"Was soll nur aus dir einmal werden..."
Berufsfelder und Perspektiven für Absolventen der Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen
 

Universitäre akademische Studiengänge – und ganz besonders die geistes- und sozialwissenschaftlichen unter ihnen – sind „theorielastig“ und „praxisfern“, in ihnen gibt es überdurchschnittlich viele „Studienabbrecher“ und „Langzeitstudenten“, und ihre „für den Arbeitsmarkt häufig zu alten Absolventen“ tragen wesentlich zum „Wachstum der Akademikerarbeitslosigkeit“ bei. - So oder ähnlich lautet die plakative und vollkommen undifferenzierte, dafür aber um so beliebtere Behauptung, die nicht nur von Wirtschaftsfunktionären und Journalisten, sondern vor allem auch von Wissenschaftspolitikern vertreten, gebetsmühlenartig wiederholt und als Beschreibung erkannter Zusammenhänge und bekannter Tatsachen ausgegeben wird. Bekanntlich pflegt aus dieser Behauptung ein Vorwurf an die „konservativen“ und „reformunwilligen“ Universitäten und die an ihnen lehrenden Professoren gemacht zu werden, der einerseits Fragen nach Entstehung und Hintergründen der beklagten Lage erübrigen und andererseits Notwendigkeit und Berechtigung von oben verordneter ‚Reformen’ nachvollziehbar machen soll.
Die vorliegende Studie zum Verbleib der Absolventen des Magisterstudiengangs „Kommunikationswissenschaft“ der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, (ehemals Universität Essen) widmet sich einem dieser angeblich so erfolglosen akademischen Studiengänge und stützt sich auf in den Jahren 1997 bis 2004 durchgeführte, z.T. mehrfache Befragungen aller seiner (erreichbaren) Absolventen. Ihre Veröffentlichung fällt zusammen mit dem 30jährigen Bestehen dieses 1976 eingerichteten Magisterstudiengangs und seiner der verordneten ‚Reform’ gemäßen Ersetzung durch den Ein-Fach-Master-Studiengang „Kommunikationswissenschaft“ ab dem Wintersemester 2006/07.
Burkhard Selle und Thomas Jäger konzipierten zusammen mit H. Walter Schmitz das Projekt „Berufsfelder und Perspektiven für Kommunikationswissenschaftler/-innen aus Essen. Eine integrierte Verbleib-Studie!“, dessen selbständige Durchführung in der Folge Claudia Schirrmeister oblag. Die im Mai 1996 gleich in die Form eines Projektantrages gegossene Konzeption war Grundlage und Leitfaden für die im vorliegenden Band präsentierte Studie und sah folgendes vor:
„Auf der Basis einer vollständigen Erfassung aller bisherigen und zukünftigen Absolventen des Magister-Studiengangs „Kommunikationswissenschaft“ in Essen soll eine den Gesamtzeitraum von vier Jahren umfassende Verbleib-Studie durchgeführt werden, die Ausgangspunkt und Hintergrund eines operativen Projekts zur Verbleib-Problematik des Faches darstellt. Im Rahmen der eigentlichen Verbleib-Studie ist die Beschreibung und Selbstbeschreibung von Magistri und deren beruflichen Werdegängen hinsichtlich folgender Aspekte angestrebt: individuelle Qualifikationsprofile und Berufsfelder und subjektive Einstellungen zu Studium, eigenem Qualifikationsprofil und Beruf. Hierbei soll jedoch auch Veränderungen der beruflichen Lebensumstände als einer häufigen Erscheinung in der Übergangsphase vom Studium in den Beruf bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern nachgegangen werden.
Neben der Nutzung der Ergebnisse zum Zwecke einer effektiveren Studienberatung soll die Verbleib-Studie Ansatzmöglichkeiten zur Etablierung einer kommunikativen Struktur bieten, an der Studierende, Absolventen und Fachvertreter partizipieren. In verschiedenster Form können so die Erfahrungen berufstätiger Absolventen für Studierende verfügbar gemacht werden, in die Selbstbeschreibung des Faches einfließen und darüber hinaus zu einer aktiven Außendarstellung des Faches genutzt werden.“
Das nach wie vor Innovative dieser Konzeption liegt in der operativen Ebene des Projekts und in der Nutzung der deskriptiven Ebene, der Verbleibstudie im engeren Sinne, den Kontakt zu Absolventen herzustellen, aufrechtzuerhalten und systematisch auszubauen, also die operative Projektebene überhaupt zu erreichen und dann vielfältig zu nutzen: für die Einrichtung von Vortragsreihen oder Kolloquien zum Thema „Studium und Berufsfelder der Kommunikationswissenschaft", für die Gewinnung geeigneter berufserfahrener Absolventen für die Übernahme von Lehraufträgen, für den koordinierten Aufbau und die gemeinsame Nutzung einer Praktikantenstellen-Börse, für den Austausch über Studieninhalte und Anforderungen des Arbeitsmarktes und schließlich für den Aufbau einer Alumni-Arbeit und die Gründung einer facheigenen Alumni-Organisation, die Absolventen, Studierende und Lehrende zusammenführt.
Gerade der operativen Ebene wegen reicht die Projektkonzeption also weit über übliche Verbleibstudien hinaus, eröffnet realistische Möglichkeiten für ein universitäres Qualitätsmanagement (Selbstevaluation eines Studienganges; Qualitätssicherung der Lehre) und bringt einen der angeblich praxisfernen und theorielastigen Magisterstudiengänge in einen so engen Austausch mit sachkundigen Praktikern und einschlägigen Berufsfeldern, wie es manchem ingenieurwissenschaftlichen Diplomstudiengang auch heute noch nicht gelingt.