Studie: Gleichstellung im Fakultätenalltag

Seit etwa 15 Jahren wird das Thema Gleichstellung an Hochschulen intensiv beforscht. Es hat sich dabei gezeigt, dass vermehrt die Fakultäten in den Blick genommen werden müssen: Was geschieht hier konkret im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern? An der Universität Bielefeld führte Dr. Sabine Schäfer eine Studie an der Technischen Fakultät sowie in der Abteilung für Psychologie der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft durch.

Die zentrale Fragestellung des Forschungsprojektes lautete:

  • Inwiefern ist Gleichstellung im ‚normalen' Fakultätenalltag verankert?

Schäfer führte mit zehn in der Gremienarbeit aktiven Frauen und Männern leitfadengestützte Interviews und untersuchte anhand des Materials die Vorstellungen der InterviewpartnerInnen zur Gleichstellungsthematik. Die Personen wurden zu ihrem Werdegang, zur aktuellen Position, zu ihrer Sicht auf die Fakultät und die Atmosphäre die dort herrscht, befragt. Weitere Gesprächsthemen waren die Gremienarbeit, die Sicht der Interviewten auf die Abläufe von Berufungsverfahren und die Bedeutung von Gleichstellung in diesen Verfahren sowie in der Handlungspraxis der Fakultät allgemein (ebd.).

Link zum Volltext:

Sabine Schäfer (2012): „'... und dann stellt sich die Frage anders.' Erste Ergebnisse aus dem Projekt Gleichstellung im Fakultätenalltag – Die Praxis zählt", in: Journal des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW Nr. 30. S. 29-35.

Im Folgenden werden die ersten Ergebnisse der Studie von Dr. Sabine Schäfer skizziert:

Wahrnehmung von Handlungsspielräumen

Die beiden untersuchten Fakultäten unterscheiden sich in ihrer Historien und den Geschlechterverhältnissen. Eine Gemeinsamkeit besteht aber in der Wahrnehmung des Professorinnenanteils – dieser werde sowohl von den Befragten der Technischen Fakultät als auch von jenen in der Psychologie als zu niedrig eingeschätzt.

Die Ursachenzuschreibung ist jedoch sehr unterschiedlich: Zwei der befragten AkteurInnen in der Psychologie schreiben den Absolventinnen und Absolventen des Faches insgesamt eine hohe Praxisorientierung zu, d. h. dass sie nach dem Studium eine Therapieausbildung anstreben. Dieses Ziel werde von mehr Absolventinnen ins Auge gefasst und sei ein Grund, warum der Anteil von Frauen in den akademischen Positionen geringer sei. Die Handlungsspielräume dem entgegenzuwirken sind aus Sicht der Befragten gering, die geschlechtsspezifische Sozialisation sei sehr wirkmächtig. Es bleibe nur der Appell an die jungen Frauen in der Wissenschaft zu bleiben - trotz der meist prekären Beschäftigungsverhältnisse.

Die technische Fakultät, deren Professorinnenanteil im Übrigen höher ist, als jener in der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, weist zum einen eine besondere Entstehungsgeschichte auf. Ein Schwerpunkt dieser Fakultät ist die Informatik. Hier liegt der Fokus auf die Bioinformatik, die Biotechnologie und die kognitive Informatik. Die Fakultät arbeitet mit Fachgebieten zusammen, in denen viele Frauen studieren (z. B. Linguistik, Psychologie und Biologie). Zum anderen partizipierte die Fakultät an verschiedenen Förderprogrammen der DFG und der Bundesregierung. Durch die Öffnung der Disziplin für andere Fachgebiete sowie die Teilnahme an den Förderprogrammen habe sich eine Gelegenheitsstruktur für Gewinnung von Frauen ergeben (S. 31). Die Interviewpartnerinnen sehen in der gezielten Frauenförderung ein gutes Mittel, um Frauen für eine Tätigkeit in der Wissenschaft zu motivieren.

Berufungsverfahren und Gleichstellungspläne: Chancen und Risiken

Als schwierig erweist sich in beiden Fakultäten die Übersetzung von der Theorie der „Gleichstellung als Querschnittsaufgabe" in die Praxis von Berufungsverfahren (S. 32-33). Das Problem liege oft darin, dass „die Leute auch schon jemanden im Kopf" haben und die Ausschreibung für eine Professur entsprechend formulieren. In der Technischen Fakultät beschreibt eine Person die gezielte Ausschreibung als ein mögliches Instrument, welches zur Gewinnung von Frauen genutzt werden könnte. Diese Praxis kann also sowohl als Chance als auch als Hindernis für die Steigerung des Anteils von Professorinnen gewertet werden.

Gleichstellungsplänen, wie sie im Nordrhein-Westfälischen Landesgleichstellungsgesetz vorgeschrieben sind, wird in beiden Fakultäten ein geringes Potential zur Förderung der Gleichstellung zugesprochen. Sie würden nur punktuell, z. B. bei Personalentscheidungen genutzt, doch ihre Bekanntheit und die Möglichkeit sie als Anreiz für die Reflexion der Geschlechterverhältnisse zu nutzen, sei insgesamt ihrer Einschätzung nach begrenzt.

Ausblick

Die Ergebnisse von Sabine Schäfer lassen sich auf folgende Formel bringen: „Problem erkannt - unterschiedlich gebannt". Unterschiedlich, da die Wahrnehmung der jeweiligen Handlungspotentiale in den beiden untersuchten Fakultäten divergiert. So habe nach Schäfer, die Abteilung für Psychologie zwar kein Frauenproblem -  die Mehrheit der Studierenden ist weiblich – jedoch aber ein Gleichstellungsproblem. Die Gründe für den geringen Anteil von Wissenschaftlerinnen auf den oberen Statusebenen liegen in den Augen der Befragten dieser Fakultät in der geringeren Motivation von Frauen, sich für eine Karriere in Lehre und Forschung zu entscheiden. Mit den Mitteln der Frauenförderung sei hier, so die Autorin der Studie, „womöglich wenig zu erreichen, denn Frauen sind auf den ersten Blick ja ausreichend vorhanden." (S. 34) In der Technischen Fakultät sehen die Befragten größere Handlungsspielräume gezielt zu intervenieren, z. B. in der Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten.

Die Studie biete verschiedene Anknüpfungspunkte: Hier kann v. a. die Fachkulturforschung die Gegebenheiten innerhalb einer Fakultät, die Wahrnehmungen, Deutungsmuster und Handlungspraxen der Akteur verstärkt unter die Lupe nehmen. Zu unterscheiden sei dabei, so Schäfer, vor allem die Perspektiven der unterschiedlichen Statusgruppen: von den Studierenden, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung hin zu den Professorinnen und Professoren.