Rezension zu Jasmin Seimann „Herr Peichel" Kalkuliert und doch erfolglos

(von Sebastian Paas)

Eine wichtige Erkenntnis des 18. open mike steht fest: Der jungen deutschsprachigen Literatur fehlt es nicht an talentiertem Nachwuchs. Beim Wettbewerb in der Hauptstadt konnte unter Beweis gestellt werden, dass sowohl in der Lyrik als auch in der Prosa junge, hungrige Talente in den Startlöchern stehen, um den Literaturbetrieb auf lange Sicht mit innovativen Texten zu füttern. Doch gerade dort, wo die Konkurrenz groß ist, fallen besonders diejenigen auf, die das hohe Niveau nicht mithalten können. Ein Beispiel hierfür ist Jasmin Seimanns „Herr Peichel".

Seimann legt einen Romanauszug vor. Sicherlich ist es grundsätzlich immer problematisch, ausgehend von einem Auszug, über den gesamten Roman zu urteilen, jedoch muss hier das bewertet werden, was vorliegt. Dabei wird die Geschichte eines alten Kriegsveteranen erzählt, der völlig vereinsamt in seiner Wohnung lebt und sich am Schneefall erfreut. „Es war vor ein paar Jahren gewesen, als er endlich wieder mit ihm Frieden schloss und sie ihre Freundschaft erneuerten. Damals hatte er erkannt, dass der Schnee die Welt erneuerte, dass jedes Jahr die Spuren des Lebens verwischt wurden und neue entstehen durften." Das Schneeflöckchen, Weißröckchen-Szenario wird unterbrochen, als Herr Peichel Besuch von Martin, seinem Lieblings-Pfleger, bekommt. Martin bleibt sogar noch auf einen Kaffee. Als er jedoch von seiner Familie beginnt zu erzählen, blockiert Herr Peichel und bittet Martin zu gehen, sodass er sich zurück in seine Einsamkeit manövriert.

Seimanns Text wirkt insgesamt zu kalkuliert und schafft es somit nicht zu überraschen oder Horizonte zu eröffnen. Mit Hilfe eines Thomas Mann-Zitats versucht die Autorin ihren Text aufzuwerten, allerdings wird nicht ersichtlich, worin die Notwendigkeit dieser Referenz liegt. So wirkt dieser Versuch eher unnötig und peinlich als relevant und bereichernd. Auch die sprachliche Gestaltung des Textes bleibt frei von Innovation und Originalität. Zwar gelingt es Seimann in einem gewissen Maße Spannung aufzubauen, allerdings wohl eher durch die Hoffnung des Lesers auf eine dramatische Wendung, die jedoch auch ausbleibt. So plätschert der Text vor sich hin, denn auch die müden Dialoge können den Text nicht beleben.

Die vorgestellten Figuren wirken zu selten authentisch, ihre Beschreibungen bleiben oberflächlich, ohne dass dabei die Phantasie angeregt wird oder der Leser dazu ermutigt wird sich die Figuren selbst zu erschließen. Insgesamt fällt es schwer den Text und die von ihm skizzierte Problematik ernst zu nehmen, dafür wird ein Einfühlen in die Figuren zu selten mit letzter Konsequenz erzwungen.

Sicherlich setzt man die Ansprüche zu hoch, wenn man von jedem Text eine derartige Wortakrobatik verlangt, wie sie z.B. Jan Snela in seinem Siegertext „Milchgesicht" bis zur Perfektion praktiziert. Außerdem wäre diese bei der in „Herr Peichel" beschriebenen Situation auch nicht angebracht gewesen. Andererseits erwartet man dennoch von einer jungen Autorin, dass es ihr gelingen sollte, ein Interesse weckendes Setting zu konzipieren oder ansonsten zumindest die Sprache zu nutzen, um mit ihr sinnstiftend zu spielen. Beides bleibt jedoch bei Seimanns „Herr Peichel" aus, was halb so schlimm ist, wenn man bedenkt wie hoffnungserweckend sich ihre literarischen Konkurrenten präsentierten.

Bibliographische Angabe:
Jasmin Seimann: Herr Peichel. In: 18. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2010. S. 122-128.