Eine Rezension zu Eva Zimmermann "Alma betrügt mich" „Statisten haben eben nichts zu sagen.“

(von Katharina Graef)

Eva Zimmermanns Kurzgeschichte Alma betrügt mich ist der monologische Versuch, eine männliche Gefühls- und Gedankenwelt einzufangen. Auf sprachlicher Ebene gelingt dies stellenweise, allerdings stellt sich schnell die Frage, was dieser Text eigentlich mitzuteilen hat.

Der namenlose Ich-Erzähler kann nicht mehr. Er hat durch einen Zufall erfahren, dass ihn Alma, seine „Kleine“ (S. 169), betrügt. Nun lässt er durch Rückblicke ihre Beziehung Revue passieren, vom ersten Kennenlernen bis zum Abend des ‚Betrugs‘, um so Erklärungen für Almas Verhalten zu finden. Außerdem geht es auch darum zu fragen, wie mit dieser Situation umzugehen sei: Soll er weiterhin „die Statistenrolle in ihrer schmierigen Telenovela” (S. 171) spielen?

Es wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen Alma und dem Erzähler von Anfang an durch Widersprüche und Unsicherheiten geprägt ist: „Kennengelernt im Rosi’s, wo ich eigentlich seit Jahren nicht mehr hingehe, […].“ (S. 167) Eigentlich, vielleicht, wahrscheinlich – Modalpartikel wie diese ziehen sich durch den gesamten Text und zeichnen überzeugend den Schwebezustand des Protagonisten nach. Nie ist das Verhältnis der beiden definiert worden, auch „diese[r] ganze[] Quatsch über Treue” (S. 168) wird nicht thematisiert. Einzig eine blaue Zahnbürste, der Alma neben ihrer eigenen einen Platz in ihrem Badezimmer gibt, steht für eine mögliche engere Verbindung zwischen den beiden und wird so zum tragenden Symbol des Textes. Zudem vermittelt auch die Verwendung alltagssprachlicher Elemente ein Bild der emotionalen Situation des Erzählers, der sich irgendwo zwischen Resignation („Tja. Was habe ich eigentlich erwartet?”, S. 167) und Wut („[...], sollte sie mal ein bisschen Farbe bekennen!”, S. 171) befindet, gleichzeitig dient sie als Vehikel, um in einen Dialog mit den Leser*innen zu treten.

Dass das große Thema des Textes gar nicht der Betrug von Alma an dem Erzähler, sondern dessen Selbstbetrug ist, wird spätestens nach dem ersten Drittel des Textes klar. Und genau das ist die große Schwäche der Erzählung: Sie ist auserzählt, noch bevor sie ihren Höhepunkt, die Schilderung des Betrugs, erreicht hat. Alma wird als „vollendete Frau“, eine Personifikation der Alma Mater, gezeichnet, die beruflich und privat erfolgreich und voller Energie ist, und steht damit im krassen Kontrast zum Erzähler, der resümiert: „Ich interessiere mich überhaupt für sehr wenige Dinge. Wahrscheinlich betrügt Alma mich deswegen.“ Nicht nur wird die Selbstbemitleidung des Erzählers („Nie hatte sie mir eine E-Mail geschrieben, fiel mir endlich auf.“) konsequent bis zum Ende durchgezogen, auch Duktus und Erzählrhythmus bleiben durchgängig gleich und so ist eine Entwicklung von Geschehen und Personal weder auf inhaltlicher noch auf sprachlicher Ebene auszumachen. Viel zu konstruiert und damit langweilig ist auch das Harter-Kerl-aber-trotzdem-verletzbar-Image des Erzählers. Sätze wie „Ja, so bin ich eben, kein Kerl für die zarten Zwischentöne.“ oder „Ideal wäre, wenn man sein Mädchen (das keins ist) zur Treue verpflichten und selbst tun könnte, was man will.“ in Kombination mit der steten Bekundung seines Selbstmitleids wirken wie aus der Klischee-Kiste gegriffen.

Häufig war beim open mike die Rede von den berühmten Leerstellen, die ein Text haben müsse, um interessant zu bleiben. Diese Lücken werden in Alma betrügt mich allzu oft gefüllt, was einen Nachgeschmack von Banalität erzeugt: „So konnte man sich nie in Lügen verstricken, wenn man mit dem einen Liebhaber genau dasselbe veranstaltete wie mit dem anderen. […] Denn das, was wir da hatten, das war offensichtlich komplett austauschbar.“ Austauschbarkeit ist dann auch das einzige, was nach dem Lesen des Textes bleibt. Ein Thema, das mit Recht die meisten Liebesgeschichten beschäftigt. Der Erzähler nimmt sie am Ende hin, keine Überraschung. So bleibt diese Geschichte wie ihr Protagonist nur eine unter vielen Statisten. Und die haben eben nichts zu sagen.

Eine Rezension zu Eva Zimmermann "Alma betrügt mich" Blauäugiger Zahnbürstenbetrug

(von Mirijam Unnerstall)

Zimmermann überrascht mit der offenen Coolness eines männlichen Ich-Erzählers. Die 1980 in Marburg geborene Eva Zimmermann studierte Architektur und kreatives Schreiben. Mittlerweile arbeitet sie als freischaffende Journalistin und Texterin.

In der Erzählung Alma betrügt mich kann der namenlose Ich-Erzähler zufällig in das Badezimmerfenster seiner Freundin Alma sehen, als er auf einer Party im Nachbarhaus ist. Sie befindet sich mit einem anderen Mann im Bad – so wie sonst mit ihm –, der wie selbstverständlich seine blaue Zahnbürste benutzt. Die Leser*innen erfahren die Gedanken und Gefühle des Protagonisten und retrospektiv die gesamte Geschichte. Der Ich-Erzähler hatte die lockere Art der Beziehung mit Alma genossen, auch dass sie oft keine Zeit hatte gefiel ihm – sie war eine unabhängige, tolle Frau, man brauchte sie nicht zu beschützen. Sie ließ ihn sein „ambitionsloses Leben“ leben, wohingegen sie eine „Überfliegerin“ war. Er fand es toll, als plötzlich die (bereits ausgepackte) Zahnbürste im Bad stand: „Mann, war diese Frau cool, das ganze Wie-stehen-wir-zueinander-Ding über eine blaue Zahnbürste abzuhandeln.“ (S. 169) Doch nach dem Betrug reagiert er vorerst nicht mehr auf ihre Anrufe. Schlussendlich endet die Erzählung jedoch mit einem erneuten Treffen. Sie sind in ihrem Bad und er benutzt die (bereits nasse) blaue Zahnbürste.

Dass der Protagonist Probleme mit Beziehungen hat, steht außer Frage. Hat er auch Probleme mit der Wahrnehmung? So eröffnet der Konjunktiv eine weitere Lesart des Textes: „Wenn ich mir abends in ihrer Wohnung die Zähne putzte, würde sie auf der Toilette sitzen und mir irgendwas aus ihrem Tag erzählen […]“ (S. 169). Spielt sich die ganze Beziehungsgeschichte vielleicht nur in der Phantasie des Protagonisten ab?

Vor allem die lockere, leichte Schreibe der Autorin fällt positiv auf: „... meine Süße. Sie kam ins Bad, schon in Shorts und T-Shirt, bettfertig sozusagen. Ich griff nach dem Handy, um ihr eine lustige SMS zu schreiben, frei nach dem Motto: Rat mal, wo ich gerade bin.“ (S. 170) Die kurzen, teils elliptischen Sätze bestimmen das voranschreitende Tempo des Textes und die Geschichte wirkt wie nebenbei erzählt, irgendwie flüchtig. Dass es dabei nicht so sehr in die Tiefe geht, passt zu dem Ich-Erzähler und seinem „Vor-sich-hin-leben“.

Auch ist der Text unterhaltsam, was zwar kein allgemeingültiges Kriterium für gute Literatur, aber doch wichtig für einen tollen open mike-Text ist. Er lässt die LeserInnen an einigen Stellen schmunzeln und besonders die Zahnbürstensache ist ein Geniestreich. So steht die blaue Zahnbürste symbolisch für das Zusammenkommen und das Zusammensein, das Betrügen bzw. Betrogen werden sowie das Weitermachen. Sie erinnert auch an die blaue Blume der Romantik, dem zentralen Motiv für Sehnsucht und Liebe. So unterstreicht die blaue Zahnbürste die Sehnsucht des Protagonisten nach Liebe – und Leben? Darüber hinaus werden die Figuren durch die wenigen Details greifbar. „So, wie ich war, ohne jegliches Talent, ohne Job, ja selbst ohne jegliche Idee dazu“ (S. 167). Alma hingegen ist eine überraschende Powerfrau, die nie „Beziehungsgespräche, diesen ganzen Quatsch über Treue, bei dem jeder normale Mann am liebsten weglaufen würde“, (S. 168) führt.

Alma betrügt mich ist ein amüsanter, kurzweiliger Text, der in sich rund und abgeschlossen ist. Auch wenn er mit dem Betrogenwerden ein gängiges Thema aufgreift, so macht er doch etwas Eigenes. Beispielsweise steht nicht, wie vielleicht in typischen Frauenromanen, die betrogene Frau im Mittelpunkt, sondern ein eher handlungsunfähiger und ambitionsloser Mann. Auch ist es keine tiefgreifende Leidens- oder Liebesgeschichte und der Text folglich nicht die erneute Darstellung einer (gescheiterten) Beziehung. Am Ende spielt der betrogene Protagonist Almas Spiel sogar mit – auch wenn er weiterhin (blauäugig) betrogen wird.

Bibliographische Angabe:
Eva Zimmermann: Alma betrügt mich. In: 21. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2013. S. 167-171.