Vorsprachliche Kommunikation?
Ahnungen, Vermutungen und Vorurteile über Säuglinge und Föten: eine kommunikationswissenschaftliche Annäherung

 

Die frühe Ontogenese der menschlichen Kommunikation stellt ohne Zweifel einen vernachlässigten Bereich wissenschaftlicher Kommunikationsforschung dar. Angesichts der aktuellen Befundlage zumeist medizinischer und psychologischer Forschung über die frühste menschliche Entwicklungsphase ist dieser Umstand allerdings erstaunlich. Die vorliegende Studie setzt sich aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht mit den älteren und den neueren Forschungen der Säuglings- und Kleinkindforschung auseinander, die unser Bild vom vorsprachlichen Kind nachhaltig verändert haben, und konfrontiert die Kommunikationswissenschaft vor dem Hintergrund der Ergebnisse der prä- und perinatalen Psychologie und Medizin mit der wichtigen Frage, was sie alles aus dem Blick verliert, wenn sie Geburt als Start- und Nullpunkt und nicht als "zentralen Übergang" betrachtet. Auf der Grundlage erkenntnistheoretischer, methodologischer und wissenschaftsgeschichtlicher Betrachtungen plädiert der Autor dafür, den Gegenstandsbereich der Kommunikationswissenschaft derart auszuweiten, daß die Genese menschlicher Kommunikation in ihrer Gesamtheit Berücksichtigung finden kann.

Allerdings steckt die noch junge Forschung über die vorsprachliche ontogenetische Entwicklungsphase des Menschen in erheblichen Schwierigkeiten. Sie stützt sich zwar zunehmend auf Direktbeobachtungen, doch ist sie bisher den äußerst schwierigen begrifflichen und konzeptionellen Problemen noch nicht gewachsen, die mit der Deutung und der Erklärung der Beobachtungsdaten, insbesondere mit den nahezu unvermeidbaren Attributionen aus der Sicht der Erwachsenen, verbunden sind. Die leitende Fragestellung der Studie ist daher auf die Vor-Urteile gerichtet, die in die wissenschaftliche Beschreibung und Bestimmung der Voraussetzungen und Prozesse eingehen, aufgrund derer eine vorsprachliche Kommunikation unterstellt, ausgeschlossen oder plausibilisiert wird. So wird das Gros der einschlägigen älteren und neueren Literatur von einem kommunikationswissenschaftlichen Standpunkt aus einer kritischen erkenntnistheoretischen Sichtung unterzogen, methodenkritisch reflektiert und zugleich beständig einem kritischen historiographischen Blick unterworfen. Das so hervorgebrachte Ergebnis besteht aus hochinteressanten Beiträgen zur Darstellung, Bewertung und wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung relevanter Teile der Säuglings- und Kleinkindforschung ebenso wie der Arbeiten auf dem Gebiet der prä- und perinatalen Psychologie und Medizin.

Über den Autor: Der Autor ist Kommunikationswissenschaftler (M.A.) und tätig als Körperpsychotherapeut mit dem Schwerpunkt Craniosacraltherapie in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalb-Klinikum in Aalen (www.psychosomatik-aalen.de) sowie in eigener Praxis als Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Säuglings- und Kleinkindbehandlung. Mitglied der Internationalen Studiengemeinschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Medizin (ISPPM) seit 1995.