Eine Rezension zu Theresia Töglhofer "Das pure Leben" (2. Prosa-Preis) Bis(s) zum Konjunktiv

(von Tatjana Tempel)

Vieles wurde schon über die sogenannte Generation Y geschrieben: Menschen, die zwischen 1980 und 1995 geboren sind, seien nicht mehr leistungs- und beziehungsfähig. Die ständige Suche nach der perfekten Work-Life-Balance und der eigenen Selbstverwirklichung habe sie zu verwöhnten, verunsicherten Geschöpfen heranwachsen lassen. Schuld seien natürlich die sozialen Netzwerke und die globalisierte Welt mit ihren tausend Möglichkeiten. Dieser Problemstellung widmet sich auch die Erzählung von Theresia Töglhofer, in der ein junges Paar seinen eigenen Lebensstil, entgegen aller Konventionen, zu verwirklichen sucht, für sie Das pure Leben.

„Wir verlieren unsere Zeit nicht mit Dingen, die niemanden interessieren, sehen sie uns auch nicht im Fernsehen an, wir haben keinen Fernseher, haben so viel Besseres zu tun, und es macht Spaß, denn wir wissen, die Welt ist nicht zu retten, wir sind es nur vorübergehend, die Zeit ist zu knapp, und wir wären niemals gesprungen, aber fühlten uns sehr am Leben, als wir unsere Beine über die Brüstung der Dachterrasse baumeln ließen“ (S. 152). Für die Ich-Erzählerin und ihren Freund gibt es kein Vielleicht, keine Träume, kein Leben im Präteritum. Was zählt, sind die Gegenwart, klare Verhältnisse und Schnelllebigkeit. Denn er will das pure Leben, also will sie es auch. Warum Fragen stellen, wenn die Welt doch so einfach sein kann. Sie himmelt ihn dafür an, dass er lieber Flugzeuge an Stelle von Sternen zählt und keine Luftmatratze besitzt. Er gibt die Richtung vor, sie lässt sich mit treiben, darf nicht anderer Meinung sein: „Ich lachte und biss mir auf die Zunge, weil du nicht lachtest. Du rücktest näher, legtest deine Hand in meinen Nacken, sodass ich nicht anders konnte als dich anzusehen. Ich weiß nicht, ob du Blut schmecktest, ich schmeckte Whiskey“ (S. 153). Das Paar, das keins sein möchte, unternimmt „18 Fernreisen, 35 Mittelstrecken, ansonsten Europa, aber niemals derselbe Ort“ und scheint doch nirgendwo anzukommen, bis der Protagonistin erste Zweifel kommen, ob ein Leben mit „könnten, sollten, müssten“ (S. 155) nicht doch die bessere Alternative sei. Denn das pure Leben scheint nur mit Schnaps ertragbar.

Die Erzählung lebt vor allem von ihrer klaren Sprache mit Aufzählungen, Vergleichen und Wiederholungen: „Wir tranken, nachmittags, Kaffee, schwarz ohne Zucker, abends, Whisky ohne Cola, Gin ohne Tonic, Wodka ohne Lemon, ohne uns zu vergessen, ohne uns zu erinnern. Steuerzahler, Folteropfer, Wahrsager: zu aufrichtig, Exfreunde, Hotelbewertungen, das System: zu verlogen […]. Das pure Leben kennt keine Ausflüchte, kennt keine Mixgetränke, kennt nur Whisky ohne Cola, Malibu ohne Orange, Tequila ohne Sunrise.“ (S. 158). Zwar gelingt es der Autorin damit das Lebensgefühl der beiden anschaulich zu verdeutlichen, doch ist dieser Stil nicht neu. Töglhofer schafft es nicht ihren eigenen Ton zu finden. Auch wird dieser leider nicht konsequent durchgezogen, so dass sich präzise, bildhafte Darstellungen mit langatmigen Beschreibungen abwechseln, die wie Tagebucheinträge eines Schulmädchens klingen: „Wir haben uns nie verlaufen, aber wir haben viele neue Wege ausprobiert und hatten viel Neues entdeckt, wenn wir spätabends in unsere ständig wechselnden Hotelzimmer zurückkehrten, mit brennenden Fußsohlen und staubigen Kleidern“ (S. 154).

In ihrer Laudatio lobte Terézia Mora die Erzählung als „einen sehr gegenwärtigen Text, der es schafft, über das Heute zu erzählen, ohne sich an die Tagesaktualität oder an eine Trendigkeit anzubiedern“. Doch gerade durch die Gegenwärtigkeit, ist die Gefahr der Abnutzung auch besonders hoch: Romane von Arno Geiger oder Kevin Kuhn, haben sich diesem Phänomen bereits gewidmet und auch das Internet ist voll von Artikeln und Blogeinträgen. So hat der Prosatext von Theresia Töglhofer mit ihrer Kritik an der schnelllebigen Gesellschaft wenig Neues oder Überraschendes zu bieten. Daher stellt sich die Frage, ob die Literatur nicht doch dem Trend hinterherhinkt. Mal wieder.

Bibliographische Angaben:
Theresia Töglhofer: Das pure Leben. In: 23. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2015. S. 152-159.