Eine Rezension zu Katharina Goetze "Das Suchen und das Finden" Ich, Du und das eisige Laken

(von Corinna Uhlrich)

In ihrer aus 24 Episoden bestehenden Erzählung Das Suchen nach dem Finden legt Katharina Goetze realistisch die Chronik des Anfangs und Endes einer Ehe dar. Zwar bleibt der Leser bezüglich einer genauen Charakterisierung und Namensgebung der Erzählerin und ihres Partners im Ungewissen, doch dient die zaghafte Beobachtung und Reflektion ihrer Partnerschaft und letztliches des Scheiterns als ebenjene Skizzierung, die ein rastloses, zuletzt apathisches Pendeln zwischen Städten, Ländern und politischen Konflikten offenbart.

Als zentrales Mittel für die Evaluation des jungen, rund acht Jahren währenden Glücks, wählt Goetze als Symbolik des Mittelpunktes der Ehe das Bett, in dem die Erzählerin zu Beginn jeder neuen Episode nachts an unterschiedlichen Orten aufwacht; anaphorisch beginnen diese Miniaturen mit: „Ich wache nachts auf“, S. 28-33 und schließlich mit: „Ich wache auf“, S. 34.

Als erste Reflektion der Beziehungsreflektion dient der Norden Londons in Stoke Newington – hier hat ihr Partner um ihre Hand angehalten. Dass ihr Verlobter einen zu großen Ring wählte, würde als symbolische Anbahnung eines Konfliktes genügen, doch der Kommentar einer alten, explizit als „weiß“ beschriebenen Dame: „Das ist aber mutig. […] [M]utig von Ihnen“, lässt Differenzen interkultureller Art erahnen. „Sind meine Finger zu klein für eine Ehe?“, S. 28 – zu klein für die Überbrückung eventueller Hürden? Schon jetzt scheint die Erzählerin von Selbstzweifeln geplagt. In Aktionismus aufbrechend und gegen dieses Aufkeimen der Unsicherheit streicht sie vehement, sich selbst als Feministin titulierend, alle Ausdrücke in ihren beiden Ehegelübden, die ihrer Ehe eine Ewigkeit attestieren würden. Ihr Partner verbleibt, ähnlich einem Schatten, entlang der Erzählung meist still.

Über Highbury, Richmond in Virginia führt Goetze den Leser auf die indonesische Insel Bali, die als Flitterwochenort dient. Wieder wacht die Erzählerin nachts auf, während ihr Partner – vielleicht unbewusst, vielleicht als Form des Protests ihr den Rücken zuwendet. Deutlicher als zuvor wird der Antagonismus zwischen „Ich“, der Erzählerin, die sich mit Sonnencreme eingecremt im Pool aalt, und „Du“, dem politisch Involvierten, der den Abend über Nachrichten über den Nahostkonflikt und die Entwicklung in Nordafrika verfolgt, deutlich. Goetze nutzt die Stille des Partners für die Zeichnung eines Mannes, der aufgrund seiner afrikanischen Wurzeln als politisch und familiär Betroffener rastlos für seine Überzeugungen in Zeiten äußerer Unruhe in Kairo einstehen will. Entgegen seiner westeuropäischen Frau, die in einer anderen, karriereorientierten Lebenssituation steckt, treibt es ihn nach Afrika, während sie in Asien ihrem Praktikum nachgeht. Die Gegensätzlichkeit resultiert so einer ersten örtlichen Trennung und dem Fortschreiten einer bröckelnden Ehe. Wieder dient das Bett als Symbolisierung dieses Konfliktes, der sich als stiller Kampf als häuslicher Nahostkonflikt darstellt, in dem „zwei Krieger [verzweifelt], das Zwischen-uns nach außen verteidigen“, S. 30, und sich dennoch verschweigen, dass unterschiedliche Überzeugungen über die Zukunft und Lebensführung sowie familiäre Verpflichtungen nicht unter eine Decke gebracht werden können. Die anfangs noch herrschende Hoffnung der Erzählerin auf Nachwuchs weicht als Folge eines sauberen, keuschen Lakens selbstanalytisch treffend formuliert der „erste[n] Phase der Trauer“, S. 31. Als Konsequenz unüberbrückbarer kultureller Unterschiede und dem entgegengesetzten Streben zu unterschiedlichen Orten, resultiert das Sterben dieser Beziehung. Dies spiegelt sich schließlich in den Episodentiteln der fünfgliedrigen „Endstation“ wider, in der der Partner involviert in den Kampf um Mossul, gehindert wird gleichzeitig an den Fronten seines Betts für seine scheiternde Ehe zu kämpfen, S. 32f. Dort liegt nun ein anderer, der die Unersetzbarkeit der Liebe als Illusion vor Augen führt. Vier Episoden lang versucht die Erzählerin eine Neudefinition ihrer selbst, windet sich durch neue Laken, neue Männer und wacht schlussendlich im „Danach“ auf, S. 34. Das Bett als Mittelpunkt der Ehe, als Ort der seelisch-körperlichen Nähe, als Ort der Verzweiflung und des Kampfes aber auch der Suche ist einem Ort des Neuanfangs und der gealterten Eigenständigkeit, die durch die repetitiven, schließenden Indefinita „Irgendwas“ resignativ und wenig optimistisch wirkt, gewichen.

Mit ihrer Ehechronik, die trotz unterschiedlicher Handlungsländer und -städte doch an nur einem Ort entschieden wird, gelingt Katharina Goetze durch ihre nüchterne und gleichsam bildhafte Sprache ein einfühlsames Werk, das das Dilemma einer Liebe zeichnet, die durch äußere Umstände destruiert wird.

Bibliographische Angaben:

Katharina Goetze Das Suchen nach dem Finden. In: 26. open mike. Wettbewerb für junge Literatur. 2018. Die 20 Finaltexte. München: Allitera 2018. S. 28-34.