Geschichte

Das Institut für die Erforschung von HIV und AIDS-assoziierten Erkrankungen befindet sich in der Institutsgruppe 1 (IG1) auf dem Campus des Universitätsklinikums Essen und ist Teil der Medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Essen der Universität Duisburg-Essen.

Im Jahr 2016 wurde das Institut von Professor Hendrick Streeck gegründet. Nach dessen Wechsel an die Universität Bonn übernahmen der Retrovirologe und derzeitige Präsident der deutschsprachigen Gesellschaft für Virologie Professor Ulf Dittmer zusammen mit dem erfahrenen HIV/AIDS-Mediziner und Venerologen sowie derzeitigen Präsidenten der deutschen AIDS Gesellschaft Professor Stefan Esser im Jahr 2019 die kommissarische Leitung des Instituts. Im Anschluss wurde das Institut umstrukturiert, personell neu aufgestellt und umbenannt, um den Fokus der wissenschaftlichen Arbeit auf translationale Forschung hervorzuheben. Durch die Einbindung mehrerer Forschungs- und Nachwuchsgruppen inklusive zweier Arbeitsgruppen, die von Juniorprofessorinnen geleitet werden, ist ein Forschungsumfeld für junge und innovative HIV-Forschung entstanden. Ende 2023 übernahmen Institutsleiter Professor Mirko Trilling und Professor Stefan Esser als Stellvertreter gemeinsam die Leitung des Instituts. Um dem komplexen klinischen Bild von HIV-Infektionen im Zusammenhang mit häufigen Begleit- und Superinfektionen gerecht zu werden, erhielt das Institut in diesem Zuge den endgültigen Namen Institut für die Erforschung von HIV und AIDS-assoziierten Erkrankungen (englisch: Institute for the Research on HIV and AIDS-associated Diseases, abgekürzt HIV-AAD).

Am HIV-AAD wird ein umfangreiches Spektrum an innovativer Forschung durchgeführt, die auf HIV-Infektionen, AIDS und AIDS-assoziierten Erkrankungen ausgerichtet ist. Dabei wird besonderer Wert auf die Verbindung von translationaler bzw. revers-translationaler Grundlagenforschung und klinischer Forschung gelegt.

Vision

Das HIV-AAD ist ein Zentrum für die Erforschung von HIV und AIDS. Neben der direkten Beforschung von HIV wird dabei insbesondere auch das Wechselspiel mit relevanten Super-, Mehrfach- und Begleitinfektionen adressiert, die z. B. durch Herpesviren wie das Cytomegalovirus ausgelöst werden. Zu diesem Zweck werden translationale Grundlagenforschung und klinische Forschung eng miteinander verzahnt. Die durchgeführten Forschungsarbeiten sollen Erkenntnisse liefern, die mittel- bis langfristig die folgenden Entwicklungen unterstützen:

  • Die Herstellung von prophylaktischen und/oder therapeutischen Impfstoffen gegen Retroviren wie HIV
  • Die Optimierung von existierenden antiviralen Therapieregimen und Behandlungsstrategien
  • Die Verbesserung der Prä- und/oder Postexpositionsprophylaxe
  • Die Identifikation neuer Wirkstoffziele und die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten für Menschen, die mit Retrovirusinfektionen leben
  • Die Entwicklung von Ansätzen zur -idealerweise vollständigen- Heilung von Retrovirusinfektionen
  • Die Untersuchung der gegenseitigen Wechselwirkung von Retroviren mit anderen Erregern (z. B. Herpesviren), die Menschen mit Immunsuppression wie z. B. AIDS-Patient:innen gefährden.

Um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, stehen wir im engen Austausch mit anderen Forscher:innen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, die sich ebenfalls mit Viren auseinandersetzen, aber auch mit Wissenschaftler:innen und Mediziner:innen anderer Fachrichtungen.

In seiner Arbeit und Mission wird das HIV-AAD durch einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt, der sich aus renommierten Expert:innen verschiedener Forschungsschwerpunkte zusammensetzt: Professorin Dunja Bruder, Professor Klaus Überla, Professor Georg Behrens und Professor Jan Münch.

Das HIV-AAD hat sich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verschrieben und vermittelt Grundlagen- und Fachwissen über Retroviren, HIV, AIDS und AIDS-assoziierte Erkrankungen an Biolog:innen, Biomediziner:innen sowie Mediziner:innen im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung. Neben theoretischem Wissen lehren wir außerdem eine Vielzahl virologischer, immunologischer, biochemischer, molekularbiologischer, und zellbiologischer Techniken und arbeiten an der Entwicklung und Optimierung diagnostischer Tests.

Translationale Grundlagenforschung

Mit dem Ziel, HIV-Infektionen zu verhindern und zurückliegende Infektionen besser kontrollieren oder gar heilen zu können, werden von uns Immunantworten gegen Retroviren sowie AIDS-assoziierte Erreger untersucht. Neben klinischer Forschung, Zellkultur und Organoidsystemen nutzen wir dafür auch Modelle, die auf dem Einsatz von murinen Retroviren (Prof. Ulf Dittmer, PD Kathrin Sutter und Jun.-Prof. Elisabeth Littwitz-Salomon) und/oder murinen Herpesviren (Dr. Khanh Le-Trilling und Prof. Mirko Trilling) beruhen.

Das Team von Privatdozentin Kathrin Sutter untersucht die antivirale Wirkung von verschiedenen Interferon-alpha-Subtypen. Obwohl unser Körper rund ein Dutzend dieser Interferone zur Koordination der Immunantworten gegen Erreger produzieren kann, wird in der derzeitigen klinischen Anwendung nur ein einziger Interferon-alpha-Subtyp therapeutisch eingesetzt. Daten aus Essen zeigen in verschiedensten Modellen, das bestimmte Interferon-Subtypen virusspezifisch bessere antivirale Wirkungen zeigen und die Immunantwort des Wirtes stark modulieren. Derzeit werden die Ursachen dieser Unterschiede untersucht.

Um die Funktionen der ersten zellulären Immunantwort für therapeutische Zwecke zu optimieren, studiert die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Juniorprofessorin Dr. Elisabeth Littwitz-Salomon verschiedene antivirale Funktionen von Natürlichen Killerzellen insbesondere im Kontext von deren metabolischer Reprogrammierung und Eisenaufnahme.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Hannah Schwarzer-Sperber und Dr. Roland Schwarzer entwickelt Strategien, über die Zellen identifiziert und charakterisiert werden können, die latent mit HIV infiziert sind. Ziel ist es, über ein tiefgreifendes, molekulares Verständnis des HIV-Reservoirs Konzepte zu entwickeln, die es ermöglichen, diese infizierten Zellen zu eliminieren und somit eine dauerhafte Heilung zu erreichen. Kürzlich gelang der Gruppe die Entdeckung eines wichtigen Markers für latent infizierte Zellen.

Juniorprofessorin Dr. Christina Karsten und ihre Gruppe untersuchen, welche schützenden Eigenschaften Antikörper gegenüber HIV besitzen, die über die bekannte neutralisierende Wirkung hinausgehen, und wie sich verschiedene Zuckermodifikationen von viralen Oberflächenproteinen auf die Eigenschaften des Virus und die Erkennung durch Antikörper auswirken.

Die Ärztin Lara Schöler und die Naturwissenschaftlerin Dr. Khanh Le-Trilling untersuchen gemeinsam, welchen Einfluss HIV-Infektionen auf Herpesvirusinfektionen bezüglich der Antikörperantworten und der Antikörper- Effektorfunktionen (z. B. Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität und Virusneutralisation) haben.

Die Arbeitsgruppe von Professor Mirko Trilling beschäftigt sich mit Proteinkomplexen, die von verschiedenen Viren wie z. B. HIV und Herpesviren zweckentfremdet werden, und den Viren somit unfreiwillig dabei helfen, unser Immunsystem auszutricksen. Das Team arbeitet an pharmakologischen Inhibitoren dieser Proteinkomplexe mit dem Ziel, neue antivirale Wirkstoffe zu entwickeln.

Klinische Forschung

Seit 1985 werden am Universitätsklinikum Essen sowohl stationär als auch ambulant Menschen betreut, die mit einer HIV-Infektion leben. Seither hat sich die HIV-Schwerpunktambulanz mit jährlich rund 2000 medizinisch versorgten Personen zum größten Zentrum für HIV- und AIDS-Patient:innen im gesamten Ruhrgebiet und zur größten, an der nordrhein-westfälischen AIDS-Vereinbarung teilnehmenden Klinik entwickelt. Die ambulante Betreuung erfolgt in der HPSTD-Ambulanz (Ambulanz für HIV/AIDS, Proktologie, STD [Geschlechtskrankheiten]); Leiter: Professor Stefan Esser) der Klinik für Dermatologie und Venerologie (Klinikdirektor: Professor Dirk Schadendorf), während die stationäre Versorgung überwiegend auf den Stationen der Klinik für Infektiologie (Klinikdirektor: Professor Oliver Witzke) durchgeführt wird. Sowohl klinisch und psychosozial als auch wissenschaftlich arbeitet die HPSTD-Ambulanz interdisziplinär, interinstitutionell und breit vernetzt mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen.

Vernetzung

Am Universitätsklinikum Essen ist das HIV-AAD Teil des Westdeutschen Zentrums für Infektiologie (WZI). Das WZI ist eine übergeordnete Organisation, die alle Institute und Kliniken der Universitätsmedizin Essen bündelt, die sich mit der Erforschung, Prävention, Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten beschäftigen. Die Einbindung des HIV-AAD in das WZI verstärkt daher den aktiven Austausch und die gemeinsame Forschung mit anderen Bereichen, insbesondere der Virologie, Immunologie und Infektiologie am Standort.

Das HIV-AAD arbeitet außerdem mit der forschenden biomedizinischen Industrie zusammen, einschließlich ViiV Healthcare, Gilead Sciences, MSD, Janssen und GSK. In diesem Zusammenhang werden von Forscher:innen am HIV-AAD initiierte Forschungsprojekte durch die Industriepartner gefördert und zusätzlich Auftragsforschung zur Verbesserung der Therapiemöglichkeiten von Personen, die mit HIV leben, durchgeführt.

Die Institutsmitglieder des HIV-AAD engagieren sich in einer Vielzahl von Fachgesellschaften (u.a. ASM, DAGNÄ, IAS, DDG, DGfI, DGI, SFG) und sind bei einigen in dessen Vorständen bzw. Präsidien vertreten (DAIG, DSTIG, GfV). Weiterhin wird durch den stellvertretenden Institutsleiter Prof. Stefan Esser die Landeskommission AIDS NRW im Vorstand unterstützt, an der Arbeit des KV Prüfungsausschuss AIDS Vereinbarung mitgewirkt und die AIDShilfe Essen in die Betreuung von Patient:innen eingebunden.