Uni-Colleg im Wintersemester 2007/08

Jeweils mittwochs, 19.30 Uhr, Campus Duisburg, Raum MD 162

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30. Januar: Professorin Dr. phil. Ursula Renner-Henke
Der Gläserne Schädel – Arthur Schnitzlers Erfindung des ‚Inneren Monologs’.

Arthur Schnitzlers „Leutnant Gustl“ (1900) gilt als Gründungstext des Inneren Monologs in der deutschen Literatur. Seine Versuchsanordnung, das Innere eines höchst durchschnittlichen Subjekts ungefiltert bloßzulegen, korrespondiert mit ‚Suchprogrammen’ in den zeitgenössischen Wissenschaften: Etwa mit einer Diskussion in der Ästhetik über die Grenzen realistisch-naturalistischer Darstellung von innerer ‚Wirklichkeit’; mit einem philosophisch-psychologischen Diskurs, der nach dem Ich, dem Bewußtsein und den Abgründen des ‚Unterbewußten’ fragt; mit medizinisch-naturwissenschaftlichen Forschungen, die das Nervensystem und das Gehirn mit ihren Funktionen zu ergründen suchen; mit neuen technischen Medien, die das ‚Innere’ aufzeichnen (Radiologie, Phonograph).

Bei dem Arzt und Autor Schnitzler kommen medizinisches Beobachtungstraining, psychologischer Scharfsinn und literarische Ausdruckslust zusammen. So ist die Frage müßig, welchen Wissensräumen im einzelnen die Kühnheit entspringt, den Kopf eines Menschen  wie in einem – unmöglichen - Laborversuch beim Vor-sich-hin-Denken beobachten zu wollen und seine Gedanken aufzuzeichnen. Anläßlich ihrer Neuedition dieser Novelle im Suhrkamp-Verlag spricht Ursula Renner-Henke über die faszinierende literarische Phantasie eines ‚gläsernen Schädels’.