Forschungsprojekte

Die Rolle älterer Geschwister für den Bildungserwerb von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund im Sekundarschulbereich

Trotz eines – vor allem im deutschsprachigen Raum – breiten Forschungsstandes zu der Bedeutung des familiären Hintergrundes zur Erklärung von Unterschieden in den Mustern der Bildungsbeteiligung und des schulischen Erfolgs zwischen Heranwachsenden mit und ohne Migrationshintergrund lassen sich weitere Bedarfe an Detailwissen sowie Forschungslücken identifizieren. Denn obschon drei Viertel der Kinder unter 18 Jahren in Deutschland mit mindestens einem Geschwister als weitere Bezugsperson in der Familie aufwachsen, standen im Zentrum bisheriger Untersuchungen vor allem die Merkmale und Ressourcen der Eltern. In der vorhandenen Migrations- und Bildungsforschung ist von Geschwistern bislang vor allem dann die Rede, wenn auf den Kinderreichtum von Migrantenfamilien und dessen negativen Einfluss auf die elterlichen Ressourcen- und Zeitinvestitionen in die Bildung zwischen erst- und nachfolgend geborener Kinder verwiesen wird.

Dabei weisen Geschwisterbeziehungen im Vergleich zu Eltern-Kind-Beziehungen nach der Literatur strukturelle Vorteile und qualitative Besonderheiten für Sozialisationseinflüsse auf (z.B. Horizontalität, Langlebigkeit, das Schwanken zwischen Liebe/Vertrauen und Rivalität/Konkurrenz). Ferner besitzen einzelne Geschwisterkinder bildungsrelevante Ressourcen, die den Bildungserwerb laut vorhandener Studien begünstigen können. Insbesondere älteren Geschwistern kommt hierbei als Rollenmodelle und Ersatzeltern eine theoretische Bildungsbedeutsamkeit zu, die sich insbesondere in der Migrationssituation zeigen mag, in welcher sie durch den Vorsprung im Bildungssystem und als Brückenkontakt zum Aufnahmekontext die Nachteile der Eltern in aufnahmelandspezifischem Humankapital und bildungsrelevanten Sozialisationsbedingungen (z.B. mangelnde Kompetenzen in der Verkehrssprache, inter-ethnische Kontakte sowie Institutionenkenntnisse) auszugleichen vermögen.

Das geplante einjährige Forschungsvorhaben hat das übergreifende Ziel, neues Erklärungswissen sowie empirische Erkenntnisse zu dem Bildungseinfluss von älteren Geschwistern zur aktuellen Forschung zu ethnischen Bildungsdisparitäten in der Sekundarstufe beizutragen. Der theoretische Kern des Projektes bildet die Synthese und Erweiterung von vorhandenen sozialschichts- und migrationsspezifischen Wert-Erwartungs-Überlegungen von Bildungsverläufen um die Geschwisterperspektive. Dabei werden Annahmen über eigenständige sowie kompensierende als auch protektive Bildungseffekte von älteren Geschwistern in Zusammenhang mit den (Migranten-)Eltern getroffen. Der empirische Kern des Projektes bildet die Analyse von Längsschnittdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP). Die Daten dieser seit 1984 jährlich stattfindenden Haushaltsbefragung erlauben es durch ihre Struktur sowohl Informationen der Eltern als auch älterer Geschwister mit der von Befragten zu verknüpfen und über Querschnittsstudien hinausgehende fundierte empirische Erkenntnisse zu liefern.

Projektleitung

Dr. Marion Fischer-Neumann

Fakultät für Gesellschaftswissenschaften

Institut für Soziologie

 

Förderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

 

Projektlaufzeit

09/2021-09/2022