Versorgungsforschung

 

Das Gebiet der medizinischen Forschung bietet vielfältige Arbeitsfelder. Neben der biomedizinischen Grundlagenforschung und der krankheitsorientierten Forschung, die beide auf der Ebene von Zellen, Geweben und Tiermodellen im Labor stattfinden, gibt es die klinische Forschung, die die Wirksamkeit neuer Behandlungen überprüft. Über diese Betätigungsfelder hinaus gibt es ein weiteres, oft unterschätztes bzw. weitgehend unbekanntes Forschungsgebiet, die Versorgungsforschung.

„Versorgungsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen“ (Arbeitskreis Versorgungsforschung beim wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer 2004)

Konkret geht es bei der Versorgungsforschung um die Untersuchung der Kranken- und Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern, in den Praxen niedergelassener Ärzte und sonstigen Gesundheitseinrichtungen. Die Krankenversorgung umfasst hierbei die Betreuung, Pflege, Diagnose, Behandlung und auch Nachsorge von Patienten durch medizinische und nicht-medizinische Anbieter von Gesundheitsleistungen sowohl in medizinischer als auch psychosozialer Hinsicht. Der Begriff Gesundheitsversorgung schließt neben allen Formen der Krankenversorgung auch alle Formen der Prävention und Gesundheitsförderung ein.

Obwohl es zu den meisten Erkrankungen wissenschaftlich fundierte Behandlungsempfehlungen, beispielsweise wissenschaftliche Leitlinien gibt, ist es von vielen Faktoren abhängig, ob und wie schnell sich bestimmte (Behandlungs- oder Diagnose-) Standards durchsetzen. Zu diesen Faktoren gehören die Kosten der jeweiligen Behandlungsmöglichkeiten, aber auch die Aus- und Weiterbildung der Angestellten in der Krankenversorgung und die Art und Intensität der Kooperation zwischen medizinischen und anderen sozialen Einrichtungen. Außerdem spielen Patientenfaktoren wie die Therapietreue (also z.B. die regelmäßige Einnahme von Medikamenten) und die jeweilige Lebenswelt des Patienten (z.B. ländliches oder städtisches Wohnumfeld, Alter des Patienten, Mobilität des Patienten, private oder gesetzliche Krankenversicherung, etc.) eine oft entscheidende Rolle.  Die Versorgungsforschung untersucht daher Fragestellungen wie: Kommen bestimmte Therapien bei den Patienten an, und wenn nein, warum nicht? Sind bestimmte Medikamente im Alltag genauso sicher wie in klinischen Studien? Oder treten unerwartete Probleme auf, wenn sie Patienten verschrieben werden, die noch andere Krankheiten oder Einschränkungen haben, die in der klinischen Studie nicht explizit berücksichtigt wurden?

Die Versorgungsforschung untersucht also die „Wirklichkeit“ der medizinischen Versorgung. Sie liefert Informationen über Einsatz, Erfolg und Risiken von diagnostischen und therapeutischen Verfahren sowie Versorgungskonzepte unter Alltagsbedingungen und beantwortet Fragen, die weder die biomedizinische Grundlagenforschung noch die klassische klinische Forschung beantworten können.

Basierend auf den Antworten, die die Versorgungsforschung liefert, soll eine kontinuierliche Verbesserung der Kranken- und Gesundheitsversorgung und mittel- bis langfristig die drei zentralen Ziele der Versorgung - Patientenorientierung, Qualität und Wirtschaftlichkeit - erreicht werden.

 

Die Versorgungsforschung

 … beschreibt die Inputs, Prozesse und Ergebnisse von Kranken- und Gesundheitsversorgung,

einschließlich der auf sie einwirkenden Rahmenbedingungen (Deskription/Diagnose),

… erklärt Bedingungszusammenhänge soweit wie möglich kausal (Analyse),

… trägt zur Neuentwicklung theoretisch und empirisch fundierter oder zur Verbesserung vorhandener Versorgungskonzepte bei,

… erforscht diese Versorgungskonzepte begleitend oder retrospektiv und

… evaluiert Versorgungsstrukturen und -prozesse oder definierten Versorgungskonzepten

unter Alltagsbedingungen mit validen Methoden

(nach [Arbeitskreis Versorgungsforschung 2004]).

 

Methoden der Versorgungsforschung

Die Versorgungsforschung bedient sich einer Vielzahl unterschiedlicher quantitativer und qualitativer, deskriptiver, analytischer und evaluativer Methoden.

Die gewählte Methodik ist neben praktischen Erwägungen (Machbarkeit, Finanzen,

zur Verfügung stehender Zeitrahmen etc.) insbesondere vom Ziel der Forschung

abhängig. Dabei kann, entsprechend der genannten Stufen, grob zwischen deskriptiven, analytischen und evaluativen Zielsetzungen unterschieden werden.