Eine Rezension zu Sebastian Polmans "Über Peanuts, mich und andere Sachen" (2010) Eine Viertelstunde für Basketball und Nonnen

(von Jan Wittmann)

Die fünfzehn Minuten, die für eine einzelne Lesung beim open mike zur Verfügung stehen, nutzt Sebastian Polmans in seinem Text „Über Peanuts, mich und andere Sachen“, um in einem ausführlichen Wechsel von innerem Monolog und Bewusstseinsstrom die Eindrücke, Gedankengänge und Reflexionen eines männlichen Ich-Erzählers in eben diesem Zeitraum von einer Viertelstunde zu erzählen. Der jugendliche Erzähler verbringt die Zeit wartend und vor dem einbrechenden Regen Zuflucht suchend in einem Buswartehäuschen. Er befindet sich dort nicht allein, sondern in Gesellschaft einer Frau, um die sich sämtliche seiner Gedanken drehen. Diese Frauenfigur bleibt trotz der verstreuten Beschreibungen des Erzählers eher verschwommen und hinterlässt kein stimmiges Bild. Vielmehr wird es wiederkehrend dekonstruiert. So trägt die Frau ein Nonnenoutfit, allerdings nicht in schwarz-weiß, sondern in vanillefarbenem Ton und eine Sonnenbrille ziert als Accessoire ihr Gesicht. Diese irritierenden Beschreibungen, die kein stereotypes Bild entstehen lassen, ziehen sich durch den gesamten Text. Die nonnenartige Frau, die nach einer kurzen Personenbeschreibung durch den Erzähler von ihm nur noch als „die Nonne“ bezeichnet wird, trägt zwar – wie von einer Ordensschwester auch zu erwarten – eine holzgeschnitzte Jesusfigur um den Hals, diese wird allerdings von einem „bierdeckelgroßen, neongelben Heiligenschein“ gekrönt, „der im Dunkeln leuchtet.“ Die gemeinsame Wartezeit verbringt die ebenfalls dunkelhäutige Frau, deren zunächst als „Nonnenoutfit“ bezeichnete Kleidung zwei Absätze später nun plötzlich eindeutig als „Kutte“ identifiziert wird, mit dem Knacken von Erdnüssen um einem kurzen Telefonat per Handy mit einem unbekannten Gesprächspartner, bei dem es sich nach Mutmaßung des Erzählers vielleicht um Gott handeln könnte. Nachdem der Erzähler den Bus bestiegen hat, erblickt er die Frau wenig später erneut, diesmal mit einem Walkman im Schoß auf einer Bank und wird von ihr mit einem kurzen Victory-Gruß verabschiedet.

Dieser Nonne oder Nicht-Nonne – über eindeutige Zuordnungen schweigt sich der Text entweder bewusst aus oder negiert sie wenig später – steht der Erzähler gegenüber, dessen wenige Selbstbeschreibungen ein recht einheitliches Bild ergeben. So handelt es sich um einen dunkelhäutigen Jugendlichen mit einer großen Affinität zum amerikanischen Basketball, was durch das Zitieren entsprechender Sportteams wie den Lakers oder den Yankees ebenso unterstrichen wird, wie in der imaginierten Unterhaltung mit der Frau, – die er sich allerdings nicht getraut anzusprechen – in der er sich als das Basketball-Idol Kobe Bryant vorstellt.

Noch zitatwütiger zeigt sich der Text in Hinblick auf Songtitel, die auffallend häufig eingebunden werden, zwar eines gewissen inhaltlichen Anschlusses an die jeweilige Textstelle nicht entbehren, aber weder semantisierend wirken, noch das Textverständnis fördern. Einem zusammenhängenden Intertext scheinen diese Verweise nicht zu folgen, entstammen die zitierten Songs doch den unterschiedlichsten Musikgenres und weisen auch keine thematische Verwandtschaft auf. Die zahlreichen denglischen Ausdrücke wie „fucking Regen“ oder „fucking Zuhause“ korrespondieren mit vielen weiteren Anglizismen und der ständigen Referenz auf den angloamerikanischen Sprachraum.

Polmans Stil lässt sich am ehesten als unmittelbar beschreiben: Die zahlreichen Demonstrativpronomina und verstärkenden Wendungen, die ein Gefühl oder eine Situation als „so ganz unangenehm“ oder „so richtig heftig“ beschreiben, überbrücken die Distanz zwischen Text und Leser und fordern regelrecht zu einem Eintauchen in die Atmosphäre des erzählten Raum auf. Das macht neben der einfallsreichen Situation, die hier erzählt wird, auch die (einzige) Stärke dieser Kurzprosa aus.

Es ist sicherlich originell, eine Erdnüsse knackende Frau im Nonnenoutfit gemeinsam mit einem jugendlichen Lakers-Fan als Ich-Erzähler, der über die „eckige Mordsbrust“ der Frau sinniert, in einer Bushaltestelle zu versammeln. Doch eine interessante Geschichte bleibt hier ebenso auf der Strecke wie ein Thema, das den Erzähler zu beschäftigen scheint. Der Text setzt sich aus Andeutungen, wie dem kurzen Hinweis auf die verstorbene Mutter des Erzählers, die scheinbar eine Ähnlichkeit mit der Frau in der Haltestelle aufweist, zusammen, die nicht näher ausgeführt werden und ein ziemlich unschlüssiges Bild entstehen lassen. 

Bibliographische Angabe:
Sebastian Polmans: Über Peanuts, mich und andere Sachen. In: 18. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2010. S. 97-103.