Juli Zeh
Pressespiegel
Spieltrieb
Der Roman Spieltrieb wird von der Literaturkritik ganz unterschiedlich bewertet – in den Feuilletons finden sich Lobgesänge (Zeit) ebenso wie kontroverse Besprechungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Welt am Sonntag) und Verrisse (Süddeutsche Zeitung). Vor allem beim Sprachstil, der entweder hoch gelobt oder kritisch auseinander genommen wird, scheiden sich die Geister.
Richard Kämmerlings (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.2004) ist zwar der Meinung, dass Zeh „abermals den Puls der Zeit“ treffe, allerdings empfindet er die Handlungsfülle des Romans zu ausufernd, kritisiert eine „chronische Verwendung gesuchter und oft schiefer Metaphern“ und ist genervt von der „prätentiöse[n] Geschwätzigkeit, mit der Lesefrüchte altkluger Teenager ohne jede ironische Brechung ausgebreitet werden“. Außerdem lege sich Juli Zeh mit den „dauernden literarischen Verweisen“ auf Musil, Nabokov und Co. die Latte unerreichbar hoch. Uwe Wittstock
(Die Welt, 02.10.04) überzeugt die Idee des Romans, jedoch hält auch er, ebenso wie Richard Kämmerlings, die Handlung für zu ausufernd: „So ist der Roman sowohl als Satire auf das kulturkritische Geschwätz der Gegenwart, wie auch als Geschichte über die Wirrnisse der Pubertät letztlich viel zu weitschweifig. Schade“. Von Robin Detje
(Süddeutsche Zeitung, 12.11.2004) wird der Roman verrissen, denn er stuft ihn als "Schulmädchenreport" ein, der sich auf dem "Schrottplatz der sprachlichen Überanstrengung" tummle.
Susanne Kunckel (Welt am Sonntag, 05.12.04) wiederum überzeugt der Sprachstil, der von Kämmerlings und Detje kritisiert wird. Sie charakterisiert ihn als „erschreckend präzise“. Für Kunckel scheint zudem, im Gegensatz zu Kämmerlings und Wittstock, die Handlung nicht zu weitschweifig zu sein, denn sie beschreibt die Lektüre als „570 Seiten Hochspannung“. Ulrich Greiner (Zeit, 21.10.2014) wird von der „drastischen und plastischen Sprache“, dem „scharfe[n] Tempo“ und dem „hoch gebildeten Scharfsinn“ des Romans sogar so überzeugt, dass er dafür plädiert, dass „alle Schüler und Lehrer“ Spieltrieb lesen sollten, denn der Roman zeichne „mit Witz und Verstand ein helles Bild unseres dunklen Zeitalters“.
Corpus Delicti
Die Dystopie Corpus Delicti stößt im Feuilleton im Großen und Ganzen auf positive Resonanz; insbesondere der Aktualitätsbezug und die analytische Darstellung werden als Qualitätsmerkmale anerkannt. So ist beispielsweise Christian Meyer (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2009) der Auffassung, dass Juli Zeh mit ihrem Roman „an den Nerv unserer zutiefst verängstigten Gesellschaft“ rühre und lobt das Ineinandergreifen von „Erzählen und Argumentieren“. Evelyn Finger (Zeit, 26.02.2009) bezeichnet den Roman sogar als das „Buch der Stunde“:
„Gegenwart aber ist vor allem die Debatte über den Staat. Während seine Verächter nun nach ihm rufen, während die Entstaatlicher hysterisch Verstaatlichung fordern, wirft Juli Zeh stillschweigend die Frage auf, wie ein gelingender Staat aussehen könnte. Dass sie es im Bewusstsein etatistischer Entgleisungen tut, darin besteht ihre Kunst. Dass sie dem Triumphgeschrei vom ‚Ende der Geschichte‘ ins Wort fällt, darin besteht ihr Mut.“
Aus dem positiven Chor fällt die Rezension von Christopher Schmidt (Süddeutsche Zeitung, 14.03.2009), dessen Einschätzung etwas zwiegespaltener ist. Er schätzt an dem Roman zwar das Facettenreichtum und die feine Verflechtung der Motive, allerdings missfällt ihm, dass der Roman durch die analytische Darstellung ‚Lebendigkeit‘ einbüße: „Juli Zeh weiß schon, dass sie erzählen muss, nicht plädieren. Gleichwohl ‚flackert‘ das Leben im Roman so methodisch, dass man ständig zu sehen meint, wie die Autorin den Lichtschalter betätigt. Und die Figuren bleiben steril, als hätten sie mit Desinfektionsmittel gegurgelt“.
Nullzeit
Der Roman Nullzeit wird von der Literaturkritik fast ausschließlich kritisiert (Zeit, Süddeutsche Zeitung, Deutschland Radio Kultur, Badische Zeitung), wenn nicht gar verrissen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Tageszeitung). In den meisten Rezensionen bezieht sich die Kritik auf den Klappentext des Romans, in dem behauptet wird, dass Juli Zehs Roman „ein meisterhaft konstruierter Psychothriller in der Tradition von Patricia Highsmith“ sei. Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.2012) stellt heraus, dass zu einem Psychothriller „definitionsgemäß eine gewisse psychologische Tiefe“ gehöre, welche die Figuren in dem Roman nicht aufweisen würden. Ähnlich formuliert es auch Jörg Magenau (Die Tageszeitung, 12.08.2012): „in einer Psyche, in der es kaum einen interessanten Winkel gibt und keinen Widerhall, weil alles so blank poliert und zurechtgemacht ist, kann kein Psychothriller entstehen“. Darüber hinaus empfindet Magenau den Plot des Romans als „derart hanebüchen, dass dem Buch vom Ende her jegliche Glaubwürdigkeit entzogen wird und es in sich zusammensackt wie eine Luftmatratze, aus der man den Stöpsel zieht“. Auch Vladimir Balzer (Deutschlandradio Kultur, 13.08.2012) ist der Meinung, dass „von einem Psychothriller, wie ihn der Verlag ankündigt, jedenfalls kaum eine Spur“ sei. Das liege einerseits an der „allzu geplant[en]“ Dramaturgie, andererseits fehle den Figuren „das Abgründige, das böse Geheimnis, die Vielschichtigkeit“.
Burkhard Müller (Süddeutsche Zeitung, 11.08.2012) greift den Bezug auf Partrica Highsmith explizit auf, um seine Kritik an Juli Zehs Erzählweise – dem Wechsel von Svens und Jolas Erzählperspektive – zu verdeutlichen: Zeh
„hätte sich – so hätte es Patricia Highsmith gemacht, mit der Juli Zeh verglichen worden ist – dafür entscheiden müssen, alles vom Gesichtspunkt Jolas aus zu erzählen, und es dem Leser anheimzustellen, in deren Beredtheit und quecksilbrigem Charme dem Wahnsinn allmählich selber auf die Spur zu kommen. Es hätte den Leser geschaudert. Doch um diesen Schauder hat Zeh ihr Buch verkürzt.“
Ebenso sieht es auch Philipp Kurbel (Badische Zeitung, 01.09.2012):
„Jola ist nicht Tom Ripley. Zwar hat Zeh eine faszinierende Psychopathin geschaffen, die unter Realitätsverlust leidet. Für einen Ripley hätte sie Jolas Bösartigkeit aber subtiler aus ihrem Charakter herausschälen, auf Svens konterkarierende Erzählung verzichten müssen“.
Er stellt fest, dass Juli Zeh kein Gefallen damit getan werde, „sie mit der Großmeisterin des Psychothrillers Patricia Highsmith zu vergleichen“.
Hubert Winkels (Zeit, 02.08.2012) kann zumindest dem Sprachstil in Nullzeit noch etwas Positives abgewinnen: Die Vermischung von „Neopren-Diktion“ und „Naturbeschreibungen der lakonisch genauen Art“ trage eine Weile. Und auch Philipp Kurbel (Badische Zeitung, 01.09.2012) lobt die „knappe, präzise Sprache“: Formulierungen wie „Krieg ist kein geographisches Phänomen“ würden mit „erschütternder Schlichtheit“ Erstaunliches erreichen.
Eine Nadel im Heuhaufen unter den Kritiken der renommierten Feuilletons ist die Rezension von Nora Gantenbrink (Spiegel online, 08.08.2012), da sie fast durchweg positiv ist: „Zeh, man kann gegen sie sagen was man will, ist ein gutes Buch gelungen. Ein Buch wie ein Wellengang. Ihre Sprache treibt die Geschichte voran“.