Mittwoch den 24.06.2009, 18 bis 20 Uhr
Ort: Campus Duisburg, NRW School of Governace (LS 105)
Politikwissenschaftliches Kolloquium
Prof. Dr. Michael Th. Greven
(Universität Hamburg)
Thema: War die Demokratie jemals modern?
Prof. Dr. Michael Th. Greven

Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg

Curriculum Vitae (kurz):

  • Studium in den Fächern Politikwissenschaft, Philosophie, Germanistik und Psychologie an der Universität Bonn /Universität Köln
  • 1973: Dissertation an der Universität Bonn
  • 1976: Habilitation und Privatdozentur an der Universität-GH Paderborn
  • 1977: Universitätsdozent für „Politikwissenschaft und Politische Soziologie" an der Universität-Gesamthochschule Paderborn
  • 1978 bis 1991: Professur für Soziologie am Institut für Soziologie der Philipps- Universität Marburg
  • 1991 bis 1995: Professur für Politikwissenschaft mit den Schwerpunkten Politische Theorie und Politische Soziologie am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt
  • Seit 1995: Professur für Politische Wissenschaft am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg
  • 1994-1997: Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft

 

Ausgewählte Publikationen:

Bücher
(2007) Politisches Denken in Deutschland nach 1945. Erfahrung und Umgang mit der Kontingenz in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Opladen & Farmington Hills (Vlg. Barbara Budrich) 304 S.
(2000) Kontingenz und Dezision. Beiträge zur Analyse der politischen Gesellschaft, Opladen (Leske & Budrich), 280 S.

Aufsätze
Die politische Anthropologie Rudi Dutschkes, in: D. Jörke/ B. Ladwig (Hrsg.), Politische Anthropologie, Baden-Baden (Nomos) 2009, 67 - 86
Jubiläumsliteratur - „1968" und die „68er" als Erinnerungsort und aktuelle Projektionsfläche, in: Neue Politische Literatur 1/2008, 195 - 204
„Politik, Theorien der", in: Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie (hrsg. St. Gosepath/W. Hinsch/B. Rössler), Berlin (de Gruyter) 2008, 1000 - 1006

Buchreihen

(ab 2003) Studien zur politischen Gesellschaft, hrsg. von Michael Th. Greven, Opladen: Leske&Budrich (VS Verlag für Sozialwissenschaften)

Zitat:

Greven, Michael Th.: „Zukunft oder Erosion der Demokratie?", Festschrift, 2009

„Ich würde aber im Sinne der Vorüberlegungen vermuten, dass die "Zukunft" der Demokratie in einem schleichenden Erosionsprozess längst begonnen hat, dass die meisten aber dem Rat des eingangs zitierten Philosophen Riedel, das "Alte", also unsere gewohnte "Demokratie" "in die Vergangenheit entlassen" zu sollen, auch als Politikwissenschaftler nicht folgen wollen. Deshalb schreiben wir die normative Demokratietheorie ständig anpassend fort - sodass kein "durchschnittlicher" Bürger sie länger verstehen und nachvollziehen kann." (S. 427)

„Aber wie immer man die "moderne" Demokratie von der "antiken" abhebt, die Annahme der Identität einer modernen Idee der Demokratie - grob gesagt seit der französischen Revolution - ist eine problematische Philosophenabstraktion und keine erfahrungswissenschaftliche Aussage. Die Politikwissenschaft, insbesondere im Teilbereich der Politischen Theorie, ist gewohnt, "Demokratie" über gewisse Prinzipien und Rechte und deren Institutionalisierung zu beschreiben, also beispielsweise "gleiche Freiheit" im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und politische Willensbildung, verwirklicht im allgemeinen freien, gleichen aktiven und passiven Wahlrecht, Menschenrechtsgarantien in einer Verfassung, Gewaltenteilung im Institutionenaufbau funktional und/oder föderal usw.. Das sind aber erhebliche Abstraktionen, und nur sie erlauben allererst die Kontinuitäts- bzw. Identitätsfeststellung." (S.416)

Der obige Text ist für Interessierte als Kopiervorlage im Sekretariat LF 152 erhältlich.


Thema des Kolloqiums: War die Demokratie jemals modern?

Die folgende These ist doppelt geschichtet: im ersten Teil der These wird - zum Teil unter dem Eindruck realer Prozesse, zum Teil erkennbar in der theoretischen Reflexion von „Moderne" und „Demokratie" - heute erst nach und nach bewusst, dass und welche Begründungsmomente der sich als „modern" verstehenden Demokratie der rein prozeduralen und antimetaphysischen Begründungs- und Prozesslogik der Moderne (Modernisierung) bis heute noch gar nicht entsprochen haben. Dazu zählen vor allem 1. die bisher für notwendig erachteten Annahmen über den der Demokratie vorgängigen demos und seine relative Homogenität, 2. die Unterstellung einer signifikanten Autonomie des kollektiven Willensbildungsprozesses und 3. die bereits erwähnte Differenzierung zwischen privater und gesellschaftlicher Ungleichheit und politischer und rechtlicher Gleichheit in der kollektiven Selbstherrschaft. Im zweiten Teil der These wird - zugegebener Maßen etwas spekulativ - behauptet, dass die Prozesslogik der gesellschaftlichen Moderne sich gegen die bisher als modern geltende Demokratie durchsetzt, indem sie sie verändert - und dass es am Ende sich als vergeblich herausstellen wird, was viele seit längerem im öffentlichen und gerade auch politikwissenschaftlichen Diskurs versuchen, nämlich das kumulative Ergebnis dieser Veränderungen noch als dieselbe „moderne Demokratie" zu begreifen.

Plakat zu "wandel des wandels | kolloquium"