Dissertationsprojekt Lennart Kimpel

Kurzfassung Dissertationsvorhaben Schwierigkeiten Chemielernender mit Prüfungsaufgaben aufgrund der Mathematisierung

 

Der Studienerfolg im Fach Chemie ist relativ gering. So liegt die Abbruchquote im Bachelorstudiengang Chemie in Deutschland bei etwa 43 % (Heublein et al., 2012). Als Einflussfaktoren auf den Studienerfolgs im Fach Chemie konnten die Abiturgesamtnote, das Vorwissen, die Studienbedingungen sowie die Tatsache, ob es sich um das Wunschstudienfach handelt, identifiziert werden (Freyer, 2013). Ein Großteil der Varianz blieb hier jedoch ungeklärt. An der Universität Duisburg-Essen zeigt sich, dass vor allem die Klausuren der Studieneingangsphase für Chemiestudierende ein großes Problem darstellen. In Abgrenzung dazu ist mit Blick auf die Ergebnisse der Abiturklausuren in Nordrhein-Westfalen festzustellen, dass hier lediglich 12 bis 17 % der SuS im Fach Chemie im defizitären Bereich liegen und der Notendurchschnitt im guten befriedigenden Bereich liegt (QUA-LiS NRW, 2014). Aufgrund dieser Diskrepanz wurden zunächst die Abituraufgaben für das Fach Chemie in Nordrhein-Westfalen (2009-2014) sowie die Aufgaben aus den Klausuren zur Allgemeinen Chemie (1. Fachsemester; Universität Duisburg-Essen; 2012-2014) analysiert. Es zeigte sich, dass der Anteil der Punkte, die durch Rechenoperationen erlangt werden können, in den Abiturklausuren bei etwa 8 bis 12 % liegt, während er in den Klausuren zur Allgemeinen Chemie bei durchschnittlich 55 % liegt. Eine Befragung von Erstsemesterstudierenden ergab weiterhin, dass vor allem die Mathematisierung ein großes Problem darstellt. So seien deutlich mehr Rechenoperationen im Vergleich zur gymnasialen Oberstufe notwendig und insgesamt sehr viele Formeln auswendig zu lernen.

Die Mathematik stellt für die Chemie eine Metawissenschaft dar, mit deren Hilfe sie sich ausdrücken kann (Pospiech, 2007). Sie fungiert hierbei einerseits als Werkzeug (Symbole, Zeichen und Begriffe) sowie andererseits als strukturbildendes Element (Trump et al., 2014). An den Schulen wird jedoch die abschreckende Wirkung der Mathematisierung beklagt (Parchmann & Schanze, 2013). Sollen mathematische Fähigkeiten im Chemieunterricht angewendet werden, führt dies häufig zu Unverständnis bei den SuS (Schmidt, Bell & Wainwright, 1975). Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass Mathematik grundsätzlich ein beliebtes Schulfach ist und die Abneigung somit auf andere Ursachen zurückzuführen sein muss (Pant et al., 2013). Höner (1996) konnte beispielsweise zeigen, dass die inhaltliche Umformulierung einer Aufgabe in einen chemischen Kontext zu einer starken Reduktion der Lösungswahrscheinlichkeit führt. Auch gibt es Indizien dafür, dass nicht die Rechenoperationen sondern mangelndes Verständnis von Größen oder chemischen Zusammenhängen zum Scheitern führen (Kienast, 1995 ; Schmidt, 1992a ; Schmidt, 1990 ; Schmidt 1992b). Des Weiteren ist bekannt, dass besonders die Mathematisierung einer Problemstellung sowie die Interpretation eines Ergebnisses problematisch sind (Uhden & Pospiech, 2011). Auch die unterschiedlichen Bedeutungen von Buchstaben und Variablen sowie die Verwendung vieler verschiedener Variablen stellen ein Problem dar (Pospiech, 2013; Redish, 2006).

Im Rahmen des oben genannten Promotionsprojektes soll an dieser Stelle ein Beitrag geleistet werden. Hauptziel der Studie ist die Identifikation verschiedener Faktoren, die bei der Bearbeitung chemischer Rechenaufgaben zu Schwierigkeiten führen können. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Studierenden die mathematischen Rechenoperationen beherrscht, während der Anwendung dieser Fähigkeiten in der Chemie zu Problemen führt. Um dies zu analysieren, soll eine Untersuchung mit Studierenden des ersten bzw. zweiten Fachsemesters durchgeführt werden. Ausgehend von typischen Prüfungsaufgaben der Allgemeinen Chemie wurden vier verschiedene Aufgabentypen entwickelt: eine Mathematikaufgabe, eine qualitative Chemieaufgabe, eine Formelaufgabe und eine quantitative Chemieaufgabe. Mit Hilfe der Mathematikaufgabe soll überprüft werden, ob die Studierenden die zu Grunde liegenden mathematischen Rechenoperationen, die zur Lösung der Prüfungsaufgaben notwendig sind, beherrschen. Die qualitative Chemieaufgabe überprüft, ob die Studierenden den Lösungsweg erklären können und ob sie in der Lage sind zu erkennen, welche Formel in der jeweiligen Situation herangezogen werden muss. Durch die Formelaufgabe soll außerdem in Erfahrung gebracht werden, ob die zur Lösung benötigte Formel auswendig beherrscht wird, während diese in der quantitativen Chemieaufgabe vorgegeben ist, also lediglich die Rechenoperationen in einem chemischen Kontext durchgeführt werden müssen.

Die vier verschiedenen Aufgabentypen werden zu Item-Clustern zusammengefasst, sodass eine Person stets alle Aufgaben bearbeitet. Hierdurch soll es nachher möglich sein Problempunkte und gegebenenfalls Muster zu identifizieren. Daraufhin sollen weitere Untersuchungen angeschlossen werden, die dazu dienen, die entdeckten Problempunkte genauer zu analysieren.

 

Literatur

 

Freyer, K. (2013). Zum Einfluss von Studieneingangsvoraussetzungen auf den Studienerfolg Erstsemesterstudierender im Fach Chemie. Berlin: Logos

Heublein, U., Richter, J., Schmelzer, R., & Sommer, D. (2012). Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Hannover: HIS GmbH

Höner, K. (1996). Mathematisierungen im Chemieunterricht – ein Motivationshemmnis? In: ZfdN 2/1996, 51-70

Kienast, S. (1995). Schwierigkeiten von Schülern bei der Anwendung der Gleichgewichtsvorstellung in der Chemie. Dortmund: Shaker Verlag

Pant, H. A., Stanat, P., Schroeders, U., Roppelt, A., Siegle, T. & Pöhlmann, C. (2013). IQB-Ländervergleich 2012 - Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann Verlag

Parchmann, I. & Schanze, S. (2013). Mathematisierung im Chemieunterricht – Grundlagen und Umsetzung anhand von Basiskonzepten. NiU Chemie (24/2013) 134. 2-7

Pospiech, G. (2007). Argumentieren und Mathematisieren – im Gleichschritt? In D. Höttke (Hrsg.). GDCP Jahrestagung 2006. 418-420. Münster: LIT Verlag

Pospiech, G. (2013). Mathematisierung aus Sicht von Schülern der Sekundarstufe I. In: S. Bernholt (Hrsg.), Inquiry-based Learning - Forschendes Lernen (S. 326-328). Kiel: IPN-Verlag.

Redish, E. F. (2006). Problem solving and the use of math in physics courses. URL: http://www.physics.umd.edu/perg/papers/redish/IndiaMath.pdf (03/2015)

Schmidt, H.-J. (1990). Stolpersteine im Chemieunterricht. Frankfurth a.M.: Diesterweg (Sauerländer)

Schmidt, H.-J. (1992a). Harte Nüsse im Chemieunterricht. Frankführt a.M.: Diesterweg (Sauerländer)

Schmidt, H.-J. (1992b). Das stöchiometrische Rechnen – ein Plädoyer für ein unbeliebtes Theme im Chemieunterricht. PdN-ChiS (41/1992) 4. 8-13

Trump, S., Brandenburger, M., Schmidt, I. & Mikelskis-Seifert, S. (2014). Mathematik in den Naturwissenschaften Inhalte, Anwendung und Folgen. In S. Bernholt (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Bildung zwischen Science- und Fachunterricht. GDCP Jahrestagung 2013. 285 - 287. Kiel: IPN-Verlag.

Uhden, O. & Pospiech, G. (2011). Mathematics in Physics: Analysis of students difficulties. URL: http://www.esera.org/media/ebook/strand3/ebook-esera2011_UHDEN-03.pdf (10/2013)

QUA-LiS NRW (2014). Zentralabitur an Gymnasien und Gesamtschulen – Ergebnisse 2014. URL: https://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur/upload/download/Zentralabitur-Gymnasiale-Oberstufe-2014.pdf (03/2015)