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29.06.2020 - 11:35:08

Neues ZLV-Mitglied: Stefan Sommer

In einem Interview am 15. Juni 2020 haben wir ein weiteres neues ZLV-Mitglied begrüßen und kennenlernen dürfen. Stefan Sommer ist seit Ende 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationales Automobilmanagement von Frau Prof. Heike Proff.
Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH Aachen arbeitete er ca. ein Jahr in der Industrie als Berater bei einem Technologieunternehmen. Die Entscheidung für eine Rückkehr zurück an die Universität traf er, um sich noch intensiver mit den Themen Digitalisierung und Elektromobilität beschäftigen zu können. Angestoßen durch ein Forschungsprojekt entstand dabei auch die Gründungsidee für das UDE Start-up Smart Inductive Solutions (SIS).

ZLV:
Wie freuen uns Sie als neues Mitglied am ZLV begrüßen zu dürfen! Was verbindet Sie mit dem ZLV und wie kam es zur Mitgliedschaft?

Sommer:
Am Lehrstuhl von Frau Prof. Proff sind drei Themenblöcke entstanden, die eine enge Verbindung mit dem ZLV aufweisen und mir letztlich auch einen Weg zu einer Mitgliedschaft aufgezeigt haben. Da gibt es das Wissenschaftsforum Mobilität, in dem sich das ZLV stark mit den Themen Logistik, Verkehr und Mobilität positioniert hat und bei der Veranstaltungsausrichtung unterstützt. Zweitens ist die Anzahl der erfolgreichen Projektanträge am Lehrstuhl für ABWL & IAM in den letzten Jahren stark gestiegen, der ein oder andere Kontakt entstand auch unter Mithilfe des ZLVs. So konnte z.B. im Projekt InnaMoRuhr zur Vernetzung der Ruhr-Universitäten auch der Lehrstuhl für Networked Embedded Systems als weiterer Projektpartner auf Duisburger Seite partizipieren. Zusätzlich bin ich noch persönlich involviert in das Start-up Smart Inductive Solutions (SIS), bei dem es um intelligente, kabellose Ladesysteme geht. Die Entstehung wird durch startport gefördert, der Hinweis auf eine Bewerbungsmöglichkeit hierfür kam dabei dankenswerterweise durch Frau Güldilek Köylüo?lu Alaba? zustande. Letztlich war ich vertretend bei einer ZLV-Mitgliederversammlung dabei und schnell kam der Gedanke auf, selbst Mitglied zu werden. Das war eine absolut gute Idee, sich aktiv einzubringen und ging überraschend unkompliziert. Man spürt, dass Frau Dr. Melkonyan als Geschäftsführerin neue Dinge anstoßen möchte. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Intensivierung der Kontakte - insbesondere die stärkere Vernetzung der ZLV-Mitglieder über die neuen Austauschformate, bei denen ich mich gerne einbringen möchte. Und es sollen auch neue Stakeholder dazu geholt werden. Sicherlich sind diese Maßnahmen ein echter „Boost“ für einen noch offeneren Austausch der Mitglieder.

ZLV:
Wie entscheidet man sich selbstständig zu machen? Welche Beweggründe gab es? Welche Hemmschwellen und Risiken?

Sommer:
Tatsächlich saßen wir bei einem Döner zusammen und haben uns gefragt, warum Taxis nicht elektrisch fahren. Eigentlich ist das der perfekte Anwendungsfall für die Elektromobilität, doch mit kabelgebundenen Ladenlösungen können die Taxis während des Wartens nur schlecht vorrücken. Daraufhin haben wir das Projekt TALAKO initiiert, in Köln wird jetzt eine induktive, d.h. kontaktlose Ladestation für Taxis aufgebaut. Aus diesem Projekt heraus ist dann das Start-up entstanden. Als ein Logistikfahrzeughersteller uns beim Wissenschaftsforum Mobilität gesehen hat, kam man ins Gespräch und wir bemerkten, dass es auch in der Intralogistik Bedarf für diese Technologie gibt. Nach ein, zwei Wochen der Überlegung war schnell klar: Logistikfahrzeuge und Light-Electric-Vehicles können stark von der induktiven Ladetechnologie profitieren – besonders, wenn sie mit smarten Zusatzfunktionen, wie z.B. einem Batteriewartungsmanagement ergänzt werden.
Die Risiken eines Start-ups im Uni-Umfeld sind natürlich geringer. Im „sicheren Hafen“ können wir die Infrastruktur nutzen und haben (noch) geringere Kosten. Frau Prof. Proff ist hierbei eine große Stütze und steht als Mentorin zur Seite – schon ab der ersten Idee. Außerdem konnten wir bei START-UP Transfer.NRW gewinnen. Der Förderbetrag hilft uns beim Transfer der Technologie und als Vorbereitung der Gründung. Über das startport-Netzwerk mit Kontakten in die Wirtschaft, zu weiteren Mentoren und Investoren wurde dann der Gründungsgedanke vertieft - derzeit sind wir fünf Leute und haben drei weitere im Student-Support. Jetzt gibt es erste Verhandlungen für eine geplante Ausgründung und für die Anschlussfinanzierung nächsten Sommer. Bislang läuft es insgesamt gesehen sehr gut. Mal sehen, wohin die Reise führt.

ZLV:
Aus der Start-up Perspektive, was würden Sie der Wissenschaft empfehlen? Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Sommer:
Die Universität Duisburg-Essen ist ein starker Forschungsstandort, hat aber noch Potenzial für tiefergehende, unternehmerische Kooperationen. Hier muss aus meiner Sicht eine weitere Themenfokussierung stattfinden, wie dies jetzt beispielsweise mit dem Duisburger Hafen und dem Ausbau als Logistikforschungsstandort oder aber auch übergeordnet im Bereich der Mobilität angestoßen wird. Das kann ein Treiber sein, aber das Thema muss noch weiter angeschoben werden. Ich würde mir eine engere Verzahnung mit den Problemen „da draußen“ wünschen. Durch mehr Öffnung für externe Partner – und auf diese sollten wir als Forschungseinrichtung gelegentlich die ersten Schritte zugehen – kann die UDE aus ingenieurs- und betriebswissenschaftlicher Perspektive als starker Problemlöser mit klarem Kompetenzprofil auftreten. Das erfordert natürlich hier und da etwas Querdenken und Aufbrechen von eingefahrenen Strukturen. Aber ich denke, dann kann der Forschungsstandort sich auch im nationalen Vergleich noch mehr behaupten. Die ersten Schritte sind ja bereits gemacht - warum nicht mit einer ganzheitlichen Strategie daran anknüpfen.

ZLV:
Welche Rolle spielen ökologische Aspekte in den Entscheidungsfragen in der Mobilität und Logistik?

Sommer:
Mittlerweile ist die ökologische Dimension für viele Unternehmen nicht nur im Gespräch mit dem Kunden als konkrete Produktanforderung spürbar, sondern wird entlang der ganzen Wertschöpfungskette ganzheitlich gedacht. Bei SIS z.B. adressieren wir die Themen Recycling & umweltgerechte Wiederverwendung sehr früh in der Fertigung, u.a. wenn es um die Auswahl der Spritzgussmaterialien geht. In der Mobilitätslandschaft insgesamt sehen wir aber auch die neuen Antriebskonzepte, die Digitalisierung und dort speziell z.B. Mobility-as-a-Service (MaaS) als weitere ökologischen-ökonomischen Hebelarme. Die Vernetzung von ÖPNV und Auto oder anderen Verkehrsmitteln wie dem Fahrrad unter Einsatz der digitalen Technologien bietet die Chance, nachhaltiger unterwegs zu sein. Es ist aber natürlich schön, hinterher einen Batch draufzumachen „Wir sind ökologisch!“, ich denke aber man muss zunächst weiter zurückgehen und schon früher ansetzen. Wie fertige ich das Produkt? Wie setze ich es um? Die Diskussion wird insgesamt auch medial getrieben und kommt jetzt (zum Glück) in der Forschung an. Die Forschungslandschaft schreibt mehr Projektfördertöpfe zu diesen Themen aus und Anträge haben mit Nachhaltigkeitsfokus größere Erfolgschancen.

ZLV:
Wo sehen Sie die Stärken oder den Beitrag der Automobil Industrie im Hinblick auf eine nachhaltigen Mobilitätswende? Welche Technologien sind dafür nötig und welche Rolle spielt die Politik?

Sommer:
Der Druck auf die Automobilindustrie ist aktuell sehr hoch, besonders bei der Diskussion um die Elektrifizierung des Fahrzeugangebotes. Man hat jetzt angefangen zu erkennen, dass das klassische Fahrzeug allein nicht mehr das Produkt ist, was am Ende einen ökonomischen „Impact“ haben wird. Also müssen die Geschäftsmodelle um weitere Services hin zu datengetriebenen Dienstleistungsangeboten erweitert werden (z.B. durch den Start von Sharing-Diensten). Dieses Umdenken verläuft in der Industrie eher schleppend und so befürchte ich, dass andere Player auf dem globalen Markt da schon weiter sind. Der VW ID. hat Auslieferungsverzögerungen aufgrund von Software Problemen – in diesem Gebiet sammeln andere Unternehmen in den USA und auch in Asien schon deutlich länger und fokussierter Erfahrungen. Und auch im Hinblick auf den ökologischen Aspekt muss sich die Automobilindustrie weiterentwickeln. Im Sinne einer vernetzten Mobilität besteht die Möglichkeit, dass man das Automobil in ein gesamtheitliches Fortbewegungskonzept integriert und an den ÖPNV sowie andere Verkehrsträger anschließt. Dieses Umdenken und die Wandlung des klassischen Geschäftsmodells hin zu einem Servicegeschäft wird die Branche benötigen, um auch in Zukunft noch erfolgreich zu sein und auch einen ökologischen Beitrag neben neuen Antriebskonzepten zu leisten. Selbstverständlich bringt sich die Politik dazu in den letzten Jahren immer wieder über finanzielle Unterstützung ein, z.B. in Form von E-Autoprämien. Allerdings muss man hier beobachten, ob dies nicht zu einem „Strohfeuer“ verkommt. Der Anteil der Neuzulassungen von E-Autos ist auch schon vor der neuerlichen Erhöhung der Prämie angestiegen. Es wäre aber spannend zu wissen, wie sich dies verhält, wenn es gar keine Prämie geben würde. Denn ohne Subventionen müssten die Fahrzeuge wohl in den drei Bereichen Ladeinfrastruktur, Reichweite und Preis noch stärker verbessert werden. Hier sind übrigens wieder die Forschung und Entwicklung gefragt – auch sehr spannend aus Perspektive der Wissenschaft.

ZLV:
Mit der nationalen Wasserstoffstrategie wird ein großer Fokus auf die Elektrifizierung der Mobilität besonders in Richtung Logistik und Flugverkehr gelegt. Die Verkehrswende wird also aktuell eher als Energiewende im Verkehr gedacht. Wie stehst du zu diesen Technologien?

Sommer:
Es ist eine gute Entscheidung auf zwei Technologieträger zu setzen. Sich bei der Elektromobilität nur auf batteriebetriebene Fahrzeuge zu konzentrieren, halte ich für gefährlich. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass es mehrere Typen von Verkehrsträgern gibt: Busse, Müllfahrzeuge, Flugzeuge und weitere. Der Einsatz von Elektromotoren ist auch hier überall zumindest in der Überlegung. Da hat die Wasserstofftechnologie natürlich Vorteile im Vergleich zur batterieelektrischen Elektromobilität, weil der Reichweitenvorteil den Wirkungsgradnachteil überwiegt. In diesem Bereich sollte man ebenso Subventionen verstärkt einsetzen, wie bei den batterieelektrischen Fahrzeugen. Mit dem der Universität sehr nahestehenden Zentrum für Brennstoffzellen Technik befindet sich ein weiterer Kompetenzschwerpunkt an diesem Universitätsstandort, der in Zukunft weiter profitieren soll und auch muss. Ich sehe z.B. in dieser Technologie für Schwerlastfahrzeuge eine sehr gute Alternative oder für Einsatzgebiete ohne direkten Zugang zum Stromnetz, also bei Transporten über lange Wegstrecken. Wie kann man also die Brennstoffzellentechnik und Wasserstoffforschung, z.B. in Form der Kompetenzen des ZBTs, kombinieren mit Know-how in der Logistik? Sicherlich über kreative Austauschformate und noch offenere Denkstrukturen. Vielleicht kann das ZLV hier ja ein Inkubator oder ein Vermittler sein, um innovativen und interdisziplinären Forschungsteams Möglichkeiten zur Vernetzung zu eröffnen.


Das Interview führten Sophia Zocholl und Fabian Lohmar.