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Prädiktoren von visuellem Modellverständnis in der Chemie und den Ingenieurwissenschaften

Antragsteller

Mitarbeiter

Rumann Stefan ​​Prof. Dr. Stefan Rumann

  Fakultät für Chemie,
  AG Didaktik der Chemie

Dickmann Thomas  Thomas Dickmann

  Fakultät für Chemie,
  AG Didaktik der Chemie

Opfermann Maria​​  Prof. Dr. Maria Opfermann

  Ruhr-Universität Bochum
  Institut für Erziehungswissenschaft
  Schulische Diagnose und Förderung

​​​Martin Lang Neu1​  Prof. Dr.Martin Lang

  Fakultät für Ingenieurwissenschaften,
  Abteilung Bauwissenschaft
  Technologie und Didaktik der Technik

​​​​​Schmuck Carsten  Prof. Dr.Carsten Schmuck

  Fakultät für Chemie
  Lehrstuhl für Organische Chemie

Projektbeschreibung

Ziel/Anliegen

„Chemistry is a visual science“ (Wu & Shah, 2004), „Why a diagram is (sometimes) worth ten thousand words“ (Larkin & Simon, 1987), Students learn better from words and pictures than from words alone“ (Mayer, 2009) - solche und weitere Aussagen im multimedialen Forschungsfeld lassen erkennen, dass rein textbasiertes Lernen kaum als zeitgemäß und verständnisförderlich angesehen wird.
Vielmehr wird die Fähigkeit zum Umgang mit (visuellen) Modellen als zentral für das Verständnis und den Lernerfolg in naturwissenschaftlich-technischen Fächern angesehen (Coll & Lajum, 2011; Harrison & Treagust, 2000; Ramadas, 2009). Auch die Befunde, dass in gängigen Lehrbüchern der Chemie (Housecroft & Sharpe, 2006) und der Ingenieurwissenschaften (Gross, Hauger, Schröder & Wall, 2011) mehr als 85% aller Seiten mit Visualisierungen gespickt sind, sprechen für die enorme Bedeutung, die visuellen Modellen jeglicher Form in der Chemie und den Ingenieurwissenschaften zugemessen wird. Doch ist die Verwendung dieser Menge von Visualisierungen überhaupt gerechtfertigt? Gerade im Bezug auf die hohen nationalen und internationalen Abbruchquoten in naturwissenschaftlich-technischen Fächern (Heublein, 2012; OECD, 2011; Chen, 2013) stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Studienerfolg durch visuelles Modellverständnis vorhergesagt werden kann und welche Variablen visuelles Modellverständnis vorhersagen.

Theoretischer Hintergrund

Die Lernwirksamkeit von Visualisierungen als Ergänzung zu Texten ist nicht erst seit Mayers (2009, 2014) Cognitive Theory of Multimedia Learning (CTML) ein zentraler Bestandteil instruktionspsychologischer Forschung.

Ein Grund für die erhöhte Lernwirksamkeit von Text und Abbildungen ist, dass auf diese Weise die zu lernenden Inhalte doppelt kodiert werden können (siehe auch Paivio, 1986), d.h. im Arbeitsgedächtnis in einem visuellen und einem verbalen Kanal verarbeitet und danach zu einem mentalen Modell integriert werden. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass nicht immer jede Visualisierung bei jedem Lernenden zu tieferen Verständnis und größeren Lernerfolg führt. So haben Höffler, Schmeck und Opfermann (2013) aufgezeigt, dass Visualisierungen unterschiedlich effektiv für Lernende sein können, je nachdem welche Eigenschaften und Voraussetzungen diese in eine Lernsituation mit einbringen. Individuelle Lernercharakteristika spielen also eine entscheidende Rolle als Moderatoren und Mediatoren zwischen instruktionalem Design und Lernerfolg. Es liegt somit nahe zu untersuchen, welche Visualisierungstypen im Wechselspiel mit welchen individuellen Lernercharakteristika zu einem erfolgreichen Lernergebnis führen. Für das hier beschriebene Projekt wird dafür folgende Arbeitsdefinition aufgestellt: „Visuelles Modellverständnis ist die Fähigkeit von Lernenden unter der Berücksichtigung von domänenspezifischen Eigenheiten, relevante Informationen aus den unterschiedlichen Visualisierungen herauszufiltern, zu übersetzen und aufeinander zu beziehen.“

Forschungsfragen

 
  1. Welche Formen von visuellen Modellen / Visualisierungen dominieren in gängigen Lehrmaterialien für das Studium der Chemie und der Ingenieurwissenschaften, insbesondere zu Beginn des Studiums?
  2. Über welche (insbesondere fachbezogenen) individuellen Voraussetzungen verfügen Studierende zu Beginn ihres Studiums der Chemie und der Ingenieurwissenschaften?
  3. Welche der oben genannten individuellen Eigenschaften und Voraussetzungen der Lernenden sagen den erfolgreichen Umgang mit visuellen Modellen / Visualisierungen verschiedener Art vorher?

Design

Die im beantragten Projekt relevanten Daten werden in für die beiden Studiengänge (B.Sc. Chemie, B.Sc. Bauingenieurwissenschaften) verpflichtenden Vorlesungen im Verlauf des ersten Studienjahres (Chemie: N = 270; Bauingenieurwissenschaften: N = 200) an den Universitäten Duisburg-Essen und Bochum erhoben.

Übersicht über Messgrößen und Instrumente

Messgröße

Erhoben bei

Instrument/ Verfahren

Messzeitpunkte /
Datenbasis

Fachwissen Chemie/
Bauingenieurwissenschaften

 

Studierende Chemie/
Bauingenieurwissenschaften

Fachtests

Anfang 1. Semester
Anfang und Ende;
2. Semester

Visuelles Modellverständnis
Chemie/
Bauingenieurwissenschaften

Studierende Chemie/
Bauingenieurwissenschaften

Test

Anfang 1. Semester
Anfang und Ende
2. Semester

Individuelle Lernercharakteristika

Studierende Chemie,
Bauingenieurwissenschaften

Tests und Fragebögen

Anfang 1. Semester,

Die Haupterhebung wurde im Frühjahr 2017 begonnen, die Erhebungen am Ende des 2. Fachsemesters finden im SoSe 2017 statt. Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden im Abgleich mit dem Zentralprojekt die dort und projektspezifisch erhobenen Daten verwendet. Für alle Studierenden werden übergreifende Testinstrumente eingesetzt, mit denen stabile und variable Prädiktoren des Studienerfolges wie kognitive Fähigkeiten, Abiturgesamtnote, grundlegende Persönlichkeitseigenschaften im Sinne der „Big Five“, metakognitive Fähigkeiten und Lernstrategien, fachliches Vorwissen, akademisches Selbstkonzept und Erwartungen an das Studienfach sowie fachliches Interesse und allgemeine Lern- und Studienmotivation erfasst werden. Darüber hinaus werden im vorliegenden Teilprojekt neben den Tests zum Fachwissen weitere spezifische Testinstrumente, wie der Test zum visuellen Modellverständnis, entwickelt. Dieser visuelle Modellverständnistest ist in drei Facetten gegliedert: einen chemiespezifischen, einen allgemeinen und einen ingenieurspezifischen Teil, wobei der Teil zur Erfassung des allgemeinen visuellen Modellverständnisses insbesondere dazu dienen soll, die fachübergreifende Vergleichbarkeit der Kohorten zu überprüfen. Dieser Vergleich der beiden Kohorten soll Aufschluss darüber geben, ob visuelles Modellverständnis einen Einfluss auf den Studienerfolg (Klausurnoten und Performanz im Fachwissen) in der Chemie sowie den Ingenieurwissenschaften hat. Darüber hinaus soll überprüft werden, ob die Chemie- und Ingenieursstudierenden mit vergleichbaren individuellen Lernercharakteristika in ihr Studium gehen und welche Variablen das visuelle Modellverständnis beeinflussen.

Ergebnisse

Es konnten zufriedenstellende Gütekriterien für den Test des visuellen Modellverständnisses und für die Fachwissenstests sowohl im Bauingenieurwesen als auch der Chemie ermittelt werden. Die gewonnenen Ergebnisse weisen darauf hin, dass visuelles Modellverständnis durch Subfacetten der Intelligenz, sowie mathematisch-numerische und räumliche Fähigkeiten vorhergesagt wird.

Ferner können visuelles Modellverständnis sowie dessen Facetten mittels Dimensionsanalysen von Fachwissen und Intelligenz empirisch getrennt werden. In Bezug auf Studienerfolg konnte in der Pilotstudie festgestellt werden, dass visuelles Modellverständnis ein Prädiktor sowohl für die Modulabschlussnoten, als auch für die Performanz im Fachwissen der Chemie- und Ingenieurstudierenden ist. So konnte mittels einfacher linearer Regressionsanalysen herausgefunden werden, dass visuelles Modellverständnis eine signifikante Vorhersagekraft auf die Klausurnoten in der Chemie (Allgemeine Chemie: β = .262, Organische Chemie: β = .335) und in den Ingenieurwissenschaften (Technische Mechanik: β = .281), sowie auf das Fachwissen am Ende des ersten Semesters (Allgemeine Chemie: β = .395 und Technische Mechanik: β = .480) besitzt. Darüber hinaus konnte aufgezeigt werden, dass Fachwissen in der Chemie und in den Ingenieurwissenschaften über visuelles Modellverständnis mediiert wird, dass visuelles Modellverständnis aber ebenso einen Moderator für das Fachwissen in den Ingenieurswissenschaften darstellen kann. Die ersten Analysen der Hauptstudie scheinen die Ergebnisse aus der Pilotstudie zu bestätigen und teilweise zu verstärken. Somit deutet einiges darauf hin, dass visuelles Modellverständnis ein wichtiger Faktor für Studienerfolg ist und weitere Analysen großes Potential für ein tieferes Verständnis des Wechselspiels von visuellem Modellverständnis und akademischem Erfolg besitzen.
Literaturverzeichnis
  • Chen, X. (2013). STEM Attrition: College Students’ Paths Into and Out of STEM Fields (NCES 2014-001). National Center for Education Statistics, Institute of Education Sciences, U.S. Department of Education. Washington, DC.
  • Coll, R. K. & Lajium, D. (2011). Modeling and the Future of Science Learning. In M. S. Khine & Salhe, I. M. (Eds.), Models and Modeling. Cognitive Tools for Scientific Inquiry (S. 3-21). New York: Springer. Larkin, J. H. & Simon, H. A. (1987). Why a diagram is (sometimes) worth ten thousands words. Cognitive Science, 11, 65-99.
  • Harrison, A. G. & Treagust, D. F. (2000). A typology of school science models. International Journal of Science Education, 22, 1011-1026.
  • Heublein, U., Richter, J., Schmelzer, R., & Sommer, D. (2012). Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Statistische Berechnungen auf der Basis des Absolventenjahrgangs 2010 (HIS:Forum Hochschule 3/2012). Hannover: HIS.
  • Höffler, T., Schmeck, A., & Opfermann, M. (2013). Static and dynamic visualizations: Individual differences in processing. In Schraw, G., M. McCrudden, & D. Robinson (Eds.), Learning through visual displays (pp. 133-163). Charlotte: Information Age Publishing.
  • Houscroft, C. E. & Sharpe, A. G. (2006). Anorganische Chemie. 2. aktualisierte Auflage. München: Addison-Wesley Verlag.
  • Gross, D., Hauger, W., Schröder, J., & Wall, A. (2011). Technische Mechanik 1: Statik. Heidelberg: Springer.
  • Mayer, R. E. (2009). Multimedia learning. 2nd Edition. Cambridge, MA: Cambridge University Press.
  • Mayer, Richard E. (Hg.) (2014): The Cambridge handbook of multimedia learning. 2. ed. New York, NY: Cambridge Univ. Press (Multimedia learning).
  • OECD (2011). Education at a Glance 2011: OECD Indicators. OECD Publishing.
  • Pavio, A. (1986). Mental representations: A dual coding approach. Oxford: Oxford University Press.
  • Ramadas, J. (2009). Visual and spatial models in science learning. International Journal of Science Education, 31, 301-318.
  • Wu, H. K. & Shah, P. (2004). Exploring visuospatial thinking in chemistry learning. Science Education, 88, 465-492.

Veröffentlichungen

 

Tagungsbandbeiträge

  • Dickmann, Thomas, Opfermann, Maria, Rumann, Stefan, Dammann, Elmar, Lang, Martin & Schmuck, Carsten (2016). Prädiktoren von visuellem Modellverständnis in der Chemie. In: C. Maurer (Hrsg.), Authentizität und Lernen - das Fach in der Fachdidaktik. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Berlin 2015. (S. 392). Universität Regensburg. Online verfügbar unter: http://www.gdcp.de/images/tb2016/TB2016_392_Dickmann.pdf
  • Dickmann, Thomas, Opfermann, Maria & Rumann, Stefan (2017). Studienerfolg und visuelles Modellverständnis in der Chemie und den Ingenieurwissenschaften. In: C. Maurer (Hrsg.), Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Zürich 2016. (S. 67). Universität Regensburg. Online verfügbar unter: http://www.gdcp.de/images/tb2017/TB2017_67_Dickmann.pdf

 

Poster Präsentationen und Vorträge

  • Dickmann, T., Opfermann, M. & Rumann, S. (2017).Getting the big picture: The role of visual model comprehension for cognitive load and performance in chemistry and engineering studies. 10th International Cognitive Load Theory Conference 2017, Wollongong. (Vortrag)
  • Dickmann, T., Rumann, S. & Opfermann, M. (2017). Visuelles Modellverständnis: Ein Prädiktor für Studienerfolg?! In: Rumann, S. (Chair) Untersuchungen zur Studieneingangsphase in der Chemie. Symposium auf der GDCP Jahrestagung 2017, Regensburg.  Hier bitte noch am Freitag den eingereichten Posterbeitrag zum GDCP-Symposium in Regensburg angeben.
  • Dickmann, T., Rumann, S. & Opfermann, M. (2017). Academic Success and visual model comprehension – an (in)equal couple. ESERA 2017, Helsinki. (Vortrag)Hier bitte noch die ESERA Dublin-Sachen angeben (angenommen).
  • Dickmann, T., Rumann, S. & Opfermann, M. (2017). Visual model comprehension: An important ability in chemistry and engineering? ESERA 2017, Helsinki. (Poster)
  • Dickmann, T., Rumann, S. & Opfermann, M. (2017). Academic Success in STEM: Thanks to Visual Model Comprehension. In: Darner Gougis, Rebekka (Chair) Interdisciplanry Learning and Cognition – College Science Teaching and Learning. NARST 2017 Annual International Conference, San Antonio (Vortrag) Hier bitte noch die NARST-angeben
  • Dickmann, T., Opfermann, M., Rumann, S., Dammann, E., Lang, M. & Schmuck, C. (2016). Vorhersage des Studienerfolgs in Chemie und im Bauingenieurwesen – Bedeutung des visuellen Modellverständnisses. In: Leuntner, Detlev & Sumfleth, Elke (Chair) Das erste Semester in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen – Pilotstudienergebnisse der DFG-Forschergruppe ALSTER. Symposium auf der GEBF Jahrestagung 2017, Heidelberg. (Vortrag)
  • Dickmann, T., Opfermann, M. & Rumann, S. (2016). Studienerfolg und visuelles Modellverständnis in der Chemie. In: Sumfleth, Elke (Chair) Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen – Pilotstudienergebnisse. Symposium auf der GDCP Jahrestagung 2016, Zürich. (Vortrag)
  • Dickmann, T. (2016). Visual model comprehension as a predictor for academic success in chemistry and engineering. ESERA Summerschool, Budweis, Tschechische Republik. (Vortrag)
  • Dickmann, T., Opfermann, M. & Rumann, S. (2016). It’s all about visualizations: the relation betwenn visual model comprehension, cognitive load and knowledge for learning chemistry at university. 9th International Cognitive Load Theory Conference 2016, Bochum. (Vortrag)
  • Dickmann, T., Dammann, E., Opfermann, M., Rumann, S., Lang., Martin. & Schmuck, C. (2016). Prädiktoren von visuellem Modellverständnis in der Chemie und den Ingenieurwissenschaften. In: Sumfleth, Elke (Chair) Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. Postersymposium auf der GEBF Jahrestagung 2016, Berlin. (Poster)
  • Dickmann, T., Rumann, S., Opfermann, M., & Schmuck, C. (2015). Prädiktoren von visuellem Modellverständnis in der Chemie. In: Sumfleth, Elke (Chair) Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. Postersymposium auf der GDCP Jahrestagung 2015, Berlin. (Poster) 

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