Berlin fehlen die Worte

Wer spricht wohl was? Berlin fehlen die Worte

www.berlin.de ist das ‚offizielle Hauptstadtportal‘ der Stadt Berlin. Hier kann man alle möglichen Informationen bekommen – über die Verwaltung, den Verkehr, Notdienste und Wetter. Aber auch, wenn man in eine neue Wohnung zieht oder einen neuen Personalausweis benötigt, kann man die dafür notwendigen Termine beim Meldeamt nur auf berlin.de buchen. Eine wichtige Seite! Der Berliner Senat stellt sie daher auch in anderen Sprachen zur Verfügung.

Welche Sprachen gibt es also? Naheliegend wären die am häufigsten in Berlin gesprochenen Sprachen gewesen. Laut Mikrozensus sind das Deutsch, Türkisch, Englisch, Russisch, Arabisch und Polnisch. Doch nur Deutsch und Englisch finden sich in der Sprachauswahl-Leiste bei berlin.de. Die anderen Optionen in der Sprachauswahl sind Französisch und Italienisch.

Was steht hinter dieser Auswahl? Gesellschaftliche Bewertungen und Einschätzungen, welche Sprachen wichtig und wertvoll sind, verschleiern oft den Blick auf sprachliche Realitäten. In der Forschung spricht man dann von Sprachideologien. Ähnliche Phänomene kennt man aus Schulen, wo Fremdsprachen angeboten werden, die für die Schülerinnen und Schüler oft wenig Bedeutung haben. Andere Weltsprachen wie Arabisch (mit ca. 700 Mio Sprecher*innen) oder Türkisch (fast 100 Mio Sprecher*innen) werden darüber vergessen.

Die Mehrsprachigkeit in Berlin anzuerkennen, hat für die Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese etwas mit Wertschätzung zu tun. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel sagt sie: „Für Alteingesessene, also Menschen, die in der dritten Generation in Deutschland leben, wäre eine Übersetzung des Hauptstadtportals zwar existenziell nicht so wichtig – aber ein wichtiges Signal der Wertschätzung zusätzlicher Sprachen, die in der Familie neben dem Deutschen noch gepflegt werden.“ Und für jüngst Zugewanderte liegt der Nutzen eines mehrsprachigen Angebots jedenfalls auf der Hand!

In der Zwischenzeit fordert auch eine Petition mit dem Titel „Berlin fehlen die Worte“ mehr echte Sprachvielfalt auf Berlins Hauptstadtportal.

Katrin Neuhaus