Eine Rezension zu Sandra Burkhardt " 'Hört in ausgestreuten Reimen den Klang dieser Seufzer, / mit denen ich mein Herz nährte' – Francesco Petrarca." „Es wird ein Gedicht. Gefällt es Euch?“ (S. 18)

(von Charline Porte)


„Mein Laster: Ich zäune alles ein.“ (S. 27) - Sandra Burkhardt tritt beim 24. open mike im Bereich der Lyrik an und schafft es die Jury von sich zu überzeugen. Sie gewinnt den einzigen Lyrikpreis des Wettbewerbs und behauptet sich somit gegenüber anderen lyrischen Texten. Zu nennen sind zum Beispiel Lisa Goldschmidts Gedichte (S.48-55), die in ihrem Aufbau und Metrum den Versuch starten, einer Bewegung der Tänzerin Pina Bausch zu folgen oder Marita Heuß Schwesternsitz (S. 56-63), der als eine Antwort auf einen nie geschrieben Brief von Emily Dickinsons an das lyrische Ich gelesen werden kann, in dem vielleicht zum Ausdruck kommt, dass Liebe in der Gegenwart ein unerreichbares, ja fast lächerliches Ziel darstellt, in dem die „Mappe der Bedeutung“ (S. 63) dieser von Dickinson so vielfach beschriebenen Liebe fort ist.

In Inger-Maria Mahlkes Laudatio heißt es über Burkhardts Lyrik: „Formbewusst, sicher im Sprachgebrauch und mit großer Leichtigkeit gelingt es den Gedichten Sandra Burkhardts dem hohen Ton Petrarcas das Eigene abzulauschen und es zu beleuchten mit der Intimität des eigenen Leselichts.“ Und ja, wenn wir den zwölf Gedichten Burkhardts lauschen, eröffnet sich eine Welt, die es schafft, einen Bogen von der Antike, über Petrarca bis hin zur Gegenwart zu spannen.

Schon der Titel der Gedichtsammlung „Hört in ausgestreuten Reimen den Klang dieser Seufzer, / mit denen ich mein Herz nährte“ – Francesco Petrarca nimmt die LeserInnen mit auf eine Reise in Petrarcas Welt der Canzoniere, die von Schmerz, Trauer und unerfüllter Liebe gezeichnet ist. Das lyrische Ich selbst, welches zwischen einer weiblichen und männlichen Form wechselt, bezeichnet den Gedichtzyklus als „Traktat“ (S. 26). Es liegt ihnen ein dialogisches Konzept zugrunde, das letztlich nicht immer auflöst, wer mit wem im Dialog steht, wer das Ich und wer das Du ist. Ebenso spricht das lyrische Ich einen Freund Petrarcas, Senuccio del Bene, an und möchte ihm darlegen „in welcher Manier dies Traktat hier verfasst ist“ (S. 11). Wird hier eine Verbindung vom Dolce stil nuovo, zum Petrarkismus und letztlich zum – Achtung Neologismus – Burkhardtismus hergestellt? – Dies könnte man vermuten. Dies legt sodann auch das Thema des Traktates fest, dass sich die Liebe in der Verbindung mit der Natur und der Gottheiten zum Gegenstand nimmt und versucht diese Topoi auf die Leinwand der Gegenwart zu projizieren. Beispielsweise entzaubert das lyrische Ich ein petrarcisches Liebesbild: „Nackt, / so viel Scham wie Laken, ein Jüngling mit Flügeln, / Gorgonzola mit Knoblauch: nicht gemalt, sondern wirklich.“ (S. 20) den „Jüngling mit Flügeln“ Es werden Gottheiten wie Amor (S. 20;26), Jupiter (S. 23), Apollo (S. 27) oder der große Feldherr Hannibal (S. 24) angesprochen. Amor, der Gott der Liebe, der das lyrische Ich nur in das „[Un; C. P.]verständnis“ führt (S. 26) oder Apollo, der Gott der Dichtkunst, vor dem das lyrische Ich „regungslos vor der Spelunke, in der [er; C.P.] zum Poeten wurde“ (S. 27) steht.

Wenn man den Gedichten Burkhardts folgt und die Canzoniere Petrarcas kennt, so wird man an einigen Stellen aufhorchen, denn intertextuelle Bezüge nehmen die LeserInnen an die Hand und führen sie durch die angesprochenen Welten: „Wir alle standen Schlange: / Siena, Pisa, Lucca, Rom, Neapel und Pompeji. / Sie alle werden heute wohl eigene Poeten haben. / Doch das ist nicht mein Terrain. Törö!“ (S. 27) Weiter zieht uns „Madonna!“ (S. 22) in die Liebesgeschichte des Canzoniere hinein und gleichsam holt das lyrische Ich die LeserInnen ein paar Zeilen später wieder in die Gegenwart zurück, indem das Leselicht angemacht wird, „wenn es dunkel wird“ (ebd.).

So führt das lyrische Ich durchgehend durch die Gedichte, indem es immer wieder zurückreist, in eine Welt, in der die Götter noch halfen, sie große Dichter schufen, Liebe eine Bedeutung hatte und die Natur noch erhaben war, um direkt wieder in die Gegenwart zu springen, in der all dies nicht mehr auf diese bekannte Weise erklärt und beschrieben werden kann, in der diese ausgestreuten Reime der intertextuellen Welt diese Seufzer des lyrischen Ichs nähren. Eine Welt, in der die Projektion auf die Leinwand der Gegenwart nicht funktioniert. Die Frage: Wie geht man heute mit diesen Themen um? Nüchterne und pragmatische Antwort: „also / entwickle ich folgenden Trick: Man muss ganz einfach / rückwärts zu dem gehen, was brennt.“ (S. 16)

Bibliographische Angabe:
Sandra Burkhardt: „Hört in ausgestreuten Reimen den Klang dieser Seufzer, / mit denen ich mein Herz nährte“ – Francesco Petrarca. In: 24. open mike. Wettbewerb für junge Literatur – Die 22 Finaltexte. München: Allitera Verlag 2016. S. 16-27.