher Charaktere die Handlung erfordert, und Situationsgemälde im Drama nicht zu räumlicher Ruhe verhärten, der Fluß des Geschehens nicht zu Eisschollen krystallisiren soll, müssen wir die Dramen Shakespeare's unbedingt höher stellen, ohne darum zu verkennen, daß es eben das hochausgebildete Vermögen plastischer Anschauung bei den Griechen gewesen ist, welches ihnen diese Form zu finden verwehrte. Es ist nicht zu verwundern, daß die griechischen Bildhauer so viele Darstellungen ihren berühmten Tragödien entlehnten; die Aufforderung hiezu lag in der Behandlung der Stoffe. Die Alten waren im Drama malerisch im eigentlichen Sinne, nämlich für den Bildhauer und Maler; Shakespeare ist ohne Zweifel im höchsten Grade malerisch, aber nicht räumlich, sondern zeitlich, daher sich denn seine Scenen auch weniger eignen, aus dem Fluße der Handlung herausgehoben und räumlich zur Ruhe gebracht zu werden.

Wie sehr uns die plastisch gestaltende Phantasie abhanden gekommen ist, zeigt sich hauptsächlich in jener Kunst, deren Gegenstand ausschließlich die Ruhe im Raume ist, in der Architektur. Wenn es die Aufgabe der Architektur ist, dem Beschauer das Gesetz der Schwere gleichsam fühlbar zu machen, so muß von unseren kasernenartigen Wohnhäusern gesagt werden, daß sie dieses nicht nur nicht leisten, sondern daß sie sogar gleichsam architektonische Lügen aussprechen; was aber noch schlimmer ist: unser Auge hat das Gefühl dafür verloren. Solche Lügen sind z.B. Säulen, welche die vorspringende Altane zu tragen vorgeben, während doch keine Last auf ihnen ruht, oder die Ersetzung des Spitz- oder Rundbogens durch die horizontal abschließende Linie unserer viereckigen Fenster, deren Möglichkeit auf baulichen Maßregeln beruht, die von dem gleichmäßigen Mauerbewurf verborgen werden; so, wie sich diese Fenster dem Auge darstellen, sind sie architektonisch unmöglich. Einem alten Griechen würde der Anblick solcher Dinge Wider[293]willen erregt haben; er hätte denselben vielleicht nicht zu analysiren vermocht, weil es ihm an reflectirender Aesthetik gebrach, aber sein künstlerischer Instinkt, der ihn befähigte, sich gleichsam in den Stein hineinzufühlen, mit ihm schwer zu werden und die Drucklinien der Schwere nachzuempfinden, würde ihn richtig geleitet und ihm gesagt zu haben, daß hier der Kunst Gewalt angethan sei.

Zur Erhärtung der obigen Behauptung genügt diese eine Bemerkung und die Thatsache, daß wir in der Architektur noch immer eklektisch herumtasten und combiniren, ohne einen uns eigenthümlichen Styl finden zu können; denn psychologisch genommen, ist die Architektur vielleicht die merkwürdigste der Künste, weil in ihr am wenigsten von Naturnachahmung zu finden ist, und die gestaltende Phantasie am freiesten zu walten vermag, daher denn auch die ganze Individualität der Volksseele, naiv und charakteristisch aus den stylvollen Bauwerken Aegyptens, Griechenlands und der Gothik zu uns spricht. Wenn sich daher die Phantasielosigkeit auf diesem Felde geltend macht, auf dem doch vornehmlich schöpferische Thätigkeit sich äußern sollte, so genügt ein solcher Hinweis, den Mangel künstlerischer Phantasie überhaupt darzuthun.

Wie im Nacheinander der Geschichte, so wird auch im geographischen Nebeneinander der modernen Völker die Unabhängigkeit der künstlerischen Phantasie von verstandesmäßiger Bildung, ja ihr gegenseitiges Sichausschließen, bewiesen. Wer heute die Reise von Berlin über Süddeutschland nach Oesterreich und Italien macht, wird die Volksphantasie und den Geschmack im gleichen Maße zunehmen, wie die reflective Bildung abnehmen sehen. Trotz mancher abstoßenden Erscheinungen, denen wir im Süden begegnen, hört derselbe doch nicht auf, einen unbeschreiblichen Reiz auf uns auszuüben, weil überall und in Allem, in Landschaft, Leben und Kunst, unsere Phantasie Anregung empfängt. "Die Reinlichkeit der kleinen Kinderhäuser" – schreibt Charles Dickens von der Schweiz aus – "ist wirklich wunderbar für die, welche aus Italien kommen. Aber die schönen italienischen Manieren, die weiche Sprache, das schnelle Erkennen eines freundlichen Blickes und eines scherzenden Wortes, der bezaubernde Ausdruck des Wunsches, Einem in Allem angenehm zu sein: ich habe sie hinter den Alpen gelassen. Denke ich daran, so seufze ich wieder nach Schmutz, Backstein-Fußboden, nackten Wänden, ungetünchten Decken und zerbrochenen Fenstern." 1) Umgekehrt urtheilte Dickens über Amerika, dessen hohe Cultur ihm den Mangel alles Künstlerischen nicht zu ersetzen vermochte. Etwas von der Verstimmung Heine's zieht dem durch die Seele, der nach längerem Aufenthalte in Italien wieder nach dem Norden zurückkehrt:

"Schöner Süden, wie verehr' ich
Deinen Himmel, deine Götter,
Seit ich diesen Menschenkehricht
Wiederseh' und dieses Wetter!"

So tief wurzelte in der griechischen Volksseele die Kunst, daß sie nicht nur, nach Italien übertragen, den römischen Geist befruchtete, sondern daß selbst trotz aller Völkervermischungen bei der großen Wanderung dem italienischen Volke noch etwas von der künstlerischen Frische geblieben ist, an der sich der Nordländer labt und darüber leicht geneigt wird zu vergessen, daß er unter einem Volke lebt, welches 20 Millionen Analfabeti zählt.

Aber auch die psychologische Analyse der künstlerischen Function verräth ihre Unabhängigkeit, ja ihren theilweisen Gegensatz zur reflectiven Verstandesausbildung. Vernehmen wir hierüber Aussprüche unserer größten deutschen Dichter, so ist es sehr charakteristisch, daß Goethe, der augenscheinlich so mühelos aus seiner Phantasie schöpfte, eben darum seiner eigenen Productionsweise gegenüber sich wenig beobachtend verhielt. "Ich habe nie an Denken gedacht," sagt er irgendwo. Schiller dagegen, der seiner Anlage gemäß mehr in ästhetisch-kritischer Besonnenheit producirte und das ihm vorschwebende Ideal zu erfassen suchte, auch unter dem Einflusse der Kantischen Philosophie immer nach Klarheit strebte, schreibt in seinem Briefe an Körner vom 3. Februar 1794: "Wenn das Genie durch seine Producte die Regel gegeben hat, so kann die Wissenschaft diese Regeln sammeln, vergleichen und versuchen, ob sie unter [294] eine noch allgemeinere und endlich unter einen einzigen Grundsatz zu bringen sind. Da sie aber von der Erfahrung ausgeht, so hat sie auch nur die eingeschränkte Autorität empirischer Wissenschaften. Sie kann blos zu einer verständigen Nachahmung gegebener Fälle, aber niemals zu einer positiven Erweiterung führen. Alle Erweiterung in der Kunst muß von dem Genie kommen; die Kritik führt blos zur Fehlerlosigkeit." 1) Und an Goethe schreibt er am 27. März 1801: "In der Erfahrung fängt auch der Dichter mit dem Bewußtlosen an, ja er hat sich glücklich zu schätzen, wenn er durch das klarste Bewußtsein seiner Operationen nur so weit kommt, um die erste dunkle Totalidee seines Werks in der vollendeten Arbeit ungeschwächt wiederzufinden... Das Bewußtlose mit dem Besonnenen vereinigt, macht den poetischen Künstler."

Wie die Praxis immer älter ist, als die Theorie, so auch in der Kunst. Wie Astronomie die Gestirne voraussetzt, so mußte auch eine Reihe hervorragender Kunstschöpfungen erst vorliegen, bis es der Menschheit zum Bewußtsein kommen konnte, daß die Schönheit auf auffindbaren Regeln beruhe, bis also eine Aesthetik entstehen konnte. Ein Ersatz aber für die künstlerische Fähigkeit ist dieselbe so wenig, als etwa die Einsicht in den Mechanismus des Ohres das Gehör ersetzt.

Speciell in Bezug auf Lyrik dürfte es genügen, auf die herrlichen Volkslieder zu verweisen, die sich bei Uhland und in "des Knaben Wunderhorn" gesammelt finden, um die Unabhängigkeit dichterischer Fähigkeiten vom Bildungsgrade der Individuen zu beweisen. Solche Volkslieder finden sich aber bei allen Völkern, und nicht die Höhe der betreffenden Cultur offenbart sich in ihnen, während allerdings die qualitative Besonderheit des Volksgeistes sich in ihnen kundgibt, z.B. die intensive Reaction der Seele auf die Naturumgebung bei Germanen und Slaven. Ja schon der Umstand ist charakteristisch, daß die Autoren solcher Perlen der Poesie unbekannt blieben, was nicht der Fall sein könnte, wenn sie nicht selbst ohne ästhetischen Criticismus und ohne alle Ahnung ihrer Hochbegabung gewesen wären, während heute jeder Verseschmied seine aus ästhetischer Besonnenheit geschöpfte technische Fertigkeit für Genialität und sich für einen verkannten Dichter hält, wenn er trotz aller Mittel der Reclame nicht durchzudringen vermag.

Nach allen diesen Erörterungen ist es kaum mehr nöthig, darauf hinzuweisen, daß wir hauptsächlich im Gebiete der Malerei und Musik häufig Individuen begegnen, deren künstlerischer Begabung wir alle Achtung zollen, während es uns oft schwer wird, über den fast vollständigen Mangel an Bildung uns hinwegzusetzen, der sich in ihrem Umgange verräth. Endlich ist aber noch sehr zu beachten, – last not least – was die moderne Physiologie und Psychiatrie über das Verhältnis der künstlerischen Fähigkeiten zum reflectiven Bewußtsein lehren. In pathologischen Seelenzuständen sehen wir oft die Kräfte des reflectirenden Verstandes alterirt, während die künstlerische Function fortdauert, so daß sich also die künstlerische Anlage als unabhängig nicht nur von der Höhe, sondern sogar von der normalen Beschaffenheit des Bewußtseins verräth. So erzählt beispielsweise Maudsley einen Fall von musikalischer Begabung mit Geistesschwäche verbunden; ja das Beispiel eines alten Mannes führt er an, der nach 15jährigem Irrsinn doch gut componirte, fließend dichtete und ein ausgezeichneter Rechnungsführer war. 2)

Der gesunde Menschenverstand ist geneigt, Genie und Wahnsinn für entgegengesetzte Extreme zu halten; die Psychiatrie weist aber vielmehr ihre Verwandtschaft nach. Auch Irrsinnige denken, aber sie wissen nicht, daß sie denken. Freilich ist es beim Irrsinnigen nur ein krankhaftes Ueberwiegen einer Fähigkeit, die er als gemeinsames Merkmal mit dem Genie theilt, während bei diesem das Gleichgewicht aller zur künstlerischen Production nöthigen Fähigkeiten vorhanden sein muß. Nur weil bei Shakespeare dieses Gleichgewicht in wunderbarem Grade vorhanden war, und nicht etwa, weil er dem Irrsinn sehr nahe stand, konnte er uns im König Lear den Wahnsinn in einer Gestalt vorführen, daß Maudsley selbst bekennen muß: "Müssen wir nicht zugestehen, das wir über die wahren Ursachen des Irrsinns aus einer [295] Tragödie, wie Lear, mehr lernen, als aus alledem, was hierüber in wissenschaftlicher Form geschrieben ist." 1)

Die vorstehenden Bemerkungen bezwecken nichts anderes, als dem Ausdrucke "unbewußte Production des Künstlers" seine Paradoxität zu benehmen, ohne daß natürlich der große Unterschied zwischen der gedankenlos und traumhaft schaffenden und andererseits der besonnen schaffenden Phantasie des Künstlers, hauptsächlich bei größeren Conceptionen, irgendwie geleugnet werden soll. Zu einer radicalen Beseitigung des paradoxen Scheines, welcher der Annahme eines bewußtlosen und doch geistigen Producirens anhaftet, genügt freilich weder das Vorhergehende, noch was später beigebracht werden wird; vielmehr wäre hiezu ein vergleichender Seitenblick auf die zahlreichen verwandten Phänomenen nöthig. Indessen würde eine vollständige Theorie des Unbewußten im Geiste Erscheinungen umfassen, welche hier sämmtlich zu erörtern nicht angeht, daher die bloße Anführung genügen mag. Es wären hier zu behandeln die Instincte der Thiere, besonders die noch immer so räthselhaften Masseninstincte in den Thierstaaten, angesichts welcher sich ein Forscher, wie Darwin, zu der Bemerkung veranlaßt sieht: "So sind ja die wunderbaren verschiedenen Instincte, geistigen Kräfte und Affecte der Ameisen allgemein bekannt, und doch sind ihre Kopfganglien nicht so groß, als das Viertel eines kleinen Stecknadelkopfes. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus ist das Gehirn einer Ameise das wunderbarste Substanzatom in der Welt, und vielleicht noch wunderbarer, als das Gehirn des Menschen." 2)

Es wäre ferner die Theorie der Sinneswahrnehmungen zu berücksichtigen, in Bezug auf welche die moderne Physiologie nachweist, daß keine Wahrnehmung ohne unbewußte logische Functionen des Verstandes zu Stande kommt, wie es bereits Schopenhauer geahnt und ausgesprochen hat. 3) Weiters wäre der so merkwürdige Proceß der Sprachenbildung und Schriftbildung zu erörtern, bezüglich deren Lazarus Geiger sagt: "Wenn die Sprache Erfindung wäre, so müßte die Weisheit der Menschen vor der Erfindung der Sprache unendlich größer, als die gegenwärtige, gewesen sein. Wie in der Sprache, so können wir auch in der Schrift, obschon sie noch in fast geschichtlicher Zeit ihre Ausbildung erlangt, mit allem in ihr liegenden Verstande nicht selbst ein Werk des Verstandes, sondern nur eine jener instinctiven Schöpfungen des menschlichen Geistes erkennen, welche, obzwar Producte einer vernunftlosen Entwicklung, doch die höchste, bewundernswürdigste Vernunft, eben wie die Wunder der Natur um uns, in sich bergen." 4)

Endlich wäre noch auf jene merkwürdige Thatsache zu verweisen, welche erst jüngst Ernst Kapp an's Licht gezogen hat, daß der Mensch in seinen technischen Erfindungen, in welchen er doch gänzlich von seinem Bewußtsein abzuhängen scheint, dennoch unbewußt Form, Functionsbeziehung und Normalverhältniß seiner leiblichen Gliederung auf die Werkzeuge seiner Hand überträgt, so daß ihm erst hinterher das Zustandekommen seiner Mechanismen nach organischem Vorbilde bewußt wird und er das Verständniß seines Organismus erst aus Analogie frei nacherfundener Mechanismen gewinnt. 5)

In allen diesen Fällen haben wir unbewußte psychische Thätigkeiten, die theils ohne Beihilfe des discursiven Denkens Resultate erzielten, welche die Resultate bewußter Verstandesthätigkeit sogar übertreffen, theils sehen wir aus bewußter Thätigkeit Producte hervorgehen, deren Uebereinstimmung mit Mustern aus dem Gebiete organischer Naturthätigkeit erst nachträglich erkannt wird. Es ergibt sich somit für die Philosophie die Nothwendigkeit, die bewußtgeistigen Functionen unseres Inneren überhaupt als eine natürliche Fortsetzung der äußeren Gesetzmäßigkeit der Natur anzuerkennen, und beide aus derselben Quelle abzuleiten. "Ohne auf das geheimnißvolle Band zurückzugehen, welches die äußere organische Individualität mit der inneren psychischen zusammenschließt, ist es unmöglich, die organisch-psychische Individualität als reale, lebendige und concrete Einheit zu erfassen... Dieses Band aber kann schlechterdings [296] nicht mehr auf dem Gebiete der Erscheinung, sei es der äußeren <materiellen>, oder der inneren Bewußtgeistigen gesucht werden, da ... jede Seite der Erscheinung, auch in ihrer Gesammtheit gewonnen, unfähig ist, die andere Seite zu erklären. Folglich kann dieses Band nur jenseits der Materie, wie jenseits des Bewußtseins gesucht werden, d.h. die physiologische Psychologie ist durch ihren eigenen Begriff gezwungen, in das Gebiet der Metaphysik überzugreifen." 1)

Wenn wir nun jene gemeinsame Quelle von <innerem> und <äußerem> Geschehen in vorläufiger Definition als das Unbewußte bezeichnen wollen, so stellt sich dasselbe für die von der höchsten Klarheit des Bewußtseins begleiteten geistigen Functionen eben so wohl, wie für die vollständig instinctiven als der gemeinsame Born dar. Beim Philosophen wie beim Dichter sind die besten Gedanken die ungewollten, vor denen er selbst überrascht und erstaunt steht. Ein Plato war über diese Thatsache so verwundert, daß er sie nur durch eine Wiedererinnerung aus einem früheren Dasein erklären zu können meinte und auch Schopenhauer schildert diese gleichsam organisch gestaltende Naturkraft im unbewußten Denken mit den bemerkenswerthen Worten: "Unter meinen Händen und vielmehr in meinem Geiste erwächst ein Werk, eine Philosophie, die Ethik und Metaphysik in Einem sein soll, da man sie bisher trennte, so fälschlich, als die Menschen in Geist und Körper. Das Werk <wächst>, concrescirt allmälig und langsam, wie das Kind im Mutterleibe: ich weiß nicht, was zuerst und was zuletzt entstanden ist. Ich werde ein Glied, ein Gefäß, einen Theil nach dem anderen gewahr, d.h. ich schreibe auf, unbekümmert, wie es zum Ganzen passen wird: denn ich weiß, es ist Alles aus Einem Grund entsprungen. So entsteht ein organisches Ganzes und nur ein solches kann leben." 2)

In dieser unwillkürlichen Production des unbewußten und doch teleologischen Denkens können wir also nicht unser Ich als Schöpfer anerkennen, sondern nur als Theile der Natur sind wir thätig, oder vielmehr die Natur ist in uns thätig, und Lichtenberg behält Recht, welcher sagt: "Es denkt, soll man sagen, sowie man sagt, es blitzt. Zu sagen cogito ist schon zu viel sobald man es mit ich denke übersetzt. Das Ich anzunehmen, zu postuliren ist praktisches Bedürfniß."

Nur Eine Erscheinung möge hier noch eine nähere Erörterung erfahren, in welcher sich ebenfalls das Unbewußte im menschlichen Geiste verräth und welche mit unserem eigentlichen Thema insofern sehr viel Verwandtschaft besitzt, als sie wenigstens theilweise das gleiche Resultat erzielt, wie die künstlerische Production: die Schönheit, und als sicherlich das gleiche Organ, dabei thätig ist: die Phantasie. Es ist der Traum, den wir im Nachfolgenden betrachten werden.

 

 

 

 

The art itself is nature.                                                
(Shakespeare: Wintermärchen IV. 3.)

 

[321] 2. Die dichterische Phantasie im Traume.

 

Eine seelische Function, welche mit der künstlerischen Production die größte Aehnlichkeit hat, und doch ganz im Unbewußten <verläuft>, ist das Träumen. Weder die physiologische noch die metaphysische Seite des Traumes soll jedoch hier erörtert werden, sondern lediglich die Traumvorstellung als solche, und auch diese nur in so ferne, als die Phantasie hiebei den Gesetzen der Schönheit Rechnung trägt.

Die Theorie der Sinneswahrnehmung lehrt, daß die Vorstellung einer Außenwelt nicht zu Stande kommen kann, ohne Betheiligung des Verstandes, welcher dabei logische, aber im Unbewußten verlaufende Schlüsse zieht. Die allgemeinen Bedingungen im Traume sind nun in so ferne wenigstens die gleichen, als auch dort physiologische Erregungen der Nerven entstehen, die jedoch nur ausnahmsweise von den peripherischen Nervenenden ausgehen – z.B. bei äußeren Geräuschen und Tönen, Druckempfindungen in Folge der Lage unseres Körpers – in der Regel aber von Innen kommen, als Wirkungen des vegetativen Processes, dem der Organismus im Traume sogar vornehmlich unterliegt. Es werden ferner auch im Schlafe diese von Außen oder von Innen kommenden Empfindungen durch die Nerven dem Gehirne zugeführt, und, wie im Wachen, so reagirt dieses auch im Schlafe der <ihm> eigenthümlichen Form gemäß, welche die Causalität ist. Es ist die apriorische Function des Gehirns, Warum? zu fragen, für die ihm zukommenden Empfindungen Ursachen zu construiren, und dieselben nach Außen zu projiciren. Die Thätigkeit der Traumphantasie ist nun hiebei, die aus dem Vorrathe der im wachen Leben angesammelten und im Unbewußten aufgespeicherten Gedächtnißvorstellungen eine solche hervorzuziehen, welche als eine der zugeführten Empfindung entsprechende Ursache angesehen werden kann. So versetzt uns z.B. ein Reiz des Augennerven in einen hellerleuchteten Saal. Es läßt sich also annehmen, daß je größer der Vorrath dieser Erinnerungsbilder ist, es der Traumphantasie um so leichter werden muß, eine möglichst adäquate Ursache für die zugeführte Empfindung zu construiren. Wenn etwa ein schlafendes Kind in Folge der Verschiebung seiner Decke die Empfindung der Kälte in den Füßen erfährt, wird es kaum träumen, wie ein Erwachsener, daß es durch einen Fluß schreite, weil diese Vorstellung in der Erfahrung ihm noch nicht gegeben war; es wird daher aus dem geringen Vorrathe seiner Erinnerungsbilder ein anderes als Ursache herausgreifen, das vielleicht sehr wenig adäquat ausfällt. Wenn sich im Schlafe in Folge einer inneren, im Organismus liegenden Erregung etwa Herzklopfen einstellt, so wird uns die Traumphantasie in eine Situation stellen, welche wirklich geeignet ist, Herzklopfen zu erzeugen; wir werden beängstigende Traumvorstellungen haben. Hierauf beruht die noch zu wenig beachtete Verwerthbarkeit der Träume für die Diagnose von Krankheiten, welche schon die Alten erkannt haben. 1) Es läßt sich aber annehmen, daß das vorgestellte Traumbild nicht nur von der Bestimmtheit der erregenden Empfindung, sondern auch von der Bestimmtheit ihrer Wahrnehmung [322] abhängig sein, also je nach der Qualität des Gehirns mehr oder weniger adäquat sein wird. Dergleichen läßt sich ja schon im Wachen beobachten. Wenn wir z.B. im Dunkel auf dem Schreibtische tappend das geöffnete Federmesser zu Fall bringen und dieses mit nach unten gekehrter Spitze der Klinge sich in den Fußboden bohrt, so wird dieses wenig orientirende Geräusch nicht von Jedermann richtig gedeutet werden können.

Der Traum ist demnach ein Versuch des Gehirns, eine ihm zugeführte Empfindung zu erklären. Dabei verlaufen aber unsere Träume in der Regel sehr phantastisch, und dieses könnte wohl nicht der Fall sein, wenn nicht im Traume die Association der Vorstellungen viel leichter vor sich ginge, und wenn nicht das Gedächtniß im Traume viel reicher wäre, als im Wachen, und Vorstellungen wiedererweckt werden könnten, welche zwar einst innerhalb der Sphäre des Bewußtseins lagen, aber vom Gehirne längst zu den Acten des Unbewußten gelegt wurden. 1) Auch dieses läßt sich aus Vorgängen im Wachen erläutern. So fiel mir einst ganz unvermittelt das Wort "Bobertag" ein, dem ich durchaus keinen Sinn abgewinnen konnte, und das mich lange Zeit verfolgte; erst längere Zeit später fiel mir ein früher angelegtes Bücherverzeichniß in die Hände, worauf ich das Wort als den Namen eines Autors las. Auf solchen latenten Erinnerungen also beruht zum Theile das Phantastische unserer Träume. Die Reichhaltigkeit unserer Traumphantasie ist also kein Grund, ihre Identität mit der wachen Phantasie zu bezweifeln; eben so wenig ist aber ihre Energie ein Grund hiezu, die allerdings in einer Gestaltungskraft sich äußert, welche die des wachen Bewußtseins bei weitem übertrifft, in abnormen Zuständen aber, z.B. bei Hallucinationen auch im Wachen erreicht wird.

Um so weniger aber dürfen wir die Identität des Organs bezweifeln, als bei solchen Individuen, deren wache Phantasie an Kraft der träumenden am Nächsten kommt, nämlich beim Künstler, auch die schöpferischen Producte der beiden am meisten Aehnlichkeit besitzen.

Schon der Entstehungsproceß der künstlerischen und der Traum-Vorstellungen kommt sich in so ferne sehr nahe, als er mehr oder minder im Unbewußten verläuft. Wie sich daher Dichter und Künstler der classischen Zeit bei ihrer physiologischen Unschuld ihre Schöpfungen nur als von Außen kommende Inspirationen erklären konnten, so hält auch der Träumende die von ihm producirten Vorstellungen für eine von ihm unabhängige Wirklichkeit. Und wie das bloße Talent, welches reflectiv Künstlerisches hervorzubringen sucht, niemals auf den Gedanken einer Inspiration gerathen könnte, so würde auch trotz aller plastischen Anschaulichkeit der Traumbilder doch die Täuschung der Realität gehoben sein, wenn der Entstehungsproceß derselben nicht im Unbewußten verliefe. In der künstlerischen wie in der Traumphantasie finden wir also das gemeinsame Merkmal des Unbewußten; in beiden functionirt das Gehirn als reines Naturproduct, nicht als Träger eines subjectiven reflectirenden Bewußtseins.

So erscheint es aber als von selbst verständlich, daß in beiden Thätigkeiten auch ein mehr oder weniger ähnliches Resultat zu Stande kommen muß. Die Traumvorstellungen besitzen eine wunderbare plastische Anschaulichkeit, welche im Wachen nur bei künstlerischer Anlage annähernd erreicht wird, sonst aber nur bei hallucinatorischen Zuständen zu finden ist. Diese Anschaulichkeit der Traumbilder ist nun aber ihrerseits wieder geeignet, die Täuschung der Realität zu vermehren, und das Bewußtsein, daß wir träumen, gänzlich niederzuhalten oder doch nur selten und ganz leise aufkommen zu lassen. Logischer Weise müssen wir nun freilich auch umgekehrt schließen: wenn unsere Phantasie im Wachen die gleiche Energie und Gestaltungskraft hätte, wie im Traume, so müßten wir auch im Wachen unsere bloßen Phantasiebilder mit der Realität vermengen. Dieses wird aber in der That bestätigt durch Individuen, deren Einbildungskraft besonders energisch ist. So erzählt Brierre de Boismont von einem Maler, derselbe habe die Bilder Einmal gesehener Personen so deutlich sich vorstellen können, daß er ihre Porträts nach dem Erinnerungsbilde zu malen vermochte; bald war er nicht mehr im Stande, seine Phantasmen von der Wirklichkeit zu unterscheiden, und verfiel schließlich in Wahnsinn. 2) Von Schopenhauer erzählt Gwinner: 3) "Vom Vater angeerbt war ihm jene von ihm selbst verwünschte und zeitlebens [323] mit dem ganzen Aufwande seiner Willenskraft bekämpfte, an Manie grenzende Angst, die ihn zuweilen bei den geringfügigsten Anlässen mit solcher Gewalt überfiel, daß er blos mögliches, ja kaum denkbares Unglück leibhaftig vor sich sah. Eine fruchtbare Phantasie steigerte diese Anlage manchmal in's Unglaubliche." Bekannt ist auch die Vision Goethe's, die er im dritten Buche von "Wahrheit und Dichtung" erzählte, daß er bei dem Ritte von Sesenheim nach Drusenheim sich selbst im hechtgrauen Rocke begegnete.

Wenn wir die verschiedenen Thätigkeiten der Phantasie betrachten, von bloßen Erinnerungsbildern angefangen, sodann bei Hallucinationen, Traumbildern, und endlich bei den Phantasmen Wahnsinniger, so finden wir darin nur Gradunterschiede der Energie, welchen Gradunterschieden aber auch die Täuschung der Realität, und die Stärke der den Phantasmen adäquaten Empfindungen entspricht. Phantasievolle Menschen bewegen sich bei einer blos vorgestellten Situation mehr oder minder, wie wenn sie wirklich darin stünden, nicht blos in Bezug auf Körperstellung, Geberden, Mienenspiel, sondern auch die der Situation entsprechenden Worte werden oft laut gesprochen, und die entsprechenden Empfindungen des Zornes, der Freude oder Trauer stellen sich ganz fühlbar ein, lassen uns die Faust ballen. Auf dieser Erregbarkeit und zwar auch des motorischen Nervensystems durch bloße Vorstellungen beruht das Talent des Schauspielers.

Das gewöhnliche Phantasiebild beruht auf einer centralen Erregung des Gehirns – in den meisten Fällen wohl herbeigeführt durch unbewußte Association von Vorstellungen – und der Intensität des Reizes entspricht die Lebhaftigkeit der Vorstellung. Wird nun aber durch die centrale Erregung der Gehirntheile eine Reizintensität erzeugt, die sich bis zu den peripherischen Nervenenden fortpflanzt, so daß diese erregt werden, wie es durch äußere Wahrnehmungen geschieht, so erfolgt trotz des wachen Zustandes auch die unmittelbare Anschauung eines äußeren Gegenstandes – im Falle nämlich der Sehnerv in dieser Weise erregt wurde – d.h. eine Hallucination. Derlei Hallucinationen können sich auch auf das Gehör erstrecken. Pflanzt sich nun aber diese centrale Erregung auf die motorischen Nerven fort, so kommt es zu den dem Phantasma entsprechenden Körperbewegungen oder laut gesprochenen Worten.

Dem Hallucinirenden vermischen sich also die auf Grund innerer Erregungen entstehenden Vorstellungen mit solchen durch äußere Erregung erzeugten, so daß er sie nicht mehr zu unterscheiden weiß, – ein Zustand, der sich vom Traume nur quantitativ unterscheidet, indem im letzteren innere Erregungen und daraus resultirende Vorstellungen fast ausschließlich vorhanden sind, dagegen das peripherische Nervensystem äußeren Reizen fast unzulänglich ist. So wenig, wie der Traum ist aber die Hallucination auf den Gesichtssinn beschränkt; auch die übrigen Sinne nehmen an ihnen Theil; und wie im Traume auch gesprochen und Schmerz empfunden wird, so auch bei Hallucinationen. In krankhaften Zuständen auch des Wachens genügt oft die bloße Vorstellung einer Schmerzempfindung, den Schmerz selbst herbeizuführen, indem hiebei das Blut nach jenen Körperstellen strömt, auf welche die Aufmerksamkeit gerichtet ist.

Es wird von der Intensität des Reizes abhängen, ob die Phantasie lediglich die räumliche Vorstellung eines Dinges liefert, oder ob auch die anderen Sinne, welche von dem realen Dinge afficirt würden, sich an der Construction desselben mitbetheiligen. So glauben wir im Traume auch den Duft der Blumen einzuathmen, die wir pflücken, oder hören auch, bei einer Mahlzeit sitzend, das Geklapper der Messer und Gabeln. Exstatische empfinden den pestilenzialischen Geruch des sie verfolgenden Dämons, während der heiligen Gertrud, wenn sie Christus sah, ein angenehmer Veilchengeruch von ihm ausging. Maury erzählt sogar von einem Geisteskranken, der an der Einbildung litt, ein großes Geweih auf der Stirne zu tragen, und der Schmerzensschreie ausstieß, als man eine Operation simulierte. 1)

In der hallucinirenden Thätigkeit der Phantasie finden wir also bereits den Uebergang zum Traume, nämlich eine Einmischung subjectiver Vorstellungen in die Realität, von der sie nicht unterschieden werden, während der Traum ganz aus subjectiven Bestandtheilen besteht, die um so leichter für real gehalten werden können, als hier gar keine Möglichkeit des Vergleiches mit anderartig gegebenen Vorstellungen gegeben ist, und das Gehirn des Schlafenden ganz seiner [324] eigenen Thätigkeit überlassen ist, weder durch äußere Eindrücke, noch durch die abstracte Gedankenassociation des Bewußtseins gestört wird.

Daß aber auch im Traume das gleiche Organ, die Phantasie, nur in größerer Energie, thätig ist, beweist schon die sinnliche Lebhaftigkeit, womit uns oft nach dem Erwachen noch die Erscheinungen des gehabten Traumes vorschweben. Oft auch, unmittelbar nach dem Erwachen, wenn unser Blick auf die Arabesken oder Blumen der Tapeten unseres Zimmers fällt, werden dieselben von der Phantasie, die noch ihre Traumintensität besitzt, in lebende Figuren etc. verwandelt, während oft nur wenige Minuten später, wenn ihre Energie nach zurückgekehrtem vollem Bewußtsein wieder abgeschwächt ist, es uns beim besten Willen nicht mehr gelingen will, die Täuschung wieder zu erzeugen.

Wenn wir nun sehen, daß Phantasiebilder, Hallucinationen und Traumbilder nur graduell verschieden sind und in einander übergehen, also der Function des gleichen Organes zugeschrieben werden müssen, das nur in verschiedener Energie thätig ist, so kann es uns nicht Wunder nehmen, im Traume Vorstellungen zu begegnen, welche den Anforderungen der Kunst mehr oder minder Rechnung tragen.

Der Traum enthält sowohl lyrische, wie dramatische Bestandtheile, ganz abgesehen von der plastischen Anschaulichkeit seiner Bilder; er ist also in mannigfacher Weise ein Künstler. Der Traum zeigt zwar nichts von der Gesetzmäßigkeit und Ordnung der sogenannten wirklichen Welt; aber bei aller Bilderflucht, die in ihm herrscht, wird doch der aufmerksame Beobachter die Erfahrung machen, daß wir oft in Landschaften von zauberischer Schönheit blicken, vor welchen der Träumende bewundernd anhält; und bei aller Regellosigkeit und überstürzenden Wandelbarkeit in den Traumereignissen treten uns doch oft Gestalten von wirklich künstlerischer Charakteristik, oder umfloßen und verklärt von Schönheit entgegen, wie sie nur der tief in unserem Inneren schlummernde Poet, die Traumphantasie, zu ersinnen vermag.

Der Traum ist ohne Zweifel ein potencirtes Seelenleben, in welchem Fähigkeiten erwachen, die wir sonst nicht besitzen. Der Traum ist nicht nur reproductiv, wie in den Associationsträumen, oder in jenen, die durch körperliche Zustände hervorgerufen werden, sondern auch productiv in den eigentlichen Phantasieträumen; dieses würden wir ohne Zweifel weit mehr gewahr werden, als es in der That geschieht, wenn nicht eben in die letztgenannten Träume die ersteren sich immer störend eindrängen würden. Wenn wir aus dem bewußten Leben gar nichts in den Traum herübernehmen würden, sondern im Schlafe ganz dem vegetativen Leben anheimfielen, ganz Natur würden, so würde sich das Unbewußte in uns in ungestörter Thätigkeit weit klarer offenbaren, und der dem menschlichen Forschen so unzugängliche Kern der Natur würde vielleicht von unserem Bewußtsein ergriffen werden können; dann wäre der Traum in Hinsicht auf die Räthsel der Metaphysik weit lehrreicher, als das wache Leben. Könnten wir die bewußt-geistige Seite unseres Ich im Traume ganz abstreifen, so würden unsere Träume ohne Zweifel das Ungeordnete und Verworrene verlieren, das Träumen wäre alsdann reine Naturthätigkeit, und in dieser unbewußten Thätigkeit würde die Natur so geordnete Erscheinungen schaffen, wie sie es ja auch unbewußt im ganzen Aufbau der Welt thut. Der Unterschied zwischen der gesetzmäßigen Ordnung der Wirklichkeit und der sprunghaften Verworrenheit des Traumes beruht also darauf, daß wir im Traume zu wenig dem Naturleben zurückgegeben sind, daher denn die wahrhaft künstlerische productive Thätigkeit des Traumes nur intermittirend eintritt, und reine Schönheit nur selten dargestellt wird.

Volkelt in seiner vortrefflichen, das Problem tief auffassenden Schrift über die "Traumphantasie" sagt sehr treffend, daß der Traum in dieser Hinsicht nicht unbewußt genug sei. Und Vischer sagt hierüber: "Man kann auch sagen im Traume strafe sich das Heraustreten des Menschen aus der Natur, indem die Halbheit: unbewußt mit Resten des Bewußtseins, die große Verwirrung anstiftet." 1)

Gleichwohl läßt sich nicht in Abrede stellen, daß im Traume oft wahrhaft Poetisches gestaltet wird. Abgesehen von der plastischen Anschaulichkeit aller Traumvorstellungen, welche nicht einmal der Künstler im Wachen zu erreichen vermag, finden sich auch Stimmungen der [325] innigsten Art, Humor und Ironie, majestätische Erhabenheit und idealisirte Schönheit. Insbesondere aber ist der Traum ein Meister im Symbolisiren, und in dieser Hinsicht kann gesagt werden, daß in den meisten Träumen die ästhetische Bildungsstufe der Träumenden übertroffen wird. Einen sehr hübschen Traum dieser Art erzählt Vischer: "Ein verstorbener Freund von mir befand sich in sonderbarer Gemüthslage zu zwei Schwestern, die ihn beide liebten und zwischen die seine eigene Neigung sich räthselhaft unklar vertheilte. In dieser Zeit träumte ihm: er finde einen Rosenstock, den eine der Schwestern ihm geschenkt hatte, verwelkt; er erschrickt, und in diesem Augenblicke sieht er die andere aus einer dunklen Ecke des Zimmers hervorspringen und jubelnd in die Hände klatschen." 1)

Ungemein häufig sind jene symbolisirenden Träume, wo bei der Empfindung eines körperlichen Zustandes ein Bild untergeschoben wird, das oft aus ganz heterogener Sphäre entnommen wird. Volkelt und insbesondere Scherner 2) behandeln diese "Liebreizträume" sehr ausführlich.

Im wachen Zustande werden uns Objecte der unorganischen Natur nur insoferne zu ästhetischen, als wir uns selbst in sie hineinfühlen; wir verleihen den Dingen unser eigenes Innere, und erst indem dieses wieder zu uns spricht, erregen sie uns ästhetisch. Wir projiciren einen Theil unseres Selbst in die Natur, wenn uns etwa das Treiben der Naturgewalten im Gewitter erhaben stimmt; wir könnten nicht von stolz aufragenden Felsenzinken reden, von sanft gewellter Ebene, von wild schäumender Brandung, nicht vom Sichheben der Berge oder vom Streben der Wolken, wenn nicht unbewußt diese Einfühlung stattfände; ja es ist nicht einzusehen, wie die Besonderheit der Naturerscheinungen eine Besonderheit der in uns erregten Empfindungen hervorrufen sollte, wenn nicht in der Form der äußeren Dinge eine psychische Aufforderung liegen würde, in sie gleichsam hineinzuschlüpfen, so daß sie uns symbolisch unser eigenes Wesen kundgeben. 3) Vielleicht läßt sich sogar behaupten, daß es uns überhaupt nicht möglich ist, anders als anthropopathisch in die Natur zu schauen. In unseren Sprachen lassen sich Bestandtheile nachweisen, welche zeigen, daß wenigstens bei unseren prähistorischen Vorältern jene symbolisirende Fähigkeit sehr stark war, und daß ihre unbewußt dichtende Phantasie bei der Anschauung der Naturobjecte sehr thätig war. Es zeigt sich dieses in den reflexiven Zeitwörtern; ja schon dem grammatischen Geschlecht, in das die leblosen Dinge eingetheilt werden, liegt anthropopathische Naturanschauung zu Grunde, und eine unbewußte Poesie der Phantasie.

Dem Wesen nach ist es die gleiche Thätigkeit der Phantasie, die sich im Symbolisiren des Traumes kundgibt, nur noch gesteigert, wie sich schon darin zeigt, daß die Traumphantasie das in der ästhetischen Contemplation schon gegebene Object, erst selbst schafft.

Es ist nun sehr merkwürdig, daß die gleiche Formsymbolik einen der wesentlichsten Bestandtheile der dichterischen Phantasie des Lyrikers bildet, so daß von diesem Gesichtpunkte aus die Lyrik als eine paläontologische Weltanschauung sich bezeichnen läßt, und das traumhafte Schaffen des Lyrikers in helles Licht gesetzt wird. Wenn es z.B. bei Martin Greif 4) in dem "Abend" betitelten Gedichte heißt:

"Goldgewölk und Nachtgewölke
Regenmüde still vereint,
Also lächelt eine welke
Seele, die sich satt geweint," –

so ist dieses eine Stimmung, zu deren Symbolisirung die Traumphantasie, die immer gleich ein Bild unterschiebt, wohl eine Landschaft würde darstellen können, wie Greif sie schildert.

Es läßt sich denken, daß diese traumhafte Phantasiethätigkeit nur intermittirend eintreten kann, daher wir ihr denn auch nur in den kurzen, fast in momentaner Eingebung entstandenen Stimmungsliedern begegnen, ja selbst in solchen oft nur stellenweise. Lenau, dessen erregbare Phantasie durch sein trauriges Ende bestätigt wird, ist besonders reich an solchen Stellen:

[326] "Sanft senkten sich in feierliches Schweigen
Die Züge der Natur, kein Lüftchen sprach,
Sie schien ihr göttlich Angesicht zu neigen,
Als sänne still sie einer Freude nach 1)

oder:

"Schlummernd, oder träge sinnend
Ruht der Hirt bei seinen Schafen,
Die Natur, Herbstnebel spinnend,
Scheint am Rocken eingeschlafen." 2)

Fast scheint sogar manchesmal seine Phantasie jener im Traume wahrnehmbaren symbolischen Energie sich anzunähern, die nicht nur in die Natur sich einschmiegt, sondern das Einfühlungsobject gestaltet:

"Komm, Gottesleugner, Gott zu fühlen;
Dein Frevel wird auf diesem Rand
Den Todesabgrund tiefer wühlen,
Dir steiler thürmen diese Wand! –
3)

wo die Stimmung mit dem Naturobjecte sich nicht nur verschmilzt, sondern es gleichsam materiell verwandelt, um es sich adäquater zu machen.

Gehen wir nun zu den dramatischen Bestandtheilen des Traumes über, so gleicht der Traum dem dramatischen Dichter vor Allem in der großen Objectivität seiner Gestalten. Weil diese Gestalten in beiden Gebieten nicht reflectiv ersonnen, sondern intuitiv geschaut sind, weil sie also dem Bewußtsein fertig gegeben, aber hinter dem Bewußtsein entstanden sind, hat dieses auch seine Macht über sie verloren, sie bewegen sich nach eigenen inneren Gesetzen, werden vom Dichter oder Träumenden nicht geleitet, sondern drängen sich ihm objectiv auf. Im Traume wird auch aus diesem Grunde die Täuschung der Realität erzeugt; der Dichter weiß es zwar, daß es nur seine Gebilde sind, die er schaut, daß sie nur thun und reden, was er ihnen eingibt, aber es bestätigt sich wieder die Identität der träumenden und dichterischen Phantasie dadurch, daß auch dem Dichter oft seine Phantasmen in Folge ihrer leibhaftigen Greifbarkeit zu Hallucinationen werden, die er nicht abzuschütteln vermag. So fürchtete sich Amadeus Hofmann vor den Gespenstern, die seine eigene Phantasie ersonnen.

Schon die Alten haben die träumerische Function der künstlerischen Phantasie erkannt. So sagt Cicero von Phidias: "Nec vero ille artifex, quum feceret Jovis formam, aut Minervae, contemplabatur aliquem, e quo similitudinem duceret, sed ipsius in mente insi debat species pulchritudinis eximia quaedam, quam intuens, in eaque defixus, ad illius similitudinem artem et manus dirigebat." 4) Die blos copirenden und idealisirenden Künstler, welche nur Naturobjecte nachzuahmen vermögen, schöpfen aus der Wirklichkeit die Bestandtheile der von ihnen vorgestellten Gestalten – sie entsprechen den Eklektikern unter den Philosophen –; der wirkliche Künstler aber wird kein geistiges Mosaik erzeugen, sondern fertig aus seinem Haupte entspringt die Gestalt, er ahmt die Natur in ihrer Function nach und seine Thätigkeit ist eine schöpferische. Das Organ derselben aber ist das gleiche, welches ihm im Traume Bilder von so plastischer Anschaulichkeit hinzaubert. Plinius sagt von Parrhasius geradezu, er habe den Herkules gemalt, wie er ihn oft im Traume gesehen – qualem saepe in quiete vidisset 5) – und auch Pausanias (VIII. 42, 7) erzählt von Onatas, daß er die für die Phigalier bestimmte Ceres größtentheils bildete, wie er sie im Traume gesehen – ὧς λέγεται κατὰ <ὀνειράτων> ὄψιν –; endlich erzählt Schilling auch von Raphael und Dannecker, daß sie die Typen ihrer Madonnen im Traume gesehen. 6)

Wenn nun schon die Objectivität der Traumgestalten die Behauptung Volkelt's einschränken muß, daß "der ästhetische Werth des Traumes nicht in dem dramatischen, sondern in dem lyrischen [327] Elemente desselben liegt", 1) so gilt dieses noch mehr von dem Verlaufe, den die Traumereignisse oft nehmen. Es ist zwar richtig, daß der Traum vom Standpunkte des wachen, kritischen Bewußtseins beurtheilt, meistens nur Bilderreihen ohne allen logischen und causalen Zusammenhang bringt – dieß ist ohne Zweifel auch der Grund, warum wir uns meistens nur an einzelne Bestandtheile erinnern, aber nicht leicht an längere Stücke der Reihe – wobei von einem dramatischen Verlaufe, im Sinne der Kunst, nicht wohl die Rede sein kann; die Ereignisse entspringen nur selten einem festen <charakterologischen> Kerne der Traumfiguren, die sich ja sogar vor unseren Augen oft verwandeln und in einander übergehen; und wenn endlich auch die ganze Traumwelt in formeller Hinsicht nichts ist, als das Resultat der causalen Function des Gehirns, so ist doch das Causalitätsgesetz der objectiven Welt in der Phantastik der Träume aufgehoben. Wenn nun aber auch das dramatische Element, wie es von der künstlerischen Besonnenheit erzeugt wird, unseren Träumen fast ganz fehlt, so besitzt doch oft die Reihenfolge der Traumbilder, als Ganzes genommen, einen teleologischen Charakter und spitzt sich dramatisch auf ein Schlußereigniß zu, mag auch die Phantasie innerhalb der Reihe manches zwecklose Verweilen und gaukelnde Beschreiten von Neben- und Umwegen offenbaren.

Es würde sehr schwer nachzuweisen sein, daß ein solches teleologisches Verlaufen der Ereignisse wirklich stattfindet, und man würde ein blos loses Anknüpfen des Schlußereignisses vor sich zu haben meinen, wenn es sich hier nicht gerade um Träume handeln würde, deren Schluß nicht von der Phantasie ersonnen wird, sondern aus der Außenwelt stammt, durch einen von außen kommenden peripherischen Nervenreiz bestimmt wird.

Ich habe schon vor längerer Zeit in meiner Promotionsschrift 2) auf diesen teleologischen Charakter unserer Träume aufmerksam gemacht, der denselben ein großes erkenntnißtheoretisches Interesse verleiht, nach meinen Kenntnissen der einschlägigen Literatur aber zu wenig beachtet wird. 3)

Es vermag vorerst dahingestellt bleiben, ob alle unsere Träume von der Art sind, wie die nachfolgenden, die ich zur Ergänzung der erwähnten Abhandlung folgen lasse; als sicher dagegen darf angenommen werden, daß diejenigen Träume, welche dem durch einen äußeren Sinneseindruck veranlaßten Erwachen vorhergehen – richtiger gesagt: welche durch den erhaltenen äußeren Sinneseindruck erst veranlaßt werden und mit unglaublicher Geschwindigkeit abschnurren, die gleichwohl im Traumbewußtsein sich zeitlich dehnt – einen entschieden dramatischen Verlauf haben.

So träumte ich einst, daß Jemand, der mich auf dem Sopha liegen sah und mich fest eingeschlafen wähnte, auf den Fußspitzen sich mir näherte und mit einem Pinsel, den er in der Hand hielt, über dem Auge mich kitzelte. In diesem Augenblicke erwachte ich mit dem Gefühle des Kitzels über dem Auge. Hier ist also die Ursache des Traumes, welche vom Gehirne vermöge seiner causalen Function erklärt wird, merkwürdiger Weise zugleich die Wirkung, das Schlußereigniß des Traumverlaufes. Da nun aber schon der Anfang des Traumes, das Heranschleichen auf den Fußspitzen, als eine Wirkung des Kitzels angesehen werden muß, so hätten wir hier die Wirkung vor der Ursache, was noch deutlicher wird, wenn der Traumverlauf ein längerer ist.

Einst stand ich im Traume am Fenster und schaute in Gedanken versunken in's Freie und nach dem nahen Walde. Plötzlich tritt aus demselben ein Feind, der sofort das Gewehr gegen mich in Anschlag bringt. Auf die große Entfernung vertrauend, ziehe ich mich jedoch nicht zurück, sondern begnüge mich damit, mich hinter das Fensterkreuz zu stellen, und halbgedeckt den Feind weiter zu beobachten. Ich höre den Schuß, sehe das Gewehr aufblitzen und erhalte einen Streifschuß an der linken Halsseite, erwache aber im gleichen Augenblick mit einem brennenden Schmerz an derselben.

Ein anderes Mal ging ich im Traume an einem schilfigen Moore in Gesellschaft zweier Freunde vorbei. Plötzlich kriecht eine große Schlange aus dem Schilfe und verbeißt sich in meine [328] linke Hand. Meine Freunde sehen es zwar, aber ganz gegen ihren Charakter bleiben sie ruhig stehen und schauen zu, während es mir selbst nicht gelingt, die Schlange abzuschütteln, so daß die Bisse sich immer wiederholen. Ich erwache nun mit einem brennendem Schmerze an der Hand, die mir am Tage vorher arg zerkratzt worden war.

Wieder einmal wurde ich im Traume bei einem Gange im Walde von einer Art Lindwurm überfallen, den ich aber fest an der Gurgel packte und mit Mühe nach dem nahen Sumpfe zog, wo ich ihn ertränken wollte. Indem ich aber das Thier längere Zeit mit dem Kopfe unter das Wasser halte, sucht es sich durch krampfhafte Bewegungen, die sich meinem Arme mittheilen, aus meinem Griffe zu befreien. In diesem Augenblicke erwache ich mit einer nervösen Zuckung im betreffenden Arme.

Einen längeren Verlauf noch nimmt der folgende Traum eines Freundes: Er erhält eine Einladung eines Bekannten, zu ihm nach Nürnberg zu kommen, der er sofort Folge leistet. In Nürnberg angekommen geht er durch die Stadt der Wohnung zu, erfährt aber, daß der Freund abwesend sei. Er unternimmt nun einen Spaziergang, vor dem Thore aber erblickt er zu seiner Ueberraschung einen langen Gebirgszug. Allsogleich unternimmt er es, einen der Berge zu besteigen, kommt endlich in Schweiß gebadet wieder zurück, sieht sich aber von der Stadt durch einen Fluß abgeschnitten, ohne in der Nähe eine Brücke zu finden. Er besinnt sich um so weniger den Fluß zu durchschreiten, als ihn ohnehin das Bedürfniß nach Erfrischung anwandelt, entkleidet sich, nimmt seine Kleider als Bündel auf den Kopf und geht durch das Wasser. In der Mitte des Flußes aber gleitet er aus und kann es nicht verhindern, daß ihm das Wasser an den Mund reicht, wobei <ihn> der abscheuliche Geruch desselben anwidert und den Gedanken an die vielen Fabriken wachruft, die den Fluß verunreinigen. Im Momente des Ausgleitens aber erwacht er mit dem abscheulichen Geschmacke im Munde, der von einer vor dem Einschlafen gerauchten schlechten Cigarre herstammt.

In diesem Beispiele haben wir einen sehr natürlichen Verlauf, – nur der Gebirgszug ist phantastisch – der so dramatisch ist, daß keines der Glieder entbehrt werden könnte, wie es im Kunstwerke seinsoll. In den meisten dieser Träume ist allerdings nicht jener Zusammenhang zu finden, der in der Wirklichkeit nach dem Satze vom zureichenden Grunde in seinen vier Gestaltungen herrscht; aber zusammenhängend ist die Reihenfolge der Bilder doch, und zwar ist sie teleologisch, auf das Endereigniß hinzielend, das doch merkwürdiger Weise identisch ist mit dem wirklichen Ereignisse, dem Nervenreiz, der die ganze Bilderflucht hervorgerufen hat. Die erregende Ursache des Traumes ist zugleich der Schluß, auf den er sich dramatisch zu bewegt.

Ob das Problem im Sinne des transcendentalen Idealismus zu lösen ist, mag hier unerörtert bleiben, wo es mir nur darum zu thun ist, die Thatsache dramatischer Träume hinzustellen. Aber die Alternative, vor der wir stehen, bringt nicht geringe Verlegenheit mit sich. Lehnen wir die transcendentale Lösung ab, so muß dem Traumorgan die Fähigkeit zugesprochen werden, die Erweckungsursache zu anticipiren und sie dramatisch im Traum vorzubereiten, wobei die Kürze der Vorbereitung der Sache das Befremdliche nicht nimmt. In den eben erwähnten Beispielen zwar liegt die Erweckungsursache innerhalb des Organismus, und es ließe sich sagen, sie werde durch den subjectiven Zustand des Schlafenden schon eingeleitet, der sich im Traume dramatisch wiederspiegle; aber diese Erklärung reicht nicht aus in den Fällen, wenn die Erweckungsursache von Außen kommt. 1)

Die längere oder kürzere Dauer der das Ende dramatisch vorbereitenden Traumhandlung scheint jedenfalls nur auf subjectiver Täuschung zu beruhen; das Traumorgan faßt die Erregungsursache als gegebene Wirkung, für die es gemäß seiner apriorischen causalen Function eine Ursachenreihe construirt, die aber nicht in der Zeit discursiv, sondern lediglich als Bilderreihe vorgestellt wird, welche intuitiv zusammengefaßt wird. Auch darin liegt eine Verwandtschaft der Function der Traumphantasie mit der intuitiven Thätigkeit des Künstlers.

Jedenfalls ist es also bewußtloses Schaffen der Natur, welches während des Schlafens in unserem Geiste spielt, und wenn wir gleichwohl in den Träumen der angegebenen Art die teleologische Beziehung und dramatische Vorbereitung nicht ableugnen können, so muß uns dieses [329] allerdings geneigt machen, auch in dem bewußtlosen Schaffen der Natur in der Wirklichkeit, in dem Fluße der natürlichen Causalreihe ein Hinneigen gegen ein Endziel anzunehmen, mag uns auch dasselbe ewig verschlossen bleiben.

Alle Traumbilder, alle Figuren und ihre Handlungen im Traume sind nur Projectionen des Ich, das sich in mehrere Individuen spaltet, wie der Dramatiker und Romanschreiber es thut. Der Traum ist ein dramatisirtes Ich. Die Bewußtlosigkeit des Ich ist es, wodurch es zu dieser seiner mehrfachen Spaltung und Vertheilung verschiedener Rollen an verschiedene Personen kommt, die gegeneinander spielend auftreten. Es gibt Geisteskrankheiten, in welchen das Gleiche stattfindet, und diese geben den Schlüssel zur Erklärung. Maury 1) erzählt von einem Geisteskranken, der sich beständig von Dämonen umgeben wähnte, welche disputirten und einander beschimpften; die Worte aber, welche er von Außen zu vernehmen glaubte, waren nur solche, die er selbst sprach. Aehnlich sind aber auch die Figuren, welche der Dichter oder Romanschreiber ersinnt, so sehr nach Außen projicirt und von ihm abgelöst, daß sie ihr eigenes Leben führen; er hat keine Gewalt über sie, er weiß sich nur "als Zuhörer, nicht als Sprachlehrer seiner Charaktere." 2) Wo diese Ablösung nicht stattfindet, ist kein Kunstwerk vorhanden.

Das Gleiche aber findet im Traume statt: Indem das wache Bewußtsein verschwunden ist, können die verschiedenartigen, einander oft widerstreitenden Empfindungen des Organismus nicht mehr auf ein gemeinsames Ich als deren Träger durch einen concentrischen Blick bezogen werden, sie werden selbständig gemacht und nach Außen projicirt, wobei die Traumphantasie vermöge ihrer künstlerischen Function alle Affectionen des Organismus in anschauliche Bilder umsetzt; das Ich wird dramatisch gespaltet und der Widerstreit von Empfindungen verwandelt sich in das Gegeneinanderspielen von Personen. Es kommt uns z.B. im Traume ein Gedanke, gegen den wir aber selbst einen Einwurf bereit haben; dieser Einwurf wird uns dann von einem Gegner gemacht werden, mit dem wir im Gespräche sind. Oder wir sitzen im Examen und finden keine Antwort auf die vorgelegte Frage, die alsdann von unserem Nachbarn beantwortet wird. Eine innere Erregung, die als Unlust empfunden wird, verwandelt sich in einen Feind, mit dem wir zu thun haben, geht sie vorüber, so wird die empfundene Erleichterung uns einen Freund vormalen, der uns befreit hat.

Es ist der Traumphantasie die Uebertreibung eigen. So rief dem Cartesius ein Flohstich einen Traum hervor, in dem er einen Degenstich erhielt; und Maury 3) berichtet von einer ähnlichen übertreibenden Auslegung seiner Traumphantasie, die in Folge einer Schmerzempfindung in den Eingeweiden entstand, und die ganz übereinstimmte mit der fixen Idee eines Irrsinnigen, von dem er gehört hatte. So ist es also dem Traume eigen, bei der Symbolisirung der Erregungsursache, d.h. bei ihrer Verwandlung in ein anschauliches Bild, dieselbe oft in's Ungeheuere zu vergrößern.

So zeigt also die Traumphantasie eine entschiedene Verwandtschaft mit der künstlerischen Phantasie. Wenn aber die erstere wohl künstlerisch zu gestalten vermag, so fehlt ihr doch gerade das, ohne welches der große Künstler nicht zu denken ist: die Besonnenheit und Selbstdisciplinirung. Wenn daher von der traumhaften Thätigkeit der künstlerischen Phantasie geredet werden kann, so kann sich dieses doch nicht auf größere Conceptionen beziehen, sondern nur auf die schöpferische Kraft, womit der Künstler seinen Phantasiegebilden Leben einhaucht. Selbst beim Lyriker kann die traumhaft wirkende Phantasie wohl nur in Bruchstücken seiner Conceptionen sich offenbaren, und wenn ihr selbst ein geschlossenes Ganzes sollte zugeschrieben werden können, so kann es doch nur in kurzen Liedern sein, wie sie oft aus einer tiefen Empfindung hervorquellen.

Aber allerdings verräth sich die Identität der träumenden und dichterischen Phantasie sehr deutlich schon in der Unwillkürlichkeit, womit bei beiden die Gedanken und Empfindungen in anschauliche Bilder umschlagen. Im Traume ist dieses durchgängig der Fall, er symbolisirt immer, und bleibt niemals im Abstracten stecken. Kaum daß der Gedanke an den Freund oder die Geliebte durch Association herbeigeführt ist, treten diese schon zur Thüre herein; kaum daß den [330] durch Verschiebung der Decke entblößten Füßen die Kälte fühlbar wird, waten wir schon durch einen Fluß.

Dieses thut aber auch der echte Dichter ganz instinctiv. Sein Denken ist ein Schauen in Bildern; und daß dieses bei unseren modernen Poeten so wenig der Fall ist, daß Rhetorik und Reflexion so sehr das Malerische ersetzen, ist abermals ein Beweis dafür, daß sie nur als Imitatoren dichten, und die unbewußte Functionsweise der Natur ihnen abhanden gekommen ist.

Volkelt sagt: "Kaum hat der Träumende irgend eine Vorstellung gefaßt, schon ist sie leibhaftig hingezaubert. So begann der zuletzt erzählte Traum damit, daß ich in einer Zeitung eine confuse Annonce las, die ich auf den Sophiensaal in Wien bezog. Sofort befinde ich mich in der Garderobe desselben. Ein anderes Mal frage ich einen Freund, wie viel sein Zimmer koste. Täglich einen Gulden erwiederte er. Und schon trete ich in sein Zimmer ein, wo dann der Traum weiter spielte. Auch geschieht es öfters, daß, wenn ich im Traume einen Brief empfange, durch die Vorstellung des Briefabsenders dieser selbst sich sofort an meiner Seite befindet. – Es ist, als ob etwas rein Innerliches im Traume sich vor der Alles verkörpernden Phantasie kaum bergen könnte." 1) So drängt es aber auch den ächten Dichter immer zur Bildlichkeit. Seine Phantasie widerstrebt dem Abstracten, er vergegenwärtigt und verkörpert Alles. So z.B. Schiller, wenn er das Lob der Frauen singt:

"Ehret die Frauen, sie flechten und weben
Himmlische Rosen in's irdische Leben."

Selbst die abstractesten Begriffe, wie Zeit, Tod, Vergänglichkeit verwandeln sich vor der dichterischen Phantasie in anschauliche Bilder. – Shakespeare heißt die Zeit den "alten Glöckner", den "kahlen Küster"; Lenau ruft die Vergangenheit an:

"Friedhof der entschlaf'nen Tage,
Schweigende Vergangenheit!
Du begräbst des Herzens Klage
Ach, und seine Seligkeit! –" 2)

oder er sinnt der Vergänglichkeit mit den Worten nach:

"Es braust in meines Herzens wildem Takt
Vergänglichkeit, dein lauter Katarakt!" 3)

oder auch:

"Doch trägt uns eine Macht von Stund zu Stund,
Wie's Krüglein, das am Brunnenstein zersprang,
Und dessen Inhalt sickert auf den Grund,
So weit es ging, den ganzen Weg entlang.
Nun ist es leer. Wer mag daraus noch trinken?
Und zu den andern Scherben muß es sinken." 4)

Nicht in prunkhaften rhetorischen Versen, sondern in einem unübertrefflichen Bilde spricht Goethe vom Schicksale der Menschen:

"Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!" 5)

In Versen von antiker Pracht aber, ohne das abstracte Wort Schicksal auch nur auszusprechen, sagt Hölderlin von ihm:

[331] "Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruh'n.
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zu andern,
Wie Wasser, von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang in's Ungewisse hinab." 1)

Es ist nicht Sache des Lyrikers, wie ein Philosoph zu reden, und in abstracten Worten tiefe Gedanken auszudrücken. Ausschließliche Thätigkeit der Phantasie soll das Dichten sein, und jede Reflexion, mag sie auch noch so richtig sein, wirkt doch plump, wenn sie das feine Weben der Phantasie unterbricht. Darum sagt Goethe in seinem Liede an die Phantasie:

"Und daß die alte
Schwiegermutter Weisheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleid'ge." 2)

Der Dichter wird Philosoph, wenn er das, was er spricht, nicht mehr zu schauen vermag, sondern nur denken kann! Gedanken im lyrischen Gedichte machen den Eindruck, wie auf alten Gemälden jene vom Munde der Figur ausgehenden Bänder, auf welchen die Worte gemalt sind, die man den Figuren in den Mund legt.

Bei Martin Greif sind nur wenige Gedichte zu finden, die überhaupt reflectiven Inhaltes wären, ein gesunder Instinct bewahrt ihn davor; aber selbst, wenn er es thut, kommt die malerische Phantasie immer zum Durchbruch. Er sinnt über den Tod:

"Ob ein Greis mit hundert Jahren
Weise in die Grube fährt,
Ob ein Jüngling unerfahren, –
Was war all' das Treiben werth?

Bald weiß keiner mehr zu sagen,
Wer Du warst, und wie dein Bild,
Das sie welk hinausgetragen
In ein blühendes Gefild
." 3)

Noch schöner geschieht dieses in einem anderen Liede, dessen reflectiver Inhalt ganz in Situation und Anschaulichkeit aufgelöst ist, die sogar durch die weitere Schwierigkeit noch durchbricht, daß hier die Dialogform gewählt ist:

Wohin o Bächlein schnelle?
"Hinab in's Thal."
Verhalte deine Welle!
"Ein andermal."

Was treibt Dich so von hinnen?
"Ei, hielt ich je?"
Willst Du nicht ruh'n und sinnen?
"Ja, dort im See."

Bist Du schon gram der Erden?
"Ich eile zu."
Du wirst schon stille werden.
"Nicht minder Du." 4)

[332] Goethe erfaßt den abstracten Begriff der Hoffnung und sagt:

"Nein, es sind nicht leere Träume:
Jetzt nur Stangen diese Bäume
Geben einst noch Frucht und Schatten." 1)

und trübe Todesgedanken gibt er nicht als solche wieder, sondern er übergießt damit die Natur:

"Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh;
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest Du auch." 2)

Diese umschreibende Form, wobei Empfindungen, in die Natur hinausgetragen, malerisch geschildert werden, findet sich besonders häufig bei Lenau, bei dem überhaupt das träumerische Element des Dichtens am stärksten entwickelt ist, und der Pessimismus der bei ihm immer durchbricht, doch nur selten abstract bleibt, sondern zur Anschauung sich gestaltet:

"Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern." 3)

oder:

"Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine?" 4)

Aehnlich Martin Greif:

"Du hörst wie durch der Bäume Gipfel
Die Stunden unaufhaltsam geh'n;
Der Nebel regnet in die Wipfel,
Du weinst und kannst es nicht versteh'n." 5)

In solcher antropopathischen Naturanschauung hört der Pessimismus auf, abstract zu sein er wird resignirter, abgeklärter, was er beim lyrischen Dichter immer sein soll; denn Schimpfen heißt nicht Dichten. Bei anderen modernen Dichtern bleibt er reflectiv und polternd, weil ihnen die malerische Umschreibung nicht gelingt.

So verräth also die Aehnlichkeit der Producte die Identität der träumenden und dichtenden Phantasie. Wir finden ästhetische Bestandtheile in die Träume und träumerische Bestandtheile in die bewußte Production des Schönen eingemischt; und wie ohne Zweifel die Traumphantasie vollendete Kunstproducte lyrischer, wie dramatischer Art hervorbringen könnte, wenn sie ganz ihrer eigenen Thätigkeit überlassen wäre und ihr nicht störende Vorstellungen aus dem bewußten Leben durch Association zugeführt würden, so würden ohne Zweifel auch viele Lieder vollendeter sein, wenn die traumhafte Productionsweise hätte festgehalten werden können, und nicht das unbewußte Arbeiten dazwischen getreten wäre, wie dieses z.B. bei Lenau sehr oft bemerklich wird.

 

 

 

 

The art itself is nature.                                                
(Shakespeare: Wintermärchen IV. 3.)

 

[353] 3. Die Traumphantasie in der Dichtkunst.

 

Die bisherige Untersuchung genügt wohl, der Bezeichnung der künstlerischen Production, und insbesondere der lyrischen, als einer unbewußten, den paradoxen Schein zu benehmen. Freilich ist Genialität ohne tiefe innere Empfindung ebenso wenig denkbar als ohne klaren Verstand und künstlerische Besonnenheit; aber dieses Alles macht den Künstler noch nicht aus, wenn es nicht gepaart ist mit einer lebendigen Thätigkeit der unbewußten Phantasie.

In der Charakteristik des Lyrikers drängt sich vor Allem die Frage auf, welches denn seine Aufgabe sein soll, die uns jedoch alsbald weiter treibt zu fragen: kann denn dem Lyriker überhaupt eine bestimmte Aufgabe gegeben sein, da doch seine Production aus dem Unbewußten hervorquellen soll, die also dem verständigen Bewußtsein, seiner Willkühr entzogen ist. In bestimmten Objecten der Nachahmung kann diese Aufgabe nicht bestehen, sonst wäre die aufgezeigte Antinomie unlöslich.

Es heißt nun freilich, der Dichter müsse die Natur nachahmen, und zwar, wie sie ist, nach der Meinung der Realisten, während die Idealisten mit Recht die Kunst höher stellen, als die Natur, weil letztere in der Ueberwindung des spröden materiellen Stoffes hinter der Idee zurückbleibt. Indessen wenn es sich für die Dichtkunst lediglich darum handelte, bestimmte Nachahmungsgegenstände zu wählen, oder zu bestimmen, was an ihnen nachgeahmt werden soll, was nicht, so wäre eine Aesthetik möglich im Sinne der Anleitung Dichter zu werden. Die Aesthetik hat aber noch niemals einen Dichter gemacht, so wenig als das Studium der Augenkunde je ein Auge geschärft hat, und schon daraus ergibt sich, daß, was das dichterische Genie als solches charakterisirt, überhaupt nicht die Richtung seiner Thätigkeit betrifft. Es kann also nur diese Thätigkeit selbst betreffen. Nicht um das Was handelt es sich, sondern um das Wie; der Dichter soll die Natur nachahmen, aber nicht ihre Objecte, sondern ihre Functionsweise, welche, wie sich im Traumleben zeigt, eine unbewußte ist, und doch unsere hohe Verwunderung erregt durch die Schönheit ihrer schöpferischen Bildungen und das Planmäßige ihres Wirkens.

Da die Identität der bewußten und der unbewußten Phantasie feststeht, und nur Grad-Unterschiede derselben vorhanden sind, so besteht die Nachahmung der Functionsweise der Natur durch den Dichter lediglich in der Energie seiner Phantasie, welche bis zur traumhaften Energie gesteigert werden kann. Nur eine sehr erregbare und energisch thätige Phantasie, diese Grundeigenschaft des Genies, vermag Gebilde hervorzurufen, welche nicht blos zusammengetragene Mosaiken und bloße Nachahmungen der Naturobjecte sind, sondern lebende, schöpferische Erzeugnisse des eigenen Geistes, und zwar eben darum, weil er wieder zur Natur geworden ist. Je mehr aber der Dichter dieser traumhaften Energie sich nähert, desto mehr auch werden naturgemäß die Begleiterscheinungen des Traumes sich einstellen, nämlich die Unbewußtheit in der Production und, als Folge davon, die leibhaftige Greifbarkeit und Objectivität der Phantasmen, welche ihr eigenes, inneres Leben führen, und mehr den Dichter lenken, als daß sie von ihm gelenkt würden. So erhalten energische Phantasie, Objectivität und unbewußte Production, diese eigentlichen Merkmale des echten Dichters, ihren psychologischen Zusammenhang und ihre psychologische Begründung. Daß diese Merkmale nur als Naturanlage gegeben sein können, [354] versteht sich von selbst. Keiner vermag es, durch bewußte Willkür jene Thätigkeit des Dichters zu erzwingen, von der Martin Greif sagt:

"Das Auge glüht, der bange Busen zittert,
Ambrosisch hat sich Nacht um ihn gelegt:
Jetzt bricht's hervor mit stürmischen Gewalten
Und weiß sich doch zu bilden und gestalten." 1)

Es ist das Wesen der Phantasie, zu bilden und zu gestalten. Die Kunst, als Product der Phantasie, verhält sich zur Wissenschaft, wie sich Bilder und Gestalten zu Begriffen und Gedanken verhalten. Von den übrigen Künsten unterscheidet sich die Poesie zunächst dadurch, daß ihre Gebilde nur innere Vorstellungen sind, die aber ihrer Lebhaftigkeit wegen dem Eindruck realer Objecte möglichst nahe kommen sollen.

So ist also das eigentliche Organ der Kunst die Phantasie. Gedanken mögen in metrischer Form wirkungsvoller sein, als in Prosa; aber als Reflexionen des Autors gegeben, gehören sie nicht in das Gebiet der Kunst, und dürfen (im Romane oder im Drama) nur aus der fremden Individualität heraus ausgesprochen werden, deren seelisches Innere zu charakterisiren. Auch vom Lyriker, den wir vorzugsweise als Empfindungsmenschen betrachten, müssen wir zunächst Gestaltungskraft verlangen; aber Gestalten werden eben dadurch allein noch nicht lebensfähig, daß wir sie plastisch umschreiben, sondern es muß die Seele hindurchscheinen, welche sie bewegt. So ist auch der Empfindung, als dem Thema der Lyrik, ihr volles Recht gewahrt; aber es ist nicht richtig, wenn man deswegen vom Lyriker Subjectivität verlangt, im Gegensatze zur Objectivität des Dramatikers. Subjectiv ist der Lyriker nur insoferne, als es eben sehr oft seine eigenen Empfindungen sind, die er schildert; er ist aber objectiv so gut als der Dramatiker, als er sich ja in die seelischen Empfindungen aller möglichen Individuen in allen möglichen Situationen hineindenken und sie zur Darstellung bringen kann. Ja, es ließe sich sogar sagen, daß selbst der subjective Lyriker noch Objectivität besitzen muß, indem ja die Beobachtung und Darstellung der eigenen Seelenvorgänge, als Act der Selbsterkenntniß, immerhin eine Spaltung des Ich in ein Erkennendes und ein Erkanntes erfordert.

Der Lyriker aber, dem die objective Gestaltungskraft in hohem Maße innewohnt, wird auch die Befähigung zum Drama mehr oder minder besitzen, und sie wird sich bei ihm verrathen durch den Reichthum an Figuren, in deren Empfindungswelt er sich hineinzudenken vermag. Insoferne sich in solchen Liedern meistens Seelenmalerei findet, sind sie allerdings subjectiv; aber es spricht eben nicht nur Eine Subjectivität aus ihnen, nämlich die eigene des Dichters, sondern sehr verschiedenartige, und insoferne sind solche Lieder nicht ohne Objectivität.

Man kann Shakespeare als den größten Dramatiker preisen, weil er die größte Anzahl typisch gezeichneter Figuren geschaffen hat, die mannigfaltigsten Charaktere auftreten läßt, und in der Charakteristik sogar bei den nebensächlichen Figuren naturgetreu ist, ja sogar dann noch charakterologische Nuancen darstellt, wenn er etwa den ersten, zweiten und dritten Bürger sprechen läßt. Aber dieser Beurtheilungsmaßstab darf auch an den Lyriker gelegt werden. Auch er darf um so höher gestellt werden, je schöpferischer er ist, je zahlreicher sein Personenregister ist, und je größer seine Fähigkeit, Situationen zu ersinnen, in denen sich die Empfindungswelt seiner Figuren aufthut. Auch von diesem Standpunkte der Kritik aus gebührt dem bereits mehrfach erwähnten Dichter Martin Greif eine ganz andere Rangstufe, als ihm die lebende Generation zuertheilen will. 2) Wir finden in der Mehrzahl seiner Lieder die eben charakterisirte Objectivität [355] des Lyrikers, d.h. die Fähigkeit die verschiedenartigsten Figuren, in einfache, ungekünstelte Situationen gestellt, zu zeichnen und ihr Inneres uns aufzurollen. Hirten, Jäger, Soldaten, Schiffer, Schnitterinnen und Prinzessinnen, Ritter und Nonnen, Wanderburschen und Dirnen treten bei ihm auf, und sind auch diese Figuren, wie man sieht, meistens dem Volksleben entnommen, – wer mag ihm das verübeln, nachdem sogar ein Goethe von der modernen vornehmen Welt meint, daß sie nicht zu dem kleinsten Gedichte Anlaß gebe und von der Gesellschaft sagt:

"Aus einer großen Gesellschaft heraus
Ging einst ein stiller Gelehrter zu Haus.
Man fragte: Wie seid Ihr zufrieden gewesen?
"Wären's Bücher," sagt' er, "ich würd' sie nicht lesen."

Es gilt also auch vom Lyriker, daß seine Gestaltungskraft es ist, die ihm seinen Rang anweist; und wenn er auch vorzugsweise das Innere der von ihm geschaffenen Wesen herauskehrt, und dieses vor der plastischen Aeußerlichkeit überwiegt, so darf diese doch nicht ganz fehlen, so wenig, als bei den Kunstwerken des Bildhauers die Innerlichkeit ganz fehlen darf. Auch dieser muß es verstehen, dem Steine die lebenswarme Empfindung einzuhauchen; nur dann erscheinen seine Schöpfungen wie Erzeugnisse der Natur, die sich von Innen herausgebildet haben, wie dies im höchsten Grade von den alten Griechen erreicht wurde. Der mittelmäßige Künstler dagegen wird als Bildhauer die Starrheit des Materials nicht zu überwinden vermögen und Statuen, die er etwa in der Handlung begriffen darstellt, werden nicht durch inneres Leben sich zu bewegen, sondern einem fremden Willen zu gehorchen scheinen. Sie werden den Eindruck der Leblosigkeit oder besten Falls den durch innere Mechanik bewegter Körper erzeugen. Nur dann aber wird der Bildhauer den Stein zu beleben vermögen, wenn seine Conception nicht der blos reproducirenden, sondern der schöpferischen Phantasie entspringt; wenn er die Functionsweise der Natur nachahmt, oder besser gesagt, wenn die Natur selbst in der Phantasie des Künstlers, als dem von ihr geschaffenen Werkzeuge, ihre schöpferische Gestaltungskraft idealiter fortsetzt, welche sie realiter in den lebenden Wesen bekundet. "Wie sollte" – sagt Feuerbach – "Minerva zur Statue des Phidias werden, wenn sie nicht zum zweiten Male vollgerüstet in der Werkstätte des Gedankens geboren ward?" 1) Die blos reproducirende Nachahmung der natürlichen Objecte ist immer nur ein Surrogat dieser schöpferischen Fähigkeit, und wäre sie selbst gepaart mit der höchsten ästhetischen Bildung und technischen Fertigkeit. Der Bildner des Vatikanischen Apollo wußte nichts von den Regeln, von welchen Feuerbach in seinem Buche über diese Statue schreibt; sein künstlerischer Instinct allein leitete ihn.

Dem Bildhauer entgegengesetzt ist der Lyriker, indem bei überwiegender Innerlichkeit seiner Schöpfungen die plastischen Umrisse zurücktreten. Gleichwohl muß er das plastische Bildungsvermögen besitzen; und wäre es selbst keine Situation, keine Landschaft, die er schildert, sondern reine Empfindung, so muß er doch den Leser in die Lage versetzen, diese Empfindung nachzufühlen, indem er sie alles Unklaren und Schwankenden entkleidet, und gleichsam zum durch[356]sichtigen Krystalle versteinert. Indessen ist es ja meistens die Situation, welche die Empfindung hervorruft; für die Schilderung der ersteren ist das Vermögen anschaulicher Darstellung unentbehrlich, die Schilderung der letzteren dagegen kann zwar ohne solche geschehen, aber der echte Dichter wird unwillkürlich selbst der durch keine äußere Situation herbeigeführten Empfindung Bilder unterschieben, wie es die Traumphantasie thut. Was würde wohl ein Moderner für rhetorische Wendungen gebraucht haben, um Gretchen's Sehnsucht auszudrücken, welche Goethe mit so einfachen Worten zeichnet, indem er sie in das die Empfindung erregende Bild umsetzt:

"Sein hoher Gang,
Seine edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt!

Und seiner Rede
Zauberfluß!
Sein Händedruck,
Und ach! sein Kuß!"

Es ist ein sicheres Zeichen, daß nicht die künstlerische Phantasie gearbeitet hat, wenn der Dichter in der Empfindung oder Reflexion stecken bleibt, wenn er die Empfindung als solche in Worten, nämlich als Wirkung ausdrückt, statt sie anschaulich darzustellen, sei es durch Vorführung der Ursache, sei es wenigstens durch bildlichen, malerischen Ausdruck. Vergleichen wir etwa Emanuel Geibel und Martin Greif in der Behandlung des gleichen Stoffes:

               Die Verlassene.

         Von Emanuel Geibel.

O singt nur Ihr Schwestern mit fröhlichem Mund,
Und führet den Reigen im Wiesengrund
Mit den Burschen bei Cithern und Geigen –
Mich aber laßt gehen und schweigen.

Was blickt' Ihr mir nach und was wollt' Ihr von mir?
Ich habe die Freude getragen, wie Ihr,
In der Brust mit Lachen und Scherzen –
Nun trag' ich den Tod im Herzen.

Durch alle Wipfel der Lenzhauch geht,
Ich bin der Baum, der lautlos steht;
Die Wasser rieseln so helle –
Ich bin die vertrocknete Quelle.

Die Treue, die Treue, darauf ich gebaut,
Sie ist mit dem Schnee von der Sonne zerthaut.
Wie Spreu vor dem Wind so zersiebet
Meine Liebe, die Dich geliebet.

Hier haben wir in der ersten Strophe ein hübsches Situationsbild; in der zweiten eine durch bloße Worte ausgedrückte Empfindung; die dritte enthält einen sehr poetischen Vergleich, der aber nicht in den Mund des Mädchens paßt, eine Art Bauchrednerei des Dichters; die letzte Strophe endlich ist rhetorisch.

 

          Die Verlassene.

     Von Martin Greif.

Denk' ich nach, was ich nun bin,
Seit er mich verlassen,
Tauscht' mit mir kein' Bettlerin
Wahrlich auf der Straßen.

Tret' ich in die Kirche ein,
Geht es an's Gedeute;
Donnert recht der Pfarrer d'rein,
Blinzeln alle Leute.

[357] Geh' ich auf den Bittgang mit,
Weichen sie zur Seiten.
Tanzen! Gott, mein Lebtag nit –
Das Gesichterschneiden!

Mach ich, was ich machen will,
Niemand thu' ich's rechte:
Trutzig heiß' ich, wenn ich still,
Red' ich, heiß ich schlechte.

Abends kann ich vor der Thür'
Keine Stunde bleiben.
Noch am liebsten ist es mir,
Meine Gänse treiben.

Komm' ich an der Godel Haus,
Muß' ich mich verfärben –
Wollt', ich wär' zum Dorf hinaus
Oder könnte sterben.

In jeder dieser Strophen zwingt uns der Dichter zur Anschaulichkeit. Ein ganzer Tag Dorflebens spielt vor uns ab, und zwar derart, daß das Mädchen den Mittelpunkt der Situation bildet. Wir folgen ihr bei ihrer Tagesbeschäftigung, und was sie dabei empfindet ist, inhaltlich wie formell, so schlicht ausgedrückt, daß die eigene Individualität des Dichters ganz zurücktritt, aber auch die von seiner Phantasie geschaffene Persönlichkeit nicht aus der Rolle fällt, wie jene von ästhetischer Bildung angewehte Bauerndirne Geibel's.

Bilder von so plastischer Anschaulichkeit und zugleich innerer Beseeltheit zu schaffen, vermag nur eine sehr reiche und intensive Phantasie. Weil nun aber die intensivste Phantasie die des Traumlebens ist – so zwar, daß ohne Zweifel die Gestaltungskraft der Menschen im Traume weit weniger verschieden ist, als im bewußten Leben, und schon öfter mit einigem Rechte gesagt worden ist, es sei im Traume ein Jeder ein Shakespeare – so wird die künstlerische Phantasie, je mehr sie die Energie des Traums erreicht, desto mehr in der diesem eigenthümlichen Weise verfahren, d.h. statt bloßer Worte Bilder geben. In solchen Gedichten blättert man daher wie in einem Bilderbuche; und solche Gedichte, eben weil sie uns keine geistige Arbeit zumuthen, sondern nur das Auge der Phantasie in Anspruch nehmen, gewähren auch die beste Erholung nach geistiger Arbeit.

Was durch die Seele des Dichters zieht, projicirt seine Phantasie nach Außen als Bild. Aber kein Dichter ist, dessen Phantasie nicht schon im Wachen etwas von der Energie hat, die sie im Traume zeigt. Ja sogar seine blos reproducirenden Erinnerungsbilder werden etwas von der Frische und Anschaulichkeit besitzen, welche die unmittelbare sinnliche Gegenwart des Gegenstandes erzeugt. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß bei Erinnerungsbildern einer lebhaften Phantasie der durch den wahrgenommenen Gegenstand erzeugte Reizzustand des Sehnerven sich wieder einstellt, also nicht farblose Reproductionen, sondern ganz eigentliche Nachbilder im Auge erzeugt werden, welche eben darum mehr oder minder die Energie von Hallucinationen annehmen. So erklärt es sich leicht, daß der Künstler den festen Umrissen, in welchen ihm seine Gestalten erscheinen, so leicht nachzufahren vermag, als ob sie auf das Papier bereits hingeworfen wären, und daß der Dichter so leicht und so anschaulich zu schildern vermag, als stünde er unter dem Eindrucke eines anschaulichen Gegenstandes.

Solchen lebhaften Phantasiebildern gegenüber ist der Dichter unfrei; sie drängen sich ihm auf, er vermag sie nicht zu verscheuchen, wie es den gewöhnlichen Erinnerungsbildern gegenüber das Bewußtsein leicht vermag. Eben weil aber diese Unfreiheit am größten ist, wenn das Bewußtsein ganz zurücktritt, und die Phantasie sich selbst überlassen ist, nämlich im Traume, muß auch beim Künstler die Energie und Unwillkürlichkeit der Production um so größer sein, je mehr sein Bewußtsein zurücktritt, je traumhafter seine Phantasie thätig ist, je unbewußter er producirt.

Wenn die Stunde der Inspiration für den Dichter gekommen ist, dann dichtet in ihm die Natur selbst, von der er nur ein Theil ist, wie sie es allnächtlich in ihm thut, wenn sein Selbstbewußtsein entschwunden ist. Und je vollendeter alsdann seine Gestalten sind, desto mehr ist er ihr Sclave, er ist ihnen gegenüber so unfrei, wie Traumgebilden gegenüber; sie sind seiner Willkühr entwachsen, er vermag sie nicht mehr wie Drahtpuppen zu ziehen, sie drängen sich ihm als ungewollte Erscheinungen auf und handeln aus innerer Naturnothwendigkeit heraus. Sie fallen darum auch nicht aus ihrer eigenen Rolle, und noch weniger nehmen sie plötzlich die Physiognomie ihres Schöpfers, des Dichters, an. Aber solche lebensvolle Gebilde gelingen dem Dichter nicht, wenn er zu ihrer Schöpfung verwendet, was ihm auf dem Wege des Bewußtseins zugekommen ist, seine Bildung, seine ästhetische Besonnenheit; das Genie unterwirft sich nicht den [358] Regeln, sondern es ist selbst die Regel, und die Kunstwerke sind es, aus welchen die Aesthetik erst ihre Vorschriften abstrahirt.

Wäre die Phantasie ein blos reproductives Vermögen, so ließe sich über die Unbewußtheit der künstlerischen Production noch streiten. Da sie aber auch productiv, schöpferisch ist, so liegt es auf der Hand, daß diese ihre Thätigkeit nur eine unbewußte sein kann; denn Vorstellungen, die nicht der früheren Erfahrung entnommen sind, sind ja ihrem Schöpfer unbekannt, können daher nicht willkürlich vom Bewußtsein hervorgerufen werden. Darum sagt Hegel: "Die Phantasie hat eine Weise zugleich instinctartiger Production, indem die wesentliche Bildlichkeit und Sinnlichkeit des Kunstwerks subjectiv im Künstler als Naturanlage und Naturtrieb vorhanden sein, und als bewußtloses Wirken auch der Naturseite des Menschen angehören muß." 1) Und Maudsley sagt von dem Genius in seinem Verhältnisse zur Aesthetik: "Regeln und Systeme sind für die gewöhnlichen Sterblichen nothwendig, deren Geschäft es ist, mit einander Material zu sammeln und zu ordnen. Der Genius als Architekt hat, wie die Natur, sein eigenes unbewußtes System." 2)

Einen interessanten Einblick in die Thätigkeit der unbewußten und doch zugleich poetischen Thätigkeit der productiven Phantasie gewinnen wir, wenn wir ihr Verhältniß zum bloßen Erinnerungsvermögen betrachten. Wir erkennen bei einiger Selbstbeobachtung leicht, daß diese beiden Vermögen nie in vollständiger Trennung thätig sind, daß also die Fähigkeit, sich eines Erfahrenen zu erinnern, die gleiche ist, wodurch wir niemals Erfahrenes schöpferisch produciren. Erlebnisse, die sich unserem Gedächtnisse tief eingeprägt haben, erhalten sich gleichwohl nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern verwandeln sich im Verlaufe der Jahre durch unbewußte Thätigkeit der Phantasie, und zwar werden sie in der Erinnerung poetischer. Man kann dies leicht bemerken, wenn man etwa seinerzeit derlei Erlebnisse im Tagebuche notirt hat und nach Jahren dasselbe wieder aufschlägt; man wird sehen, daß nicht blos das Erinnerungsvermögen das Erlebniß aufbewahrt hat, sondern daß auch die unbewußte Phantasie daran gekünstelt, sei es durch bloße Hinweglassung von Ueberflüssigkeiten, sei es durch wirkliche Aenderungen, welche das Erinnerungsbild poetischer gestalten. Wir können es dann erfahren, daß, wenn wir innerhalb solcher Jahre des Oefteren von dem Ereignisse gesprochen haben, wir unbewußt die Situation interessanter gestaltet haben, ohne daß wir jedoch die mindeste Absicht gehabt hätten, um uns selbst den Nimbus des Interessanten zu weben. Wir können es übrigens an allen unseren Erinnerungen mehr oder minder bemerken, daß die Vergangenheit verklärend auf sie einwirkt; nur ist dieses nicht die Vergangenheit an sich, welche das bewirkt, sondern die langsame und unbewußte Thätigkeit der Phantasie.

Ein ähnlicher Vorgang läßt sich in Bezug auf das geschichtliche Erinnerungsvermögen der Menschheit nachweisen. Nur kurz sei die Sagenbildung erwähnt, welche an die Phantasie erregende landschaftliche Objecte oder auch hervorragende historische Persönlichkeiten anknüpft und sie poetisch umwebt. Solche Helden oder Religionsstifter stehen im geschichtlichen Bewußtsein der Menschen da, nicht wie sie waren, sondern im Nimbus der Vergangenheit, verklärt durch die unbewußte thätige Phantasie vieler Generationen. Es würde ganz und gar auf einem Irrthume beruhen, wenn man etwa, bezüglich der Religionsstifter und der ihnen zugeschriebenen Wunder, einer absichtlichen Fälschung zuschreiben wollte, was nur Thätigkeit der unbewußten Phantasie ist, – wie dies von Seite der Encyclopädisten geschehen ist. Dabei zeigt sich dann auch im höchsten Grade die Fähigkeit der unbewußten Phantasie, in dieser Thätigkeit nicht nur, wie es im Traume geschieht, momentan schöne Gebilde zu schaffen, die wieder schnell zerfließen, sondern dauernd Schönes von solcher Vollendung, daß das bewußte ästhetische Urtheil die höchsten Producte der Kunst darin erblickt. Dieser Proceß aber konnte naturgemäß nur an jene Gebilde des menschlichen Geistes anknüpfen, welche die Phantasie im höchsten Grade erregen, nämlich an die mythologischen Figuren.

Wenn dem Dichter eine Phantasievorstellung, etwa eine Figur, vorerst nur in schwankenden Umrissen vorschwebt, und er sie nicht festzuhalten vermag, so wird er nicht versuchen, durch [359] bewußte Verstandesthätigkeit die vorhandenen Lücken zu ergänzen, sondern er wird sie längere Zeit im Geiste herumtragen und fortkeimen lassen, bis sie schließlich als ausgereiftes Kind lebensvoll vor ihm steht. Mit anderen Worten: er überläßt sie seiner unbewußten Phantasie, welche an dem Gebilde webt, bis es feste Umrisse gewonnen hat. In gleicher Weise verfährt der Volksgeist mit seinen mythologischen Gestalten. Die Langlebigkeit der Religionen allein schon ist eine sichere Gewähr dafür, daß ihre Götterfiguren im langsamen organischen Wachsthum durch die Thätigkeit der unbewußten Phantasie schließlich zu poetischen Gebilden werden, die in ausgemeißelter Plastik dastehen, darum aber auch der bildenden Kunst die größte Aufforderung ertheilen, sich ihrer zu bemächtigen. Selbst das wegen seiner tiefen Innerlichkeit dem Plastischen abholde Christenthum hat diesen Einfluß erfahren, nur daß die langsam thätige Volksphantasie mehr an der psychologischen Vertiefung seiner Himmelsbewohner gearbeitet hat. Es ist dieses eine wesentlich künstlerische Thätigkeit der unbewußten Volksphantasie, und von Generation zu Generation vererben sich, immer vollendetere Formen annehmend, solche Vorstellungen, bis sie schließlich, wenn ausgereift, zu Objecten der nachahmenden Künste werden. Nicht darum, weil Dante etwa der gläubigste Katholik war, vermochte er es, uns Bilder von so visionärer Anschaulichkeit vorzumalen, sondern er vermochte es als Kind seiner Zeit; eine Jahrhunderte lange Thätigkeit der Volksphantasie, die an Himmel und Hölle ihre poetische Gestaltungskraft übte, war dem Zeitalter Dante's vorhergegangen, und immer plastischer hatten sich die in den Generationen übertragenen Vorstellungen gestaltet. Moderne Vorstellungen dagegen, an welchen die unbewußte Phantasie ihre Thätigkeit noch nicht geübt hat, werden eben darum auch der poetischen Darstellung widerstreben. In ihren dramatischen Stoffen greifen darum Dichter gewöhnlich in die Vergangenheit zurück. So zeigt sich denn auch von diesem Standpunkte aus, daß das Bewußtsein zur künstlerischen Production nicht nur nicht nöthig, vielmehr hinderlich ist, und daß gerade die höchsten Gestaltungen des Schönen nur der unbewußten Phantasie gelingen.

Es ist geradezu die Unwillkürlichkeit der Production, an welcher der Dichter seinen Beruf erkennen kann. Vom Lyriker insbesondere gilt das, dem oft in plötzlicher Inspiration jene tiefempfundenen Lieder gelingen, an welchen die nachträgliche Besonnenheit kaum mehr nachzubessern hat. Sie entstehen in Momenten tiefer Erregung, in einer Art geistiger Reflexbewegung; sei es nun, daß ein anschaulicher Gegenstand sie hervorrief, oder eine Phantasievorstellung, die dem Dichter mit der Lebhaftigkeit reeller Gegenstände vorschwebte. Darum ist es ebenso wahr als schön, was Heine sagt:

"Wie Thränen, die uns plötzlich kommen,
So kommen plötzlich auch die Lieder –"

wobei er unwillkürlich eine physiologische Reflexbewegung vergleichend heranzieht. Aus dieser Unwillkürlichkeit der Production, die beim Lyriker mehr als bei jedem anderen Dichter vorhanden sein muß, ergibt sich von selbst, daß der echte Lyriker im Stoffe nicht fehlgreifen kann; denn nur das wirklich Schöne vermag poetisch anzuregen.

Der Stoff der Lyrik ändert sich nicht; aber doch muß die "stets sich erneuernde Blumenflur" – wie Hegel die Lyrik nennt – immer andere Blumen hervortreiben; denn jeder wirkliche Dichter ist ein Original, und die Welt stellt sich in seinem Kopfe auf besondere Weise dar; er hat eine eigene Weltanschauung. Eine Rangliste der echten Lyriker aufzustellen, ist darum eben so schwer, wie eine Rangliste des Genius überhaupt. Wo diese individuelle Art die Welt zu schauen fehlt, da beginnt der Imitator, der aber, um nicht für langweilig befunden zu werden, die Jagd nach neuen Stoffen unternimmt; der subjectiven Originalität, nämlich der individuellen Behandlungsart des immer gleichen Stoffes, schiebt er die surrogative, objective Originalität unter, nämlich die Originalität des Stoffes. In der Lyrik jedoch handelt es sich nicht um das Object, sondern um das Subject. Das Alte, aber immer wieder anders angeschaut, ist ihr Thema. Eadem, sed aliter. "Im Lyrischen ist keine Natur nachzuahmen, als die mitgebrachte" – sagt Jean Paul. Aus diesem Grunde, aber nicht etwa weil ihre Objecte in unendlicher Anzahl gegeben wären, ist die Lyrik unerschöpflich. Unsere moderne Lyrik aber behandelt Stoffe, die ihr nicht zugehören; sie ist extensiv geworden, und hat im gleichen Maße an subjectiver Intensität verloren.

[360] Jeder echte Dichter spricht es in seiner Sprache ebenso deutlich aus, wie der Philosoph, der auf ganz anderem Wege zu dieser Wahrheit gelangt: die Welt ist meine Vorstellung. Die Welt erscheint Jedem in dem Maße interessant, als er sie genial anschaut, und in dem Maße schön, als er sie poetisch anschaut. Weil nun aber nicht in den Objecten das Poetische liegt, sondern in der Auffassungsweise des Subjects, so wird der Dichter, der erregbar zwischen den Erscheinungen wandelt, doch eine sehr große stoffliche Mannigfaltigkeit erzielen; denn die Natur selbst, mit ihren mannigfaltigen Erscheinungen, dichtet ja vor seinem Auge – aber allerdings nur für sein Auge – und dieses mag treffen, auf was es will, so sieht er es unwillkürlich poetisch an. So werden seine Lieder, unter der Anschauung der Dinge selbst entstanden, zum großen Theile Gelegenheitsgedichte im Sinne Goethe's sein. Aber immer sind es einfache, an sich unwirksame Stoffe, an welchen sich der Dichter am besten kundgibt, weil er bei diesen am meisten von seiner Subjectivität hinzuthun muß, um ihnen das poetische Gewand umzulegen. Es erinnert an den Fuchs, der die hochhängenden Trauben zu sauer fand, wenn die modernen Dichter einfache Stoffe verschmähen; denn gerade an ihnen könnten sie ihre künstlerische Individualität am besten zur Schau stellen. Wenn es bei Martin Greif heißt:

         Am Buchenbaum.

Ich sah im Herbst einen Buchenbaum
Im leeren Felde steh'n;
Im fahlen Laube sah ich kaum
Ein grünes Blättlein weh'n.
Lang stund ich da in tiefem Traum
Ihn anzuseh'n.

Der Sommer und die Lieb' sind heiß,
Ihr weiß ich keinen Dank;
Sie sengte mich auf alle Weis',
Das grüne Laub entsank!
Zuletzt entschwand sie still und leis
Und ließ mich krank.

– so überwiegt hier die subjective Zuthat so sehr den objectiven Stoff, daß es fast scheinen möchte, die Geringfügigkeit des Stoffes verhindere seine plastische Gestaltung, so daß ein klares Sichablösen der Empfindung nicht ganz gelingen konnte, und das Gedicht einem Krystalle gleicht, bei dessen Anschießen milchige Stellen zurückbleiben.

Liest man aber ein anderes Gedicht von eben so großer stofflicher Geringfügigkeit:

       Die Schnitterin.

Vor einem grünen Walde
Da liegt ein sanfter Rain,
Da sah ich auf der Halde
Ein rosig Mägdelein.

Die fährt mit ihrer blanken
Geschliff'nen Sichel 'rum,
Und mähet in Gedanken
Die schönen Blümlein um.

Kukuk ruft immer weiter
In's Holz den ganzen Tag,
Und Alles prophezeit er,
Was ihr gefallen mag.

– so sieht man wieder, daß selbst der geringste Stoff plastischer Gestaltung fähig ist, und daß das Ueberwiegen des Subjectiven vor dem Objectiven diese selbst dann nicht hindert, wenn der Stoff dem Dichter nichts weiter ist, als was der Stützpunkt dem Rankengewächse. Der Imitator wird niemals so einfache Stoffe wählen, weil sie die größte subjective Zuthat erfordern, an der er keinen Ueberfluß besitzt. Wenn nun aber ein Dichter sogar mit Vorliebe solche Stoffe wählt, die an sich dürftig sind und poetisch nur dann sich darstellen können, wenn sie eben vom [361] verklärenden Auge des Dichters geschaut werden, so beweist dies eben, daß diese Wahl eine unwillkürliche ist, und daß sein Dichternaturell bestimmender auf dieselbe wirkt, als die Objecte, insoferne dieselben eine Aufforderung an den Poeten richten.

So zeigt sich denn immer wieder, eine wie große Rolle in der lyrischen Dichtungsart die unbewußte Geistesthätigkeit spielt. Eine philosophische Vertiefung in den Gegenstand lehrt uns, daß die Producte echter Dichtkunst nicht angesehen werden dürfen als die freien Werke der bewußten Persönlichkeit des Dichters, sondern daß sie den lebensvollen Werken der Natur nur dann gleichen, wenn sie, wie diese, aus dem Unbewußten auftauchen. Dann aber, wenn nicht der Dichter selbst schafft, sondern die Natur in ihm sich des von ihr selbst geschaffenen Werkzeuges bedient, um ihre organisirende Thätigkeit, die wir in allen ihren Werken bewundern, idealiter fortzusetzen, dann läßt sich auch sagen, daß in solchen Producten der Kunst die Natur sogar übertroffen ist. Denn die Naturwerke sind das Product eines organisirenden Princips, das an der spröden Materie seine Thätigkeit übt. Die natürlichen Dinge drücken die Idee aus, aber sie trüben sie auch. Aus feinerem und bildungsfähigerem Stoffe aber webt die productive Phantasie, und die überorganische Entwicklung der Natur stellt eine höhere Stufe dar, als die organische Entwicklung. Der Traum, wie die Dichtkunst, lehren uns das; sie lehren uns aber auch, daß, was ihnen Fehlerhaftes anhaftet, nicht der Natur als solcher, nicht dem Unbewußten zuzuschreiben ist, sondern vielmehr dem Bewußtsein, welches die natürliche Functionsweise des Genius nur trübt, und seine Ohnmacht erfährt, wenn es versucht, auf dem Wege der äußerlichen Nachahmung der Naturwerke die hohe Künstlerin zu übertreffen.

Es ist der tiefste Blick, der uns in's Innere der Natur gestattet ist, wenn wir die Werkstätte des Genius zu ergründen suchen. Es ist die gleiche Functionsweise, die wir beim Genius, wie bei der Natur bewundern, darum muß die Substanz der Natur selbst schon psychisch gedacht werden. Es kann den Atomen der Materie nicht mangeln, und muß schon potenziell in ihnen liegen, was den höheren Gebilden, wenn sich die Atome zu einem denkenden Organismus zusammengelagert haben, nachweislich zukommt. Die Natur, welche den Genius will, daß er das Schöne bilde, ist selbst eine Künstlerin. Wenn sie das Organ gewollt hat, so hat sie wohl auch die Function des Organs gewollt, und es gilt von ihr, was in wunderbaren Worten Shakespeare selbst, dieser größte dichterische Genius, sagt, indem er den Beifall, den ihm die Menschheit spendet, gleichsam bescheiden ablehnt, und auf diejenige hinweist, der er gelten soll: die Natur:

                Perdita:
                                                Ich hörte,
Daß nächst der großen, schaffenden Natur
Auch Kunst es ist, die diese bunt färbt.

                Polyxenes:
                                                Sei's,
Doch ist Natur durch keine Art gebessert,
Schafft nicht Natur die Art. So, ob der Kunst,
Die, wie Du sagst, Natur bestreitet, gibt es
Noch eine Kunst, von der Natur erschaffen.
Du siehst, mein holdes Kind, wie wir vermählen
Den edlen Sproß dem allerwild'sten Stamm,
Befruchten so die Rinde schlecht'rer Art,
Durch Knospen edler Frucht. Dies ist 'ne Kunst,
Die die Natur verbessert – mind'stens ändert:
Doch diese Kunst ist selbst Natur. 1)

 

 

The art itself is nature.                                                
(Shakespeare: Wintermärchen IV. 3.)

 

[391] 4. Das Malerische im lyrischen Gedichte.

 

Der Dichter zwingt die Einbildungskraft des Lesers zur Selbstthätigkeit, in welcher der Erzeugungsproceß des Gedichtes wiederholt wird. Er gibt dem Leser Worte: aber er gebraucht solche Worte, die vom Leser unwillkürlich in anschauliche Bilder umgesetzt werden. Die Reproduction von Seite des Lesers kann nur durch das gleiche Organ geschehen, wie die Production von Seite des Dichters: durch die Phantasie. Nur diese kann die Worte körperlich verdichten.

Davon ist freilich in unserer modernen Lyrik wenig zu finden. Rhetorik, Reflexion, Schwulst und Phrase sind ihre Hauptbestandteile, und – was noch schlimmer ist – findet doch sein Publikum. Ja, fast scheint nach dem Recepte Blumauer's gedichtet zu werden in seiner Liebeserklärung eines Kraftgenies:

"Ha! wie rudert meine Seele
In der Empfindung Ocean!
Laute Seufzer sprengen mir die Kehle,
Die man auf zehn Meilen hören kann.

Gleich Kanonenkugeln rollen Thränen
Aus den beiden Augenmörsern mir;
Erd' und Himmel bebt bei meinem Stöhnen,
Und ich brülle schluchzend wie ein Stier.

Wetterstürme der Empfindung treiben
Mich ost-, west-, süd- und nordenwärts
Meine Seele hat in mir kein Bleiben,
Und es blitzt und donnert mir das Herz."

Bei den Alten verstand es sich so sehr von selbst, daß die Kunst sich an das Auge zu wenden habe, daß sie zwischen bildenden und redenden Künsten kaum unterschieden. Homer wurde von ihnen als der größte Maler gepriesen. "At ejus picturam non poësin videmus" sagt Cicero von ihm. 1)

[392] Es ist schon oft ausgesprochen worden, daß derjenige Dichter der beste sei, der dem Maler am meisten Stoffe biete. Dies ist indessen nur bedingt richtig. Der Lyriker freilich, insoferne, als er oft nur kleine Landschaftsstücke zeichnet, oder kleine Situationsbilder darstellt, wird die Phantasie des Malers immer anregen. Aber dadurch, daß auch die in der Zeit fortschreitende Handlung das Thema des Dichters ist, gibt er dem Maler keinen Vorwurf. Nur was aus der Bewegung der Zeit herausgehoben und vom Dichter als ruhendes Bild räumlich fixirt wird, ist auch malerisch darstellbar, nicht aber die als bewegliches Bild fortschreitende Handlung. Wenn also nur das räumlich Ausgebreitete und Ruhende, aber nicht das in der Zeit Auseinandergezogene der Malerei zugehört, so ist nicht derjenige der größte Dichter, der dem Maler, sondern der dem Leser die meisten Bilder gibt; denn die Phantasie des Lesers vermag es, der Bewegung zu folgen, und an die Phantasie allerdings muß sich der Dichter wenden, d.h. er muß anschaulich schildern. Malend soll also das Gedicht immer sein, aber es braucht nicht malerisch zu sein. In dieser Hinsicht hat der alte Simonides wohl recht, wenn er die Malerei eine stumme Poesie, die Poesie eine redende Malerei nennt.

Lessing sagt: "Gegenstände, die neben einander oder deren Theile neben einander existiren, heißen Körper. Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften die eigentlichen Gegenstände der Malerei." Und: "Gegenstände; die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen, heißen überhaupt Handlungen. Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie. 1)" Ferner: "Es bleibt dabei; die Zeitfolge ist das Gebiet des Dichters, so wie der Raum das Gebiet des Malers. 2)" Diese apodiktischen Aeußerungen sind wieder ein klarer Beweis dafür, daß die ästhetischen Regeln nicht immer dauernde Geltung beanspruchen können. Die Aesthetik schöpft ihre Regeln aus den vorliegenden Kunstwerken, sie ist eine inductive Wissenschaft; da nun die Poesie selbst entwicklungsfähig ist, so muß es auch die Aesthetik sein. Die wahren Muster deutscher Lyrik hat Lessing nicht mehr erlebt, sonst würde er die obigen Worte nicht so apodiktisch ausgesprochen haben, welche einen guten Theil der Goethe'schen Lyrik aus dem Kunstgebiete ausschließen. Nicht nur Situations- und Genrebilder der Lyrik, die der Dichter, außerhalb stehend, rein objectiv schildert, sind malerisch, sondern sogar reine Empfindungslieder, wenn der Dichter diese Empfindungen zur anschaulichen Darstellung bringt, sie in die Natur hinaus projicirt. Als Beispiel der einen Art diene Goethe's "Haideröslein", als Beispiel der anderen Art das oben citirte "Nachtlied des Wanderers." Sind Lenau's Schilflieder nicht darstellbar? Und wenn es bei Heine heißt:

"Am fernen Horizonte
Erscheint, wie ein Nebelbild,
Die Stadt mit ihren Thürmen,
In Abenddämmerung gehüllt.

Ein feuchter Windzug kräuselt
Die graue Wasserbahn;
Mit traurigem Takte rudert
Der Schiffer in meinem Kahn.

Die Sonne hebt sich noch einmal
Leuchtend vom Boden empor
Und zeigt mir jene Stelle,
Wo ich das Liebste verlor."

so ist die Bewegung aus diesem Liede nicht ganz ausgeschlossen – "kräuselt", "rudert," "hebt sich" –, das Gedicht schließt ferner mit einer Empfindung ab; aber trotzdem gestaltet sich das Lied in der Phantasie des Lesers zu einem anschaulichen, ruhenden Bilde, und jeder Maler wird es darstellbar finden.

[393] Wenn es bei Greif heißt:

       Der Zweifler.

Oft beim letzten Abendschein
Schleich' ich in die Kirchen ein.

Durch die kleine Hinterpfort'
Tret' ich an den Gnadenort.

Auf das Treiben wirr und hohl
Thut die Stille ach! so wohl.

Durch die Fenster lang und schmal
Fällt der letzte Sonnenstrahl.

Das ich oft verlästert wild,
Starr' ich an das Kreuzesbild.

Sehnsuchtbang ist mein Gefühl,
Weinend sitz' ich in's Gestühl."

so ist hier nur die vierte Strophe rein descriptiv; und doch wird es dem Leser sein, als sehe er einen alten Holzschnitt vor sich, so leicht wird es ihm, das Moment der Bewegung in den Anfangsstrophen zur Ruhe zu bringen.

"Bilde, Künstler! Rede nicht!" sagt Goethe, indem er mit diesen Worten die Phantasie als das eigentliche Organ des Dichter hinstellt. Aber es soll darum nicht geleugnet werden, daß manche Gedichte, in welchen mehr geredet als gebildet wird, gleichwohl sehr eindrucksvoll wirken können. Ich wähle als Beispiel ein irisches Volkslied, das ausschließlichen Redeinhalt hat:

"Sag mir das Wort, das dereinst mich hat beglückt!
Lang, lang ist's her,
Lang, lang ist's her!
Sing' mir das Lied, daß mich einst so sehr entzückt!
Lang, lang ist's her,
Lang ist's her!
Dich und mein Glück all' Du wieder mir gibst!
Weiß ja nicht mehr, wie so lang Du ausbliebst!
Weiß ja nur, daß Du dereinst mich hast geliebt –
Lang, lang ist's her,
Lang ist's her!

Denk' an Dein Leid, das Du scheidend mir geklagt!
Lang, lang ist's her,
Lang, lang ist's her!
Weißt Du das Wort, das ich weinend Dir gesagt?
Lang, lang ist's her,
Lang ist's her:
Kehre, o kehre zu mir bald zurück!
Bei Dir allein, Dir allein ist mein Glück!
Weiß ja doch, daß Du dereinst mich hast geliebt –
Lang, lang ist's her,
Lang ist's her."

Indessen unterscheiden sich solche Gedichte denn doch sehr von den bloß rhetorischen Reimereien, die den Hauptbestandtheil unserer modernen Lyrik bilden. Die Worte des obigen Liedes drücken allerdings nur Empfindungen des Dichters aus, aber doch so, das ein aus der Vergangenheit auftauchendes Phantasiebild zu Grunde gelegt ist; und ist dasselbe auch nur in wenigen Zeilen angedeutet, so genügt dieses doch, um auch die Phantasie des Lesers, bei aller Freiheit, die ihr dabei gelassen wird, zur Thätigkeit anzuregen. Gleichwie aber die Erinnerung des Dichters, wie es der sich wiederholende Refrain andeutet, bei den vorschwebenden Bildern gerne verweilt, so wird auch die Phantasie des Lesers zum Verweilen angehalten.

[394] Was nun gar solche Lieder betrifft, in welchen sich der Dichter in das Centrum eines Naturbildes stellt und die Eigenart seines Empfindens nicht direct durch abstracte Worte schildert, welche die Empfindung beschreiben, sondern nur indirect, indem er die Natur in seinen Subjectivismus tränkt, so kann hier das Moment der Bewegung ganz unterdrückt und eine rein malerische Wirkung erzielt werden. Dem Leser erscheint hier die Empfindung wie eine aus der Situation sich ergebende Wirkung, die im Objecte begründet ist, und nicht auf der subjectiven Reactionsweise des Dichters beruht; es kann also die Empfindung objectiv malerisch dargestellt werden, weil sie die Tinte ist, womit der Dichter die Scenerie übergossen hat. Gerade dann aber wird in solchen Liedern die höchste Wirkung erzielt, wenn der Dichter als körperliche Gestalt aus der Scenerie ganz verschwindet, während er doch seine ganze seelische Stimmung über sie ausgeschüttet hat. Heine leiht der Natur seine eigene Seele, wenn er sagt:

"Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh'.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.

Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand."

oder wenn er von der Lotosblume sagt:

"Der Mond, der ist ihr Buhle,
Er weckt sie mit seinem Licht
Und ihm entschleiert sie freundlich
Ihr frommes Blumengesicht.

Sie blüh't und glüh't und leuchtet
Und starret stumm in die Höh';
Sie duftet und weinet und zittert
Vor Liebe und Liebesweh."

Ebenso Martin Greif in manchen Liedern, in welchen er seine Empfindung so sehr in das äußere Object wieder zurückverlegt, daß der Dichter dem Leser ganz entschwindet, und dieser, indem in ihm ganz die gleiche Empfindung erregt wird, dieselbe rein aus dem äußerlichen Naturbilde ableitet:

  Morgendämmerung.

Die Nacht liegt ausgebreitet,
Erquick't die Erde ruht;
Der Mond, der zitternde, gleitet
Hinab in düsterer Gluth.

Noch steh'n am Himmelsraume
Gestirne sonder Zahl;
Am fernen dämmernden Saume
Zuckt schon ein purpurner Strahl.

Die Vögel werden munter,
Der Hahn ist längst erwacht;
Leis zieh'n die Schatten hinunter
Hinunter die thauende Nacht.

Das Seelische in der Natur ist eben unsere eigene Seele. In dieser Weise kann uns die Natur zum Symbol sehr verschiedenartiger Empfindungen werden, wenn auch die Empfindung der Liebe, die das Innere des Menschen am tiefsten aufwühlt, es vorzugsweise ist, die, je nach der Stimmung, die sie uns verleiht, ein und dieselbe Landschaft uns bald lachend, bald traurig [395] erscheinen lassen kann. Sehr schön hat Heine diese symbolisirende Kraft der glücklichen und wieder der unglücklichen Liebe geschildert in den beiden Liedern "Es erklingen alle Bäume" und "Warum sind denn die Rosen so blaß?"

Es kann nicht geleugnet werden, daß die oben erwähnten und andere ähnliche Gedichte, entschieden malerisch wirken, wenn es auch dem Maler oft schwer werden mag, die in ihnen ausgedrückte Empfindung bildlich darzustellen. Es ist richtig; das Werkzeug des Dichters ist die Sprache, die Rede; die Rede aber besteht aus Worten, die sich – für den Leser – in der Zeit folgen, und insoferne kann sich der Leser von der Zeit nicht emancipiren. Daraus folgt aber nur so viel, daß es eben hauptsächlich nur dem Lyriker gegeben ist, eigentlich malerische Bilder zu entwerfen, weil seine Schilderungen einen kurzen Zeitaufwand erfordern. Bei ihm kommt also der unvermeidliche Conflict zwischen dem Consecutiven der Rede und der räumlichen Coexistenz dessen, was er schildert, am wenigsten zur Geltung; trotzdem das Coexistirende in ein Consecutives aufgelöst wird, gilt es doch von solchen Liedern nicht, daß "uns die Zergliederung des Ganzen in seine Theile zwar hiedurch erleichtert, aber die endliche Wiederzusammensetzung dieser Theile in das Ganze ungemein schwer, und nicht selten unmöglich gemacht wird." 1) Obwohl der Lyriker die einzelnen Züge des zu Schildernden nur nach einander vorführen kann, kann er doch beim Leser, den das Gedächtniß bei so kurzen Schilderungen nicht wohl im Stiche lassen kann – schon darum, weil er ja nicht abstracte Worte, sondern ein Bild empfängt – einen gleichzeitigen Eindruck hervorrufen, und indem er innerhalb weniger Secunden ihm das ganze Bild gleichsam vormalt, ihn zu <einem> concentrischen Blicke nöthigen, womit er das nach einander Aufgezählte räumlich zusammenfaßt.

Es kann dies dem Lyriker um so leichter gelingen, als er ja nur mit wenigen Strichen zeichnet, wie Hogarth in seinen Radirungen, der Phantasie des Lesers das Uebrige überlassend, und als er Worte gebraucht, welche den größtmöglichen malerischen Inhalt haben. Hiezu eignen sich vornehmlich die Adjectiva. Was Aristoteles 2) von Alcidamas sagt, die Epitheten seien bei ihm nicht blos eine Würze der Rede (<ἥδυσμα>), sondern die Hauptkost (ἔδεσμα), das kann sich auch der Dichter zu Nutze machen. Wenn Homer von dem "pfadlosen" Meere spricht, oder von dem "langhinstreckenden" Tode, so reicht dieser einzige Pinselstrich aus, dem Leser ein Bild zu geben. Auch von unseren großen Dichtern ließen sich zahlreiche Beispiele anführen. Um Martin Greif auch in dieser Hinsicht zu charakterisiren, so ist er in der Wahl seiner Eigenschaftsworte sehr glücklich, seien es nun malerische, oder solche, die eine Stimmung bezeichnen. So in der Strophe:

"Des Erzes weitgetrag'ne Stimmen
Erschallen in den reinen Höh'n;
Die Sterne fangen an zu glimmen
Und fromm verstummet das Getön."

So auch, wenn er vom "morgenstillen Thore", von "regenmüden" Wolken spricht, wenn er die Woge "grün und böse", und die todte Königin im Sarge ein "schmal Frauenbild" nennt etc. etc. Aber auch jene Lieder, in welche Bewegung in der Zeit gelegt ist, die also des Stoffes wegen nicht malerisch im Sinne des Malers wirken können, müssen doch malerisch für den Leser wirken. Sie können ihm nur ein wandelbares Bild geben; aber Anschaulichkeit darf ihnen nicht abgehen.

Dichten heißt verdichten. Nur durch Hinweglassung alles überflüssigen Beiwerkes kann es dem Lyriker gelingen malerisch zu wirken, und sogar ein ruhendes räumliches Gemälde in der Phantasie des Lesers zu erzeugen. Er soll verfahren, wie die alten Griechen in ihren Reliefs, in welchen alle Nebendinge nur angedeutet, aber nicht kunstvoll ausgeführt sind, so daß der Blick des Beschauers von den Hauptfiguren nicht abgeleitet wird. Wenn ihm alle einzelnen Züge des Bildes gleichwerthig erscheinen, und mit gleichem Realismus ausgeführt werden, so wird er seinen Zweck verfehlen. Diese Verdichtungskraft zeigt sich bei Greif besonders in den Balladen, hauptsächlich aber in dem auch durch seinen Vocalismus so wirkungsvollem Gedichte:

[396] Der Königssohn.

Trat ein Hirtenknab
In den Königssaal
Fürstlich hin,
Weist die Schulter dar:
"Seh't dies Muttermal
Wer ich bin."

"Wie dies Zeichen klar
Ist mein Recht zumal,
Sprech't nunmehr!"
Und der König sah
Auf sein bleich' Gemahl
Vorwurfsschwer.

"Euren Marschall fragt,
Als er jenesmal
Mit ihm ritt."
""Dem, den Mord sie sann,
Gab ich mild im Thal
Hirten mit.""

Und die hohe Frau
Saß ein Bild so fahl
Auf dem Thron.
Auf den Bruder da
Spring't mit einemmal
Wild ihr Sohn.

Und den kühnen Gast
Mit dem scharfen Stahl
Er erschlug;
In den Marmorsarg
Aus dem Marmorsaal
Man ihn trug.

Aber lang erklang
In dem hohen Saal
Schwert und Schild;
Abends lag im Sarg
Nebenan ein schmal
Frauenbild.

Und der Erb entkam
In ein wildes Thal,
Kehrte nie.
Und der König starb
Nachts im hohen Saal –
Still' war's Früh.

Bayersdorfer sagt über diese Ballade: In vielen Gedichten tritt ein klangvoller Reim in systematischer Verwendung, ich möchte sagen als maßgebende Tonart auf. Die Ballade "der Königssohn" enthält sieben sechszeilige Strophen, in denen die zweiten und fünften Zeilen durch das ganze Gedicht mit dem gleichen Reime schließen, die ersten und vierten zu diesem Reimlaut in Assonanz stehen, und die dritten und sechsten wechselnd reimen. Noch dazu ist der dominirende Reimvocal das lang nachklingende a, so daß durch diese durchgehende Tonart eine Einheitlichkeit der Wirkung und eine Getragenheit der epischen Stimmung erzielt wird, welche mit der sagenhaften Wunderbarkeit des Stoffes in merkwürdigem Einklange steht." 1)

Unsere modernen Lyriker zeigen es meistens schon durch die ganz unangemessene Länge ihrer Lieder, durch den Widerspruch zwischen der Wortmenge und der Dürftigkeit des Inhalts, wie sehr ihnen diese Verdichtungskraft abgeht, wie unfähig sie sind, sich in der Auffassung der Erscheinungen auf das Wesentliche zu beschränken. "Ich habe nicht Zeit, Dir einen kurzen Brief zu schreiben; heute erhältst Du einen langen" schrieb – wenn ich mich recht erinnere – Goethe einst an einen Freund. Jene Dichter machen es ebenso. Der Leser soll das anschauliche Bild nachgestalten; dies wird ihm aber nicht nur erschwert, wenn ihm dabei zu viel Detailarbeit aufgenöthigt wird, sondern er wird auch zum bloßen Copisten gemacht, und indem seiner productiven Phantasie zu wenig zugemuthet wird, langweilt er sich. Es gilt eben auch hier, was Voltaire sagt: Le secret d'être ennuyeux c'est de tout dire.

Wie wenig sagt Greif in dem Liede:

      Die Einsame.

Vor meinem Kämmerlein fließet
Ein Wasser bei Tag und Nacht;
Ich seh' ihm zu vom Fenster,
Wenn einsam mein Leid erwacht.

Mir wird so traurig zu Muthe
Bei seinem eiligen Lauf;
Die Wellen ziehen hinunter
Und kommen nimmer herauf.

[397] Ein Mädchen am Fenster sieht in den vorübereilenden Bach, – dies ist Alles! Aber die productive Phantasie des Lesers wird angeregt, sie faßt dieses Bild als gegebene Wirkung auf, und bewegt sich – wie wir es bei den teleologischen Träumen gesehen haben – durch eine ganz ihr selbst überlassene Bilderreihe auf das Schlußbild dramatisch zu. Ebenso macht es Heine in der Ballade: "Es war ein alter König etc."

Die Einbildungskraft des Lesers soll also immer im Sinne einer productiven Selbstthätigkeit angeregt werden. Es ist Sache des Dichters, dieselbe dabei so zu leiten, daß der Leser, obwohl ihm nur die nöthigsten Anhaltspunkte gegeben werden, das gleiche Bild schöpferisch erzeugt, das dem Dichter selbst vorgeschwebt hat. Die Einbildungskraft des Lesers wird zugleich angeregt und gezügelt, daß sie die Schönheitslinie nicht überschreite. Der schöpferische Erzeugungsproceß, der im Dichter vorgegangen, ist in dieser Hinsicht eine Art geistiger Parthenogenesis, indem das Kunstwerk vom Leser nicht als fertiges einfach aufgenommen wird, sondern nur unter selbstthätiger Mitbetheiligung seiner productiven Phantasie in seiner Vorstellung zu Stande kommt.

Wie das Kunstwerk überhaupt, so charakterisirt sich auch das lyrische Gedicht selber durch seine Wirkung auf das Gedächtniß. Wenn es richtig ist, daß beim echten Lyriker die Lieder durch eine Art geistiger Reflexbewegung unwillkürlich hervorquellen und in schon mehr oder weniger vollendeter Gestalt aus dem Unbewußten auftauchen, dann wird zwar seine lebhafte Erinnerungskraft die ihm vorgeschwebten Bilder und Gestalten sogar nach langen Jahren wieder leicht reproduciren können, aber bei der Leichtigkeit und Mühelosigkeit seiner Conceptionen wird sich der sprachliche Ausdruck dem Gedächtnisse nicht so tief einprägen, wie bei dem bloßen Verseschmid, dem die Geburtswehen seines Gehirns im Bewußtsein verlaufen, der sein Werk nur durch mühsame Combination zu Stande bringt und bis zu Vollendung unzählige Mal die einzelnen Theile recapitulirt hat. So kann es uns nicht Wunder nehmen, daß, wie es die Erfahrung bestätigt, der wirkliche Dichter kein Gedächtniß für seine Producte hat, während der Talmipoet stans pede in uno seine sämmtlichen Gedichte zu recitiren vermag. Die Unwillkührlichkeit der Production ist von weit geringerer Wirkung auf das Gedächtniß des Producenten begleitet, als angestrengtes Suchen. Anders aber verhält es sich hinsichtlich der Gedächtnißwirkung auf den Leser. Wie der Bildhauer in seinen plastischen Werken, wie der Dramatiker und Romanschreiber in seinen Figuren, ja wie die Natur in ihren Landschaften, so wirkt auch der Lyriker auf das Gedächtniß um so mehr ein, je mehr er Künstler ist. Je lebhafter die Einbildungskraft des Lesers erregt wird, desto treuer wird er im Gedächtniß das ihm anschaulich vorgeschwebte Bild aufbewahren. An Landschaften von charakteristischem Gepräge erinnern wir uns, auch wenn wir sie nur Einmal geschaut, nach Jahren noch mit Leichtigkeit. Wer auch nur Einmal am Golfe von Neapel gestanden, die von der Pinienwolke gekrönte Duftmasse des Vesuv im Sonnenglanze gesehen, und mit seinem Auge an den energischen Contouren herumgetastet hat, womit die Felseninsel Capri aus dem Meere aufsteigt, wird dieses Bild von so charakteristischem Gepräge nicht mehr vergessen können. Wer einmal nur von Walter Scott die farbenreichen Bilder sich hat vorführen lassen, die er in den besseren seiner Romane schildert, und sich bekannt machte mit den so plastisch anschaulichen Figuren, die sich in diesen Bildern bewegen, dem werden diese Figuren in der Erinnerung noch nach Jahren voll Leben gleichsam zur Thüre hereintreten, und er wird nicht etwa nur in abstracter Weise an diesen oder jenen Charakter denken; wir erkennen anschaulich die Personen wieder als dieselben, wie wir sie ehemals gesehen. In einfachen Scenen versteht es Scott, das ganze innere Wesen seiner Figuren sich nach außen kehren zu lassen, in der Situation wieder eine andere Seite ihres Charakters aufzudecken, daß wir schließlich auf's Genaueste mit ihnen bekannt sind, und sie kaum je aus dem Gedächtnisse verlieren. Anders bei den gewöhnlichen Romanen. Nach wenigen Wochen schon beginnen die Figuren derselben in unserer Erinnerung zu verblassen und bald sind sie uns zu unterweltlichen Schatten verblichen, während höchstens vom Gange der Handlung, insoferne sie spannend gewesen sein sollte, Einiges bewahrt wird.

Denke ich z.B. an die "Braut von Lammermoor", dann gestalten sich Ravenswood, Lady Ashton und insbesondere der alte Kaleb wieder vor meinen Augen; und doch ist mir diese Lectüre um viele Jahre älter, als etwa die der "Ritter vom Geiste", von welchen es mir doch [398] unmöglich ist, auch nur Eine Figur mir wieder zu vergegenwärtigen. Wenn die Astronomen das Teleskop auf einen kosmischen Nebel richten, ohne es zu vermögen, denselben in Sterne aufzulösen, so kann dies am Objecte, oder am Instrumente liegen; sie enthalten sich also eines Urtheils über die objective Beschaffenheit des Nebels. Wenn aber mit dem gleichen Instrumente ein entfernterer Nebel sich in Sterne auflöst, dann wissen sie, das der zuerst untersuchte ein wirklicher Nebel war. Ebenso müßte es vorerst unentschieden bleiben, ob das Nebelige und Schwankende, in dem mir die Gutzkow'schen Romanfiguren erscheinen, an mir liegt, oder am Schriftsteller, wenn nicht das viel älteren Eindrücken gegenüber weit treuere Gedächtniß mir verriethe, daß die Ursache nicht subjectiv, sondern objectiv ist, und daß eben Gutzkow keine beseelten Gestalten mir vorgeführt hat, sondern wesenlose Schatten, die nur ein Scheinleben führen. Was eben nicht lebensfähig producirt worden ist, kann auch nicht lebensfähig reproducirt werden. So kann also dem Gedächtnisse eine Art kritischen Vermögens zugeschrieben werden, das als Surrogat ästhetischen Urtheils uns sehr richtig zu leiten vermag. Und auch dem lyrischen Dichter gegenüber wird unser Gedächtniß um so treuer sein, je mehr er es versteht, mit großer Verdichtungskraft plastische Bilder vor unser Auge zu stellen, mit je festeren Umrissen er seine Figuren zeichnet, je klarer die Empfindungsweise ist, die er an ihnen herauskehrt, und die unsere Mitempfindung in sehr ausgesprochener Weise erregt hat.

So werden die Schöpfungen des echten Dichters dem Gedächtnisse des Volkes eingeprägt bleiben, wie es die zahlreichen, auf uns gekommenen Volkslieder beweisen und noch mehr die Homerischen Gesänge bewiesen haben. Nicht die ästhetische Kritik allein ist es, der ein Urtheil zusteht über den Werth dichterischer Schöpfungen, sondern auch der im Stande literarischer Unschuld befindliche Leser, wenn ihm nur ein natürlich empfindendes Herz im Busen schlägt, wird je nach dem Eindrucke, den er erfährt, darüber reden können. Wenn das Gelesene sich seiner Phantasie und seinem Gedächtnisse fest einprägt, wenn ihm bei der Lectüre der Sinn für Poesie vielleicht allererst und in müheloser Weise aufgegangen ist, wenn er das vom Dichter tief Empfundene lebhaft mitempfindet, dann wird er die Echtheit solcher Poesie instinctiv herausfühlen, auch wenn er es durchaus nicht vermögen sollte, die Blumen gleichsam analytisch zu zerpflücken; er wird aber auch umgekehrt das Recht haben, solche Poesie abzulehnen, die ihn kalt läßt.

Es ist eines der besten Merkmale wahrhaft poetischer Lieder, wenn sich Inhalt und Form in ihnen decken. Wie bei den organischen Producten der Natur, so muß auch bei künstlerischen Producten, die tief aus dem Unbewußten auftauchen, der Inhalt von selbst die ihm angemessene Form finden. Diese Angemessenheit ist daher das sicherste Kriterium müheloser Conception. Inhalt und Form, im Unbewußten noch ungetrennt und zu organischer Einheit verbunden, fallen erst dem reflectiven Bewußtsein auseinander. Diese Uebereinstimmung fehlt daher sehr oft bei Dichtern, deren Bewußtsein die mangelnde Genialität ersetzt; der Act, in dem sie den Stoff produciren, ist ihnen nicht gleichzeitig und identisch mit dem, in dem sie nach der Form suchen, sondern es sind oft zwei aufeinander folgende Acte.

Es ist sehr schwer, dieses Verhältniß an Beispielen zu erläutern, und es gehört eine feine poetische Empfindung dazu, aus dem Rhythmus eines Liedes herauszufühlen, wie sich Stoff und Form aneinanderfügen. Uebrigens könnte die Behauptung, daß der gleiche Stoff, in eine andere Form gegossen, den gleichen Eindruck hervorbringen würde, nur durch das thatsächliche Experiment erwiesen werden; es würde aber sicherlich Producten echter Poesie gegenüber das Experiment mißlingen. Hievon aber abgesehen bleibt, um die natürliche Ungetrenntheit von Stoff und Form zu erläutern, nichts anderes übrig, als solche Beispiele zu wählen, wo die unbewußt getroffene Form im Verlaufe des Gedichtes gegen die Regel verlassen wird. Wenn es sich zeigt, daß solche Regelwidrigkeit den poetischen Eindruck nicht nur nicht schädigt, sondern ihn erhöht, während doch der Dichter augenscheinlich nur instinctiv die Form verlassen hat, so wird hiedurch die natürliche Ungetrenntheit von Stoff und Form in der unbewußten Production an's Licht gezogen und in Parallele gestellt mit der gleichen Thätigkeit der organisirenden Natur.

Die bange Erwartung, in welcher (in der Ballade: Der Taucher) der König und seine Ritter vor dem Wasserschlunde stehen, nachdem sich der Knappe hineingestürzt, machte Schiller dem Leser fühlbar durch die lange Schlußzeile in der Strophe:

[399] "Und hohler und hohler hört man's heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen."

In dem oben citirten "Schicksalsliede Hyperions" hat Hölderlin die Schlußzeile über alle anderen der Strophe hinaus verlängert, indem er so für die Phantasie des Lesers die lange Dauer des Falles anschaulich darstellt. In solchen Gedichten wird also durch die Form selbst des Gedichtes das erreicht, was in der Declamation durch gedehnten Vortrag erreicht wird, wie etwa in den Zeilen aus Schiller's "Cassandra":

"Und geschmückt mit Lorbeerreisern,
Festlich wallet Schaar auf Schaar
Nach der Götter heil'gen Häusern,
Zu des Thymbriers Altar."

Der Vortragende wird hier durch die Dehnung seiner Worte die Länge des Zuges gleichsam zur anschaulichen Darstellung bringen. Zuweilen aber bedient sich der Dichter zu dem gleichen Zwecke des gerade entgegengesetzten Mittels, nämlich einer auffallenden Verkürzung, indem er eine ganze Zeile durch ein einziges Wort ausfüllt, das den Vortragenden zu langem Verweilen nöthigen soll. Im "Lied von der Glocke" sagt Schiller von der auflodernden Flamme:

"Und als wollte sie im Wehen
Mit sich fort der Erde Wucht
Reißen in gewalt'ger Flucht,
Wächst sie in des Himmels Höhen
Riesengroß!"

Ja, im "Handschuh" finden wir in der gleichen Strophe Verkürzung und Verlängerung zu gleichem Zwecke angewendet:

"Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt
Und sieht sich stumm
Rings um."

Wenn es bei Goethe heißt:

"Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh:
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde
Warte nur, balde
Ruhest Du auch."

– so wirkt die plötzlich eintretende Verlängerung der drittletzten Zeile sehr effectvoll; man fühlt es heraus, <daß> vornehmlich das langandauernde Schweigen der Natur den Dichter erregt hat, und sieht ihn versunken in ihrem Anblick lange vor ihr stehen. Wie Goethe hier gleichsam das Ohr des Lesers sinnlich, wenn auch in negativer Weise, beeinflußt, so Greif gleichsam das Auge in einem seiner Seelieder:

"Tausend Sterne über mir,
Stille, stille ist es hier.
Gegen Morgen neblich schwach herauf
Steigt des Mondes schmale Sichel auf."

Das langsame Heraufrücken der Mondessichel, dem der Dichter, in Gedanken versunken zuschaut, ist hier in der Form vortrefflich wiedergegeben; es wird dem Leser gleichsam versinnlicht, indem er durch eine größere Wortanzahl in den verlängerten Zeilen unerwarteter Weise in Anspruch genommen wird. Ebenso wirksam ist es, wenn er das "kranke Mägd'lein" zur Hexe sagen läßt:

[400] "Wolltest ein Pflänzlein suchen aus
Und mir ein Tränklein brau'n daraus.
Doch ich glaub', es hilft nicht mehr,
Schon zu lange und zu sehr
Quält es mir das Herz so bange,
Und so wild,
Und ich glaub', kein Pflänzlein im Wald
Heilt mein Herz, kommt er nicht selber bald
Hilfreich mild."

Abgesehen davon, daß im Rhythmus der ganzen Strophe sich die Gemüthsunruhe bald hervorbrechend, bald verhalten wiederspiegelt, wirkt die, sicherlich ganz instinctiv getroffene, Verlängerung der Zeilen gegen den Schluß, sehr effectvoll. Der Dichter konnte kein wirksameres Mittel finden, das Mädchen, verweilend und ganz verloren in den Gedanken an den Geliebten vorzuführen, als indem er den Leser bei den betreffenden Versen länger verweilen läßt. Auch die Lieder "In der Fremde", "Erwartung" wären in Hinsicht auf rhythmische Darstellung der Gemüthszustände nachzusehen, und zeigen, daß eine lebhaft vorgestellte Empfindung beim Dichter unwillkürlich den adäquaten sprachlichen Ausdruck findet, wie wir bei jeder lebhaft vorgestellten Situation nicht nur die entsprechenden Worte denken oder sogar sprechen, sondern auch die entsprechende Lebhaftigkeit und Modulation der Rede haben. Auch hier decken sich Form und Inhalt in unbewußter Production.

So zeigt sich auch in Bezug auf die Form des Kunstwerkes bis in die letzten Spitzen desselben, jene naive Unmittelbarkeit, die wir an den Producten der Natur bewundern. Der echte Dichter, wenn er eine klare, ruhig ablaufende Empfindung schildert, wird dazu mit instinctivem Zwange den gleichmäßigen Rhythmus anwenden, dagegen Unruhe der Empfindung auch in der Bewegung des Rhythmus ihren äußerlichen Ausdruck finden wird. Der Reim aber, bald in dieser, bald in jener Weise angewendet, unterstützt noch die Wirkung, indem er dem, was der Dichter schildert, den Schein einer gewissen objectiven Naturnothwendigkeit verleiht; es entsteht ein Gefühl in uns, daß, wenn diese Nothwendigkeit nicht wäre, der Reim sich nicht so von selbst einstellen könnte, was er beim Dichter allerdings thun soll. Der Reim vermehrt die Ueberzeugungskraft der Sprache.

Der Gesichtssinn ist der reichste Sinn, durch den wir mit der Außenwelt in Verbindung treten; er ist aber nicht der einzige. Aus diesem Grunde sollte daher die Anforderung an den Dichter nicht dahin gehen, malerisch, sondern sinnlich zu schildern, wobei freilich zugegeben ist, daß die Eindrücke, welche uns die übrigen Sinne liefern, nicht nur relativ sehr arm, sondern auch sehr unbestimmten Inhalts sind. Unsere Sprache besitzt fast keine Worte, um z.B. die Gerüche in ihren Unterschieden zu bezeichnen, und die Lyrik würde wenig an sinnlicher Frische verlieren, wenn sie etwa von duftenden Blumen nicht mehr reden dürfte. Reichlicher dagegen sind die Eindrücke, welche das Gehör empfängt; die fröhlichen und klagenden Vogelstimmen kann der Dichter so wenig entbehren, als den donnernden Anprall der Meereswogen; er würde Unrecht thun, den Sturm blos durch das Jagen der Wolken und das Wandern der schäumenden Wogen zu schildern.

Wenn z.B. Ossian sagt:

"Wogen peitschten die schlammigen Klippen
Es brüllte die Kraft des Meeres – 1)"

so liegt darin ein Detail von sinnlicher Frische, das der Maler, der im Uebrigen die größere Anschaulichkeit voraus hat, doch nur indirect und abgeschwächt erreicht, und gar nicht erreichen würde, wenn uns nicht der anschauliche Sturm associativ mit Meerestosen und Windgeheul verbunden wäre.

Wenn Heine sagt:

"Der Stern blieb steh'n über Josef's Haus,
Da sind sie hineingegangen
Das Oechslein brüllte, das Kindlein schrie,
Die heiligen drei Könige sangen –"

[401] so wirkt dies sehr sinnlich, trotzdem die ganze Komik auf Tönen beruht; und wenn es bei Platen heißt:

"Allzuschwer fast schwebte der Rachedämon
Ueber Rom's Haupt, Rache, daß einst des frechen
Priesters Goldsteigbügel an Hohenstaufens
Eiserne Hand klang 1)" –

so verleiht er der Vorstellung durch diesen realistischen Zug eine viel größere sinnliche Frische, als wenn er Bügel und Hand nur für das Auge des Lesers in Beziehung gebracht hätte.

Bei Martin Greif findet sich eine Strophe:

"Sonntag ist heute
Doch kein Geläute
Verkündet ihn 2)" –

welche beweist, daß der Dichter, wie er von dem Dunkel der Nacht reden kann, so auch in Bezug auf das Gehör sogar durch Negationen schildern kann; ja in dem bereits citirten Gedichte Goethe's "Wanderers Nachtlied" liegt sogar der ganze Schwerpunkt des Gedichtes in der Zeile:

Die Vögelein schweigen im Walde.

 

*   *   *

 

Anmerkung.

Nachträglich finde ich in der inzwischen erhaltenen "Sociologie" von Herbert Spencer (I. 287) die Ansicht angedeutet, die in der Einleitung ausgeführt ist, daß und warum dichterische Thätigkeit als wirkliche Inspiration angesehen werden mußte. Er sagt: "Singe, o Göttin, den vernichtenden Zorn des Achilles!" – war nicht etwa, wie die Anrufung der Musen in den späteren Zeiten eine bloße rhetorische Form, sondern eine thatsächliche Bitte um Besessenheit. Ich führe das nur an, weil Spencer sogar auf ganz dem gleichen Wege zu diesem Ausspruche kommt, indem er nämlich vorher die Ansichten der Wilden über Krankheit, Besessensein etc. bespricht, so daß ohne meine Versicherung, daß jenes Capitel schon geschrieben war, bevor die deutsche Ausgabe der Sociologie erschien, es den Anschein haben könnte, als hätte ich Spencer benützt und nicht genannt.

 

 

 

 

[513] 5. Die ästhetische Anschauung.

 

Wenn ich vor einem Berge stehend meine Blicke an seinen Umrissen fortgleiten lasse, wie er vom Boden bis zum Gipfel ansteigt, so werde ich, wenn ich keine steilen Linien sehe, sagen: der Berg steigt allmälig an, oder: der Berg steigt sanft an. Beide Ausdrücke sind sehr merkwürdig, und sie verdienen, als übrigens nur beliebig gewählte Beispiele aus einer zahlreichen Classe, umsomehr eine Untersuchung, als nur durch Eindringen in den Geist der Sprache der Proceß des ästhetischen Anschauens klar gemacht und der unersprießliche Streit zwischen der formalistischen und idealistischen Aesthetik entschieden werden kann. "Der Berg steigt allmälig an." Wie kommt die Sprache dazu, zur Bezeichnung eines räumlichen Verhältnisses ein Wort anzuwenden, welches ein zeitliches Verhältniß ausdrückt? Es scheint nur Eine Antwort zu geben: Indem mein Auge die Umrisse verfolgt, ist es genöthigt, sich allmälig zu erheben – ein zeitlicher Act –; diese Thätigkeit des Auges übertrage ich auf das Object, und als ob der Berg selbst, etwa wie eine Woge, eben im Begriffe sei, sich zu erheben, sage ich: er steigt allmälig an.

Wenn wir die Lyrik auf dieses hin prüfen, werden wir finden, daß sie von Beispielen wimmelt, in welchen die Thätigkeit des Auges in der Verfolgung von Linien auf das Object, als eine Thätigkeit des letzteren, übertragen wird, und immer werden wir diejenigen Ausdrücke, durch welche das Object, als sich eben erst gestaltend, bezeichnet wird, ästhetischer finden, als solche, die das bereits gestaltete beschreiben. Es scheint aber, daß solche Ausdrücke, die nicht nur bei Dichtern, sondern auch in der Umgangssprache gebräuchlich sind, in letztere nicht erst von jenen her übergegangen sind, sondern schon in der Sprachenbildung entstanden. Im Französischen drückt das Wort montagne die Thätigkeit des Ansteigens (monter) aus. Wenn ich sage: der Leichenstein hebt sich über dem Grabe, der Epheu quillt über die Mauern, so ist dieses schöner, als zu sagen: der Leichenstein steht auf dem Grabe, der Epheu hängt über die Mauer herab. Die Dichter sind also durch ihren künstlerischen Instinkt dazu getrieben, gleichsam Bewegung in die starre Natur zu bringen, indem sie das Object nicht als fertige Erscheinung schildern, sondern es gleichsam entstehen lassen:

"Wo manche Burg die grauen Wände
Emporhebt aus den grünen Blättern etc."

                              (Byron: "Childe Harold." III. 55.)


"Wenn sich mälich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise vom Mittag weht etc."

                              (Hölderlin: "Die Liebe.")


"Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine seelige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupt sich ergießend
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße blasse Antlitz."

                              (Heine: "Der Schiffbrüchige.")


"Um's Haupt strömt ihr das weiche Gelock."

                              (Ossian: "Fingal" N. 231.)


[514] "Die Blumengesichter,
Sittsam umschlossen von schwarzen Mützchen
Und hervorquellendem Goldhaar."

                              (Heine: "Seegespenst.")

In der Anthologie übersetzt Jacobs ein Fragment eines griechischen Dichters, worin es heißt:

"Sieh', wie ergießt und verschlingt sich das Haar reichlockigen Epheus;
Und sein grünes Geflecht kränzet die Wiesen umher."

In diesem Sinne erklärt es sich, daß griechische und lateinische Dichter mit Vorliebe den Haaren und den Pflanzen Verba der Bewegung, ja z.B. dem Epheu sogar Organe der Bewegung beilegen. 1)

Dasselbe Princip ist maßgebend, wenn Lenau sagt:

"Die Rebe nach dem Fenster klomm
Mit ihren gold'nen Trauben."

                              ("Reiseempfindung.")


"Im Haine sprang von Baum zu Baum die Röthe,
Sie wiegte sich auf Wipfeln, mischte froh
Sich in den Wellentanz, der zum Geflöte
Der Nachtigallen rasch vorüber floh."

                              ("An Fr. Kleyle.")


"Sprang über's ganze Heideland
Der junge Regenbogen."

                              ("Die Haideschänke.")

Dieser letztere Ausdruck findet sich auch bei Schiller:

"Leicht, wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der
                                                                                          Sehne,
Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom –"

                              ("Der Spaziergang.")

wo indessen die erste Metapher durch das Anfügen einer zweiten wieder verdorben wird, weil diese ein ganz anderes Bild gibt, nämlich die Gerade statt des Bogens.

In allen diesen Fällen ist die Thätigkeit des Auges in's Object verlegt, und wenn man näher zusieht, so wird man dieses Verfahren auch in Versen finden, wie:

"Luftig, wie ein leichter Kahn
Auf des Hügels grüner Welle,
Schwebt
sie lächelnd himmelan
Dort die friedliche Kapelle."

                              (Lenau: "Die Wurmlinger Kapelle.")


"Des Waldes Riesen
Heben höher sich in die Lüfte
, um noch
Mit des Abends flüchtigen Rosen sich ihr
Haupt zu bekränzen."

                              (Lenau: "Abendbilder")

Wenn ferner Lenau in der "Wanderung im Gebirge" sagt:

"Behaglich streckte dort das Land sich
In Eb'nen aus, weit, endlos weit.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hier stieg es plötzlich und entschlossen
Empor, stets kühner, himmelan" –

[515] so wird es jedem Leser unmittelbar fühlbar, daß das über die Ebene schweifende Auge des Dichters, durch einen Gebirgszug aufgehalten, zur Erhebung genöthigt wurde. Das Wort "plötzlich" steht dabei im Gegensatze zu dem Eingangs erwähnten "allmälig", ist also vom Dichter gewählt worden, um die Steilheit des Ansteigens auszudrücken; auch wird jeder Leser unwillkürlich diese Phantasievorstellung erfahren. Wenn hierüber der geringste Zweifel bestehen könnte, so würde ihn ein anderer Vers Lenau's heben, wo er sagt:

"An den Thürmen steil und plötzlich
Hebt sich eine Felsenmasse
–"

                              ("Cisteron.")

wo das Wort "plötzlich" dem Bilde gar keinen neuen Zug verleiht und nur als Pleonasmus erscheint. Wenn Uhland sagt:

"Der Himmel bläulich aufgeschlagen –"

                              ("Die sanften Tage.")

so wirkt dieser Ausdruck ästhetisch, weil uns der Dichter gleichsam nöthigt, statt in gerader Richtung in die Höhe zu sehen, den Blick am weiten Himmel fortschweifen zu lassen. Noch kühner aber drückt er sich aus in dem Gedichte "Das Schloß am Meere":

"Es möchte sich niederneigen
In die spiegelklare Fluth,
Es möchte streben und steigen
In der Abendwolken Gluth."

Indem der Dichter schon vorher angedeutet hat, daß das Schloß auf Felsen steht, gelingt es ihm, mit diesen wenigen Zeilen die ganze Eigenthümlichkeit des Baues uns zu veranschaulichen. Wie der Fels selbst, worauf er steht, heben und senken sich auch die Mauern und Thürme; wir haben ein mittelalterliches Schloß vor unserer Phantasie, an dessen Umrissen der Blick auf- und niedergleitet. So verlegt auch Shelley die Bewegung des Auges in das Object als Thätigkeit desselben, wenn er sagt:

"Am öden Strand Chorasmiens, wo sich trübe
Die Wüste faulender Moräste dehnt,
Hemmt endlich er den Schritt."

                              ("Alastor.")


"Sieh', wo der Engpaß gähnend weit sich dehnt,
Stürzt schroff hinab der Berg."

                              (Ebenda.)


"Wo das umschattende Gebüsch zurückweicht
Und eine kleine grüne Matte läßt,
Schließt sich die Bucht."

                              (Ebenda.)

Sehr schöne Verse dieser Art finden sich bei Hölderlin; der über das Gebirge gleitende Blick will gar nicht zur Ruhe kommen, wenn er sagt:

"Fernhin schlich das hag're Gebirg, wie ein wandelnd Gerippe" –

                              ("Der Wanderer.")

oder:

"Wo himmelhoch Gebirg,
Deß' tausendjährigen Scheitel ew'ger Schnee,
Wie Silberhaar des Greisen Stirne, kränzt,
Umschwebt von Wetterwolken und von Adlern,
Sich unabsehbar in Tiefe dehnt".

                              ("An Hiller.")


[516] "Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,
Steigen am dunklen Gebirg' Vesten und Hütten hinauf.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt von der Quelle,
Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiesen sich aus."

                              ("Der Wanderer.")

Daß solchen Ausdrücken immer die Bewegung des Auges untergelegt ist, zeigt sich sehr deutlich auch bei Greif:

Rings fallen die Wände
Aus riesiger Höh';
Ihr düsteres Ende
Beschattet den See."

                              ("Ein Abend am See.")

Wie hier durch den Ausdruck "fallen" die senkrechte Linie der Augenbewegung angedeutet ist, so in den früheren Beispielen die horizontale; die wellenförmige aber, wenn Hölderlin das "wogende Gebirge" seiner Heimath begrüßt; indem sein Auge über die Hügel schweift, wird es zu einer Bewegung genöthigt, als folge es dem Gewoge des Oceans, und durch Uebertragung der Bewegung auf das Object ergibt sich von selbst der schon ganz eingebürgerte Vergleich des Gebirges mit dem wogenden Meere.

Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren; die bisherigen genügen aber wohl schon, um für die Beantwortung der Frage eine Basis zu gewinnen, ob die ästhetische Wirkung derselben von der formalistischen Aesthetik der Herbartischen Schule erklärt werden kann. Diese Frage ist entschieden zu verneinen.

Wenn die formalistische Aesthetik alle Schönheit in mathematische Verhältnisse, in Linien und Oberflächen auflösen will, so hat dagegen schon diese kurze Untersuchung gezeigt, daß nicht einmal die Linie selbst Object ästhetischer Anschauung werden kann, außer in ihrem Verhältnisse zu der Bewegung, die sie dem Auge des Beschauers abnöthigt. Die Linie an sich ist weder schön, noch häßlich; sie wird es erst in ihrer Beziehung zu einem Auge, das an ihr fortgleitet. Dieses aber ist hiewiederum nur dadurch zu erklären, daß diese Thätigkeit des Auges in irgend einer Beziehung zu unserer Empfindung steht. Wäre diese Thätigkeit für das Auge vollkommen indifferent, so würde es zu keiner ästhetischen Auffassung von Linien kommen.

Wie kommt es nun aber, daß der Beschauer, wenn sein Blick bestimmten Linien nachfährt, je nach der Qualität dieser Bewegung erregt wird? Vorerst ist klar, daß in der That diese erforderliche Bewegung es ist, worauf die ästhetische Lust oder Unlust beruht. Dies zeigt sich sehr deutlich darin, daß die ästhetische Erregung sowohl in den durch die angezogenen Beispiele charakterisirten Fällen eintritt, in welchen die Bewegung vom Subject als Augenthätigkeit ausgeht, wie auch in anderen Fällen, wenn das Object selbst sich bewegt. Im höchsten Grade ist dieses z.B. der Fall in den Versen Goethe's.

Wenn über schroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen
Der Kranich nach der Heimath strebt."

                              ("Faust.")

Nach den bisherigen Erläuterungen kann dieses auch gar nicht mehr befremden; denn es hat sich ja gezeigt, daß der ästhetische Act erst dadurch zu Stande kommt, daß wir die subjective Bewegung der Augen in eine objective der Erscheinung verwandeln. Es kömmt also auf das Gleiche hinaus, ob mein Auge der Linie des Regenbogens folgt, oder ob ich etwa einen Vogel eine solche Linie beschreiben sehe.

Wie also kann Bewegung, sei sie objectiv oder subjectiv, ästhetisch erregen?

Greifen wir zu unserem ersten Beispiele zurück. Es wurde eingangs erwähnt, daß zur Charakterisirung einer Berglinie gesagt werden könnte: er (der Berg) steigt allmälig an, oder: er steigt sanft an. Der letztere Ausdruck ist noch zu analysiren, und er kann nach den bisherigen [517] Ausführungen nur bedeuten, daß die Linie, in der er sich vom Horizonte abhebt, das Auge zu einer Bewegung nöthigt, die diesem wohlthuend ist, dem Bau des Auges entspricht und keine ungewohnte Thätigkeit der Augenmuskeln erfordert. Wer je von der Stadt Rom aus über die Campagna hinweg nach <den> Albanerbergen sieht, wird sich an der schönen Linie erfreuen, in welcher von der Spitze des Monte Cavo aus das Gebirge langgedehnt nach der Ebene hinunterzieht; es ist, wie wenn man, mit der Hand daran herunterfahrend, nicht die geringste Unebenheit empfinden könnte. Nehmen wir nun aber an, es wäre der Schwung dieser Linie in der Mitte durch einen verzerrten Gebirgshöcker unterbrochen, so würde der ästhetische Eindruck verloren gehen, das Auge des Beschauers würde über den Höcker stolpern, d.h. es würde die angefangene Bewegung gegen sein Erwarten plötzlich einstellen müssen und sich unfreiwillig aufgehalten sehen.

Es kommt aber noch ein weiteres hinzu, um zu zeigen, daß es sich in der ästhetischen Anschauung keineswegs um den bloßen Verlauf der Formbegrenzung unbewegter Objecte, oder um die Bewegungsbahn bewegter Objecte handelt. Erst in der Gefühlssphäre des Individuums kommt der ästhetische Act zu Stande. Er selbst bewegt sich in der Phantasie an den Grenzlinien und auf den Bewegungsbahnen fort. Einen mit den Augen überwundenen steilen Anstieg habe ich auch mit dem Phantasieleibe überwunden, und wenn ich den Raubvogel langsam seine Kreise in der Höhe ziehen sehe, nehme ich gleichsam selber daran Theil, und empfinde es als eine angenehme Selbstbewegung; würde dagegen der Vogel in unregelmäßigen, kurzen Zick-Zack-Bewegungen hastig hin- und herschießen, so würde mein Phantasieleib gleichsam vom Teufel in der Luft gebeutelt werden. Nur aus der sympathischen Mitbetheiligung des Phantasieleibes an einer objectiven Bewegung erklären sich Verse, wie:

"Gebirg und Wolkenzug
Erhaben glüh'n.
Wär doch des Adlers Flug
Auch mir verlieh'n!

Wär' ich in's Element
Der Luft gebannt,
Daß ich mich heben könnt'
Ueber Berg und Land!"

und es ist im höchsten Grade charakteristisch, daß Greif dieses sein Gedicht "Geistesflug" betitelt. Es zeigt sich aber freilich in diesen Versen, daß das sehnende Verlangen der menschlichen Seele, die mit den Berglinien emporstrebt, oder an dem Fluge des Adlers sich mitbetheiligt, eine genügende Befriedigung in dieser durch die Phantasie vermittelten Luft nicht erfährt, daß vielmehr die Empfindung unserer Erdenschwere daraus nicht ganz zu entfernen ist. So sagt auch Byron:

"Was nur den Geist erhebt durch Sicht und Schall,
Das eint sich hier, um in die Luft zu schreiben,
Daß Erd' zum Himmel ragt, die Menschen unten bleiben."

                              ("<Childe> Harold" III. 62.)

Ich erfahre eine ganz andere Erregung, wenn mein Blick an der Linie eines hochgewölbten Bergrückens fortläuft, als wenn er über einen Maulwurfshügel streift, der in verkleinertem Maßstabe die gleiche Form darbietet; mein Inneres weitet sich im ersterem Falle aus, im letzteren schrumpft es wieder zusammen. Diese Verschiedenheit der Empfindung bei gleicher formaler Begrenzung beweist die Mitbetheiligung der individuellen Gefühlssphäre in der ästhetischen Anschauung.

Robert Vischer, der die Genesis der ästhetischen Anschauung zum Gegenstande einer interessanten Untersuchung gemacht hat, sagt: die scheinbar formale Bewegung trägt sich also doch unbewußt mit einer concreten Gefühlssubstanz, welche untrennbar mit dem Begriffe menschlicher Ganzheit verbunden ist. Indem ich z.B. an den Windungen, Steigungen und Senkungen eines Weges hinschaue, gleite, wandle ich Gedanken halber selbst auf ihnen vorwärts, bald träumerisch zögernd, bald hastig fortschießend. Ich suche und finde, steige triumphirend empor und stürze vernichtet nieder u.s.w. Die mit der angeschauten Form zusammenhängende Richtung und das Zeitmaß dieser Bewegung bekommen so den Charakter von menschlichen Intentionen und Wallungen. So steigert sich die Nachempfindung zur Nachfühlung." 1)

[518] Aber auch damit sind wir noch nicht zu Ende, die angeführten Beispiele beweisen zwar genug gegen die formalistische Aesthetik, aber sie leisten noch nichts für die Behauptung der idealistischen Schule, welche das Schöne in den Form gewordenen Gehalt der Erscheinung setzt, in den Wiederschein eines seelischen Innern, das sich in der Form ausprägt. Revenons à notre montagne. "Der Berg steigt sanft an," besagt nach dem Bisherigen, daß die Bewegung des betrachtenden Auges leicht vor sich geht, und daß die Phantasie des Beschauers die Linie angenehm nachfühlt. Beides ist nun aber nicht der Fall, wenn der Berg steil und unregelmäßig ansteigt, was sich etwa mit den Worten bezeichnen ließe: "der Berg steigt in energischen Linien an." Da nun gleichwohl der ästhetische Eindruck vorhanden ist, so muß im Processe der ästhetischen Anschauung noch ein weiteres Moment gegeben sein. Es läßt sich dasselbe leicht aus den angeführten dichterischen Belegstellen herausschälen, bei deren Lectüre es wohl dem Leser aufgefallen sein wird, daß ich dieses wichtigste Element der ästhetischen Anschauung unberührt gelassen habe, trotzdem es offen zu Tage liegt.

Es ist also nunmehr der Accent auf andere als die bei der ersten Anführung unterstrichenen Worte zu legen, und zu fragen: Wie kommt Lenau dazu, zu sagen:

"Behaglich streckte dort das Land sich
In Eb'nen aus, weit, endlos weit.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hier stieg es plötzlich und entschlossen
Empor, stets kühner, himmelan"?

Wie kann Hölderlin sagen:

"Fernhin schlich das hag're Gebirg, wie ein wandelnd Gerippe"

wodurch die Gebirgskette im Phantasiebilde sofort ein gedrücktes, scheues Ansehen erhält? Oder:

"Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiesen sich aus?"

In diesen Beispielen ist mehr ausgedrückt, als bloße Form; sie ist zugleich mit einem seelischen Inhalte erfüllt. Die bei der ersten Anführung unterstrichenen Worte bezeichneten lediglich das nachfühlende Miterleben von Bewegungen durch die Phantasie, während die hier unterstrichenen Worte einen viel geistigeren Gehalt bezeichnen, nämlich Seelenstimmungen.

Es liegt eine blos nachgefühlte Bewegung in den Worten Schiller's:

"Eilende Wolken, Segler der Lüfte!
Wer mit Euch wanderte!"

                              ("Maria Stuart.")

Der Dichter wandert hier nur mit der Wolke; aber noch eine andere, viel intimere Versetzung kann eintreten, wenn der Dichter die ziellos dahin schwebende Wolke verfolgt; er kann sich central in das Gebilde versenken, ihm einen Gefühlsinhalt verleihen, und er kann von dem gedankenlos und traumhaft wandelnden Dinge sagen:

"Nirgend kann ich lange bleiben,
Ruhelos ist mir der Sinn –
Wolken, Wind und Wellen treiben
Ohne viel Erinn'rung hin."

                              (Greif: "Fremd in der Fremde.")

Wenn wir uns nun aber in dieser Weise in Gebilde der unorganischen Natur und ihre besondere Daseinsweise hineinfühlen, so können wir nur unserer eigenen menschlichen Gefühlssphäre den seelenvollen Inhalt entnehmen, womit wir die Formen der Dinge ausfüllen. Wir <können> nur anthropopathisch die Objecte der Natur beseelen; wir müssen sie erst ihrer natürlichen Beschaffenheit entkleiden, wenn sie stimmungsvoll zu uns reden sollen.

In diesem Symbolisirungs-Processe der ästhetischen Anschauung nun zeigt es sich am deutlichsten, daß der ästhetische Act nicht, wie die Formalisten meinen, von dem objectiven [519] Bilde allein bewirkt wird, ohne active Betheiligung des Individuums, welches als bloßer "Schauplatz" 1) des ästhetischen Processes sich verhalten soll, sondern daß es mit seiner innersten psychischen Substanz dabei betheiligt ist. Und hier zeigt sich nun wiederum die innige Verwandtschaft der dichterischen Traum-Phantasie: es ist beiden gemeinsam, die zugeführten Empfindungen symbolisch zu deuten.

Volkelt sagt in einer vortrefflichen Schrift: "Im ästhetischen Genießen findet der Mensch seine ganze Persönlichkeit, sein centrales Ich betheiligt, er ist aus seiner Tiefe, seinem quellenden Mittelpunkte dabei thätig." 2) In der That, man muß von allen Göttern verlassen sein, jeder pantheistischen Erregbarkeit durch die Erscheinungen der Natur bar sein, wenn man sich an der Erklärung des Schönen im formalistischen Sinne genügen kann. Erst im Gefühle, im ahnungsvollen Empfinden, in jener dem klaren Bewußtsein entrückten Region unseres Inneren, in der wir noch im Zusammenhange mit dem All stehen, vollzieht sich der ästhetische Act. In dieser Region, die der Naturseite des Menschen angehört, wie der Traum, wirken wir auch traumhaft. Jene oben citirten Verse Goethe's sprechen noch nicht einmal von der Ineinsverschmelzung von Subject und Object, von der hier die Rede ist, sondern nur von der "Nachfühlung" objectiver Bewegung, und doch spricht er die psychische Activität des blos "Schauplatz" sein sollenden Individuums klar aus, indem er jenen Versen die Worte voraussetzt:

"Doch ist es Jedem eingeboren,
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts strebt,
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt,
Wenn über schroffen Fichtenhöhen etc."

Wenn ich nun aber der Bewegung gleitender Wellen, ziehender Wolken oder schwebender Vögel gegenüber mich nicht nur nachfühlend verhalte, sondern diese Erscheinungen anthropomorphisirend ganz zum Symbol erhebe, so daß ein Menschliches aus ihnen zu mir spricht, erst dann erregen sie mich recht eigentlich ästhetisch. In verschiedenen Gradationen findet sich dieses bei Greif:

"Wenn im Herbst die letzten Schwalben
Fliehen, wird das Herz mir schwer;
Stimmen rufen allenthalben
Allenthalben um mich her.

Ordnen sich die Wanderzüge,
Folgt mein Auge sehnsuchtsvoll.
Wenn ich mich an Menschen schmiege,
Fühl' ich, daß ich weiter soll,

Wieder weiter von der Stätte,
Die ich wandermüd' ersehnt.
An der Liebe gold'ne Kette
Hat sich nie mein Herz gewöhnt."

                              ("Fremd in der Fremde.")

Die intensivste Symbolisirung aber legt Greif in der "Liebesnacht" dem Geliebten in den Mund und bringt sie zugleich in Gegensatz mit der nüchterneren Anschauung der Geliebten:

"O weile, süßer Geliebter!
Es trügt Dich nur:
Noch hellt, nur wolkengetrübter
Der Mond die Flur."

""Doch nimmer weilen und halten
Die Wolken dort;
Es führen sie wilde Gewalten
Von Ort zu Ort
.""

"Ein Traum ist all' das Treiben
In dunkler Höh';
Doch uns muß ewig verbleiben
Der Sehnsucht Weh'."

""Ich seh' nur Kommen und Scheiden
Am Himmelszelt;
Es zieht die Seele der Leiden
Durch alle Welt
.""

"Die Wolken wandern so mächtig
Ohn' Schmerz und Lust;
Ich aber ziehe Dich nächtig
An meine Brust."

[550] Wir sind noch die Erklärung schuldig für die oben gebrauchte Ausdrucksweise: "Der Berg erhebt sich in energischen Linien", und haben nunmehr die nöthigen Anhaltspunkte gewonnen. Wenn ich ohne alle ästhetische Anschauung mir den Berg betrachte, so werde ich in prosaischer Sprache einfach die objective Thatsache ausdrücken: der Berg ist hoch. Der der Linie nachfühlende Dichter läßt die Thatsache aus einem Processe hervorgehen, er bringt die Linie in's Rinnen, indem er sagt: der Berg erhebt sich hoch empor; aber rein ästhetische Anschauung liegt erst vor, wenn er sich in den Berg hineinfühlt, wenn ihm seine Gestalt zum Wiederschein eines seelischen Innern wird; dann wird er sagen: der Berg strebt mächtig in die Höhe – oder auch, wenn die Form der Begrenzung eine specialisirte menschliche Gefühlsweise ausspricht: der Berg strebt in energischen Linien empor. Die Schönheit beruht also in diesem Falle nicht auf der Begrenzungslinie des Objectes, sondern auf seiner Beseelung.

"Auf jenen Felsen, die am höchsten streben."

                              (Lenau: "Lorenzo.")


"Die Ufer erheben sich dämmernd umher,
Die Berge, sie streben in's wolkige Meer."

                              (Greif: "Ein Abend am See.")


"Die Alpen seh' ich ragen,
Die mit der Stirn sich in die Wolken wagen"

                              (Byron: "Childe Harold." III. 62.)

Um noch an einer ganz anderartigen Bewegungslinie dieses symbolisirende Verhalten der dichterischen Phantasie zu zeigen, so sei hier noch der Blitz erwähnt. Wenn Lenau sagt:

"Doch es dunkelt tiefer immer
Ein Gewitter in die Schlucht,
Nur zuweilen über's Thal weg
Setzt ein Blitz in wilder Flucht
–"

                              (Lenau: "Johannes Ziska.")

so ist dies nicht eine bloße Mitbetheiligung an der Bewegung, sondern ein gänzliches Hineinleben, eine Erfüllung der Erscheinung mit menschlicher Gefühlsweise; und zwar wird die Erscheinung nicht nur überhaupt mit Leben erfüllt, sondern mit einer durch die Form der Erscheinung selbst specialisirten Lebensbethätigung. In intensiverer Weise noch thut dies Goethe:

"Des sicheren Blitzes Wetterschlag –"

                              (Goethe: "Der fünfte Mai.")

wo in die Erscheinung nicht nur überhaupt ein Willensinhalt gelegt wird, sondern – entsprechend der Geradheit der Feuerlinie – ein zugespitzter Wille, ein Zielbewußtsein. Daß aber hier die äußere Erscheinung in der That viel Aufforderung an den Poeten richtet, sie symbolisch aufzu[551]fassen, zeigt sich sehr deutlich darin, daß wir es keineswegs als eine Abschwächung empfinden – wie doch sonst in der Regel, wenn Lebensvorgänge mit Vorgängen aus der unorganischen Natur verglichen werden, statt umgekehrt – wenn dieses mit Bezug auf den Blitz geschieht. So sagt Ossian:

"Sein Schwert ist ein schmetternder Blitz."

                              ("Carrig-Thurra" 368.)

und Lenau sagt vom Geier:

"Wie Du, athmender Blitz, zu Boden niederzückst,
Und mit den Krallen scharf ein warmes Leben pflückst!"

                              ("Auf meinen ausgebälgten Geier.")

Diese Symbolisirung der Naturgegenstände, Beseelung der Objecte mit menschlicher Gefühlsweise, ist das Wesen der ästhetischen Naturbetrachtung. In weiterer Untersuchung wird sich dieses deutlicher offenbaren, als hier, wo in absichtlicher Beschränkung nur gezeigt zu werden suchte, daß nicht einmal die einfachsten Linien und Flächen Objecte der ästhetischen Anschauung werden können, ohne Gefühlsantheil des Individuums, daß es also der formalen Aesthetik noch viel weniger gelingen kann, die complicirten Gegenstände der organischen und unorganischen Natur, die sich aus Flächen und Linien in tausendfacher Mannigfaltigkeit aufbauen, zu erklären. Was schon in jedem einzelnen Bausteine steckt, kann doch dem Gebäude als Ganzem nicht fehlen. Würde nicht in allen Erscheinungen dieser gestaltenreichen Welt Etwas unseren intimsten und dunkelsten Gefühlen correspondiren, so wären sie uns ästhetisch unzugänglich.

Wir haben bei der Untersuchung der Traumphantasie gesehen, daß in den räumlichen Formgebilden des Traumes der Leib sich selbst und seine inneren Zustände symbolisch darstellt; ebenso nun versetzt die dichterische Phantasie, wenn sie tief aus dem Innern kommend als Naturthätigkeit sich geltend macht, die eigenen Seelenzustände in die Objecte, welche auf Grund des gegebenen Empfindungsmateriales vom Verstande gemäß seiner causalen Function construirt und nach Außen projicirt werden. Es ist darum nicht bloßer Zufall, daß gerade jene Schriften in der neueren Aesthetik, welche den Symbolbegriff wesentlich vertieft haben, von Autoren stammen, deren Einer – Johannes Volkelt – selbst eingehende Studien über den Traum gemacht hat 1), während der Andere – Robert Vischer – zugesteht, durch Scherner's Buch: "Das Leben des Traumes", vor das Problem der Formsymbolik gestellt worden zu sein. 2)

Wie nun im Traume die Phantasie sogar auf Erregungen reagirt, die im wachen Zustande unbemerkt vorübergehen, nicht in's Bewußtsein fallen, so verräth auch die dichterische Phantasie Feinfühligkeit, indem sie selbst schon auf ganz bestimmte und ungefähre Annäherungen hin ihre symbolisirende Thätigkeit beginnt; wo das Object auch nur von ferne an Menschliches gemahnt, beseele ich es menschlich, vermöge der wunderbaren Fähigkeit der Phantasie, sich in äußere Objecte hineinzuleben. Ein steiler Fels scheint trotzig die Stirne zu erheben; entlaubte Bäume strecken jammernd die Arme aus; ein Bach springt fröhlich den Wiesenhang hinab; Blumen lachen uns freundlichen Auges an; die Meereswoge zieht erzürnt gegen den Strand; der sturmgepeitschte Strauch windet sich vor Schmerz; eine Säule ragt stolz empor; ein Wasserfall stürzt jauchzend vom Felsen herab; eine glänzende Sommerwolke fährt seelig dahin; eine dunkle droht mit verschlossenem Grimme; der Sturm fährt heulend über die Ebene; der Strom gleitet majestätisch durch das Thal etc. etc.

Man sieht schon aus einigen dieser Beispiele, daß die Symbolisirungsfähigkeit der Phantasie es sogar entbehren kann, durch die äußere Form der Objecte an menschliche Gestaltung sich gemahnen zu lassen. Bloße Töne und Farben genügen oft, daß eine Stimmung aus ihnen uns entgegenspricht. Im ersten Sonnenstrahle, der aus dem bewölkten Himmel fällt, lacht uns die Natur wieder freundlich an; und schon im alten Testamente erscheint am Himmel der Regenbogen als Symbol des Friedens. "Keine Gestalt," – sagt Lotze – "ist so spröde, in welche hinein nicht unsere Phantasie sich mitlebend zu versetzen wüßte." "Und nicht allein in die eigen[552]thümlichen Lebensgefühle dessen dringen wir ein, was an Art und Wesen uns nahe steht, in den fröhlichen Flug des singenden Vogels oder die zierliche Beweglichkeit der Gazelle; wir ziehen nicht nur die Fühlfäden unseres Geistes auf das kleinste zusammen, um das engbegrenzte Dasein eines Muschelthieres mitzuträumen und den einförmigen Genuß seiner Oeffnungen und Schließungen, wir dehnen uns nicht nur mitschwellend in die schlanken Formen des Baumes aus, dessen feine Zweige die Lust anmuthigen Beugens und Schwebens beseelt; vielmehr selbst auf das Unbelebte tragen wir diese ausdeutenden Gefühle über und verwandeln durch sie die todten Lasten und Stützen der Gebäude zu eben so viel Gliedern eines lebendigen Leibes, dessen innere Spannungen in uns übergehen." 1)

In einigen Nachträgen zu seiner oben genannten Schrift bemerkt Robert Vischer: "Ich balle mich grollend in einer Wolke, rage stolz in einer Tanne, brüste und bäume mich frohlockend in den Wogen. Ich bin zugleich die Vielgestalt der Brandung, welche die Klippe schlägt und peitscht, und zugleich die Klippe, welche der Brandung trotzt. Ich nicke und winke der Quelle, welche ich wiederum selber bin, in einer schwankenden Blume. Eine stachelige Pflanze sieht mich an, wie ein rauhborstiger Charakter. Ich habe mich in diesen Cactus so versetzt, daß eine versetzte Persönlichkeit mich, der ich gleichwohl noch bei mir selber bin, als ein widerspenstiger Cactus ansieht. Diese Art von Versetzung kann motorischer, wie sensitiver Natur sein, auch wenn sie es nur mit starren unbewegten Formen zu thun hat." 2) Weit entfernt also davon, daß wir, wie die formalistische Aesthetik behauptet, im ästhetischen Anschauen lediglich die Formen der Dinge einer Schätzung unterziehen, sind wir vielmehr unvermögend, diese auf die Form allein hin zu betrachten, ohne zugleich in der äußeren Form den Ausdruck irgend eines inneren Seelischen zu empfinden, und zwar uns selbst, mit den mannigfachen dunklen Wallungen im "Labyrinthe" unserer Brust, wiederzuspiegeln.

Das Mittel aber, wodurch die Sprache dieses Verhältniß ausdrückt, ist die Metapher. Daß aber diese den Hauptbestandtheil nicht nur der Sprache der Lyrik, sondern der Sprache überhaupt bildet, zeigt für die Allgemeinheit dieser Fähigkeit der menschlichen Phantasie, die unbelebte Natur zum Träger lebendigen Lebens zu gestalten.

Das Gebiet der lyrischen Naturbeschreibung ist nun allerdings dasjenige, in welchem sich diese Fähigkeit am deutlichsten verräth. Das Ungenügende der formalistischen Aesthetik indessen zeigt sich vielleicht noch klarer in einem anderen Gebiete, das der lyrischen Behandlung ebenfalls nicht fremd ist und das Wesen der ästhetischen Anschauung deutlicher offenbart: in der Architektur. Das Gestein ist wohl das Naturproduct, das sich am sprödesten gegenüber dem uns innewohnenden Drange verhält, die Natur an unserem Busen erwärmen zu lassen, ja welches nur Pygmalions-Empfindungen in uns erwecken zu können scheint. Und doch hört selbst dieses Naturprodukt auf, starr und todt zu sein, wenn es, wie in der Architektur, künstlerisch verwendet wird.

Wenn eine ästhetische Auffassung architektonischer Verhältnisse ohne ein fühlendes Verhalten des Beschauers stattfinden könnte, wenn – wie es die formalistische Aesthetik behauptet – die bloße Auffassung der äußeren geometrischen Verhältnisse für den ästhetischen Act schon genügen würde, so müßte ein architektonisches Object in jeder beliebigen Lage uns gleichmäßig erfreuen, z.B. eine Pyramide auch dann, wenn sie auf der Spitze balanciren würde; der Thurm von Pisa auch dann, wenn er noch stärker geneigt wäre; ein griechischer Tempel auch dann, wenn er mit dem Fundamente aufwärts stünde. Ebenso müßte das Material eines Baues ästhetisch gleichgiltig sein, und ein aus Stein aufgeführter gothischer Dom könnte nicht schöner sein, als etwa eine Nachbildung aus Baumwolle. Dies ist aber keineswegs der Fall; wir fühlen uns abgestoßen, wenn das Gesetz der Schwere in einem Bau nicht zur äußeren Darstellung gelangt, d.h. wenn die innere Wesenheit des Steines, seine Schwere, uns nicht architektonisch geoffenbart wird, oder gar, wenn das Gesetz der Schwere verletzt erscheint. Auch in der ästhetischen Auffassung der Architektur fühlen wir uns also gleichsam in den Stein hinein, streben abwärts an der Linie des Rundbogens und ruhen sicher auf dem Capital der Säule. Darin haben wir ohne [553] Zweifel den psychologischen Ursprung der Karyatiden zu erkennen. Darauf beruht es auch, daß wir das Gefühl banger Unsicherheit erfahren, etwa beim Anblick einer ausgebogenen Mauer. Die dünnen eisernen Säulen, welche gegenwärtig oft zur Anwendung kommen als Ersatz für Säulen aus Stein und von größerem Umfange, wirken ebenfalls unästhetisch, weil sie zerbrechlich erscheinen; das Gesetz der Schwere kann nur in der Verbindung von gleichem Materiale zur Darstellung gebracht werden, nicht aber indem Materialien von verschiedenem specifischen Gewichte architektonisch verbunden werden. Ich benütze als Aschenbecher eine Messingschaale, über welche, aus dem gleichen Metalle verfertigt und angelöthet, ein Jagdgewehr derart gelegt ist, daß der Kolben und die Mündung des Laufes über den Rand der Schale hinausragen, so jedoch, daß beide mit den Seitentheilen aufliegen, während Hahn und Abzugsbügel nach rechts und links gerichtet sind. In dieser Lage nun könnte ein Gewehr zwar auf dem Tische aufliegen, über einer Schale aber würde es sich um die Rundung des Kolbens und Laufes soweit drehen, daß der Hahn nach abwärts, der Abzug noch oben gerichtet wäre. Würde diese Verletzung des Gesetzes der Schwere nicht in meine Empfindung übergehen, so wäre das gelinde Mißbehagen unerklärlich, das mir der Anblick dieses Gewehres regelmäßig erweckt. Auch die unangenehme, gedrückte Empfindung, welche niedrige Stuben und enge Gassen mit hohen Häusern hervorrufen, beruht hierauf.

"Die Straßen sind doch gar zu eng!
Das Pflaster ist unerträglich!
Die Häuser fallen mir auf den Kopf!
Ich eile so viel als möglich!"

Der Dichter, welcher die architektonischen Verhältnisse in dieser Weise nachempfindet, wird daher diese Empfindung auch ausdrücken, und nicht etwa nur die äußeren Formen und Linien dem Leser vormalen. Darum sind Verse schön, wie:

"Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach."

                              (Goethe: "Mignon.")


"In dem Dome zu Cordova
Stehen Säulen, dreizehnhundert;
Dreizehnhundert Riesensäulen
Tragen die gewalt'ge Kuppel."

                              (Heine: "Almansor.")


"Wo ist das Thor zur Veste,
Das alte Sturmthor?
Ist es eingestürzt?
Ist es zugemauert?
Da winkt's,
Hoch, uralt;
Aufrecht die Last trägt's
Seines Mauerantheils
Sammt des Epheus
Schwerem Laubgehäng
."

                              (Greif: "Sagunt.")

Aber auch wenn gesagt wird:

"Wo bist du, Liebe der Helden, du
Reizendes Mädchen des schweren Gelocks?"

                              (Ossian: "Fingal" II. 511.)

oder:

"Es war ein volles gesegnetes Jahr,
Die Trauben hingen gleich Pfunden."

                              (Annette v. Droste-Hülshof: "Meine Strauße.")

so ist dieses schöner, als wenn nur die Farbe der Haare oder der Trauben bezeichnet wäre.

Wir bleiben übrigens in der ästhetischen Auffassung architektonischer Objecte keineswegs in dieser dunklen Nachempfindung der Schwere des Steines stecken; vielmehr verhalten wir uns, [554] wie gegenüber den Objecten der Natur, auch diesen gegenüber antropomorphistisch, wenn sie unserer Phantasie nur den geringsten Anhaltspunkt dafür bieten. Der Architekt Schinkel (Nachlaß III. 370) sagt: "In der Architektur sind die Theile, welche den Charakter eines bestehenden ruhenden Seins tragen, von denen zu unterscheiden, welche handelnd dastehen: erstere sind quadratisch, die Andern sind strebend, drückend, sich anschmiegend, trennend, übergehend, schwellend, sich biegend. Für die Verzierung und für Gefäße zeigt sich hier die sehr bewegliche Spirallinie, die sich entfaltende Form, die aufnehmende Form, die sich zusammenthuende und aufthuende Form. Man überträgt die lebendige Handlung den todten Massen; bei der gothischen Architektur ist das Bewegliche vorherrschend, bei der griechischen das ruhig Bestehende."

Daß auch hier der Einklang zwischen Material und Form für die ästhetische Anschauung unentbehrlich ist, zeigt sich recht deutlich darin, daß, obwohl die regelmäßig gewundene Form wohlthuend auf das Auge wirkt, doch das Gegentheil der Fall ist, etwa bei den umeinander gewundenen Säulen Bernini's. Hier widerspricht eben die an sich schöne Form dem gegebenen Materiale; ja wäre es auch nur ein Leuchter, dessen Schaft aus solchen umeinander sich windenden Theilen bestünde und aus sehr zerbrechlichem Materiale gefertigt wäre, etwa aus Glas, so würde diese gewundene Form unästhetisch wirken, weil sie uns gleichsam auffordern will, die Schafttheile noch fester zusammenzudrehen, was das Material nicht dulden will.

Wenn der Blick an dem Schafte einer Säule hinaufgleitet, so scheint sie sich emporzurichten:

"Wie du emporstrebst
Aus dem Schutte
Säulenpaar!"
                              (Goethe: "Der Wanderer.")

und die Säulen scheinen sich eben aufgerichtet und die Kuppeln emporgehoben zu haben, wenn wir sie zur Rotunde zusammengestellt sehen. Ja es ließe sich noch beifügen, daß wir die ruhige Sicherheit, die in der horizontalen Breite griechischer Tempel liegt, und andererseits das weltflüchtige Emporstreben gothischer Dome nicht nachempfinden könnten, wenn nicht in der That die Weltbejahung des griechischen und die Weltflucht des christlichen Geistes darin unbewußt ihren äußeren Ausdruck gefunden hätten.

So zeigt sich denn auch an diesen Beispielen, daß wir geradezu unvermögend sind, die Dinge lediglich auf ihre äußere Form hin anzuschauen, und daß der ästhetische Act erst dadurch zu Stande kommt, daß wir uns selbst in sie hineintragen.

 

 

[Die Anmerkungen stehen als Fußnoten auf den in eckigen Klammern bezeichneten Seiten]

[289]   1) Lubbock: Entstehung der Civilisation. S. 415. – Tylor: Die Anfänge der Cultur. I. S. 97-104.   zurück

[289]   2) Wundt: Menschen- und Thierseele. II. S. 286. – Tylor: Die Anfänge der Cultur. II. S. 420.   zurück

[290]   1) Od. XIX. 562-567.   zurück

[290]   2) Büchsenschütz: Traum und Traumdeutung im Alterthume.   zurück

[290]   3) Lubbock: Entstehung der Civilisation. S. 21-25.   zurück

[290]   4) Ibid. S. 416.   zurück

[290]   5) Schiller: Das Ideal und das Leben.   zurück

[290]   6) Zeller: Philosophie der Griechen. I. S. 263.   zurück

[291]   1) Zeller: Philosophie der Griechen. II. S. 498, 511.   zurück

[291]   2) Divin. I. 37. 80.   zurück

[291]   3) Der vatikanische Apollo. S. 309.   zurück

[291]   4) Pausanias. I. 21.   zurück

[291]   5) Lubbock: Entstehung der Civilisation. S. 215.   zurück

[291]   6) Zeller: Philosophie der Griechen. II. S. 19.   zurück

[292]   1) Der vaticanische Apollo. S. 288.   zurück

[293]   1) Forster: Das Leben von Charles Dickens.   zurück

[294]   1) Vgl. auch Hartmann: Philosophie des Unbewußten. 7. Auflage. S. 459.   zurück

[294]   2) Maudsley: Physiologie und Pathologie der Seele. Deutsch von Böhm. S. 315, 334.   zurück

[295]   1) Maudsley: Physiologie und Pathologie der Seele. Deutsch von Böhm. S. 206.   zurück

[295]   2) Darwin's Werke, übersetzt von V. Carus. V. S. 70.   zurück

[295]   3) Schopenhauer: Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. – Wundt: Thier- und Menschenseele.   zurück

[295]   4) L. Geiger: Zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit. S. 85.   zurück

[295]   5) E. Kapp: Philosophie der Technik.   zurück

[296]   1) Hartmann: Philosophie des Unbewußten. 7. Auflage. S. 433.   zurück

[296]   2) Frauenstädt: Memorabilien. S. 244.   zurück

[321]   1) Aristoteles (de divin. 1.); Hippokrates in der Abhandlung über Träume, die ihm zugeschrieben wird; Galenus (über die Diagnose der Träume). Von Neueren ist zu nennen Macaris: Du sommeil, des rêves et du somnambulisme, dans l'état de santé et dans l'état de maladie. Lyon 1857.   zurück

[322]   1) Interessante Beispiele über den größeren Reichthum des unbewußten Gedächtnisses finden sich bei Maury: Le sommeil et les rêves. Paris, Didier 1878. S. 92-93, 142, 234, 334.   zurück

[322]   2) Wundt: Physiologische Psychologie. S. 646.   zurück

[322]   3) Schopenhauer's Leben. 2. Aufl. S. 400.   zurück

[323]   1) Maury: Le sommeil et les rêves. p. 359.   zurück

[324]   1) Studien über den Traum. Beilage zur "Allgemeinen Zeitung". 1876, Nr. 105-107.   zurück

[325]   1) Studien über den Traum. Beilage zur Allg. Ztg. 1876. 105-107.   zurück

[325]   2) Scherner: Das Leben des Traums.   zurück

[325]   3) Sehr gut ist dieses Thema von Robert Vischer behandelt: Ueber das optische Formgefühl.   zurück

[325]   4) Gedichte von Martin Greif. Stuttgart, Cotta.   zurück

[326]   1) Lenau: An Fr. Kleyle.   zurück

[326]   2) Lenau: Auf eine holländische Landschaft.   zurück

[326]   3) Lenau: Wanderung im Gebirge.   zurück

[326]   4) Cicero, orat. Cap. 2.   zurück

[326]   5) Plinius, hist. nat. XXXV. p. 36.   zurück

[326]   6) Schilling: Psychiatrische Briefe. S. 26.   zurück

[327]   1) Volkelt: Die Traumphantasie. S. 189.   zurück

[327]   2) Oneirokritikon. Der Traum vom Standpunkte des transcendentalen Idealismus. Abgedruckt in der "Deutschen Vierteljahrsschrift" 1869. Heft II.   zurück

[327]   3) Einen Traum dieser Art berichtet Volkelt: Traumphantasie. S. 109. Bei Hildebrandt: Der Traum und seine Verwerthung für's Leben. S. 37-40 ist das Problem hingestellt und eine Lösung versucht.   zurück

[328]   1) Einige Beispiele finden sich im Oneirokritikon. S. 226, 228-229.   zurück

[329]   1) Maury: Le sommeil et <les> rêves p. 139.   zurück

[329]   2) Jean Paul: Vorschule der Aesthetik. S. 57.   zurück

[329]   3) Maury: Le sommeil et les rêves. p. 14, Anmerkung 2.   zurück

[330]   1) Volkelt: Die Traumphantasie. S. 133.   zurück

[330]   2) Lenau: Vergangenheit.   zurück

[330]   3) Lenau: Die Zweifler.   zurück

[330]   4) Lenau: Eitel Nichts!   zurück

[330]   5) Goethe: Gesang der Geister über den Wassern.   zurück

[331]   1) Hölderlin: Hyperion's Schicksalslied.   zurück

[331]   2) Goethe: Meine Göttin.   zurück

[331]   3) Martin Greif: Resignation.   zurück

[331]   4) Martin Greif: Der Wanderer und der Bach.   zurück

[332]   1) Goethe: Hoffnung.   zurück

[332]   2) Goethe: Wanderers Nachtlied. (Ein gleiches.)   zurück

[332]   3) Lenau: Herbstgefühl.   zurück

[332]   4) Lenau: Herbstklage.   zurück

[332]   5) Greif: Herbstgefühl.   zurück

[354]   1) Greif: Gedichte. S. 201.   zurück

[354]   2) Es geschieht vielleicht zur Verwunderung der Leser, daß ich diesen, Manchem wenig bekannten Dichter, so hoch stelle. Vor zehn Jahren erschienen, haben seine Gedichte noch nicht die zweite Auflage erlebt. Nun ist allerdings richtig, daß unsere Generation für Poesie überhaupt kein großes Interesse besitzt; wenn man indessen sieht, daß andere sogenannte Dichter bei derselben Generation die wärmste Aufnahme finden, so kommt man zu dem Schluße, daß eben die Greif'sche Poesie nur der herrschenden Geschmacksrichtung nicht entspricht, welcher andererseits sich anzubequemen Andere für gut finden. Daß diese Geschmacksrichtung vom wahren Wesen der Poesie sich entfernt und nach dem Reflectirten, wenn nicht gar nach dem Rhetorischen und der bloßen Phrase geht, ist unverkennbar, und es ist nur die natürliche Kehrseite dieses Verhältnisses, daß ein Dichter vernachlässigt wird, der aller Effecthascherei entsagend, nicht den Stoff betont, sondern in der poetischen Form sein Genügen findet; denn – [355] wie La Bruyère sagt – : "du même fond, dont on néglige un homme de mérite l'on sait encore admirer un sot." Adolf Bayersdorfer in seiner interessanten Studie: "Ein elementarer Lyriker. Martin Greif" (Wien, Rosner) sagt von den Greif'schen Gedichten: "Denn da dieselben bei scheinbar absichtlicher Vernachlässigung der herrschenden Geschmacksrichtung, also bei vollständiger Beiseitesetzung des Publikums, jeden in bewußten Formalismus übergegangenen Effect verschmähen, dagegen ein merkwürdiges innerliches Genügen des Dichters an der probeweisen und gelungenen Aeußerung seiner künstlerischen Eigenart zeigen, so möchte es sich bei ihnen zumeist verlohnen, von der herkömmlichen Weise des Kritisirens abzuweichen, einmal den Stoff zu verleugnen und nur die Kunst zu beurtheilen, uns die besondere Methode des Schaffens aus den Gedichten zu reconstruiren und so den Dichter in seinen rein künstlerischen Bahnen aufzusuchen und zu verfolgen, und nicht im Reiche der Ideen und Gefühle, die aller Welt gemeinsames Eigenthum sind." – Für den Philosophen, der in die verschwiegenen Tiefen der künstlerischen Werkstätte einzudringen sucht, sind diese Gedichte darum so interessant, weil sich in ihnen ihr Entstehungsproceß so ungeschminkt offenbart, bei dem das Bewußtsein des Dichters nicht erzeugend, sondern empfangend sich verhält; aus der unbewußten Phantasie entspringen sie wie ein frischer Quell, und die künstlerische Besonnenheit des Dichters hat an ihnen nur den geringsten Antheil. Eben diese ihre organische Natürlichkeit und Freiheit von Bestandtheilen bewußter Conception verleiht diesen ungekünstelten Empfindungslauten für den Philosophen sogar mehr Interesse, als es die Producte von höherer Kunstbesonnenheit thun könnten.   zurück

[355]   1) Feuerbach: Der Vatikanische Apollo. S. 252.   zurück

[358]   1) Hegel: Aesthetik. 2. Auflage. I. S. 53.   zurück

[358]   2) Maudsley: Physiologie und Pathologie der Seele. S. 33.   zurück

[361]   1) Shakespeare: Wintermärchen. IV. 3.   zurück

[391]   1) Cicero: Tusc. V. 39.   zurück

[392]   1) Lessing: Laokoon XVI.   zurück

[392]   2) Lessing: Laokoon XVIII.   zurück

[395]   1) Lessing: Laokoon XVII.   zurück

[395]   2) Aristoteles: Rhetorik III. 3.   zurück

[396]   1) A. Bayersdorfer: Ein elementarer Lyriker. S. 11.   zurück

[400]   1) Ossian: Der Krieg von Junisthona. S. 238   zurück

[401]   1) Platen: Die Pyramide des Castius.   zurück

[401]   2) Greif: Sonntag auf dem Meere.   zurück

[514]   1) Hense: Poetische Personification. I. 85-86.   zurück

[517]   1) Robert Vischer: Das optische Formgefühl. Stuttgart, Galler. S. 24.   zurück

[519]   1) Robert Zimmermann: Allgemeine Aesthetik als Formwissenschaft. §. 33.   zurück

[519]   2) Johannes Volkelt: der Symbolbegriff in der neuesten Aesthetik. 64.   zurück

[551]   1) J. Volkelt: "Die Traumphantasie".   zurück

[551]   2) R. Vischer: "Das optische Formgefühl". VI.   zurück

[552]   1) Lotze: "Mikrokosmus". Zweite Auflage. II. 199.   zurück

[552]   2) <R. Vischer: Der ästhetische Akt und die reine Form. In der "Literatur" 1874. Nr. 29.>   zurück

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Literaturblatt.
Bd. 2, 1878:
Heft 10, S. 289-296 (1. Einleitung)
Heft 11, S. 321-332 (2. Die dichterische Phantasie im Traume)
Heft 12, S. 353-361 (3. Die Traumphantasie in der Dichtkunst)
Heft 13, S. 391-401 (4. Das Malerische im lyrischen Gedichte)
Heft 17, S. 513-519 (5. Die ästhetische Anschauung)
Heft 18, S. 550-554 (5. Die ästhetische Anschauung; Schluß). [PDF]

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).


Literaturblatt (1877-1879)   online
URL: http://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/epnresolver?id=130566518X

 

 

Zeitschriften-Repertorien

 

Buchfassung 1880

 

 

 

Werkverzeichnis


Verzeichnis

Kaiser, Tomas: Zwischen Philosophie und Spiritismus.
(Bildwissenschaftliche) Quellen zum Leben und Werk des Carl du Prel.
Diss. Lüneburg 2006.
URL: http://opus.uni-lueneburg.de/opus/volltexte/2008/11084/
Mit umfangreichem Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur.



Prel, Karl du: Oneirokritikon. Der Traum vom Standpunkte des transcendentalen Idealismus.
In: Deutsche Vierteljahrs-Schrift.
Jg. 32, 1869, Heft 2, April-Juni, S. 188-241.
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/008696495

Prel, Karl du: Dr. E. von Hartmanns Philosophie des Unbewußten.
In: Deutsche Vierteljahrs-Schrift.
Jg. 33, 1870, Heft 1, Januar-März, S. 162-181.
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/008696495

Prel, Karl du: [Rezension zu:] Gedichte von Martin Greif. Stuttgart: Cotta [1868].
In: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst.
Jg. 1, 1871, Bd. 2, 1. Dezember, S. 886-887.
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/010317147
URL: https://archive.org/details/bub_gb_cfEWAAAAYAAJ

Prel, Karl du: [Rezension zu:]
Aesthetik als Philosophie des Schönen und der Kunst. Von Dr. Max Schasler.
Berlin, Nicolai'sche Verlagsbuchhandlung [1872].
In: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben.
Bd. 5, 1874, Nr. 2, 10. Januar, S. 21-23.
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000059485

Prel, Karl du: Beiträge zu einer Philosophie der Lyrik.
In: Literaturblatt. Bd. 2, 1878:
Heft 10, S. 289-296 (1. Einleitung)
Heft 11, S. 321-332 (2. Die dichterische Phantasie im Traume)
Heft 12, S. 353-361 (3. Die Traumphantasie in der Dichtkunst)
Heft 13, S. 391-401 (4. Das Malerische im lyrischen Gedichte)
Heft 17, S. 513-519 (5. Die ästhetische Anschauung)
Heft 18, S. 550-554 (5. Die ästhetische Anschauung; Schluß). [PDF]

Prel, Karl du: [Rezension zu:]
Johannes Huber: Das Gedächtniß. München 1878.
In: Literaturblatt.
1878, Heft 10, S. 316. [PDF]

Prel, Karl du: [Rezension zu:]
Karl Spamer: Physiologie der Seele. Stuttgart 1877.
In: Literaturblatt.
1878, Heft 12, S. 378-379. [PDF]

Prel, Karl du: Psychologie der Lyrik.
Beiträge zur Analyse der dichterischen Phantasie.
Leipzig: Günther 1880.
URL: https://archive.org/details/psychologiederly00dupruoft
URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k73630q

Prel, Karl du: Wie ich Spiritist geworden bin.
In: Die Zukunft.
Bd. 2, 1893, 25. Februar, S. 356-367.
URL: https://archive.org/details/diezukunft14hardgoog

 

 

 

Literatur

Allesch, Christian G.: Geschichte der psychologischen Ästhetik. Untersuchungen zur historischen Entwicklung eines psychologischen Verständnisses ästhetischer Phänomene. Göttingen 1987.

Anonym: [Rezension zu:] Karl du Prel: Psychologie der Lyrik. Leipzig 1880. In: Literarisches Centralblatt für Deutschland. Jg. 31, 1880, Nr. 10, 6. März, Sp. 300-301.
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/008697289
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Zeitschriften_(Literatur)#L

Breuer, Ulrich: "Farbe im Reflex": Natur / Lyrik im 19. Jahrhundert. In: Lyrik im 19. Jahrhundert. Gattungspoetik als Reflexionsmedium der Kultur. Hrsg. von Steffen Martus u.a. Bern u.a. 2005 (= Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik, 11), S. 141-164.

Ciracì, Fabio u.a. (Hrsg.): Schopenhauer und die Schopenhauer-Schule. Würzburg 2009 (= Beiträge zur Philosophie Schopenhauers, 7).

Drüe, Hermann: Die psychologische Ästhetik im deutschen Kaiserreich. In: Ideengeschichte und Kunstwissenschaft. Philosophie und bildende Kunst im Kaiserreich. Hrsg. von Ekkehard Mai u.a. Berlin 1983 (= Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich, 3), S.  71-98.

Fick, Monika: Sinnstiftung durch Sinnlichkeit: Monistisches Denken um 1900. In: Ästhetische und religiöse Erfahrungen der Jahrhundertwenden. Hrsg. von Wolfgang Braungart u.a. Bd. 2: Um 1900. Paderborn u.a. 1998, S. 69-83.
Vgl. S.75-76 u. 81-82.

Goldmann, Stefan: Via regia zum Unbewußten. Freud und die Traumforschung im 19. Jahrhundert. Gießen 2003 (= Bibliothek der Psychoanalyse).

Greif, Martin: Gedichte. Stuttgart: Cotta 1868.
URL: https://mdz-nbn-resolving.de/bsb10109639

Heinßen, Johannes: Historismus und Kulturkritik. Studien zur deutschen Geschichtskultur im späten 19. Jahrhundert. Göttingen 2003 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 195).
S. 207-216: Die Rezeption der Hartmannschen Philosophie des Unbewußten.

Neumann, Johanna: Art. Furor poeticus. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 3. Tübingen 1996, Sp. 490-495.

Petraschka, Thomas: Einfühlung. Theorie und Kulturgeschichte einer ästhetischen Denkfigur 1770-1930. Paderborn 2023.

Reents, Friederike: Stimmungsästhetik. Realisierungen in Literatur und Theorie vom 17. bis ins 21. Jahrhundert. Göttingen 2015.

Saul, Nicholas: Ektoplasma, Kunst und Begehren. Der spiritistische Roman, der Körper und die moderne Befindlichkeit bei Carl du Prel, Wilhelm Bölsche und Artur Dinter. In: Organismus und Gesellschaft. Der Körper in der deutschsprachigen Literatur des Realismus (1830 - 1930). Hrsg. von Christiane Arndt u. Silke Brodersen. Bielefeld 2011, S. 179-210.

Schönert, Jörg: "Am Himmel fährt ein kalt Gewölk daher!". Zu Anspruch und Krise des Erfahrungs- und Deutungsmodell 'Natur' in der deutschsprachigen Lyrik 1850 – 1890. In: Das schwierige neunzehnte Jahrhundert. Germanistische Tagung zum 65. Geburtstag von Eda Sagarra im August 1998. Hrsg. von Jürgen Barkhoff u.a. Tübingen 2000 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 77), S. 171-185.

Sokal, Oswald: [Rezension zu:] Carl du Prel: Psychologie der Lyrik. Beiträge zur Analyse der dichterischen Phantasie Leipzig 1880. In: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Bd. 17, 1880, Nr. 19, 8. Mai, S. 294-296.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Die_Gegenwart_:_Zeitschrift_für_Literatur,_Wirtschaftsleben_und_Kunst
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000059485

Weber, Thomas P.: Carl du Prel (1839-1899). Explorer of Dreams, the Soul, and the Cosmos. In: Studies in History and Philosophy of Science 38 (2007), S. 593-604.

Winko, Simone: Kodierte Gefühle. Zu einer Poetik der Emotionen in lyrischen und poetologischen Texten um 1900. Berlin 2003 (= Allgemeine Literaturwissenschaft. Wuppertaler Schriften, 7).
Vgl. S. 215-216.

 

 

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Lyriktheorie » R. Brandmeyer