Programm und Abstracts der EKfG-Ringvorlesung Forschungsforum Gender - Sommersemester 2011

Im Folgenden finden Sie alle Vorträge der EKfG-Ringvorlesung im Sommersemester 2011 mit jeweils einem kurzen Abstract. Unter (fast) jedem Abstract finden Sie zudem die jeweils entsprechende Vortragspräsentation zum Download.

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Professorin Dr. Nicole Krämer

Professorin Dr. Nicole Krämer, Sozialpsychologie - Kommunikation und Medien 28.04.: Der Einfluss des Geschlechts auf Nutzung und Wirkung neuer Medien

Eine Reihe von Unterschieden zwischen Männern und Frauen sowie Mädchen und Jungen etwa in Bezug auf die Nutzung von Computern oder Videospielen sind bekannt und bereits öffentlich diskutiert worden. Während diese Unterschiede aber in den letzten Jahren zurückgehen, bleiben andere, subtilere Differenzen bestehen. So lässt sich beispielsweise zeigen, dass Frauen im Rahmen der Selbstdarstellung auf sozialen Netzwerkseiten (Facebook oder berufsbezogene Netzwerke wie Xing) andere Prioritäten setzen und andere Ziele verfolgen. Während der Rezeption der Profile anderer achten sie auf andere Aspekte und ein sozialer Vergleich mit anderen wirkt sich anders aus als bei Männern. Auch in Bezug auf neue Interaktionsformen mit Computern und Maschinen ist der Umgang mit virtuellen Figuren oder Robotern durch andere Interaktionsformen geprägt. Die Interaktion lehnt sich dabei an das an, was aus der Face-to-Face-Kommunikation zwischen Menschen bekannt ist: Frauen lächeln nicht nur mehr als Männer, wenn sie mit anderen Menschen sprechen, sondern auch, wenn sie mit künstlichen Entitäten interagieren. Die Implikationen dieser Unterschiede zum Beispiel für gleichwertige Chancen im Berufsleben werden diskutiert.

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Professorin Dr. Ute Klammer

Professorin Dr. Ute Klammer, Sozialpolitik 05.05.: Wenn Mama das Geld verdient... Familienernährerinnen als Untersuchungsgegenstand der Geschlechterforschung

In der internationalen Forschung zu Geschlechterverhältnissen und Wohlfahrtsstaat gilt Deutschland bis heute als ein Land mit ausgeprägtem „männlichem Ernährermodell", bei dem der Normvorstellung des männlichen Hauptverdieners die Normvorstellung der primär für Kinder und Haushalt zuständigen, allenfalls zuverdienenden Frau gegenübersteht. Doch die Grundannahmen kontinuierlicher Erwerbs­arbeit und dauerhafter Ehe sind inzwischen erschüttert worden. Längst kann das männliche Familienernährermodell nicht mehr Geltung für die überwiegende Mehrheit der Menschen beanspruchen. Bereits in etwa jedem fünften Mehrpersonenerwerbshaushalt erwirtschaftet eine Frau den Hauptteil des Einkommens. Diesem bisher weitgehend unerforschten Phänomen der weiblichen „Familienernährerinnen" widmete sich ein Anfang 2011 abgeschlossenes Forschungsprojekt an der UDE unter Leitung der Referentin. Der Vortrag fragt auf der Basis quantitativer und qualitativer Ergebnisse des Projekts danach, wie und warum Frauen zu Haupteinkommensbezieherinnen, also „Ernährerinnen" ihrer Familien auch im Sinne der finanziellen Lebensgrundlage werden. Welche Konsequenzen hat die Verantwortung für die Sicherung des Lebensunterhalts für die familiären und partnerschaftlichen Arrangements? Welche Auswirkungen hat die „untypische" Rolle auf die Situation am Arbeitsplatz? Der Vortrag macht deutlich, dass Frauen unter den in Deutschland gegebenen Rahmenbedingungen ihre Familien anders - und oft unter schwierigeren Bedingungen - „ernähren" als Männer und dass Familienernährerinnen kein unmittelbares Pendant zum männlichen Ernährer sind. Der Vortrag endet mit Überlegungen zu der Frage, welcher sozialpolitische Handlungsbedarf sich aus der Tatsache ergibt, dass Politik und Gesellschaft eine solche Gruppe „unkonventionell" lebender Frauen und Männer bisher kaum berücksichtigen.

Dipl. Soz.W. Dagmar Weßler-Poßberg hat den Vortrag in Vertretung von Prof. Dr. Klammer gehalten.

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PD Dr. Kindler-Röhrborn

PD Dr. Andrea Kindler-Röhrborn, Neuropathologie 12.05.: Das individuelle Krebsrisiko - Spielt das Geschlecht eine Rolle?

Krebs ist eine der führenden Todesursachen weltweit. Bösartige Tumoren gehören zu den „komplexen Erkrankungen", Krankheiten bei deren Entstehung sowohl die genetische Veranlagung als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Interessanterweise entstehen viele Tumorerkrankungen, die nicht die Geschlechtsorgane betreffen, überwiegend bei einem Geschlecht. So kommen Schilddrüsen­karzinome etwa sechsmal häufiger bei Frauen als bei Männern vor. Andersherum entstehen Bronchialkarzinome fast dreimal öfter bei Männern. Es ist bis heute nicht klar, welche Einflussgrößen die Geschlechtspräferenz der Tumorentstehung bedingen. Einerseits ist vorstellbar, dass geschlechts­spezifische Umweltfaktoren wie z.B. Beruf, Freizeitverhalten, Ernährung, Umgang mit Genussmitteln, Präventionsverhalten gegenüber Krankheiten wichtige Determinanten sind. Es ist jedoch ebenfalls bekannt, dass zwischen Männern und Frauen genetische und hormonelle Unterschiede bestehen und dass - zum Teil infolgedessen - in ihren Organen viele Gene unterschiedlich aktiv sind. Untersuchungen an Tieren, die unter kontrollierten Bedingungen gehalten werden, zeigen, dass auch hier ein geschlechtsspezifisches Risiko für verschiedene Tumorerkrankungen besteht. Diese Modellorganismen ermöglichen eine Gewichtung von Umwelt- und genetischen Faktoren im Hinblick auf das geschlechtsspezifische Krebsrisiko vorzunehmen und die determinierenden Gene zu identifizieren, um damit Ansatzpunkte für unterschiedliche Präventionsmaßnahmen bei Frauen und Männern zu finden.

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Professorin Dr. Sigrid Elsenbruch

Professorin Dr. Sigrid Elsenbruch, Medizinische Psychologie 19.05.: Abdominelle Schmerzen beim Reizdarmsyndrom - eine Frauenkrankheit? Interaktionen zwischen Psychologie und Biologie bei Pathogenese und Therapie

Die für das Reizdarmsyndrom typischen Unterbauchschmerzen treten bei Frauen wesentlich häufiger auf als bei Männern. Wiederholte Schmerzen und andere Beschwerden bedeuten oft eine erhebliche Belastung für die Betroffenen, zumal kaum effektive Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen und häufig wiederholte Arztbesuche und Therapieversuche unternommen werden müssen. Die möglichen Ursachen für die Geschlechterunterschiede sind bislang unvollständig verstanden, es kommen jedoch neben biologischen Faktoren auch soziale und psychologische Einflussfaktoren in Frage, die hier aus einer interdisziplinären Perspektive kritisch analysiert und diskutiert werden sollen. Ziel ist es, am Beispiel des Reizdarmsyndroms die komplexen Interaktionen zwischen Geschlecht, Neurobiologie und Psychologie aufzuzeigen, wie man sie mit experimentellen Schmerzparadigmen bei Gesunden und Erkrankten wissenschaftlich untersuchen kann.

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Dr. Sibylle Plogstedt

Dr. Sibylle Plogstedt, Soziologin, Journalistin, Filmemacherin 26.05.: Haft und Geschlecht - Frauen in politischer Haft während der DDR

Die Referentin hat am Essener Kolleg für Geschlechterforschung 2007-2010 die Studie „Knastmauke - Das Schicksal von politischen Häftlingen nach der deutschen Wiedervereinigung" durchgeführt. Schon während der Antragstellung wurde ihr seitens der Häftlingshilfestiftung in Bonn erklärt: Den ehemaligen politischen Häftlingen der DDR gehe es schlecht. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bestehe darin, dass es Frauen noch schlechter gehe. Von 10 000 verschickten Fragebögen zur Erhebung der Situation von ehemaligen politischen Häftlingen in der DDR kamen 802 zurück. 14,34 % stammten von Frauen. Danach waren die Frauen seltener in Haft und hatten in ihrer Mehrzahl nur 1-2 Jahre gesessen; auch in der Gruppe der für 2-3 Jahre Inhaftierten dominierten die Frauen. Mit Abstand in der Überzahl unter den politischen Langzeithäftlingen waren Männer, die 10 Jahre und mehr in Haft waren. Warum also ging es Frauen im Anschluss an die Haft schlechter? Da war zunächst die Behandlung während der Haft. Psychische Folter und sexuelle Gewalt gehörten zu dem, was Frauen, aber auch einige Männer erleben mussten. Mit der Folge, dass ihr Leben auf Dauer zerstört war. Weiter ist es das eigene Einkommen, das auch nach der Haft dauerhaft niedriger lag als das der Männer. Knapp 30% der Frauen verfügten monatlich nur unter 1.000 €, 35 % sogar unter 750 €. Bei den Männern war das Einkommen zwar auch nicht hoch, aber immerhin verdienten 30% bis zu 1.500 €, 15% bis zu 2.000 € und etwa 8% verdienten sogar mehr als 2.000 €. Schon die UN-Frauenkonferenzen in den 1980er Jahren haben den niedrigen Lebensstandard von Frauen auf ihre Traumatisierung durch die Gewalt zurückgeführt. In dem vorliegenden Vortrag will die Referentin die genderspezifischen Hafttraumata aufzeigen, die bis heute fortwirken.

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Professorin Dr. Amalie Fößel

Professorin Dr. Amalie Fößel, Geschichtswissenschaft 16.06.: Frauen und Macht im Mittelalter

Das amerikanische Wirtschaftsmagazin „Forbes" hat die Bundeskanzlerin Merkel mehrmals in Folge zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. Auch im mittelalterlichen Europa gab es Frauen, die man heute als „mächtige Frauen" bezeichnet. Sie waren Kaiserinnen, Königinnen, hochadlige Fürstinnen, die durch politische und herrschaftliche Handlungsfelder sowie den Zugriff auf größere finanzielle Ressourcen Macht ausübten, informelle Wege am Hof nutzten und ihre Autorität einsetzten, um politische Streitfälle und Fragen mitzuentscheiden, religiöse und kulturelle Initiativen zu ergreifen und durchzusetzen. Sie agierten mehrheitlich aus ihrer Stellung als Ehefrauen heraus, manche von ihnen regierten aber auch aus eigenem Recht. An ausgewählten Beispielen sollen die jeweiligen Rahmenbedingungen, Handlungsfelder und Aktionsräume herausgearbeitet werden. Dabei ist aufzuzeigen, inwieweit sich die Strategien weiblicher Machtausübung von denen der Männer unterschieden.

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Eine entsprechende Publikation befindet sich in Vorbereitung.

Professorin Dr. Anne Schlüter

Professorin Dr. Anne Schlüter, Erwachsenen- und Weiterbildung 30.06.: Führungsfrauen - Unter welchen Bedingungen lernen Frauen und Männer führen und leiten?

Momentan wird diskutiert, ob Quoten ein Instrument sind, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Frauen haben in den letzten zwanzig Jahren viel erreicht, doch in den oberen Etagen fehlen sie nach wie vor. Was sagen Forschungen zu Führung, Führungsstilen, Geführt-Werden in Bezug auf das Geschlecht? Der Vortrag will darüber informieren, ob Männer selbstverständlich „Führen lernen" und Frauen nicht, welche Erwartungen an Rollen mit Führung verbunden sind und warum es so wenige Frauen in Leitungspositionen gibt. Am Beispiel von biographischen Fällen soll gezeigt werden, wann und wie Führung gelernt wird.

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Professorin Dr. Christine Wimbauer

Professorin Dr. Christine Wimbauer, Soziologie 07.07.: Doppelkarrierepaare zwischen 'Leistung' und 'Liebe'. Von einigen Tücken der Anerkennung

Der Vortrag fragt aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive nach dem Verhältnis von Paarbeziehungen (‚Liebe') und Erwerbsarbeit (‚Leistung') sowie nach Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Axel Honneth unterscheidet mit ‚Liebe' (Familie/ Paarbeziehungen), ‚Recht' und ‚Leistung' (Erwerbsarbeit) drei Anerkennungsformen. Erwerbsarbeit und Paarbeziehungen sind hiernach zwei zentrale Anerkennungssphären. Ausgehend vom männlichen Ernährermodell und dessen geschlechtsspezifischer Zuständigkeitstrennung lassen sich jedoch in beiden Bereichen Veränderungen beobachten: eine zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine doppelte ‚Subjektivierung' von Arbeit sowie ein Wandel hin zu egalitären Beziehungen. Dies betrifft besonders Doppelkarriere-Paare, in denen beide Partner meist hohe Bildung und Berufsorientierung aufweisen. Gerade in diesen Paaren wird offen, wofür sich die Partner anerkennen, in welchem Verhältnis ‚Liebe' und ‚Leistung' stehen und welche Ungleichheiten sich finden lassen.

Dieser Vortrag findet zur gewohnten Zeit in Raum R11 T06 C75 statt.

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Mehr zum Thema finden Sie hier:

Wimbauer, Christine: Subjektivierte Arbeit und die ‚Tücken' der Anerkennung in Doppelkarriere-Paaren.

In: Frey, Michael, Andreas Heilmann, Karin Lohr, Alexandra Manske und Susanne Völker (Hrsg.):

Perspektiven auf Arbeit und Geschlecht. Transformationen, Reflexionen, Interventionen.

München/Mering: Rainer Hampp Verlag, S. 165-187.

Professorin Dr. Patricia Plummer

Professorin Dr. Patricia Plummer, Anglistik 14.07.: Gender, Literatur und Medizin im 18. Jahrhundert

Im frühen 18. Jahrhundert verliefen Pockenerkrankungen häufig tödlich oder führten zu Vernarbungen und damit zu schweren äußerlichen Entstellungen der Betroffenen. Die englische Aristokratin Lady Mary Wortley Montagu (1689-1762) - einst eine gefeierte Schönheit - überlebte die Pocken nur knapp und war zeitlebens von der Erkrankung gezeichnet. Während ihrer Orientreise (1716-18) lernte sie in Konstantinopel die Pockenimpfung kennen. Sie ließ dort ihre eigenen Kinder impfen und führte, nach England zurückgekehrt, jahrelang eine ebenso engagierte wie letztlich erfolglose Kampagne für die Aktivimpfung nach osmanischem Vorbild durch. Die Passivimpfung (vaccination) gegen die Pocken wurde in England erst Ende des 18. Jahrhunderts durch den Arzt Edward Jenner eingeführt. Der Vortrag beleuchtet den Diskurs über die Pocken aus einer genderspezifischen und interkulturellen Perspektive. Neben literarischen Quellen, darunter v.a. Lady Montagus pointierte ‚Briefe aus dem Orient', werden auch Werke aus der bildenden Kunst (Portraits der englischen Reisenden im türkischen Gewand, die - sicher auch durch die eigene Krankheitserfahrung und äußerliche Beeinträchtigung motiviert - eindrücklich ihre Empathie mit den türkisch-muslimischen Frauen und mit dem Tragen des Schleiers zum Ausdruck bringen, sowie zeitgenössische Darstellungen von Kranken) untersucht.

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Eine Publikation zum Thema ist in Vorbereitung.

>> Vortragsgliederung und weiterführende Literatur