Uni-Colleg im Sommersemster 2006

Jeweils mittwochs, 19.30 Uhr, Campus Duisburg, Raum MD 162

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Prof. Dr. Werner Jung, Germanistik
Heinrich Böll und der Zeitroman im 20. Jahrhundert

Mit Günter Grass' "Die Blechtrommel", Uwe Johnsons "Mutmaßungen über Jakob" und Heinrich Bölls "Billard um halbzehn" findet die deutsche Literatur 1959 wieder Anschluss ans Weltniveau. Die Romane greifen Tendenzen der europäischen Literatur der frühen Moderne auf. So reagieren Proust, Joyce, Musil oder Virginia Woolf in ihren Prosatexten und Romanen vor allem auf die Krise der modernen Welt, die durch Entfremdung und den Verlust aller traditionellen Orientierungspunkte im Leben und Denken charakterisiert ist. Die Autoren reflektieren Tendenzen der Hektik und Beschleunigung mit ihren Auswirkungen auf das Subjekt. Zeit gerät immer kürzer und kürzer.

Auch die deutsche Literatur, namentlich Heinrich Böll, knüpft an diese Zeit-Verknappungstendenzen an. Böll stellt einen einzigen Tag in den Mittelpunkt eines Romans. Er versucht, deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert als Geschichte von drei Generationen der Familie Fähmel - konzentriert auf einen einzigen (beliebigen) Tag - zu rekonstruieren. Auch erzähltechnisch hat Böll den Höhepunkt seines Schaffens erreicht und vermag fortan eine wichtige Stimme im Platzkonzert des (europäischen) Zeit-Romans einzunehmen.