Ein Beitrag von Nick Dinglinger und Christoph Vander Stichelen Konstantin Wecker

Make Amerika Great Again

Make America Great Again

Eine Analyse zu Amerika (Aus: Vaterland live 01/02. Global 2002)

Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Lied Amerika von Konstantin Wecker in der Textverfassung von der CD Vaterland live (2002). Des Weiteren existiert das Lied noch in den Fassungen: Textfassung Stationen (2003, in der CD Box Alle Lust will Ewigkeit), Textfassung CD Vaterland (2001), Textfassung Maxi-CD Amerika (2000). In dem Lied kritisiert Wecker die Vereinigten Staaten von Amerika hinsichtlich ihres Wirtschaftsmodelles und ihrer Freiheitsversprechungen.

Das Lied besteht aus drei Strophen mit je zehn, elf und acht Versen; die Strophen wechseln mit einem vierzeiligen Refrain ab. Das Lied endet mit einem Zweizeiler. In dem Lied findet man einen durchgängigen Paarreim. Sprachliche Besonderheiten sind zum einen die Wortfelder Gewalt und Politik und zum anderen das sich wiederholende Titelwort Amerika, welches dreimal im Refrain verwendet wird. Des Weiteren verwendet finden sich vermehrt Anglizismen, die in die deutsche Syntax integriert werden. Eine weitere Besonderheit stellt auch die Vermischung von Englisch und Bayerisch dar: „Die leik i“ (Wecker 2002).

Das Lied beginnt mit dem Refrain. Mit den Versen „Amerika, Amerika / du bist so fern und doch so nah / denn du bist immer für uns da / Amerika“ (ebd.) spielt das lyrische Ich mit dem Pronomen uns auf die historische und politische Beziehung Europas und insbesondere Deutschland zu den USA an, die mit der Nato und der Rolle der Alliierten im Zweiten Weltkrieg und Kalten Krieg verbunden ist. Das Lied rekurriert damit auf die historische Bedeutung der Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen den USA und der BRD. 

Die erste Strophe thematisiert zunächst die Situation für Individuen in den USA. Sie beginnt mit den Worten: „An jeden ziehts doch zu dir hin / von Unterhaching bis Berlin“ (ebd.); die Anziehung besteht in dem Mythos vom American Dream, der Menschen weltweit in die USA lockt. Doch entlarvt das Lied den Mythos, wenn sich die Kritik am amerikanischen Wirtschaftssystem anschließt, indem Einwanderung, Sklaverei und Konsumverhalten miteinander in Bezug gesetzt werden. Der Vers: „auch ich wär gern von dir entsklavt“ (ebd.), schließt an die Rede vom „freie[n] Land“ an, wird aber durch das Lob des ungebremsten Konsums ironisch gebrochen. Die Kapitalismuskritik am Ende der Strophe liest sich als Pointe und Entlarvung dessen, was im Kapitalismus unter Freiheit verstanden wird, nämlich die Kauflust der Kunden: „wir waren täglich shoppen / das war durch nichts zu toppen“ (ebd.).

In der zweiten Strophe beschäftigt sich Wecker zunächst mit der amerikanischen Politik und ihrem 2002 amtierenden Präsidenten George W. Bush. Ironisch wird dessen Name verballhornt: „endlich regiert dich Dabbelju“ (ebd.). Der Vers: „der wäre uns erspart geblieben“ (ebd.) wird konkretisiert, wenn Bush als Kriegstreiber, Umweltsünder und Kapitalist kritisiert wird. Indirekt spielt der Text danach auf den Afghanistankrieg an, den Bush nach dem 11.9.2001 begann. Als nächstes macht sich das Lied über Bushs konservatives Weltbild lustig, da dieser ein Freund der Todesstrafe ist und Abtreibungen ablehnt. Das Urteil Bush wäre „uns erspart geblieben“ (ebd.) wird mit dem Reim „hätt man in Texas abgetrieben“ (ebd.) ironisch kontrastiert und gesteigert mit dem Vers: „er ist kein großer Denker dafür ein Freund der Henker“ (ebd.). Darüber hinaus thematisiert diese Strophe die Macht der Wirtschaft und Firmen, die durch Lobbyismus Profit zu Lasten der Umwelt machen: „er kriecht der Wirtschaft in den Arsch / […] es bleibt dabei Verschwendung pur / scheißt doch auf Umwelt und Natur / doch deine Schuh von Nike“ (ebd.).

Wecker thematisiert in der dritten Strophe die Militärpolitik der USA und verweist gleichzeitig auf deutsche Politiker. Dabei beschäftigt er sich zunächst mit der hegemonialen Rolle der USA als sogenannter Weltpolizei und kritisiert den vermeintlichen Lösungsversuch, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen, um Frieden zu schaffen: „Wenns auf der Welt irgendwo brennt / kommt deine Army angerennt / dann wird gebombt gelöscht wird nie / für Freiheit und Demokratie“ (ebd.). Daran anschließend kritisiert Wecker die Haltung deutscher Politiker, die sich nach dem Willen der Amerikaner richten: „was du auch schickst über den Teich / wir schlucken’s unbesehen gleich“ (ebd.). Auf die verantwortlichen Politiker wird nicht nur angespielt, sondern sie werden namentlich genannt. Die Aufzählung führt Otto Schily an, der damalige Bundesinnenminister von der SPD, es folgen Ronald Schill, den damaligen Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, und Gerhard Schröder, damaliger Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Schröder hatte nach dem Terrorakt am 11. September in einer Regierungserklärung den USA Deutschlands „uneingeschränkte Solidarität“ erklärt und warb für den Eintritt Deutschlands in den Afghanistankrieg. Über den Bundeswehreinsatz ließ Gerhard Schröder im November 2001 sogar mit der Vertrauensfrage im Bundestag abstimmen.

Mit dem das Lied abschließenden Zweizeiler „Jetzt sitze ich hier und warte / auf deine Greene Karte“ (ebd.) macht der Autor zum einen auf das Problem der (il)legalen Einwanderung aufmerksam, denn in den Besitz einer Green Card, die unbefristeten Aufenthalt in den USA erlaubt, gelangen nur wenige. Ironisch dreht Wecker jedoch das Einwanderungsbegehren um, weil es nicht die Green Card des lyrischen Ichs, sondern die Amerikas ist, schließlich heißt es ‚deine‘ nicht ‚meine‘ Karte.

Thematisch lässt sich dieses Lied mit anderen Texten Weckers lesen. Auf demselben Album finden sich Lieder wie der Waffenhändler Tango oder Wenn die Börsianer tanzen; letzteres setzt sich mit dem nicht mehr zu kontrollierenden Kapitalismus auseinander. Konkret bedeutet dies, dass das Wirtschaftssystem der Amerikaner, das auf immer stetigerem Wachstum ausgelegt ist, zu Lasten der Bevölkerung geht. Denn das Wachstum wird vor allem von denjenigen finanziert und erarbeitet, die am wenigsten davon profitieren. Grund ist neben der Gier einiger Großkonzerne, der fehlende politische Wille, ein menschenfreundlicheres System zu etablieren.

Spannend ist auch, dass Wecker, der im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit seinen Texten uns im Seminar besuchte, selbst einige Lesarten dieses Textes (nicht explizit, jedoch auf die angesprochenen Themen bezogen) lieferte. So betonte er im Gespräch, dass man Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen könne.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Wecker die damaligen Problematik der Großmacht Amerika mit Ironie und gezielten Pointen analysiert. Mit Blick auf den heutigen Tag ist auffällig, wie Amerikas Probleme von damals wie der ausufernde Kapitalismus und die Waffengewalt sowohl von Privatpersonen wie auch vom Staat selbst noch heute aktuell sind. Ebenso ist vor allem die ständige Angst vor dem Terror, so wie der Wunsch durch militärische Interventionen Frieden auf die Welt zu bringen, zu nennen. Diese Taktik spiegelt sich im derzeitigen Iran-Konflikt wider.

 

Literatur

Wecker, Konstantin: Amerika. Aus: Vaterland live 01/02. Global 2002.

 

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