Classroom Management in Primary and Secondary Schools (CLIPSS)

Relevanz und Ziele

Das Professionswissen von Lehrkräften gilt als eine wesentliche Voraussetzung erfolgreichen Unterrichtens (z. B. Voss, Kunter, Seiz, Hoehne & Baumert, 2014). Als Teilbereich des pädagogisch-psychologischen Wissens, also des fächerübergreifenden Wissens um Strategien und Mittel zur Genese und Erhaltung lernförderlicher Bedingungen (Baumert & Kunter, 2006), stellt das Wissen um Klassenführung einen zentralen Bestandteil des Professionswissen von Lehrer*innen dar (Voss et al., 2014). Gute Klassenführung umfasst neben konstruktivem und reaktivem Umgang mit Störungen auch präventives und proaktives Lehrhandeln und schafft somit die grundlegenden Rahmenbedingungen für erfolgreiches Lernen (Lenske & Mayr, 2015). Die Meta-Analyse von Hattie (2009) zeigte einen positiven Zusammenhang von Klassenführung und Schüler*innenleistung – auf Lehrer*innenseite findet sich ein Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der eigenen Klassenführungskompetenz und der Berufszufriedenheit sowie dem Wohlbefinden (Dicke et al., 2014). Bisher verfügen Lehramtsstudierende im Bereich des bildungswissenschaftlichen Professionswissens jedoch häufig nur über unzureichende Kompetenzen auf dem Gebiet der Klassenführung, weshalb sie sich in Bezug auf Klassenführung häufig nicht ausreichend vorbereitet fühlen (Evertson & Weinstein, 2006).

Daher fokussiert das Teilprojekt CLIPSS die Optimierung der Ausbildung Studierender, Lehramtsanwärter*innen und auch bereits praktizierender Lehrkräfte hinsichtlich des pädagogisch-psychologischen Professionswissens mit dem Fokus Klassenführung. Die häufig bemängelte fehlende Verzahnung zwischen Theorie und Praxis innerhalb der Lehrer*innenbildung soll dadurch optimiert werden, dass bereits in der Studienphase durch den Einsatz innovativer Lehr-Lernmaterialien praxisnah Klassenführungskompetenzen erworben werden und schließlich phasenübergreifend in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften implementiert werden. Durch den Einsatz von realistischem Videomaterial werden wissenschaftlich reflektierte Erfahrungen mit realen Herausforderungen der Schulpraxis ermöglicht.

Das Linzer Konzept der Klassenführung

 

Das Linzer Konzept der Klasseführung (LKK) basiert auf den Techniken der Klassenführung nach Kounin (1970, 2006), bezieht jedoch darüber hinaus auch Strategien aus dem Humanismus, welche das Führen von bzw. das Agieren in Gruppen beeinflussen (vgl. Rogers, 1961; Gordon, 2006; Tauch & Tausch, 1971) sowie Strategien der Unterrichtsgestaltung, welche die Aufmerksamkeit fördern bzw. Frustrationen und Irrwege reduzieren (z. B. Hattie, 2009), mit ein. Das LKK umfasst insgesamt 24 Klassenführungsstrategien, wobei sich jeweils acht Strategien inhaltlich einer der drei Kategorien Kontrolle, Beziehungsförderung und Unterrichtsgestaltung zuordnen lassen:

Umsetzung

Clipss 1



In einem ersten Schritt wurden gemeinsam mit Expert*innen der Klassenführung relevante Handlungsfelder und Handlungsstrategien in Bezug auf Klassenführung ausgewählt und durch passende alltagsnahe Situationen aus dem Unterricht in Form von Drehbüchern skizziert. Um Videomaterial zu erhalten, welches kontrastierend im Rahmen der Lehrer*innenbildung eingesetzt werden kann, wurden Drehbücher mit eher gelungener Klassenführungspraxis (positive Varianten) und Drehbücher mit eher kritischer Klassenführungspraxis (kritische Varianten) entwickelt, welche paarig einander zugeordnet werden können. Nach der Rekrutierung potenzieller Schulen wurden auf Basis dieser Drehbücher sowohl gelungene als auch kritische Klassenführungsszenen im Rahmen von Theater-AGs (Primar- und Sekundarstufe) nachgestellt, videografiert und im Anschluss für den Einsatz in der Lehrer*innenbildung geschnitten und aufbereitet. Dabei wurden zwei bis drei Kernstrategien der Klassenführung kontrastierend inszeniert, die weiteren Nebenstrategien jedoch im Hinblick auf die Authentizität der abgebildeten Unterrichtssituation sowohl in kritischer als auch in positiver Variante dargestellt. Die Inszenierung sorgte für die notwendigen (datenschutz-)rechtlichen Rahmenbedingungen, um die Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt in unterschiedlichen (ggf. auch öffentlichen) Kontexten einsetzen zu können.

Auf Grundlage der Projektarbeit ist innovatives Text- und Videomaterial zur Reflexion von Unterrichtssituationen entstanden, welches zu Lehr-Lernzwecken innerhalb der Lehrer*innenbildung eingesetzt werden kann. In Anknüpfung an das CLIPSS-Projekt wurden bildungswissenschaftliche Seminare für die Lehramtsstudiengänge durchgeführt, in denen die Videos seit dem Wintersemester 2017/18 eingesetzt und evaluiert werden. Hierbei wurden zudem unterschiedliche Arten der Videobearbeitung und des Videoeinsatzes zur Komplexitätsreduktion experimentell auf ihre Effekte auf das Klassenführungswissen geprüft.

Seit März 2021 stehen die Videos sowie ausgewählte Projektmaterialien zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit allen Interessierten auf dem CLIPSS Videoportal www.clipss.de zur Verfügung, welches an das Meta-Videoportal (www.unterrichtsvideos.net; koordiniert von der WWU Münster) angeschlossen ist. Das CLIPSS-Videoportal wurde für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften entwickelt und richtet sich somit an alle Personen, die sich in diesem Bereich verorten (d. h. Lehrkräfte, Dozierende, Schulleitungen, etc.). Darüber hinaus sind Wissenschaftler*innen eingeladen, sich einen Überblick über das im CLIPSS-Projekt entstandene Material zu verschaffen und es in eigenen Forschungsprojekten einzusetzen. Für Lehrberufsinteressierte bietet das CLIPSS-Videoportal die Möglichkeit, Einblicke in ausgewählte Herausforderungen des Lehrberufs zu erhalten. Die bisherigen Befunde zeigen, dass mit dem Einsatz der Videos das anwendungsbezogene Klassenführungswissen signifikant gesteigert werden kann und die Unterrichtsvideos von den Teilnehmenden überwiegend als authentisch beurteilt werden (Bönte, Lenske & Leutner, 2021; Van Bebber, Lenske & Leutner, 2021).

Nutzungsmöglichkeiten

Die Videovignetten bieten eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten. Im Rahmen von praxisnahen Lehr-Lernsettings können Studierende mit Hilfe der Videovignetten Handlungswissen erwerben, indem sie gemeinsam darüber reflektieren und diskutieren, wie und weshalb sich typische Unterrichtsverläufe entwickeln und wie sich diese gezielt durch präventives und reaktives Handeln beeinflussen lassen: Was passiert zum Beispiel, wenn die Lehrkraft der Klasse den Rücken zuwendet, um etwas an die Tafel zu schreiben? Was kann sie tun, um dabei den Überblick und die Kontrolle über das Klassengeschehen zu behalten? Und welche Kontextbedingungen spielen hierbei eine Rolle? Darüber hinaus können die Unterrichtsszenen als Beispiele für eher gelungene und eher kritische Unterrichtsverläufe gegenübergestellt und diskutiert werden (Kontrastierung). Durch die Kontrastierung der unterschiedlichen Szenarien kann somit erarbeitet werden, wie sich die Handlungsweisen der abgebildeten Lehrkraft und der Schüler*innen unterscheiden und welche Auswirkung dies auf die Unterrichtsgesamtsituation hat. Darüber hinaus kann diskutiert werden, welche alternativen Verhaltensweisen zusätzlich zielführend sein könnten. Dabei kann die Arbeit mit den Unterrichtsvideos sowohl in Einzel-, Gruppen oder Plenumsformaten integriert werden, unabhängig davon, ob es um Präsenz-, Online- oder Blended-Learning-Unterricht handelt.

CLIPSS-Videoportal

Homepage & Portal:
www.uni-due.de/clipss

Universität Duisburg-Essen
Lehrstuhl für Lehr-Lernpsychologie
WST-B. 12.10 & 12.11
Universitätsstr. 2
45141 Essen

Projektleitung

Prof. Dr. Detlev Leutner
Lehrstuhl für Lehr-Lernpsychologie
Raum: S06 S03 A18

E-Mail an Prof. Dr. Detlev Leutner

Projektleitung

Jun.-Prof. Dr. Gerlinde Lenske
Grundschulpädagogik, Schwerpunkt: Professionsforschung
Universität Koblenz-Landau

E-Mail an Jun.-Prof. Dr. Gerlinde Lenske

Projektleitung

Dr. Theresa Dicke
Institute for Positive Psychology & Education
Australian Catholic University

E-Mail an Dr. Theresa Dicke

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Julia Bönte M.A.
Lehrstuhl für Lehr-Lernpsychologie
& AG Unterrichtsentwicklung
Raum: S06 S03 A14 und S06 S05 B87

E-Mail an Julia Bönte

ProViel wird im Rahmen der gemeinsamen
„Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund
und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung gefördert.

Unter dem FKZ 01JA1910