Charakteristika des Werks

Vom Wasser

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Vom Wasser [ ↑ ]
Der Roman Vom Wasser erzählt die Geschichte einer Industriellenfamilie im 20. Jahrhundert über drei Generationen. Die Familie besitzt eine Papierfabrik, welche zwischen zwei Flüssen liegt. Aus dem Wasser des wilden Flusses stellen sie Papier her. Der Gründer der Familie ertrinkt im Fluss. Sein Sohn – im Gegenteil zu seinem lebenslustigen Vater – ein eher introvertierter Mann, dem Zahlen näher liegen als Worte, übernimmt die Fabrik und setzt das Werk seines Vaters fort. Er begradigt den wilden Fluss, daraufhin folgen wirtschaftliche und private Probleme. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, ziehen seine zwei Söhne in den Krieg, sein körperlich behinderter Sohn, der sich nicht für das Unternehmen, sondern für Malerei interessiert, muss nun die Nachfolge antreten.
Die Geschichte handelt vom Aufstieg und Untergang der Papierfabrikdynastie. Das ist aber nur die Rahmenhandlung. Der eigentliche Protagonist des Romans ist das titelgebende Wasser. Während die menschlichen Figuren namenlos bleiben, werden die Namen der Flüsse, zwischen denen die Papierfabrik liegt, genannt: Orpe und Diemel. Die Flüsse leiten das Geschehen und sind die Konstanten der Geschichte. Der Ich-Erzähler (gleichzeitig Enkel des letzten Fabrikanten) erzählt die Geschichte aus der Retrospektive, er gibt Aussagen seiner Großmutter wieder und imaginiert die Zustände zu Zeiten der Fabrikgründung. Wie magisch angezogen kehrt er immer wieder zum Wasser zurück, ist Langstreckenschwimmer und nahezu süchtig nach der Nähe zu Flüssen. Er verknüpft das Schicksal seiner Familie eng mit dem nassen Element, vor allem mit den zwei Flüssen Orpe und Diemel. Dem schwarzen Wasser der wilden Orpe sollen zwei Patriarchen der Fabrikantendynastie zum Opfer fallen.

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Thematische Aspekte zu Vom Wasser [ ↑ ]

Familienstrukturen
In Vom Wasser wird ein Selbstfindungsprozess erzählt. Der junge Protagonisten rekonstruiert seine Familiengeschichte und setzt sich dabei mit den verschiedenen Generationen, deren Fehlern und Erfolgen, auseinander.

Schwimmen
Ein zentrales, wiederkehrendes Motiv in John von Düffels Werk ist das Schwimmen. Die Schwimmer*innen stehen für die Grenzgänger*innen, die sich an der Grenze bewegen, sie durchbrechen und sich somit in den Modus des „Noch-Nicht und Nicht-Mehr“ (Bartl 2010, S. 21) versetzen. Von Düffels Schwimmer bewegen sich zwischen Leben und Tod, Isolation und Integration. Seine Figuren sind immer Einzelgänger, die im Fluss der Veränderung an ihre eigenen und fremden Grenzen stoßen. Das Schwimmen steht für die Berührung und Vermengung von Eigenem und Fremden, das Ich löst sich auf und konstituiert sich durch die Integration des Fremden wieder neu (vgl. ebd.). Anhand der Schwimm-Motivik weist von Düffel auf die Ambivalenz von Auflösung und Verfestigung hin. Auf der einen Seite sind die Figuren von den Auflösungstendenzen fasziniert, auf der anderen Seite versuchen sie die erlebte Ich-Dissoziation zu kontrollieren. Das Schwimmen als Metapher kann als fließender Prozess verstanden werden, in dem die Figuren ihre Denkmuster revidieren und die eigene Identität neu entwerfen. Die Schwimm-Motivik fokussiert die Identitätsprojekte der Protagonisten*innen und weist darauf hin, dass die Normalbiographie, wie sie im 19. Jahrhundert charakteristisch war, in der Postmoderne keine Gültigkeit mehr besitzt. Vielmehr setzt sich die Biographie der Figuren aus austauschbaren und flexiblen Konstruktionen zusammen, die zu einer zunehmenden Verunsicherung und Vereinzelung des Individuums führt.

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Formale Aspekte Vom Wasser [ ↑ ]

Realität und Fiktion
In Vom Wasser werden historische Ereignisse des 20. Jahrhundert in die Geschichte eingeflochten.

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Pressespiegel zu Vom Wasser [ ↑ ]
Die Kritiken zu John von Düffels Romandebüt sind durchgängig positiv. Hubert Spiegel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nennt als „Hauptvorzug dieses Debüts: Es vereint Präzision und Poesie“ (06.10.1998). Die Verbindung von Leben und Wasser und die ständige Rückkehr zu diesem Element bezeichnet Wieland Freund im Focus als „grandiose[n] Kreislauf des Erzählens“ (12.10.1998) und Hajo Steinert lobt in der Basler Zeitung von Düffels Art zu erzählen: „Ich kenne keinen anderen deutschsprachigen Erzähler der jüngeren Generation, der den Beinschlag des Erzählens so beherrscht wie dieser John von Düffel“ (02.10.1998).

Trotz all der Begeisterung mischt sich auch negative Kritik unter das Lob. Martin Ebel zieht das Fazit „Sehr gekonnt, aber auch sehr gemacht“ (Stuttgarter Zeitung, 12.02.1999). Wilfried F. Schoeller kritisiert die Rahmenhandlung um den Ich-Erzähler, sie habe „keinen Rhythmus und keine rechten Proportionen“ (Süddeutsche Zeitung, 06.10.1998). Er lobt jedoch Düffels Gefühl für die richtigen Worte, die einen „magische[n] Sog“ (ebd.) erschaffen würden, „daß man aus der staunenden Bewunderung nicht herauskommt“ (ebd.).

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Forschungsspiegel zu Vom Wasser [ ↑ ]
Ein weiterer Aspekt, mit dem sich die Forschung beschäftigt, ist Düffels Verhältnis zum Schreiben und Schwimmen. Das Element des Wassers und des Schwimmens ist ein neben der Familie eine weiteres zentrales Leitmotiv, das zahlreiche Romane dominiert. So spricht von Düffel in seinem Werk Wasser und andere Welten von der Analogie von Kraulen und Kunst; Autor und Schwimmer bezeichnet er als Amphibium. Sowohl Autor*innen als auch Schwimmer*innen setzten sich zu Beginn dem Fremden aus. „Immer dann, wenn der Autor sein Schreiben poetologisch zu bestimmen sucht, verweist er auf die Metapher des Schwimmens und den fremd-vertrauten Raum des Wassers“ (Catani/Marx 2010, S. 9). Schwimmen und Schreiben ist ein Prozess, der sich einem Zwischenreich vollzieht, „wo selbst die eigenen Grenzen hin zum Verstummen, zum Unsagbaren erkundet werden (Bartl 2010, S. 30).
Andrea Bartl stellt in ihrem Forschungsbeitrag fest, dass von Düffels Idealisierung des Wassers und Schwimmers kein Soloprojekt in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur darstellt. Er fügt sich in die Tradition der Schwimm-Motivik ein (vgl. ebd., S. 31): Hugo Loetscher mit seinem Roman Saison, Komm, gehen wir von Arnold Stadler, Der Bademeister von Katharina Hacker oder auch Sven Regeners Herr Lehmann belegen, dass Wasser- und Schwimmszenen als starkes Narrativ und Leitmotiv fungieren.

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Zeit des Verschwindens

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Zeit des Verschwindens [ ↑ ]
Philipp ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der gerade von einer einjährigen Geschäftsreise zurückkehrt. Erst am Morgen hatte er sich dazu entschieden, seine Familie nach seiner langen Abwesenheit zu besuchen. Sein schlechtes Gewissen hat ihn dazu getrieben und er will wieder gut machen, dass er so viel versäumt hat. Doch auf dem Weg holen ihn Zweifel ein. Es ist der Geburtstag seines Sohnes. Auch im letzten Jahr hatte er seinen Sohn an seinem Geburtstag besuchen wollen aber kurz vor der Ankunft ist er umgekehrt. Zu groß war seine Angst davor, dass sein Sohn und seine Frau ihm fremd sein würden, ihn abweisen würden. Und wieder holen ihn diese Gedanken ein. Seine ständige Abwesenheit hat die Beziehung zu seiner Frau und seinem Sohn zerstört. Er stellt sich vor, dass seine Frau nun mit einem anderen Mann zusammenlebt und ihn betrügt. Die Rolle des Ehemanns überfordert ihn. Auch als Vater fühlt er sich unzulänglich und selbst als Geschäftsmann empfindet er sich in eine Rolle gezwängt, der er nicht entsprechen kann. Er weiß nicht, wer er ist und was er begehrt und führt immer wieder sich widersprechende Gedankengänge:
„Ich werde nicht nur immer schneller, ich fahre weg von zu Hause, entferne mich mit angeschlagener Tachonadel von meinem Ziel. Ich bin auf der Flucht. Ein heller Schrecken, weil es genau das ist, was ich will. Ich will nach Hause, weg von hier“ (S. 31).
Doch schließlich ist alles vergessen und doch so einfach, als Vater und Sohn sich schließlich begegnen. An einer Straßenecke hat er auf seinen Vater gewartet, steigt ein und dann fahren sie gemeinsam.
„Was ich für unmöglich gehalten hatte, geht. Wir sitzen zusammen im Wagen, fahren und verbringen Zeit miteinander, seine Zeit und meine Zeit. Es ist nicht schwierig, es ist unvorstellbar leicht. Er versucht sich aufzusetzen, um noch besser sehen zu können, und zieht sich an meiner Schulter hoch. Eine Berührung ohne jedes Zögern. Seine Hand greift über sämtliche Unmöglichkeiten hinweg nach mir, als wäre ich immer dagewesen“ (S.171).
Parallel dazu geht es um Christina, die ihr Leben lang im Schatten ihrer dominanten Schwester Lena stand, die in allem besser, stärker und schöner war als sie selbst, bis sie plötzlich verstarb. Nun ist Christina allein und verliert sich in den Erinnerungen an ihre Schwester, hinter der sie immer zu verschwinden drohte. Auch die Tatsache, dass ihr Freund von einer anderen umgarnt wird, kommt nicht an sie heran, sondern dient als Chance, ihn endlich zu verlassen. Die Realität rückt in den Hintergrund, nur ihre Gedanken sind für sie relevant.
Unabhängig voneinander erzählen die beiden Protagonisten in abwechselnden Monologen von Verlust, Sehnsucht und Angst, bis ihre beiden Geschichten unerwartet kollidieren.

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Thematische Aspekte zu Zeit des Verschwindens [ ↑ ]

Familienstrukturen
Väter erscheinen als Projektionsfläche und Bremse für eine Selbstverwirklichung. So wie in von Düffels Roman Hotel Angst, in dem der Sohn nach dem Tod seines Vaters an den Ort zurückkehrt, an dem er als Kind gemeinsam mit seiner Familie den Sommer verbracht hat und an dem die Träume seines Vaters scheinbar scheiterten. Er versucht das Werk seines Vaters zu vollenden und wird dabei immer wieder von der Angst des Scheiterns eingeholt, bis ihm schließlich klar wird, dass man die Träume eines anderen nicht verwirklichen kann. Laut Hielscher „inszeniert von Düffel in seinen Texten die Genealogien um die Pole Vaterlosigkeit und Vaterschaft, wobei die Bedeutungen in vielfältiger Weise gegeneinander verschoben werden“ (ebd., S.201).
Die Vaterlosigkeit spielt auch in Zeit des Verschwindens eine entscheidende Rolle. Der Ich-Erzähler ist auf dem Weg zu seinem Sohn, den er seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat und fürchtet um den Verlust der Vater-Sohn-Bindung.

Trauer und Verlust
John von Düffels Texte erzählen vielfach von Trauer, Verlust, Entfremdung, Abschied und Distanz. In Zeit des Verschwindens werden gleich zwei Geschichten erzählt, die diese Thematik aufgreifen. Der Vater Philipp thematisiert in seinem Monolog „das gescheiterte Verhältnis zwischen Vater und Sohn, eine sprachlose Beziehung“ (Hummels 2010, S. 116). Dabei besteht eine emotionale Ambiguität, wenn der Vater bei seinem Abschied Angst davor hat, dass sein Sohn ihn nicht loslassen würde, während er sich gleichzeitig davor fürchtet, dass er es doch tun würde (vgl. ebd.). Auch bei seiner Rückkehr scheut er die Begegnung mit seinem Sohn und seiner Frau, da er sie nach eigenem Ermessen bereits verloren hat.
Christina hingegen leistet in ihrem Monolog Trauerarbeit, um den plötzlichen Unfalltod ihrer jüngeren Schwester zu verarbeiten, indem sie sich an vergangene Ereignisse mit ihrer Schwester erinnert und diese reflektiert.

Angst und Scheitern
In Zeit des Verschwindens fürchtet der Protagonist die Begegnung mit seiner Familie. Er weiß nicht einmal, was sich sein Sohn zum Geburtstag wünscht und ob er seinen Vater noch sehen will oder ihm gar gleichgültig gegenübertritt. Er malt sich aus, dass seine Frau die Nähe eines anderen sucht. Er fühlt sich weder als Ehemann, noch als Vater, noch als Geschäftsmann in der richtigen Rolle. Er wird alldem nicht gerecht und will es doch versuchen. Bei seinem ersten Versuch nach Haus zurückzukehren dreht er kurz vor seinem Ziel um, weil die Angst zu groß war, er ist gescheitert. Sein zweiter Versuch gelingt und endlich trifft er seinen Sohn und muss feststellen, dass die Angst unbegründet war.

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Pressespiegel zu Zeit des Verschwindens [ ↑ ]
John von Düffels zweiter Roman Zeit des Verschwindens (2000), der in zwei Monologen zwei verschiedene Geschichten von Vereinsamung erzählt, wirft bei seinen Kritikern*innen vor allem Fragen auf, die zu ihrem Bedauern nicht vom Autor aufgelöst werden. So bemängelt Heinz Ludwig Arnold in Die Zeit (11.05.2000), dass den Leser*innen eine Deutung unmöglich gemacht werde, was die Lektüre schlichtweg unbefriedigend mache. Dem schließt sich auch Gerhard Schulz an, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (21.12.1999) schreibt: „[…] [seine] Geschichten bleiben dennoch flach, weil er seine Gestalten nicht durchschaut, sondern teilnimmt an ihrer Selbstverklärung und mit ihnen die Banalität teilt, die sich unter ihrem Pathos verbirgt.“ Doch es gibt auch positive Stimmen. Ein Rezensent lobt John von Düffel in der Berliner Morgenpost (23.02.2000) als Autor, der „abseits modischer Trends [schreibt]. Die Innenwelten, die er schildert, sind ungeschönt und assoziativ. Es geht ihm um ‚Beziehungsachsen, die vielleicht noch wichtiger sind als die Beziehung zwischen Mann und Frau‘“.

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Forschungsspiegel zu Zeit des Verschwindens [ ↑ ]
Immer wieder greift John von Düffels in seinen Romanen die Familie als die kleinste Einheit der Gesellschaftsform auf, innerhalb welcher es unterschiedliche Konflikte gibt, die die einzelnen Familienmitglieder in ihrer individuellen Entwicklung beeinflussen. Diese in von Düffels Texten beschriebenen familiären Spannungen finden auch in der Forschungsliteratur einen großen Anklang und werden von zahlreichen Autoren aufgegriffen und analysiert. Der Vater-Sohn- beziehungsweise Familienkonflikt steht dabei häufig stellvertretend für den Generationskonflikt und bietet eine Grundlage für John von Düffels angestrebte Gesellschaftskritik.
Christine Hummel sieht in dem Roman Zeit des Verschwindens eine exemplarische Darstellung des „gescheiterte[n] Verhältnis[ses] zwischen Vater und Sohn, eine sprachlose Beziehung“ (Hummel 2010, S. 116). Die in dem Text beschriebenen Kontakt- und Kommunikationsprobleme erinnern Hummel an die antiautoritären Familienstrukturen, die auch in John von Düffels Vom Wasser oder Houwelandt (2004) eine zentrale Rolle spielen und „[…] die Unterschiede in Bezug auf Lebensweise, Erwartungen und ethische[n] Werte[n] und die Sprachlosigkeit zwischen den männlichen Vertretern thematisier[en]“ (ebd., S.166f).
Christine Hummel verfolgt außerdem den Ansatz, die Grenzziehung eher im emotionalen Raum zu verorten. In Zeit des Verschwindens zieht der männliche Protagonist eine emotionale Grenze zwischen sich und seiner Familie:
„Er zählt sich räumlich und sozial nicht zur Familie, er ist unbehaust […] unemotional spricht er am Ende der Erinnerungssequenz über die vermutete Untreue seiner Frau, denn Misstrauen und Eifersucht richten sich weniger auf deren vermeintlichen Geliebten als vielmehr auf die Nähe zwischen den beiden“ (Hummel 2010, S. 119). Die Thematik der Grenzen wird in John von Düffels Werk immer wieder aufgegriffen, aber sehr vielseitig und unterschiedlich in die Texte integriert.


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Ego

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Ego [ ↑ ]

Der Ich-Erzähler Phillip ist erfolgreicher Unternehmensberater. Doch neben Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung geht es ihm vor allem um die vollkommene Kontrolle des Körpers. Vor den ergebenen Blicken der körperlich perfekt modellierten Sekretärin lässt er gerne seine Rückenmuskeln spielen. Sein Leben ist bestimmt durch Fitnesswahn, Diäten, Trainingsfortschritt, Trizeps und Muskelaufbau. Der Körper ist das Zentrum seiner Welt, denn Körperbeherrschung bedeutet Macht und die Möglichkeit der Formung der eigenen Subjektivität. Der Ich-Erzähler steht für den egomanen Helden des 21. Jahrhunderts. Täglich betrachtet er sich im Spiegel und misst seine Bauchnabeltiefe. Das ist sein Lebensziel: Nabeltiefe null. Er strebt die Perfektion eines durchgestylten Körpers an. Der Körper ist das Material seines Gestaltungswillen. Ein unbeständiger und hinfälliger Stoff, an dem er sich täglich abarbeitet. Phillip lebt nur nach einer Maxime: „Man muss absolut Athlet sein! […] Athletsein ist ein Dogma“ (S.121). Durch maximale Muskeloptimierung und effiziente Ernährungskonzepte ordnet er sich mit Hartnäckigkeit und Disziplin diesem Dogma unter. Die Modellierung des Körpers durch tägliches Trainieren suggeriert den Prototypen eines modernen und selbstbewussten Menschen. Karriere, Körper und Kopulation treiben ihn in einen krankhaften Ich-Rausch. Es vergeht kein Morgen, an dem er nicht noch den einen oder anderen Muskel formt. Der Körperkult wird zu einer Sucht und zum Ort der Selbstinszenierung. Auch seine Partnerwahl bleibt von seinem Perfektionismus nicht unberührt. Der makellose Körper seiner Verlobten Isabell ist gekennzeichnet durch Schönheit, Dynamik und Unbesiegbarkeit. Isabell steht ebenfalls für den perfekten Körper und beruflichen Aufstieg. Doch in Wirklichkeit ist der Held ein Getriebener seines Fitnesswahns. Mangelnde Selbstbeherrschung und unkontrollierte Nahrungsaufnahme sind absolut tabu für den sportsüchtigen Performer. Während er in der Cafeteria seinen Espresso genießt, beobachtet er seinen Arbeitskollegen Claaßen wie er „[…] ungeniert sein Stück Kuchen [verschlingt], das mindestens 300 Kilokalorien hat und eine so miserable Nährstoffdichte, daß man es schon wenige Stunden nach dem Verzehr als Bauchfett wieder absaugen kann“ (S.36). Phillip´s Identität basiert auf der athletischen Formung seines Körpers. Diese Identitätskonstruktion kann nur aufrechterhalten werden, wenn er regelmäßig trainiert. Der soziale Aufstieg und der Kinderwunsch seiner Frau machen dem eitlen Unternehmensberater zu schaffen. Arbeit und Familie kosten Zeit, die er lieber in seinen Körper als in die Familiengründung investiert. Doch die Selbstverliebtheit gerät in die Krise. Während die Hauptfigur des Romans glaubt, seine Frau manipulieren und durch Strategien auf Distanz halten zu können, ist sie es letztendlich, die über den Dingen steht. Sie ist die mentale Stütze, die ihn sowohl in beruflichen als auch im privaten Bereich coacht. Unter ihrer Regie wird er zum Juniorpartner im Unternehmen. Auch in der Kinderfrage setzt sich Isabell durch. Mit der Schwangerschaft beginnt sich die oberflächliche, körperfokussierte Identität des Helden zugunsten der Familiengründung aufzulösen.

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Pressespiegel zu Ego [ ↑ ]
Die meisten Pressestimmen äußern sich positiv über den Roman Ego. Stephan Maus in der Frankfurter Rundschau (10.10.2001), Annette Stiekele in der Tageszeitung (08.01.2002) und Undine Materni in der Sächsischen Zeitung (19./20.01.2002) betonen besonders von Düffels ausgeprägtes Sprachtalent, seine scharfsinnigen Beobachtungen und Formulierungen. Auch die Kritiken von Nicole Mieding in der Rhein-Zeitung (29.01.2002) und Verena Mayer in der Wiener Zeitung (01.02.2002) fallen positiv aus. Beide loben von Düffels virtuose Beschreibungswut und unterhaltsame Ironie. In der Neuen Osnabrücker Zeitung (06.01.2001) stellt Elke Schröder fest, dass Ego „ein weiteres Psychogramm des entfremdeten, modernen Menschen“ abbildet. Neben diesen positiven Pressestimmen äußert sich Eva Leipprad im Hamburger Abendblatt (05.02.2002) kritisch zum Roman. Leipprad lobt von Düffels Wortreichtum, merkt aber kritisch an, dass das Leitmotiv – die Tiefenmessung des Nabels – im Roman überstrapaziert sei: „Es rotiert um sich selbst – wie der Held um seinen Nabel“. In der Süddeutschen Zeitung (13.10.2001) findet Eberhard Falcke harte Worte. Laut Falcke sei der Romanheld Phillip ein „konstruierter, überzeichneter Sonderfall, dem fast 300 Seiten entschieden zu viel Aufmerksamkeit gewidmet wird."

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Forschungsspiegel zu Ego [ ↑ ]
Im Roman Ego setzt sich John von Düffel mit dem Körperkult der Gegenwart auseinander und beschreibt anhand des Protagonisten Phillip den Prozess der Ich-Diffusion. Friedhelm Marx befasst sich in seinem Beitrag mit diesem Themenkomplex und untersucht die Funktion der Körpers, der Körperbeobachtung und der Körpermodellierung.
„Das Ich des Romans ist im Begriff, sich selbst zu verlieren, während es sein Äußeres zu formen sucht. Eine jubilatorische Geste der Verzückung angesichts eines […] perfekten Körpers, wie sie Jacques Lacan dem Anblick im Spiegel zuschreibt, wird dem Protagonisten nicht zuteil. Stattdessen gerät er wie ein Jüngling in Kleists Marionettentheater-Essay, […], in eine Endlosschleife der Bespiegelungen, die kein letztes gültiges Bild kennt“ (Marx 2010, S. 31).
Die Körpermodellierung impliziere drei wichtige Projekte: Es handelt sich erstens um ein athletisches Körperprojekt. Der Protagonist versucht „dem Körper Relief zu geben“ (Düffel 2001, S.31), indem er die Nivellierung des Nabels anstrebt. Zweitens handelt es sich bei der Nivellierung des Nabels um ein künstlerisches Projekt.
„Der Roman erzählt eine Künstlergeschichte, insofern Phillip, […], unausgesetzt seinen Körper modelliert. Die mythologische Folie - von Narziss einmal abgesehen – ist die Geschichte Pygmalions in bizarrer Verkehrung. […] [Es] geht darum, den eigenen, lebendigen […] Körper zu versiegeln und zu Skulptur zu machen. Dieser Fluchtpunkt des Körperbegehrens fällt mit dem Tod zusammen“ (Marx 2010, S. 102).
Das dritte Projekt, das mit der Körpermodellierung verbunden ist, nennt Friedhelm Marx das familiäre oder antifamiliäre Projekt. Die obsessive Nabelarbeit bedeutet eine Negierung der körperlichen und damit auch der familiären Herkunft. „Phillips narzisstische Nabelschau negiert die Bindung an den Mutterleib zugunsten der Selbstschöpfung“ (Düffel 2009, S. 94). Dieser Gedanke findet sich auch Kremer wieder. Er stellt fest, ähnlich wie Marx, dass die Eliminierung des Nabels - verstanden als Symbol für die Herkunft – jede Spur körperlicher Abhängigkeit negiert. Dadurch gewinne der Protagonist an Autonomie, die sich jedoch als Schein-Autonomie erweist. Kremer interpretiert die Selbsterschaffung des Körpers als „[…] Kompensation der Erkenntnis der fehlenden Autonomie des Subjekts“ (Kremer 2008, S. 109).
Der Roman Ego enthält auf den ersten Blick keine klassischen Familiengeschichten. Der Protagonist verfolgt ein antifamiliäres Projekt, indem er den Nabel zum Verschwinden bringen will. Allerdings scheitert dieses Projekt im Verlaufe der Handlung, da familiäre Konstruktionen sein Leben umstellen. Die kulturelle Überformung des Körpers, die John von Düffel an dem Protagonisten verhandelt, sei ein Symptom unserer Gesellschaft (vgl. Marx 2010, S. 103). Friedhelm Marx konstatiert, dass der Versuch Düffels, die Körperkultur literarisch auszumessen, an Bret Eastons Ellis´Roman American Psycho erinnere und arbeitet Analogien heraus, die an dem kulturwissenschaftlichen Diskurs über das Körperprojekt teilnehmen (ebd., S. 108). Die Figur in Ego demonstriert die „Selbstaufhebung einer Lebensform, die nur auf Gegenwart, Eigenleben und körperliche Oberfläche setzt“ (ebd.).
Stefan Ablass betrachtet Düffels Text Ego unter dem Aspekt der kapitalistischen Ökonomie und geht der Frage nach, inwiefern der Körper in die gegenwärtige kapitalistische Ökonomie integriert wird. Ihm zufolge sei der Phillip, der Hauptprotagonist des Romans, eine symbolhafte Zeitfigur, in der die Vermischung von Ökonomie und Körper zum Ausdruck kommt (vgl. Ablass 2008, S. 171). Der Wettbewerb des ökonomischen Marktes werde zum allumfassenden Prinzip, das sich auf unterschiedliche Körperregionen manifestiere. Der Körper sei pure Unternehmung, die Planung, Investition und Kalkulation bedarf. Ablass stellt dabei fest, dass es sich bei Düffels Figur um eine Umwandlung des äußeren Fremdzwanges in einen verinnerlichten Selbstzwang handle und im Roman an der menschlichen Physis deutlich werde (vgl. Ablass 2008, S. 172). Die Besetzung des Körpers durch die Macht der Selbstdisziplin erinnere an Foucaults Diagnose der Mechanismen der Macht: „[D]ie Gymnastik vom schönen Körper … das alles liegt auf der Linie, die durch eine beharrliche, hartnäckige und gewissenhafte Arbeit, die die Macht am Körper der Kinder und der Soldaten und am Körper in guter gesundheitlicher Verfassung vollzog, zum Begehren des eigenen Körpers führt“ (vgl. ebd.). Phillips Ziel sei es, den Zustand absoluter Alpha-Anatomie zu erreichen, die ihn im ökonomischen, kapitalistischen Gefüge unbesiegbar macht. Laut Ablass sei dieses Ziel eine Selbstlüge und begründet diese These damit, dass die (Körper)Form, auf die es Phillip ankommt, keinen Schutz vor den „Anfechtungen durch fremde Körper“ (Düffel 2001, S. 109) bietet, sondern – „gleich Hegels dialektischem Verhältnis von Herr und Knecht – in Wahrheit eine Fessel, eine Sucht [ist], die seine Beweglichkeit behindert“ (Ablass 2008, S. 173). Vor dem Hintergrund dieser Ambivalenz bezeichnet Ablass die Figur Phillip als homo clausus, „das heißt jene[n] menschlichen Typus, der in seinen eigenen Körpergrenzen gefangen und eingepfercht ist und der für die moderne kapitalistische Gesellschaft zum unverzichtbaren Element wurde“ (ebd.). Die Dominanz des Ökonomischen setze sich auf der sexuellen Ebene fort, denn auch da gehe es darum, den Körper und die erfolgreichste Vermarktung. Phillip, der selbst seine Verlobte Isabell als Karrieregegners wahrnimmt, stimmt der gewünschten Schwangerschaft zu, um sich sowohl körperlich als auch beruflich aus dem Wettbewerb zu drängen. Damit werde „der Körper zum biopolitischen Spielball im Karrierewettlauf“ (Ablass 2008, S. 174). Auch Christian Kremer stellt fest, dass der Roman eine Ellenbogengesellschaft illustriere, die bis in die Partnerschaft greift. Die Liebesbeziehung zwischen Phillip und Isabell basiere auf Konkurrenzdenken (Kremer 2008, S. 97). Stephan Ablass betont weiter, dass das Körperkonzept in Düffels Roman ökonomischen Prinzipien unterlegen ist. Für die Erreichung seiner persönlichen und beruflichen Ziele werde der Körper nur unter dem Aspekt der Funktionalität optimiert und eingesetzt (vgl. Ablass 2008, S. 175). Im Kontext der Dominanz des Ökonomischen stellt Ablass fest, dass die Handlungen der Figuren, die der Wirtschaft unterlegen sind, nicht den Kern des Romans darstellen könne, da ihre Handlungen nicht von einem freien Subjekt ausgehen. Seiner Ansicht nach kommt es erst durch die Verkettung des Ökonomischen zu Handlungen. So könne abschließend konstatiert werden, dass „die Ökonomie das grundlegende Muster aller Prozesse, Entwicklungen, Handlungen und Entscheidungen ist – vor allem auch jener, die den Körper betreffen“ (Ablass 2008, S. 177).
Christian Kremer stellt fest, dass die Ökonomisierung nicht nur den Körper durchdringe (vgl. Ablass 2008), sondern auch die Sprache (vgl. Kremer 2008, S. 97). Er verweist auf die wirtschaftsspezifische Fachsprache, die mit körperspezifischen Wortfeldern vermischt wird. Hier liege eine Form der Hybridisierung vor, die sich auf der inhaltlichen, semantischen und syntaktischen Ebene manifestiert und dem Text eine gewisse Komik verleiht (vgl. ebd.). Insgesamt bleibe aber im Roman die Fachsprache der Anatomie dominant: Trizeps, Bizeps, Deltamuskel, etc. sind seien nur einige Beispiele für die Poesie der Anatomie (vgl. ebd.). Christian Kremer analysiert die im Roman beschriebene Körperformung und die damit verbundenen Bemühungen in Analogie zu dem archaischen Helden Siegfried im Nibelungenlied. Die bewusste Formung des Körpers diente im mittelalterlichen Text einem bestimmten Zweck. Ziel war es durch Leistung seinen Gegner zu besiegen. Für Phillip ist der Körper kein Mittel zum Zweck, sondern sein Lebenswerk. Kremer zufolge führe das zu einer Umwertung des Arbeitsbegriffes: „Erwerbsarbeit wird zu Arbeit am Körper“ (Kremer 2008, S. 100). Das Leistungsprinzip werde vom Erfolgsprinzip abgelöst, da es nicht mehr darauf ankommt durch intentionales Handeln Leistung zu erbringen, sondern durch ständigen Erfolg die soziale Durchsetzung voranzutreiben. Dieser Mechanismus spiegle sich auch in der Körperformung wider, indem der Körpermarktwert durch permanentes Trainieren erhöht wird. Düffel konstruiere im Roman Ego eine Figur, die „die grundlegenden Prinzipien der fiktiven Arbeitswelt inkorporiert [hat]“ (Kremer 2008, S. 101). Die Inkorporation der ökonomischen Regeln und die darauf basierende Inszenierung der Körperlichkeit erfordern den Blick und die Aufmerksamkeit der anderen (vgl. Kremer 2008, S. 110). Seine Identität ist von den Blicken der anderen abhängig, so dass der Selbstbildungsprozess im Grunde ein Anpassungsprozess ist. Die daraus resultierende Ich-Dissoziation ist ein Ausdruck mangelnden Selbstbewusstsein, das sich auch in der Sprache widerspiegelt. Als Indiz für diese Dissoziation führt er den Wechsel vom Ich-Erzähler zum Er-Erzähler an. Der Wechsel der Personalpronomen sei ein formaler Ausdruck der Selbstentfremdung des Ichs (vgl. Kremer 2008, S. 112). Der permanente Versuch sich an ein Idealbild anzunähern und die ständige narzisstische Auseinandersetzung mit sich selbst, münden in die Tilgung der eigenen Identität (vgl. ebd.). Abschließend hält Kremer fest, dass Düffel mit dem Roman Ego eine kritische Perspektive auf die moderne Arbeitswelt bietet (vgl. Kremer 2008, S. 113).
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Hotel Angst

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Hotel Angst [ ↑ ]
Um den Tod seines Vaters zu verarbeiten, kehrt der Protagonist dieses Romans zurück nach Bordighera, ein Ort, an dem er als Kind seine Ferien verbrachte. Das Grandhotel an der italienische Rivera mit dem klangvollen Namen „Hotel Angst“, benannt nach Adolf Angst, war der Traum seines Vaters. Dieser wollte es zusammen mit seinem wohlhabenden Freund Klaus Fechner wieder zum Leben erwecken, was letztendlich an der Kompromisslosigkeit des Vaters scheiterte. Bei einem Treffen mit dem alten Freund seines Vaters überreicht ihm dieser aber nicht die erwarteten Baupläne, sondern die Vorarbeiten zu einem Roman, den der Vater schreiben wollte und der seine geplatzten Träume der Architektur ersetzen sollten. Die unvollendeten Pläne des Vaters will nun der Sohn verwirklichen und begibt sich auf den Pfad der Erinnerung, der in ein unheimliches Schattenreich führt. Die Angst ist dabei allgegenwärtig, die Angst des Scheiterns und die Angst um die Träume, die nie Wirklichkeit werden könnten oder gerade deswegen nicht Wirklichkeit werden sollten, um Träume zu bleiben. Denn nach und nach wird deutlich, dass das Scheitern des Vaters kein wirkliches Versagen war, sondern das Festhalten an der Vollkommenheit, die man nur in Träumen vorfindet:

„Das Hotel Angst war für ihn mehr als nur ein Projekt, es war sein Phantasma, durch das er seinen Weg zurück in die Vergangenheit suchte, er konnte es nicht ertragen, von ihr abgeschnitten zu sein. Dein Vater schrieb – nicht, weil er es konnte, sondern weil er mußte. Er hatte gar keine andere Wahl. Du aber hast sie. Du glaubst, sie zu haben“ (S. 102f).
Der Protagonist scheint mit der Vergangenheit abschließen zu können und kehrt Bordighera und den unerfüllten Träumen seines Vaters den Rücken zu.

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Thematische Aspekte zu Hotel Angst [ ↑ ]

Trauer und Verlust
Ähnlich (im Vergleich zu Zeit des Verschwindens) ist es auch bei dem Protagonisten in Hotel Angst, der den Träumen seines Vaters nachgeht, um seinen Verlust zu verarbeiten. Mehr und mehr verringert sich die emotionale Distanz zu seinem Vater und er beginnt, dessen Entscheidungen und Lebensweise zu verstehen. So geht es auch der Protagonistin in Die Trauerrednerin, die das Leben ihres im Sterben liegenden Vaters zu verstehen beginnt, als sie sich auf die Spuren seiner Vergangenheit begibt. Gleichzeit lernt ihr Vater das Loslassen seiner nun erwachsenen Tochter.

Angst und Scheitern
Dem Du-Erzähler in Hotel Angst ergeht es gleichermaßen. Nach dem Tod seines Vaters wird er mit dessen Versagen konfrontiert. Sein Vater hatte einen Traum, den er nie verwirklicht hat und auch der Protagonist befürchtet, dass er die angefangenen Projekte nicht vollenden kann.

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Formale Aspekte zu Hotel Angst [ ↑ ]

Realität und Fiktion
In Hotel Angst verknüpft von Düffel die Ebenen der Realität und Fiktion auf sehr komplexe Art und Weise. Mit der Erzählung von einem Roman, der nie geschrieben wurde, verweist die Novelle auf die eigene literarische Beschaffenheit. Ferner stand das titelgebende Hotel Angst tatsächlich in Bordighera und beweist, dass die Novelle aus einer Mischung von Gegebenem und Erdachtem besteht. Hinzu kommt, dass der Traum des Vaters im Roman das Hotel zu restaurieren scheitert, in der Realität jedoch konnte Adolf Angst seine Pläne verwirklichen und das Hotel Angst errichten (vgl. Germer 2010, S. 182). Eine dritte Besonderheit dieses Romans ist auch die textinternen Verknüpfungen von Realität und Wirklichkeit. John von Düffel greift durch die Anlehnung an Zeitungsartikel, auf bereits vorhandenes Material zurück, was wiederum als fiktiv angesehen werden muss, da eine Selektion der Realitätspartikel stattfindet (vgl. ebd, S. 190f). Diese Textintentionalität ist etwas, „[…] was sich weder in der gegebenen Welt vorfindet […] noch einem Imaginären entspricht […]“(ebd. S. 191), sondern „[a]ls ‚Übergangsgestalt‘ […] zwischen den Polen eines Realen und eines Imaginären an einem Punkt [steht], wo John von Düffel die Identität seiner Autorenschaft ansiedelt […]“ (ebd. S. 191).

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Pressespiegel zu Hotel Angst [ ↑ ]
„Knapp und atmosphärisch weiß John von Düffel Lust und Dünkel alten Stilbewusstseins zu umreißen[…]“, schreibt der Kritiker in Märkische Allgemeine (24.04.2010) und auch sonst fallen die Kritiken positiv aus. So bezeichnet ein Rezensent der Die Welt (13.02.2010) die Erzählung als „[e]in Meisterwerckchen“. Auch laut Kathleen Hildebrand von der FAZ (15.10.2010) gelinge John von Düffel in diesem Buch beinahe alles. Besonders die Erinnerungen an die Kindheit seien „von wunderbarer Plastizität“ und „die zahlreichen historischen Episoden um das Grand Hotel […] komplex und unterhaltsam“. Die Erzählung erschien bereit 2006, wurde aber 2010 von Isabel Kreitz illustriert, was Sibylle Saxer in Neue Züricher Zeitung folgendermaßen kommentiert: „Mit präzisen, stimmungsreichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen fängt sie die Impressionen der verschiedenen Erzählebenen ein“ (22.02.11). Lediglich die gewählte Du-Perspektive wird kritisiert. So schreibt Georg Patzer auf literaturkritik.de es sei „linkisch wie […] mühsam[…], viele verquält umständlichen Sätze zu lesen.

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Beste Jahre

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Beste Jahre [ ↑ ]
Beste Jahre handelt von später Elternschaft. Es wird beschrieben, wie der namenlose Protagonist und seine Frau Lisa plötzlich den Wunsch verspüren ein Kind zu bekommen. Sie versuchen zunächst auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen. Als dies nicht klappt, entscheiden sie sich für eine künstliche Befruchtung.
Das ungeborene Kind wird zum Projekt „Obsklappt“ (S. 35). Von Düffel lässt seine Figuren die Absurdität einer künstlichen Befruchtung durchleben. Das Leben ihres Kindes entsteht im nüchtern-klinischen Umfeld. Ohne überschwängliche Emotionen planen sie die Schwangerschaft. Auch Ihr Leben als Mittvierziger ist vor allem durch Distanziertheit geprägt:
„Überhaupt bemerkte er an sich mit den Jahren einen zunehmenden Mangel an Vehemenz, ein Nachlassen seiner Leidenschaftlichkeit auf allen Gebieten, und das, fand er, war nur einer von vielen Vorteilen des Älterwerdens“ (S.16).
Erst, als ihn sein bester Freund aus Studententagen mit einer Bitte an ihn herantritt, schlägt die Stimmung um. HC, der Freund, kann aufgrund einer Krankheit keine Kinder zeugen und bittet den Protagonisten darum, mit seiner Frau zu schlafen, um sie zu schwängern.. Dieser willigt ein. Am Ende wird das Kind, welches bis dahin nur Obsklappt hieß, als Julian geboren. Die Befruchtung von HCs Frau hat nicht geklappt.

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Thematische Aspekte zu Beste Jahre [ ↑ ]

Angst und Scheitern
Auch in Beste Jahre wird das Scheitern thematisiert. Die Frage danach, was Scheitern eigentlich ist, wird aufgeworfen: HC, der beste Freund des Protagonisten hat eine erfolgreiche Karriere und der Protagonist und seine Frau führen ein sehr zufriedenes Leben. Trotzdem scheinen sie mit einem Kind ihr Leben komplettieren zu wollen. HCs Zeugungsunfähigkeit wird vom Protagonisten mit einer gewissen Genugtuung als Versagen, als Scheitern, wahrgenommen. Mit dem Erfolg der künstlichen Befruchtung konnten der Protagonist und seine Frau ein Scheitern verhindern.
„Viele Paare gingen auch nach dem dritten Versuch buchstäblich leer aus und mußten von nun an mit dem Gefühl leben, nicht einmal unter Aufbietung aller medizinischen Hilfsmittel fortpflanzungstauglich zu sein“ (von Düffel 2007, S. 69).
Es geht also nicht um das Scheitern als Eltern, sondern darum überhaupt dazu imstande zu sein, Kinder zu zeugen. Ohne Nachwuchs erscheint die Generation der Mittvierziger innerhalb der Realität des Romans nicht komplett und wird von Gleichaltrigen als gescheiterte Existenz wahrgenommen.

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Formale Aspekte zu Beste Jahre [ ↑ ]

Realität und Fiktion
In den fiktiven Texten mischt John von Düffel häufig reale, manchmal auch autobiografische Aspekte, denn laut von Düffel entstehe im Akt des Schreibens eine Berührung von literarischer Fiktion und persönlicher Erfahrung, die er als „autobiographische Fiktion“ (von Düffel 2003, S. 54) bezeichnet. So beginnt die Karriere des Protagonisten in Beste Jahre genau wie von Düffels eigene im Theater in Stendal.

Erzählperspektiven
In Beste Jahre geht er noch einen Schritt weiter und wechselt immer wieder zwischen Ich-Erzähler und einem personalen Erzähler. Die sehr subjektive Sicht des Ich-Erzählers durchbricht die neutralere Perspektive des personalen Erzählers. Obwohl ausschließlich aus dem Blickwinkel des Protagonisten erzählt wird, erzielt von Düffel damit einen ähnlichen Effekt wie in Houwelandt: Er nuanciert die Sichtweisen auf die Geschichte.

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Pressespiegel zu Beste Jahre [ ↑ ]
Die Meinungen über John von Düffels Roman Beste Jahre gehen weit auseinander. Während Martina Meister in Die Zeit die Dialoge mit einer „Sprach-Fehlgeburt“ (04.10.2007) vergleicht, resümiert Otfried Käppler in der Südwestpresse, dass „die geistigen Befruchtungsversuche des Autors quasi im erzählerischen Reagenzglas stecken“ (09.10.2007) blieben. Burkhard Müller findet, dass von Düffel seinen „unterhaltsamen Scharfblick und […] Sarkasmus“ (Süddeutsche Zeitung, 09.10.2007) in großen Teilen des Romans vermissen lässt. Thomas Laux hingegen lobt in der Frankfurter Rundschau (28.11.2007) die Leichtigkeit der Lektüre und die (Selbst-)Ironie, mit der von Düffel das Thema der künstlichen Befruchtung thematisiert und Christiane Florin möchte dem Autor für seinen Roman sogar die Bestnote 1,0 verleihen „für vorbildlichen Dienst und Vatersprache und Mutterland“ (Rheinischer Merkur, Nr. 41/2007).

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Houwelandt

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Houwelandt [ ↑ ]
In seinem 2009 erschienenen Roman Houwelandt behandelt John von Düffel die Problematik einer in sich zerrissenen Familie. Es geht um Generationskonflikte und den Einfluss der Familie auf die eigene Persönlichkeitsbildung. Als Anlass für diesen Familienroman wählt von Düffel den anstehenden Geburtstag von Jorge, den Patriarchen der Familie de Houwelandt. Esther, die Frau von Jorge, plant zu dessen 80. Geburtstag eine Zusammenkunft aller Familienmitglieder. Der Roman zeigt die Vorbereitungen der Feier aus verschiedenen Perspektiven und lässt die Figuren erklären, warum die Familie zerbrochen ist. Bei jeder dieser Geschichten handelt es sich um einen Vater-Sohn-Konflikt, jeweils aus der Sicht eines Sohnes dargestellt. Die Schuld für die eigenen Probleme wird dem Vater zugeschoben.. Jeder dreht sich vor allem um sich selbst und distanziert sich von jeglicher Familienbande. Lediglich Esther sehnt sich danach die Familie vereint zu sehen.
Thomas wirft seinem Vater Jorge vor, ihn gebrochen zu haben. Er konnte mit seiner Härte und emotionalen Kälte nicht umgehen. Thomas Sohn Christian wiederum verachtet seinen Vater für dessen Schwäche und Selbstmitleid. Jorge lebt in Spanien ein asketisches Leben und hält sich zwanghaft an einen strikten Tagesablauf. Er versucht damit den Schmerz einer Krankheit zu unterdrücken.
„Was Jorge zu seinem Glück am meisten brauchte, war Ordnung. Sein Leben bestand aus einer strikten Abfolge von Ritualen, aus dem Meer am Morgen, dem Garten am Vormittag, der Besteigung des Hausbergs nach der Mittagsruhe und schließlich dem Abendgebet in der Kapelle. Wehe dem, der seinen Tagesablauf störte! Nur äußerst widerwillig änderte Jorge seine Gewohnheiten oder setzte sie aus“ (S. 20)
Dieser Drang zur Ordnung und Selbstdisziplinierung hat bereits vor seiner Erkrankung, in seiner Kindheit begonnen. Er hat versucht durch Überschreitung seiner physischen Grenzen Gott näher zu kommen:
„Er war zum Glauben nicht begabt […] Beim Morgengebet kniete er wie betäubt neben den anderen, die ihre Herzen erhoben. […] Nur in einer Hinsicht war er den anderen weit voraus: Er besaß diese außergewöhnliche Begabung zum Schmerz“ (S. 170-172).
Man erfährt, dass auch sein Verhältnis zum eigenen Vater von Enttäuschung geprägt war, weil er ihn in seiner Kindheit verlassen hatte.
Es scheint keine Möglichkeit zu geben, dass eine Annäherung zwischen den Generationen stattfindet. Trotzdem versucht Esther die Feier durchzusetzen, plant gegen jeden Widerstand und fliegt nach Deutschland um die Feier vor Ort vorzubereiten. Sie beauftragt Thomas damit, das Elternhaus für die Feier herzurichten und eine Rede auf seinen Vater zu halten. Diese Rede kann Thomas nur in Form einer Abrechnung mit seinem Vater verfassen. Die Erlebnisse seiner Kindheit haben ihn zu sehr geprägt, das Bild, das er von seinem Vater hat, kann und will er nicht ändern.
Jorge baut indes in Spanien eine väterliche Beziehung zu einem Jungen auf, bei dem er Merkmale, die er an sich selbst schätzt, wiederzuerkennen meint. In Deutschland werden die Familienmitglieder unterdessen miteinander konfrontiert. Es kommt zum Austausch, aber nicht zu einer Wiedervereinigung. Zumindest scheinen sie die jeweils anderen Standpunkte zu akzeptieren.
Von Düffel lässt die Figuren abwechselnd sprechen, die Meinungen stehen unkommentiert nebeneinander. Die Familie hat auf jeden der Protagonisten einen großen und identitätsstiftenden Einfluss. Im Zuge der Vorbereitungen fliegt Esther nach Deutschland.
Am Ende versammelt sich die Familie tatsächlich, jedoch nicht um Jorges Geburtstag zu feiern, sondern zu seiner Trauerfeier. Jorge ist an den Folgen einer Erkrankung gestorben, die er vor seiner Frau verheimlichte. Christian schreibt schließlich die Rede, nachdem er von den Grauen der Kindheit seines Vaters erfährt und über die Entfremdung von der eigenen Familie nachdenkt. Die Familie findet nicht wieder zusammen, aber am Ende des Romans steht der Beginn einer zaghaften Annäherung. Der im Roman behandelte Zerfall einer Familie und die Wahl der Namen Thomas und Christian erinnern stark an Thomas Manns Buddenbrooks. Verfall einer Familie, in welchem ebenfalls Familienstrukturen und Generationenkonflikte dargestellt werden.

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Thematische Aspekte zu Houwelandt [ ↑ ]

Familienstrukturen
In seinen Texten thematisiert John von Düffel immer wieder verschiedene Entwürfe von Familienmodellen und fokussiert den Einfluss des Familienlebens auf die Entwicklung des Einzelnen.
„Jede Familie erzählt eine Geschichte von sich, sie verfaßt und überliefert sich in Mythen und Legenden, Anekdoten und Gerüchten, sie hat ein beschämend gutes Gedächtnis für Peinlichkeiten und begleitet das Leben ihrer Mitglieder mit einer nicht enden wollenden Erzählung, mit Kommentaren und Wertungen in Permanenz“ (Düffel 2009, S. 83).
Die Familien- und Generationskonflikte werden von den Protagonisten auf dem Weg zu ihrer Selbstfindung reflektiert und aufgearbeitet. Fehler, die in der Geschichte der Familie gemacht wurden, werden wiederholt oder überwunden. In Houwelandt zum Beispiel werden drei Vertreter ihrer jeweiligen Generationen dargestellt. Jorge als Sinnbild des „erbarmungslos-autoritären Regiment[s]“ (Hielscher 2012, S. 199) der Kriegsgeneration, Thomas der „liebevolle[...], wenig Realitätsprinzip vermittelnde Vater […], das fast schon karikaturhafte 68er ‚Weichei‘“ (ebd.) und Christian, „der erfolgreiche, wendige ‚Moderator‘ […], [der] aber an den inzwischen emanzipierten Frauen zu scheitern droht“ (ebd.). Diese Typisierungen führen zu dem dargestellten Generationenkonflikt und den Spannungen, die tatsächlich zwischen diesen ungleichen Generationen bestehen. Erst als der tyrannische Jorge stirbt, schafft es die Familie aus den alten Gewohnheiten auszubrechen und wieder zueinanderzufinden.

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Formale Aspekte zu Houwelandt [ ↑ ]

Erzählperspektiven
Ein weiteres Merkmal seiner Texte ist das Spiel mit der Erzählperspektive. John von Düffel bedient sich in seinen Romanen, besonders in Houwelandt, der multiperspektivischen Darstellung, um familiäre Strukturen aufzuzeigen. Er benutzt den personalen Erzähler und schildert die Geschichte aus der Sicht von vier verschiedenen Figuren. Verglichen mit Thomas Manns Buddenbrooks eröffnet die Multiperspektivität von Düffels die Möglichkeit „grundlegend verschiedene Einstellungen gegenüber ‚Familie‘ als eine[...] vergangene Lebensform einerseits, aber auch als Möglichkeit in der Zukunft andererseits darzustellen“ (Scheffel 2010, S. 140). Innerhalb eines Romans lässt er oftmals verschiedene Perspektiven nebeneinander zu.

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Pressespiegel zu Houwelandt [ ↑ ]
Der Grundtenor gegenüber dem Roman Houwelandt ist positiv, es gibt jedoch laut der Kritiker einige Schwachstellen. Tobias Haberl zum Beispiel lobt in Der Spiegel Spezial von Düffels „psychologische[s] Feingefühl“ (02.09.2004), findet jedoch die Beschreibungen von Jorges Liebe zum Meer „eine Spur zu pathetisch“ (ebd.). Eine weitere Kritik in Der Spiegel bezeichnet Houwelandt als „ebenso klugen wie packenden Roman […] mit einer präzisen, rhythmischen und anschaulichen Sprache“ (18.10.2004). Elmar Krekelers Fazit fällt weniger positiv aus, er hält die Figuren Esther und Christian für überflüssig. Doch die Figur von Jorge sei mehr als gelungen und seine Szenen seien „von berückender Schönheit, die schmerzhaft zeigen, was aus diesem Projekt mit einer anderen Struktur hätte werden können“ (Die Welt, 28.08.2004). In der Berliner Zeitung resümiert Uta Beiküfner: „Der Roman hat seine Tiefen, wo er im Wasser spielt – was an Land geschieht, ist oftmals flach“ (27.01.2005).

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Forschungsspiegel zu Houwelandt [ ↑ ]

Hrdlickova ist für den Aspekt der Familie fasziniert von den Patriarchen in von Düffels Texten und analysiert Houwelandt mit Bezug auf Thomas Manns Buddenbrooks, Inka Bachs Glücksmarie und Franz Kafkas Das Urteil die Entwicklung der Vaterfigur in der deutschsprachigen Literatur. Ihr Fazit lautet dabei:
„[…] dass die Patriarchen der neusten deutschsprachigen Literatur keine Lebensgefahr mehr für ihre Nachkommen bedeuten […]. Auch wenn auch sie, wie die Vorläufer, ihre Frauen lebenslänglich an sich zu binden vermögen und aus ihnen eigentlich Mittäterinnen machen, auch wenn sie lebenslang sehr zerstörerisch die Leben ihrer Kinder bestimmen, bleibt ihre „Gründung“, die Familie, trotzdem recht kompakt – offenbar vor allem durch die Sicherheit, die sie trotz allen Terrors bieten“ (Hrdlickova 2009, S. 132).
Michael Scheffel geht noch einen Schritt weiter und interpretiert die Vaterfigur und Familienstruktur in John von Düffels Houwelandt als eine Reflektion der Stellung des Mannes in der Gesellschaft. Besonders hervorzuheben ist nach Scheffel dabei die Wahl des multiperspektivischen Erzählens John von Düffels, durch welche die subjektive Sicht der Figuren und die davon beeinflusste Entwicklung in ihrer Rolle als Männer innerhalb ihrer Generation, veranschaulicht wird.
„Und mit dem, was im Rahmen dieser Entwicklung deutlich wird, nämlich eine Veränderung des Vaterbildes, der Vaterrolle und letztlich auch der Männerbilder über drei Generationen und ihre unterschiedlichen Wahrnehmungshorizonte hinweg, spiegelt von Düffels Roman einen historischen Wandel, der über dem besonderen Fall der Familie de Houwelandt und ihrer Geschichte hinaus auf allgemeine Veränderung in der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft verweist“ (Scheffel 2010, S. 142).
Einen ganz anderen Schwerpunkt hat Christof Hamann, der die beschriebenen Generationen im Roman Houwelandt eher in Hinblick auf ihre Tradition und Entscheidungen hin analysiert (Hamann 2008, S. 130ff).
Das Überschreiten und das Ziehen von Grenzen ist ein weiterer Aspekt, welcher die Aufmerksamkeit der Forscher erregt. Grenzen sind hier zum Teil im wörtlichen Sinn, zum Beispiel als Landesgrenzen, aber auch als Metaphern für Entfremdung und Annäherung zu verstehen.
Christof Hamann untersucht topologische und topografische Grenzen und Grenzgänge innerhalb der literarischen Räume in John von Düffels Romanen.
„Transformationen innerhalb der Figurenkonfiguration bzw. der Handlung können über die Semantik der Räume geklärt werden: Veränderungen einer Figur sind an ihre grenzverletzenden Bewegungen zwischen Räumen geknüpft“ (Hamann 2010, S. 146).
In anderen Worten sind Entwicklungen von Figuren immer mit der Überschreitung von Grenzen verbunden.
Hamann analysiert diese Erkenntnis am Beispiel von Houwelandt, er untersucht die Figur des Jorge. Dieser ist ein Klimaemigrant, der zwar in Spanien wohnt, sich dort aber nie in die Kultur integriert hat. „Jorge ist deshalb auf dem spanischen Festland ein abwesender Anwesender, weil er die Zweisamkeit mit dem Göttlichen sucht: Deshalb wandert er aus Deutschland aus und begibt sich ins Meer“ (ebd., S. 149). Jorge überschreitet also topografische Grenzen, jedoch keine topologischen. Er ist nicht in der Lage kulturelle Grenzen zu überschreiten und das Fremde in das Eigene zu integrieren. Er ist begrenzt in sich selbst.
Eine Grenzaufhebung bzw. die Überschreitung der Grenzen findet nur in der Beziehung von Jorges Sohn Thomas zu dessen Sohn Christian statt. Indem Thomas mit seinem Grundsatz seinen Sohn von Jorge fernzuhalten bricht, überschreitet er eine Grenze: „Thomas schreibt sich seine Vater-Sohn-Beziehung von der Seele und beschließt, das Geschriebene Christian zu übergeben“ (ebd., S. 153).
Mit der Grenzverletzung, so Hamann, sei ein Neuanfang und eine Entwicklung in der Beziehung möglich (vgl. ebd., S. 155). Diese Möglichkeit besteht bei Jorge nicht, da er sich konsequent jeder Entgrenzung verweigert.

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Wovon ich schreibe. Eine kleine Poetik des Lebens

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Wovon ich schreibe. Eine kleine Poetik des Lebens [ ↑ ]
Nach zahlreichen Romanveröffentlichungen erschien nach einer Vorlesungsreihe an der Universität Bamberg 2009 der Essayband Wovon ich schreibe. Eine kleine Poetik des Lebens. In dieser Poetologie fasst John von Düffel seine Auseinandersetzung mit dem eigenem Schreiben zusammen. Das Buch umschreibt in vier Kapiteln die vielfältigen Berührungspunkte von Literatur und Wirklichkeit. Im ersten Kapitel beschäftigt sich von Düffel mit der Frage nach der Identität. Von Düffel spricht von seelischen Zuständen, die entweder einen starken oder schwachen Identitätsbegriff hervorbringen. In Bezug auf einen starken Identitätsbegriff bezieht sich von Düffel auf Aristoteles und führt den Begriff der Entelechie ein. Wichtig dabei ist der Gedanke, dass jeder Mensch eine Bestimmung hat, die mit der Zeit zur Entfaltung kommt. Demgegenüber entwirft von Düffel ein integratives Modell von Identität. Demnach gehört zu Identität nicht nur, das zu werden, was der Mensch im Keim schon ist, sondern ebenso Momente der Zerrissenheit, der Selbstabstoßung und der Krise: „Insofern ist das ,Ich' kein romanhaft geschlossenes Ganzes, keine Entität, die sich entfaltet in einer Art Entwicklungsroman seiner selbst, sondern allenfalls das, was die verschiedenen, disparaten Teile des Selbst und die Episoden der Erfahrung zusammenhält“ (Düffel: Wovon ich schreibe, S. 25). Diese Fragilität der Identitätskonstruktion ist identitätsbildend für das Individuum. Das integrative Modell ermöglicht die Erfahrung von Verschiedenheit, Widersprüchlichkeit, des Nicht-Eins-Seins. Die Erfahrung mündet in der Herausforderung das Verschiedene im Inneren zu verbinden.
Das Thema des zweiten Kapitels ist Literatur und Sport. In persönlichen Beobachtungen deckt er zahlreiche Berührungspunkte zwischen Sport und Literatur, Leben und Schreiben auf. Auf der Suche nach den Grundsteinen der eigenen Identität demonstriert von Düffel an verschiedenen Beispielen, dass die Deutungsmuster der Literatur und des Sports Parallelen aufzeigen, die auf das private Leben übertragbar sind. „Es geht beim Marathon wie beim Romanschreiben um Grenzen, Grenzen der Belastbarkeit, des Leistbaren, Grenzen, die man verschieben, überschreiten, über die man hinauswachsen will“ (S. 69).
Im dritten Kapitel thematisiert von Düffel die Familie als Objekt von Geschichten und als Subjekt des Erzählens, das Geschichten formuliert. Familien waren schon in antiken Tragödien ein zentraler Erzählstoff und haben bis heute nicht an Bedeutung verloren. Von Düffels Affinität zur Familienthematik hat er mit der Bühnenbearbeitung der Buddenbrooks für das Theater und mit seinem Roman Houwelandt bezeugt. Er untersucht den Begriff der Familie unter folgenden Fragestellungen: Zunächst versucht er die Frage zu klären, was Familie als Thema eines Romans eigentlich bedeutet. In einem zweiten Schritt schreibt er der Familie ein Repertoire an Mythen, Legenden und Anekdoten zu, die in Erzählungen münden. Wie steht es um die Autorschaft der Familie? Und was bedeutet das für die Erzählung? Im dritten und letzten Schritt untersucht er den Zusammenhang zwischen schriftstellerischer Arbeit und Familiengeschichte und geht der Frage nach, inwiefern sich die literarischen Figuren von den realen Geschichten unterscheiden. In welchem Verhältnis stehen Fiktion und Erfahrung? Und worin liegt der Mehrwert der Fiktion?
Das vierte Kapitel beinhaltet Gedanken und Impulse über die epische und dramatische Zeit. Er untersucht das große Feld der Zeit und stellt dabei die Merkmale der epischen und der dramatischen Zeit gegenüber: „Was charakterisiert die epische Haltung zum Leben im Gegensatz zur dramatischen?“ (S. 139) lautet eine seiner Grundfragen. Die dramatische Lebenseinstellung ist gekennzeichnet durch starke Emotionen, Atemlosigkeit, Geltungsdrang sowie durch impulsgesteuerte Interaktionen. Das Ich ist nicht gefestigt, sondern befindet sich im Modus des ständigen Selbstentwurfs und Selbstverwerfung. Von Düffel interpretiert das Dramatische als Form des Konflikts, in dem Chaos und Ordnung im Icherleben aufeinander treffen. Ganz anders die epische Lebenseinstellung. Während das dramatische Ich sich nur in der Handlung, im Augenblick der Aktion konstituieren kann, verfügt das epische Ich über eine gefestigte Identität: „Hier spricht die Stimme der Erfahrung, der Reife und Unaufgeregtheit, die Stimme desjenigen, der viel erlebt hat, nicht zuletzt sich selbst in den verschiedenen Situationen und Zusammenhängen“ (S. 148).

Pressespiegel zu Wovon ich schreibe. Eine kleine Poetik des Lebens [ ↑ ]
Im Vergleich zu seinen Romanen fällt die Presseresonanz zu diesem Poetik-Band zwar gering, dafür aber sehr positiv aus. Nach Maria Frickenstein von der Neuen Westfälischen (04.07.2009) ist Wovon ich schreibe ein literarisch anspruchsvoller Essayband. Von Düffel sei es gelungen, durch unterhaltsame, humorvolle, selbstironische und persönliche Sprache über das Leben, Lesen und Schreiben zu erzählen ohne dabei die Leser*innen aus den Augen zu verlieren. In der Wiener Zeitung (28.03.2009) lobt der Autor von Düffels kluge Bemerkungen zu den Themen Identität, Familie, Zeit und Kunst. Er stellt fest, dass die Lektüre Spaß bereite, aber auch Lesearbeit bedeute. Burkhard Müller betont in der Süddeutschen Zeitung (03.04.2009), dass die Themenfelder des Buches „stets des Nachdenkens wert“ seien.

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Goethe ruft an

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Goethe ruft an[ ↑ ]
Der Ich-Erzähler, ein erfolgloser Schriftsteller, der an einer ewig währenden Schreibblockade leidet, wird unerwartet von Goethe angerufen. Dabei handelt es sich nicht um den historischen Autor Goethe, sondern um einen Freund des Erzählers, der als höchst erfolgreicher Autor zahlreicher Romane, Essays und Gedichte längst zu einer literarischen Legende geworden ist und daher insgeheim von Freunden und Bewunderern Goethe genannt wird.
„Er heißt nicht Goethe, aber ich nenne ihn Goethe, weil er so sehr Goethe ist, wie man heute nur sein kann. Ein Klassiker gleichsam zu Lebzeiten. Alles von ihm, nicht nur seine Romane, Dramen und Gedichte, auch die aus dem Ärmel geschüttelten Zeitungsartikel, Interviews, Kommentare, sogar die Servietten, auf die er etwas kritzelt – alles, was er von sich gibt, ist klassisch“ (S. 7).
Dieser muss nun aufgrund seines enormen Erfolges nach China reisen und kann daher seinen alljährlich stattfindenden literarischen Sommerkurs in einem träumerischen Spreewaldhotel nicht leiten. Stattdessen bittet Goethe nun ausgerechnet den Ich-Erzähler den Schreibkurs zum Thema ‚Leichtschreiben‘ zu übernehmen. Ohne die Möglichkeit das Angebot abzulehnen, erhält er von der Assistentin Goethes eine Mappe mit genauen Anweisungen und dessen Erfolgsformel. Kurz darauf befindet er sich widerwillig auf dem Weg in ein abgelegenes Wasserhotel, wo er auf die zunächst nur vier von fünf erwarteten Teilnehmer trifft: den Literaturkritiker Herrn Schwamm, der das letzte Buch des Erzähler zerrissen hat und auf der ewigen Suche nach dem perfekten ersten Satz ist; die attraktive Hedwig, die zwar sehr erfolgreiche Romane schreibt, aber der das Tiefschreiben nicht gelingen will; die herrische Marlies, die leidenschaftliche Naturlyrikerin ist und ihren Mann Hermann, der sich in seinen Texten einzig dem Thema Entfernung widmet. Sie alle verbergen nicht, dass sie dem Erzähler nicht sehr wohlgesonnen sind und diesen offenkundig für unfähig halten. Was sie alle wollen ist Goethes Mappe, die das Geheimnis des „Leichtschreibens“, Goethes großes Erfolgsrezept, enthält. Die Mappe allerdings hat der Erzähler schon vor seiner Ankunft verloren, was er nun zu vertuschen versucht, während der unwissende Rest der Teilnehmer darauf Jagd macht. Der Text bietet auf diese Weise einen ironischen Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs.

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Thematische Aspekte zu Goethe ruft an [ ↑ ]

Angst und Scheitern
Fast untrennbar von den gescheiterten Vater-Sohn-Verhältnisse und den Generationskonflikten, sind die Motive Scheitern und Angst. Denn hinter jeder Spannung, jedem Streit, jeder Entfremdung oder Distanz innerhalb einer Familie steckt letztendlich eine gescheiterte Beziehung.
In Goethe ruft an ist die Angst vor dem Scheitern und der ewigen Erfolgslosigkeit allgegenwärtig. So ist nicht nur der Erzähler von Selbstzweifel zerfressen, sondern auch die anderen Seminarteilnehmer. Der Ich-Erzähler versteckt sich hinter einem Projekt, an welchem er seit Jahren arbeitet, ohne weiterzukommen, weil ihn die Kritik des Herrn Schwamm an seinem ersten Buch immer noch nicht loslässt und ihn die Angst vor einem weiteren Versagen fast handlungsunfähig zu machen scheint. Ebenso verhält es sich mit Herrn Schwamm, der zwar ein bekannter und gefürchteter Kritiker ist, jedoch nicht dazu imstande ist, seinen Traum von einem eigenen Roman zu verwirklichen. Auch die anderen Teilnehmer scheinen ihren Wünschen nicht gewachsen zu sein und sind jedes Jahr darin bestrebt, einen neuen Versuch zu starten. Sie alle werden von ihrer Angst vor dem Scheitern beherrscht.

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Pressespiegel zu Goethe ruft an [ ↑ ]
John von Düffels Roman Goethe ruft an spaltet seine Kritiker*innen. Während Andreas Müller im Darmstädter Echo (05.09.2011) von Düffels „Knaller-Dialogen“ und „Brüller-Formulierungen“ spricht und auch Nicole Mieding in der Rhein Zeitung (24.08.2011) den Roman als „amüsant-unterhaltsame Geschichte“ lobt, sind sich Gerald Schmickl in der Wiener Zeitung (26.11.2011) und Ernst Osterkamp in der FAZ (26.08.2011) einig: von Düffel schreibe Dialoge, die zwar witzig und gelungen, jedoch viel zu lang seien und bis zum äußersten ausgereizt werden. Auch Tilman Krause in Die Welt (15.10.2011) ist dieser Meinung. Er beurteilt den Text als eine „halbherzige[n] Literaturbetriebssatire“ und bezeichnet den Roman schlichtweg als „öd‘“.

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Kurzgeschichten. Wassererzählungen

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Inhaltsangabe und Interpretationsansätze zu Kurzgeschichten. Wassererzählungen[ ↑ ]
Seinem Debüt Vom Wasser (1998) folgen fünf Romane und Essays über das Wasser und das Schwimmen. John von Düffel (selbst leidenschaftlicher Langstreckenschwimmer) kommt auf das Grundmotiv seines Schreibens immer wieder zurück und versammelt in diesem Band elf Kurzgeschichten, in denen dem Wasser eine zentrale Rolle spielt. Der Gattung entsprechend setzen die Geschichten ohne Vorgeschichte oder erklärende Rahmungen unmittelbar ein und enden offen. Es handelt sich dabei um elf höchst konflikt- und spannungsgeladene Miniaturen existenzieller Erfahrungen, in denen es fast immer um Verlust und Trauer geht. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Spannungsverhältnis zwischen der Institution Familie und dem Individuum. Entfremdung, Familienzerfall, Generationenkonflikte, Selbstzweifel, Eifersucht, Einsamkeit, Trauer, Tod, Furcht, und Neid sind Leitmotive seiner Kurzgeschichten. Gemeinsam ist allen Erzählungen, dass sich die Ereignisse und das Leben verschiedener Menschen an und in Gewässern abspielen. Die Thematik des Wassers ist zentrales Element und Bindeglied, das alle Texte zusammenhält. Wasserschauplätze sind: Schwimmbad, See, Teich, Regen und das Meer. Das Wasser wird in jeder Erzählung zum Spiegel, in dem sich die Protagonisten isoliert von ihren sozialen und gesellschaftlichen Bindungen erblicken. Von Düffel wählt mal die Ich-Perspektive, mal den Dialog, mal die dritte Person.
Die Vorschwimmerin etwa erzählt in Dialogform von einer Frau, die für ihren eigenartigen Beruf eine Nachfolgerin sucht. Sie soll nackt in einem verglasten Swimmingpool, beobachtet von dem Eigentümer, einem japanischen Stararchitekten, schwimmen und ästhetische Schwimmbewegungen machen. Jeden Tag, für zwei Stunden bei Sonnenuntergang. Es kommt zu Konflikten und verbalen Wortgefechten zwischen den beiden Frauen. Während die Vorschwimmerin das Schwimmen nach vorgegebenen Regeln und Ritualen als spirituelle Reinigung, eine Form der Katharsis interpretiert, betont die angehende Nachfolgerin die Profanität und Kuriosität dieser Abmachung. Das Nur-für-den-einen-Zuschauer-Spektakel erweckt Zweifel und Misstrauen zwischen der Vorschwimmerin und der potentiellen Nachfolgerin. Es geht immer um das Loslassen und das Durchbrechen von tiefverwurzelter Angststarre und routinierter Denkweise.
Die Trauerrednerin handelt von einer Frau namens Karin, die den Teich ihres im Sterben liegenden Vaters trocken legen lässt. Dabei stößt sie auf materielle Rückstände der Vergangenheit: „Erst auf dem zweiten Blick entdeckte sie weiter hinten – neben der alten Stehlampe aus dem Nähzimmer – ein Damenfahrrad mit geschwungenem Lenker, einem Fahrradkorb vorn und einer großen, nostalgischen Klingel. Es musste das Lieblingsrad ihrer Mutter sein, das rote, das ihr angeblich gestohlen worden war“ (S. 173). Trauer spielt in dieser Erzählung eine wichtige Rolle und spiegelt sich symbolhaft im Element des Wassers: „Fassungslos starrte Karin auf all das Vergessene, Verschwundene, das auf einmal in dieser Grube wieder auftauchte. Es war, las hätte ihr Vater versucht, das ganze Inventar ihrer Vergangenheit, ihrer gemeinsamen Geschichte zu versenken“ (S. 173).
Die Geschichte Ostsee erzählt von einem Mann, der in der eiskalten Ostsee täglich seine Bahnen zieht und von einem rätselhaften, grabenden alten Mann, der von Zeit zu Zeit den Sand bei Seite schiebt. Im Wasser fordert er den Tod heraus und wird von dem alten Mann gerettet, der seinen Sohn im Meer verloren hat. Minuziös schildert von Düffel die Bewegungen, Gedanken und den bitteren Kampf, den der Mann täglich gegen das Wasser und gegen sich selbst führt. Beide geben sich dem Wasser hin, um ihre Ängste zu kontrollieren. Dem Schatten der Realität folgt die Aufklärung eines unheimlichen Zwischenfalls.

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Pressespiegel zu Wassererzählungen [ ↑ ]
In der Presse hat Düffels Geschichtensammlung Wassererzählungen durchweg positive Resonanz erhalten. Heike Geilen ist von den elf Kurzgeschichten insgesamt überzeugt. In Tabularasa (25.02.2014) erscheint ihre Rezension, in der sie vor allem Düffels ungeheure stilistische Variantenvielfalt betont: „Egal ob der unverkennbare „Düffelsche“ Wortwitz zwischen den Zeilen hervorblitzt oder eine tiefe Ernsthaftigkeit in die Sätze gebrannt zu sein scheint, ob eine große Verlassenheit wie ein Schleier über den Text liegt oder eine lichtdurchflutete euphorische Emotionalität, immer bietet John von Düffels Prosa grandiose Momentaufnahmen, wundervolle Situationsbeschreibungen und eine tiefe Innerlichkeit, die den Leser mitunter den Atem anhalten lässt und noch lange nachhallt.“ Auch Christoph Schröder (Süddeutsche Zeitung, 28.02.2014) äußert sich positiv. Von Düffel sei es gelungen das Wasser vielfältig einzusetzen, ohne die Wasserthematik überzustrapazieren. Von Düffel falle durch schriftstellerisches Variantenreichtum auf, indem er sich unterschiedlicher Stimmungen bediene und ihm sei es gelungen, in den elf Kurzgeschichten, „[…] das Verhältnis von Mensch, Tier und Literatur in eine meisterhafte Form der Darstellung [zu bringen]“. Ähnlich positiv äußert sich Ariane Aredt-Jakobs in Volksfreund (03.03.2014). Das Leitmotiv Wasser sei zwar sehr symbolträchtig, aber werde von John von Düffel nie überladen. Seine Geschichten zeugen von Wirklichkeitsnähe, münden aber nie in banale, unzumutbare Alltagsgeschichten. Ariane Lemme in den Potsdamer Neusten Nachrichten (08.02.2014), Kerstin Meier im Kölner Stadtanzeiger (15.02.2014) und Mathias Richter in der Märkischen (22.02.2014) betonen besonders die Emotionalität und Sinnlichkeit der Texte. Dadurch gelinge es ihm große, abstrakte Themen den Leser*innen näherzubringen. Thomas Gärtner (Dresdener Neueste Nachrichten, 25.01.2014) lobt das Wechselspiel von feinem Humor und überraschenden Wendungen ins Tragische: „Das ist Prosa, die einem dem Atem nimmt“.

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