Charakteristika des Werks

Die Schatten der Ideen

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Die Schatten der Ideen [ ↑ ]
Der im Jahr 2008 erschienene Roman Die Schatten der Ideen ist eine Analyse der jüngeren Geschichte Amerikas und eine Mischung aus Krimi, College-Novelle und historischer Biographie. Modick zeigt anhand eines Schriftstellers, der im Jahr 2003 eine Gastdozentur in den USA annimmt und eines Exilanten, der 1935 vor den Nazis nach Amerika flieht, dass sich gewisse Strukturen in der Geschichte wiederholen. Auch wenn beide Männer unterschiedliche historische Ereignisse und Systeme miterleben, werden am Beispiel von Angst und Panikmache während der McCarthy-Ära und nach den Anschlägen am 11. September 2001 Parallelen in der Vergangenheit und der Gegenwart aufgezeigt.
Die Handlung beginnt mit Moritz Carlsen, der an einer Schreibblockade leidet und daher die Einladung dankend annimmt als writer in residence am Centerville College in Vermont zu unterrichten. Hier soll er neben einem Übersetzungskurs auch ein Seminar im Kreativen Schreiben geben. Im Nordosten Amerikas angekommen, muss sich der Schriftsteller mit dem amerikanischen Hochschulalltag und einer Gesellschaft arrangieren, die nach den Terrorangriffen unter dem Deckmantel des Patriotismus, jeden als Staatsfeind erklärt, der die Bush-Regierung und den Irak-Krieg nicht unterstützt, obwohl inzwischen alle wissen, „daß die Gründe für diesen Scheißkrieg vorgeschoben, an den Haaren herbeigezogen“ (S. 55) sind.
Die Handlung nimmt eine Wendung, als Carlsen durch Zufall im Keller seines Gästehauses Aufzeichnungen in deutscher Handschrift findet, die seine Neugierde wecken. Von da an wechseln sich Steinbergs Tagebucheinträge mit den Geschehnissen in der Gegenwart, also Carlsens erste Seminarstunden und das aktuelle politische Geschehen, ab. Im Laufe der Handlung nehmen die Passagen über Steinberg immer mehr Raum ein, so dass die Gegenwart immer nebensächlicher wird und die Kapitel zwischen den Einträgen immer kürzer werden, da Carlsen nun die meiste Zeit damit verbringt, über Steinberg nachzudenken und aus dessen Heften zu exzerpieren, um daraus einen Roman schreiben zu können.
Aus diesen geht hervor, dass sie dem jüdischen Historiker Julian Steinberg gehören, der zu dem Zeitpunkt, als er die Ereignisse aufschreibt, im Vermonter Gefängnis sitzt und dort damit begonnen hat, seine Biographie aufzuschreiben. Warum er inhaftiert ist, bleibt jedoch zunächst unklar. In der Ich-Perspektive berichtet er, wie er 1935 aus Hamburg vor den aufstrebenden Nazis geflohen ist, um an einer Universität in den USA zu arbeiten. Durch einen Schicksalsschlag kann er die Stelle jedoch nicht antreten und muss sich fortan notgedrungen mit Jobs als Taxifahrer und Barkeeper in New York über Wasser halten. Nach weiteren Verstrickungen verliebt er sich in Maggie, die Tochter seines ehemaligen Chefs, und zieht für sie nach Vermont und zwar in genau das Haus, in dem Carlsen zurzeit untergebracht ist. Dort arbeitet er als Holzfäller und LKW-Fahrer bis er durch einen glücklichen Zufall am Centerville College eine Stelle am historischen Institut angeboten bekommt. Steinberg ist also zunächst überglücklich, da er nun endlich Maggie heiraten kann. Parallelen zwischen Carlsen und Steinberg finden sich nicht nur im Setting, sondern auch im Liebesmotiv wieder, da Carlsen sich zu dem Zeitpunkt, als er Steinbergs Liebesgeschichte liest, in seine Studentin Lauren verguckt, die ihn jedoch zunächst nicht beachtet und auf einer Collegeparty abblitzen lässt.
Im letzten Teil der Einträge beschreibt Steinberg seine Bekanntschaft und den Briefwechsel mit dem Schriftsteller Carl Zuckmayer, der auch aus Deutschland immigriert ist und sein Exil in der Nähe des Centerville Colleges auf einer Farm verbringt. Modick entwirft mit Zuckmayers Farm einen Ort, der unpolitisch und distanziert der Hysterie des aufkommenden Antikommunismus im Land gegenübersteht. Denn Steinbergs Hefte beschreiben weiter, wie nach der Invasion der Normandie als Beginn des Kalten Krieges die Truman-Doktrin beschlossen wird und sich die Stimmung im Land schlagartig ändert. Jeder wird verdächtigt ein Kommunist zu sein und auch Steinberg gerät in den Verfolgungswahn des Antikommunismus-Komitees, als er im Namen eines verstorbenen Kollegen eine Vorlesung über den Theologen, Philosophen und Kosmologen Giordano Bruno hält, der im 16. Jahrhundert wegen seiner Lehren von der Inquisition zum Tod verurteilt wurde. Das Seminar beruht unter anderem auf Brunos komplexen Schriften zu seiner Mnemotechnik namens De umbris idearum (lat. „Die Schatten der Ideen“), welche sich um metaphysische und kosmische Spekulationen und Berechnungen drehen, „daß bestimmte ‚Astralkräfte‘, die die äußere, physikalische Welt regieren, auch im Inneren, in der menschlichen Psyche wirksam sind und dort zur Aufrechterhaltung eines magisch-mechanischen, künstlichen Gedächtnisses reproduziert und gespeichert werden können“ (S. 338).
Diese Spekulationen über einen Gedächtnisapparat veranlassen Steinbergs Kollegen Professor Harding anzunehmen, Steinberg wolle einen Umsturz anzetteln, so dass er Steinberg die Notizen stiehlt und ihn anschließend anzeigt. Dieser muss sich schließlich wegen angeblichen kommunistischen Aktivitäten vor den Ausschuss für unamerikanische Umtriebe behaupten. Hier werden Parallelen zwischen Bruno und Steinberg deutlich, da beiden wegen ihrer Thesen der Prozess gemacht wird. An dieser Stelle erfahren die Leser*innen auch, dass dies der Grund ist, warum Steinberg im Gefängnis landet. Das Ende der Aufzeichnungen beschreibt, dass er wegen guter Führung kurz vor der Entlassung steht und ein Angebot der Universität Bern vorliegen hat, das er gerne annehmen möchte. Damit enden dessen Tagebücher.
Der letzte Teil dieser Einträge ist stark an das Krimi-Genre angelehnt. So wird den Leser*innen in den letzten Heften mit Prolepsen immer wieder angedeutet, dass bald etwas Schlimmes geschehen wird und die Beschäftigung mit diesen nicht ungefährlich ist. Und auch die Handlung um Carlsen entwickelt sich immer mehr zu einer Detektivgeschichte, da er anfängt Nachforschungen über Steinberg einzuholen und dabei auf Hindernisse stößt. So sind merkwürdigerweise Steinbergs Publikationen in der Bibliothek seit Jahren unauffindbar oder Seiten aus Anthologien herausgerissen. Weiter erfährt er von einer ehemaligen Sekretärin, dass Steinberg kurz nach seiner Entlassung mit seiner Frau Maggie im Auto von einer Brücke gestürzt und ums Leben gekommen ist. Jedoch deutet sie an, dass es sich Gerüchten zufolge um Mord gehandelt haben könnte. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, lädt er sich unter einem falschen Vorwand bei dem noch lebenden Professor Harding ein, doch dieser wirft ihn brüskiert aus dem Haus. Darauf wird Carlsen wie einst Steinberg unter Druck gesetzt: Lavalle, der ehemalige Leiter des germanistischen Instituts, bleiben die Aktivitäten Carlsens nicht verborgen und daher macht er ihm deutlich, die Geschichte um Steinberg besser ruhen zu lassen.
Carlsen kann nicht aufhören an seine Studentin Lauren zu denken und auch sie zeigt auf einmal doch Interesse an ihm. Und so kommt es, dass die beiden eine leidenschaftliche Affäre beginnen. Zwischenzeitlich handelt Carlsen mit dem Freund von der Enkelin von Professor Harding einem Computerforscher namens Lansing einen Deal aus: Dieser ist an Gedächtniscomputern und an den Protokollen zu Brunos Denkmaschine interessiert und bietet Carlsen im Tausch Dokumente über Steinberg aus Hardings Keller an, aus denen hervorgeht, dass Harding tatsächlich Steinbergs Bremsen manipuliert haben könnte. Die beiden Treffen sich, um die Dokumente auszutauschen. Als er nach Hause kommt, erfährt Carlsen, dass Lauren aus heiterem Himmel abgereist ist, ohne ihm etwas davon zu sagen. Kurz darauf taucht Lavalle auf und zwingt Carlsen zur Herausgabe der Hefte und der Dokumente, die Lansing aus dem Keller von Professor Harding entwendet hat. Carlsen kann sich anschließend nicht erklären, woher Lavalle von den Aufzeichnungen wissen konnte und findet eine Wanze in seinem Telefonhörer. Nun wird ihm erst klar, dass Lauren ihn belogen und mit Lavalle zusammen gearbeitet hat. Daraufhin verbrennt Carlsen die Kopien, die er heimlich von Steinbergs Manuskript gemacht hat.

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Thematische Aspekte zu Die Schatten der Ideen [ ↑ ]

Liebe und Freundschaft
Das Thema Liebe und Freundschaft durchzieht Modicks Romane.
In Die Schatten der Ideen bekommt Carlsen den Job an der Universität in Vermont erst durch die Vermittlung seines alten Freundes Hocki, der im Roman als positiver Ruhepol für Carlsen fungiert. Auch das Thema Liebe spielt eine zentrale Rolle, denn beide Protagonisten verlieben sich auf den ersten Blick in eine Amerikanerin. Allerdings werden zwei verschiedene Liebekonzepte dargestellt: Julian Steinberg heiratet Maggie, führt mit ihr eine glückliche Beziehung und im Sinne eines romantischen Liebesnarrativs kommen beide sogar zusammen ums Leben. Dagegen ist Carlsens Liebe zu Lauren nur von kurzer Dauer. So ist die Liebesbeziehung zwischen den beiden an die Örtlichkeit des Campus gebunden und lässt sie erst durch die äußeren Umstände erscheinen: „Die Geheimnistuerei war ein Ärgernis, aber sie machte die Sache auch abenteuerlicher, romantischer, erregender“ (Die Schatten der Ideen, S. 419). Dass Dozent und Studentin sich – vor allem in dieser Geschlechterzuordnung – auf eine Affäre einlassen, scheint das Klischee eines Campusromans zu bestätigen. Doch hier ist es nicht die Studentin, die hierarchisch unter dem Professor steht, sondern Carlsens Annoncen gegenüber Lauren bleiben zunächst unerwidert und mit seiner Verliebtheit gleicht er eher einem pubertären Studenten: „Carlsen spürte das Pochen seines Herzens. Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn. Mit weichen Knien schlenderte er betont beiläufig durch den Raum“ (212f.). Diese ‚Liebe‘ entpuppt sich letztlich als Schwindel, denn sie hat ihm nur etwas vorgespielt, um an Informationen über Julian Steinberg zu kommen. Sie ist damit die Geliebte, die sich hinterher als Gegenspielerin herausstellt.

Schriftstellerdasein und Selbstreflexion
Thematisch setzt sich Modick immer wieder mit dem Schriftstellerdasein auseinander und reflektiert in seinen Romanen den Schreibprozess, wodurch seine Romane auch auf den Autor selbst verweisen. Für Modick ist ein Text nie rein fiktional, er vertritt vielmehr die These, dass das Autobiographische jedem literarischen Text inhärent sei.
So finden sich auch in Die Schatten der Ideen gewisse Bezüge zwischen Autobiographischem und Literarischem: Der Protagonist Carlsen ist Schriftsteller und unterrichtet Kreatives Schreiben, an einer Hochschule in Vermont, wie einst auch Klaus Modick. So wirken beispielweise Carlsens Gedanken über die Lehrtätigkeit selbstreflexiv: „Aufgabenstellungen hielt Carlsen für kontraproduktiv. Wer schreiben wollte, der wußte auch worüber. Und wer nicht wußte, was und worüber er schreiben sollte, dem fehlte nicht nur das Ausdrucksbedürfnis, sondern wahrscheinlich auch das Talent“ (S. 121). Die Aussage, dass man Kreatives Schreiben nur lernen könne, wenn man Talent, Kreativität und Phantasie besitze (vgl. S. 66), unterstreicht der Roman unter anderem mit den Worten Carl Zuckmayers: „Man kann Grammatik unterrichten, aber keine Literatur. Talent ist eine Gnade, die sich nicht herbeireden läßt“ (S. 299). An anderer Stelle gibt der Text Einblicke in den Literaturbetrieb und sinniert darüber, ob Schreibblockaden erst durch den finanziellen Druck, unter dem Autoren oft leiden, ausgelöst werden: „Sein letzter Roman war von der Kritik zwar freundlich aufgenommen worden, doch der Verkauf verlief eher unfreundlich. Und die Übersetzungen wurden so kümmerlich honoriert, daß er schon seit geraumer Zeit von der Hand in den Mund lebte – von der Wand in den Mund sogar, hatte er doch neulich ein Bild verkaufen müssen, an dem er sehr hing. Hinzu kam die Schreibblockade. Aber vielleicht kam sie gar nicht hinzu, sondern wurde durch seine Klammheit erst produziert?“ (S. 45f.)
Ein Beispiel für die Selbstreflexivität von Modiks Texten findet sich in Die Schatten der Ideen, wenn es über den Schreibprozess heißt: „Schreiben ist ein sich selbst generierender Prozeß. Die besten Ideen hat man nicht, wenn man überlegt, was oder wie man schreiben soll, sondern die Ideen kommen beim Schreiben selbst, und man wird literarisch um so fruchtbarer, je mehr man schreibt“ (S. 121). Noch deutlicher wird dies in einer Szene, in der Carlsen in seinem Seminar diskutiert, wie ein Schriftsteller mit dem Schreiben einer Liebesszene umgehen könne (vgl. S. 400f.). Einige Seiten später findet sich mit der Liebesszene zwischen Carlsen und seiner Studentin Lauren eine solche Gestaltungsmöglichkeit praktisch umgesetzt (vgl. S. 421f.).
Da sich auch immer wieder Kommentare dazu finden, was Literatur zu leisten habe, kann man hier den Anspruch des Romans an sich selbst ableiten und zwar das Unbenannte in Worte zu überführen: „Worte für das zu finde, was man vor Augen hat, was man hört oder empfindet, kann sehr schwer sein. […] Wort für das zu finden, was nicht, noch nicht geschrieben wurde, ist Aufgabe der Literatur, ist die poetische Arbeit und Leistung“ (S 90). Der Roman macht darüber hinaus auch seinen Entstehungsprozess selbst zum Thema, denn er wirft die Frage auf, wie ein Schriftsteller gefundenes Material verarbeiten kann. So schreibt Carlsen die Aufzeichnungen des Historikers Steinberg ab und verändert sie mit der Intention, daraus einen Roman zu fertigen. Der Leser begleitet Carlsen somit von der Ideenfindung bis hin zum Entstehungsprozess. Da die Hefte versteckt waren und Steinberg verstorben ist, spielt Carlsen auch mit dem Gedanken die Geschichte als seine eigene auszugeben. Die Frage, was ein Plagiat ist, wo es anfängt und aufhört, zieht sich damit durch den Roman und wird auch von Carlsen selbst hinterfragt: „Und schließlich blühte Carlsens eigene Autorschaft zwischen und über den Zeilen von fremder Hand immer üppiger auf. […] Er hatte begonnen, sich Steinbergs Manuskript nicht nur materiell, sondern auch geistig anzueignen. Bedenken kamen. Plagiat war überall und grundsätzlich eine üble Sache“ (S. 147). Doch trotz der Bedenken wird Steinbergs Text immer mehr zu seinem eigenem Text, „als wär‘s ein Stück von ihm“ (S. 215).
Diesen Prozess, sich einen Text zu eigen zu machen, beschreibt Carlsen auch beim Übersetzten: „Beim Übersetzten mache man die Erfahrung, daß sich früher oder später, intensiver oder flüchtiger, das Gefühl einstelle, das Original verwandele sich in den eigenen Text. Das liege daran, daß man den fremden Text zu lieben beginne“ (S. 403). Da Carlsen Steinbergs Manuskript aufschreibt, anpasst und neue Dimensionen zufügt, leistet auch er damit eine Art von Übersetzung: „Doch schon nach wenigen Seiten behandelte er Steinbergs Aufzeichnungen als ein fremdsprachiges Original, das er mit großer Freiheit und Selbstverständlichkeit in seine eigene Sprache entführte und dabei umformte“ (S. 147). Zum anderen stellt der Roman die Frage, ob auch Kreatives Schreiben immer eine Art von Übersetzung ist, da der Autor seine subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit in Literatur übersetzt: „Der Autor nämlich hat die künstlerisch entscheidende Übersetzung bereits geleistet, indem er die Welt zur Sprache gebracht hat“ (S. 92). Der Aspekt des Übersetzens weitet sich so zum Inbegriff des Schreibens überhaupt aus und bleibt  nicht nur auf den offensichtlichen Bereich beschränkt, der im Roman etwa in Passagen erörtert, in denen Carlsen die Grenzen und Möglichkeiten des Übersetzens in seinem Übersetzungskurs diskutiert.
Auch die Aspekte Freiheit und Einschränkung spielen hierbei eine Rolle. Sie finden sich in der Übersetzerthematik wider, da Übersetzungen einerseits frei in der Wahl der ästhetischen Mittel  sein sollen, aber auch die Genauigkeit und Treue gegenüber dem Original nicht verlieren dürfen. (vgl. S. 402) Im Roman wird das Eingeschränktsein von Immigranten thematisiert, wenn diese durch ihr zum Teil eingeschränkten Sprachfähigkeiten dazu gezwungen seien, unterhalb ihres Sprachniveaus zu kommunizieren und daher von der Umwelt als minderwertig eingestuft würden. „Die Welt eines Menschen ist wesentlich die Welt seines Sprachvermögens“ (S. 132). Jedoch könne die unfreiwillige Sprachbarriere auch dazu führen, Sprache auf das Wesentliche zu reduzieren und alles Unwichtige dadurch auszuklammern.

Amerika
Modick, der des Öfteren in Amerika an Universitäten lehrte und amerikanische Literatur ins Deutsche übersetzt, ist ein Kenner der amerikanischen Kultur und behandelt dieses Thema in einigen seiner Romane. So ist auch Die Schatten der Ideen ein Amerikaroman, der in Amerika spielt und auch sonst viele Aspekte aufgreift, die mit Amerika in Verbindung stehen: Zum einen beleuchtet der Roman das deutsch-amerikanische Verhältnis, zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Sprache auf, reflektiert amerikanische Werte und setzt die amerikanische Geschichte ins Verhältnis zu Ereignissen in der Gegenwart.
Neben vielen Beobachtungen und Kommentaren zum amerikanischen Alltag, zeichnet der Roman ein differenziertes Bild von Amerika, in dem Klischeevorstellungen als widersprüchlich entlarvt werden. Steinbergs Biographie scheint zunächst das typische Beispiel für den American Dream, da er sich als Einwanderer in Amerika vom Taxifahrer und Barkeeper durchschlagen muss, bis er schließlich als Universitätsprofessor angestellt wird. Doch diese amerikanische Idealvorstellung, dass „nicht, was man gelernt hat, zählt, sondern das, was man kann; nicht die Möglichkeit wird geschätzt, sondern die Tat, nicht die Idee, sondern ihre Umsetzung“ (S. 130), entpuppt sich als Produkt vollkommener Willkür. So gelingt es Steinberg nur durch einen Zufall die Unterstützung eines einflussreichen Millionärs zu erlangen und mit dessen Einfluss die Stelle an der Universität zu bekommen. Als Steigerung des ganzen wird Steinbergs „amerikanischer Traum zum Alptraum“ (S. 185). Er wird wegen angeblicher kommunistischer Tätigkeit verhaftet und umgebracht. Modick spielt auch mit der Vorstellung vom bösen amerikanischen Kapitalisten, da er sie hier ins Gegenteil verkehrt: Der Multimillionär Douglas Vanderkirk wird menschlich und großzügig dargestellt, verhilft Steinberg zur Professur und unterstützt darüber hinaus mit seinem Kapital den spanischen Bürgerkrieg. Das Vorurteil Großkapitalisten seien böse und müssten faschistisch oder McCarthy zugeneigt sein, geht hier nicht auf.
Anhand von verschiedenen Individuen und verschiedenen Zeitebenen werden im Roman Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufgemacht und gezeigt, dass sich gewisse Grundstrukturen im Laufe der Zeit nicht verändert haben und „alles schon mal dagewesen“ (S. 314) ist. So sind Überwachung und Sanktionen kennzeichnend für den Prozess Giordano Brunos im 16. Jahrhundert, den Nationalsozialismus , die McCarthy-Ära und oder die Bush-Ära. Auch wenn sich die Systeme hinter diesen historischen Ereignissen unterscheiden, lassen sich doch viele Parallelen feststellen. Allen ist ein zusammenkonstruiertes Feindbild gemeinsam, von dem eine angebliche Gefahr ausgeht mit der Konsequenz, dass willkürlich Menschen verdächtigt und schlimmstenfalls inhaftiert oder getötet werden. So erinnern etwa die willkürlichen Anschuldigungen und die Mittel der Gewalt, vor denen das Komitee für unamerikanische Triebe nicht zurückschreckt, an die Vorgehensweisen der Nationalsozialisten oder auch an die Inquisition, die Giordano Bruno wegen Ketzerei verfolgte. Davon unterscheiden sich die USA auch in den 2000er Jahren nicht wesentlich, wenn sie dem Irak wegen vorgeschobener Gründe, den angeblichen Massenvernichtungswaffen, den Krieg erklärten. Die Parallelen werden im Roman besonders an der Darstellung der beiden Protagonisten deutlich. Ihre beiden Lebensläufe spiegeln sich nicht nur darin, dass beide als deutsche Immigranten an derselben Universität in den USA lehren, dort in dem gleichen Haus wohnen und sich beide in eine Amerikanerin verlieben, sondern sie werden auch Opfer eines Einbruchs und als Höhepunkt dessen, wird Carlsen an der gleichen Brücke abgedrängt, wo Steinberg ums Leben kam. Die Kommunistenjagd während des Kalten Krieges spiegelt Modick in Giordano Bruno, da die beiden für ihre Ideen verurteilt werden und reflektiert daran die Idee der Freiheit. Überschneidungen finden sich aber vor allem in der Atmosphäre der Angst und Panikmache während der McCarthy-Ära und in der Anti-Islam-Stimmung zu Zeiten des Irakkriegs. So muss sich Carlsen schon vor der Reise im amerikanischen Konsulat einer ausführlichen Befragung unterziehen und auch der Sicherheitswahn bei der Flughafenkontrolle wird zur Tortur: „Auf der Suche nach Massenvernichtungswaffen fischten die Kontrolleure bei der Handgepäckkontrolle vor den Gates einen Nagelknipser aus seinem Koffer. Man erklärte die Nagelfeile, keine fünf Zentimeter lang, für waffenfähig“ (S. 17). Mit Ironie und Satire wird das ganze vom Sprecher kommentiert: „Allgemeine Angst vor Reisen grassiere, besonders vorm Fliegen. Und überhaupt fühlten sich viele außer Landes nicht mehr so sicher. So gehe der amerikanische Neoimperialismus also auch mit einem Neoisolationismus einher“ (S. 93).
Modick macht hier deutlich, dass dieses übertriebene Bedürfnis nach Sicherheit dafür sorgt, dass das Recht der persönlichen Freiheit, eine der uramerikanischen Werte, eingeschränkt wird und darüber hinaus der Einschüchterung dient. „Vielleicht sollten die penetranten Kontrollen und Befragungen auch gar keine Sicherheitsgefühle erzeugen, sondern das, was sie zu dämpfen vorgaben: Angst – und damit Gefügigkeit gegenüber einem Regel- und Räderwerk, das alles und jeden überwachsen wollte“ (S. 19). Wieder werden hier Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Systemen deutlich, auch wenn nun vermeintliche Terroristen und nicht mehr Kommunisten die erklärten Feinde sind. Auch unter dem Deckmantel des Patriotismus werden Andersdenkende, ähnlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges eingeschüchtert und als unpatriotisch oder unamerikanisch gebrandmarkt: „Die Mehrheit schweige dazu, ducke sich weg, um den amerikanischen Traum nicht zu gefährden. Öffentliche Kritik an der Regierung sei derzeit verdächtig bis gefährlich; also werde sie unterdrückt, eine Art Selbstzensur, um Konflikten auszuweichen. Widerspruch und Kritik gebe es natürlich noch; man äußere sie nur nicht, oder wenn, dann informell, hinter vorgehaltener Hand, unter Gleichgesinnten“ (S. 54). Hier wird ein weiterer amerikanischer Grundwert, die freie Meinungsäußerung, untergraben: „Manchmal hat man ja das Gefühl, daß so eine Art neuer McCarthyismus umgeht. Manchmal fragt man sich, ob der als Selbstverteidigung verkaufte Neoimperialismus der Regierung nur das nach außen geschwungene Schwert ist, das eigentlich nach innen zielt, um Bevölkerung hinter Fahne zu zwingen, auf Linie zu bringen. […] Patriotismus als Volksverdummung“ (S. 154f.). Doch auch in einer liberalen Umgebung wie der des Colleges findet sich kaum jemand, der nicht ohne einen Aufkleber mit „We support our troops“ ausgestattet ist. Carlsen wird von seinem Freund Hocki erklärt, dass die meisten von den vorgeschobenen Gründen, um angebliche Massenvernichtungswaffen und Ölinteressen wüssten, aber trotzdem nach dem Motto „Right or wrong – my country“ (S. 55) die Soldaten unterstützen würden, da diese nichts dafür könnten.
Hinter all dem verbirgt sich eine Doppelmoral: Amerika will die Welt kontrollieren, „damit das Böse nicht die Welt beherrschen kann“ (S. 391), erklärt Irak den Krieg, um für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Ein weiteres Paradoxon wird im Roman beschrieben, da Meinungen zum Irak-Krieg und gegen den Öl-Pazifismus auch aus Europa nicht erwünscht seien, obwohl diese Haltung durch die Reeducation von Amerika selbst anerzogen ist (vgl. S. 25). Modick schildert hier also ein Land der Widersprüche und Gegensätze. Von den ursprünglichen Ideen des freien Landes und der unbegrenzten Möglichkeiten sind nur noch Schatten übrig geblieben. Letztlich lässt sich daraus folgern, dass sich zwar die Geschichte nicht wiederholt, „aber Dummheit und Mißtrauen sind in der Geschichte chronisch. Und Barbarei wiederholt sich“ (S. 325). Das heißt einige Parallelen und Strukturen sind im Lauf der Geschichte wiedererkennbar, was Modick mit seinem Roman veranschaulicht.
In Sunset versuchen Lion Feuchtwanger und seine Frau Marta die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten, der Antrag wird jedoch wegen des Kommunismus Verdachts gegen Lion Feuchtwanger immer wieder verzögert. So muss sich Feuchtwanger mehrmals in Befragungen verantworten oder sieht sich Überwachungs- und Spionageaktionen der Regierung ausgesetzt. „‘Sagen Sie mal, lieber Feuchtwanger‘, fragte er [Franz Werfel] unvermittelt und entgegen seinem ansonsten etwas umständlichen Habitus sehr direkt, schleichen bei Ihnen auch manchmal solche dezent gekleideten Herren ums Haus und schauen Ihnen ins Fenster?‘ […] ‚Das werden wohl die Leute von der Alien Enemy Control des FBI sein‘ sagte Feuchtwanger. ‚Bei uns gehen sie nicht nur ums Haus, sie waren sogar schon drin‘“ (Sunset, S. 52). Es handelt sich hierbei um tatsächliche Erlebnisse Feuchtwangers, die Modick literarisiert. Mit der McCarthy-Ära rechnet Feuchtwanger zudem in seinem 1948 erschienenen Roman Wahn oder Der Teufel in Boston ab. 

Exil
Die Exilthematik findet sich auch in Die Schatten der Ideen: Der jüdische Protagonist Julian Steinberg flieht vor den Nationalsozialisten und findet wie Brecht und Feuchtwanger Asyl in Amerika. Er muss sich dort trotz seiner akademischen Ausbildung mit Arbeiten als Barkeeper oder Taxifahrer durchkämpfen, bis er nach Jahren durch die Heirat mit einer Amerikanerin die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangt und schließlich einen Job als Professor an einer Universität bekommt. Ein weiteres Beispiel im Roman ist der deutsche Schriftsteller Carl Zuckmayer, der sich ebenfalls ins amerikanische Exil rettet und dort auf einer abgeschiedenen Farm lebt. Jedoch kann der Autor ähnlich wie Brecht nicht mehr an seine schriftstellerischen Erfolge anknüpfen, da er sich bewusst gegen die Arbeit für die Maschinerie Hollywood entschieden hat: „Aber die meisten sitzen als Sklaven auf den Galeeren Hollywoods und schreiben nicht einmal für die Schublade, sondern für den Papierkorb. Ein Elend sondergleichen“ (Die Schatten der Ideen, S. 299). Anders als Brecht leidet er jedoch nicht darunter, sondern ist mit seiner Arbeit als Farmer zufrieden, da es eine ehrliche Arbeit sei: „Manchmal kommt es mir sogar so vor, daß ich erst hier im Exil eine Heimat gefunden habe“ (S. 301). So thematisiert der Roman anhand dieser Figuren die Problematik der Exilanten in Amerika und reflektiert über Sprachbarrieren, Exilliteratur und die deutsche Nachkriegsgeschichte aus der Sicht der amerikanischen Exilanten. 

Hochschule und Campusleben
In Die Schatten der Ideen ist die Darstellung der Hochschullebens ein zentrales Thema. Die Gattung des Universitätsromans ist vor allem im anglo-amerikanischen Raum verortet, wo er eine lange Tradition hat. Die aus Deutschland stammenden Protagonisten Carlsen und Steinberg sind beide an Universitäten in Amerika beschäftigt. Modick hält der amerikanischen Universität den Spiegel vor, indem er neben pointierten Beschreibungen auch die negativen Seiten dieser elitären Welt aufzeigt. Neben ausführlichen Beschreibungen des Universitätsgeländes  schildert der Autor den Campus als einen „vergoldeten Elfenbeinturm“ (S. 368), in dem die eigenen Gesetze herrschen. Mit Ironie wird das College weiter als „witzlose Zone“ (S. 152) beschrieben. Nach dem Motto „correct, more correct, college“ (S. 152) herrscht dort einen „Korrektheitsfanatismus“ (S. 18), der den deutschen Bürokratiewahnsinn noch übertrifft: „Deutsch Bürokratie war ein lichter Hain gegen diesen Formaliendschungel“ (S. 37). Der Roman analysiert die amerikanische Universität auch als ökonomische und marketingorientierte Gesellschaft, die durch die Aufnahme von Studenten aus sozialen Minoritäten Imagepolitur betreibt (vgl. S. 87) und erkannt hat, dass „Erziehung eben auch Business ist“ (S. 87). Diese Formalitäten scheinen inzwischen eine wichtigere Rolle zu spielen als das Interesse am Fach selbst. Auch der amerikanische Traum wird so als zweischneidiges Schwert gezeigt, da dieser an den Elitevorstellungen und Hierarchien oft scheitert, wie es auch zunächst bei Steinberg der Fall ist.
Im Roman wird der Campus also einerseits als in sich geschlossener Ort mit eigenem Regelwerk dargestellt, andererseits kann er sich aber auch nicht den gesellschaftlichen Spannungen entziehen. So hat der allgegenwärtige Sicherheits- und Kontrollwahn der amerikanischen Gesellschaft auch auf dem Campus seine Folgen, denn ohne Ausweis, die College-ID, ist man „kaum ein halber Mensch[...], quasi nichtexistent“ (S. 37) und das eigens errichtete ‚sexual harassment center‘ wacht mit Argusaugen über jeden geringsten Verstoß.
Auch der hitzköpfige und liberale Carlsen eckt während seiner Gastdozentur öfter an. Den größten Tabubruch begeht er, als er dem Reiz des Verbotenen nachgibt und sich auf seine Studentin einlässt: „Eine Affäre zwischen Studentin und Professor war von allen Todsünden im Katechismus des Colleges die tödlichste“ (S. 424). Diese Entscheidung rächt sich im Nachhinein. Zwar fliegt die Affäre nicht auf, wodurch Carlsen einen Rauswurf zu befürchten hätte, aber seine Geliebte wendet sich am Ende gegen ihn.
Auch wird ihm nahe gelegt, dass er sich auf dem Campus besser nicht gegen den Irakkrieg äußern oder sich aus den Nachforschungen über Steinberg heraushalten sollte. Indem Modick so verdeutlicht, dass diese Überwachungsmentalität die Freiheit des Denkens bedroht, unterstreicht er hier gleichzeitig die Wichtigkeit von Liberalität und Meinungsfreiheit an Universitäten als Gegenentwurf zur Gleichmacherei und totalitären Systemen: „In einem College wurde außer Hochschulpolitik und Postengeschacher zwar keine Politik gemacht, aber hier entstanden Meinungen und Ideen. Ideen, hatte Lansing gesagt, sind alles. Und Hochschulen waren die Fabriken, die Ideentreibstoff produzierten. So gut wie geistiges Gift konnten Ideen auch geistiger Sprengstoff sein“ (S. 408).

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Formale Aspekte zu Die Schatten der Ideen [ ↑ ]

Intertextualität
Die Schatten der Ideen ist eine Collage aus historischen Zeugnissen, Liedern, Bücher, Filmzitaten, Protokollen, Gedichten und Briefen. Die Briefe Zuckmayers im Roman hat Modick erfunden, beruhen und paraphrasieren aber aus seinen Briefen und Werken. Dass Modick Zuckmayer einbringt, ist kein Zufall, da er bereits in seinem Vermonter Journal Zuckmayers Schatten über den Schriftsteller geforscht hat. So liest Carlsen auf dem Hinflug aus Zuckmayers Biographie Als wär’s ein Stück von mir und lässt Zuckmayer als Protagonist auftreten, der sich mit Julian Steinberg anfreundet. Dessen Figur ist die Kontrastfolie zu Steinberg und seine Thesen nimmt Modick als Grundlage um verschiedene Thematiken wie Flucht, Literatur und das deutsch-amerikanische Verhältnis zu analysieren.
Auch auf andere Literatur geht der Roman ein, da Carlsen seinen Studenten anhand von Herman Melvilles Moby Dick die Parallelen zwischen Moby Dick und Bin Laden aufzeigt. (vgl. Die Schatten der Ideen, S. 61).
Zudem spielt der Roman auf die amerikanischen Reaktionen auf Michael Moores Film BOWLING FOR COLUMBINE an und ein Kapitel über Carlsens Übersetzungskurs heißt in Anlehnung an den gleichnamigen Film LOST IN TRANSLATION von Sofia Coppola(vgl.S. 119). Außerdem findet sich die James Bond Thematik wieder, die hier aber ins Gegenteil verkehrt wird. So referieren die Protagonisten Steinberg und Carlsen darüber, dass ein Martini unbedingt geschüttelt und nicht gerührt werden dürfe (vgl. S. 213), in Professor Lavalle findet er seinen bösen Gegenspieler und seine Geliebte Lauren verrät ihn. Jedoch durchschaut er – anders als James Bond – ihr Spiel nicht, so dass der ‚Detektiv‘ Carlsen in seiner Geheimmission am Ende scheitern muss und Lavalle gewinnt.

Perspektive, Zeit und Handlung  
Kennzeichnend für Modicks Texte sind verschiedene Elemente, wie zum Beispiel das Kombinieren mehrerer Schauplätze. In Die Schatten der Ideen spielt die Handlung sowohl zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und Amerika und der McCarthy-Ära als auch in Hamburg und im amerikanischen Vermont um die Jahrtausendwende. Auch die nichtlineare Erzählweise und der Wechsel von Erzählperspektiven sind typisch, sodass es zu unterschiedlichen Darstellungen von Ereignissen kommt: Julian Steinbergs Tagebucheinträge sind in der Ich-Perspektive geschrieben, indessen schildert der personale Erzähler die Erlebnisse aus Sicht von Moritz Carlsen, mitunter in Form erlebter Rede: „Und wenn er etwas von Carlsen wollte, warum hatte er dann nicht auf ihn gewartet? Warum verpißte das Arschloch sich dann auf diese rücksichtslose Tour?“ (Die Schatten der Ideen, S. 430).
Da Carlsen die Aufzeichnungen von Steinberg findet, hat der Roman nicht nur zwei Handlungsebenen, sondern ist auch eine Geschichte in der Geschichte. Durch Zeitsprünge wechseln Vergangenheit und Gegenwart ab. Beide Handlungsstränge sind ebenbürtig und zentral für den Handlungsverlauf. So beeinflusst Steinbergs Manuskript nicht nur Carlsens Gegenwart, sondern darüber hinaus spiegeln sich die Biographien durch Parallelen im Handlungsverlauf. Zudem lässt sich spekulieren, ob auch der Roman selbst auf einer dritten Ebene eine Fiktion in der Fiktion ist. Wie schon erwähnt verbrennt Carlsen am Ende seine Kopien von Steinbergs Aufzeichnungen, doch bleibt offen, ob er nicht trotzdem auf Grundlage seiner Abschriften auf seinem Computer einen Roman schreibt, wie er es ursprünglich vorhatte. Und so gesehen könnte Die Schatten der Ideen auf einer Metaebene der fiktive Roman Carlsens sein.

Vorausschau und Rückblicke
Da Die Schatten der Ideen als Kriminalgeschichte angelegt ist, ist die Verwendung dieses Stilmittels hier noch viel ausgeprägter. Der ganze Roman besteht aus Vor- und Rückschauen, um nicht nur die Ebenen miteinander zu verbinden, sondern auch um Spannung aufzubauen: „Hätte ich geahnt, daß ich als angeblicher Feind der amerikanischen Verfassung gut ein Jahrzehnt später wieder vor einem Richter stehen sollte, wäre ich kaum so guter Dinge in unser neues Heim an der Old Maple Lane zurückgekehrt“ (Die Schatten der Ideen, S. 276). Analepsen dienen in den Romanen hauptsächlich zur Erklärung, um beispielsweise zu verdeutlichen, woher Carlsen seinen alten Studienkollegen Hocki kennt (vgl. S. 8ff.).

Realistisches Erzählen
Modicks Texte sind durch einen syntaktisch einfachen, realistisch-mimetischen Stil geprägt. Die Schatten der Ideen vermittelt einen realistischen Eindruck der amerikanischen Gegenwartsgesellschaft, indem es das Zeitgeschehen anhand ausführlicher Beschreibungen der amerikanischen Gesellschaft und Landschaft sichtbar macht: „Sie bogen Richtung Centerville auf die Route 9 ein, passierten Supermärkte und Einkaufszentren mit Parkplätzen, Autohändlern, Schnellrestaurants, Tankstellen, eine Bowlingbahn“ (Die Schatten der Ideen, S. 32). Auch die Erwähnung von Marken und Namen, wie etwa der New York Times oder Michael Moores Film BOWLING FOR COLUMBINE aus dem Jahr 2002 verstärken diesen realistischen Effekt. Die Verwendung von Umgangssprache: „Was benutze man in Deutschland anstelle des in Amerika inflationär gewordenen F-Wortes? Scheiße? Immer noch die gute alte Scheiße? Das lief ja tief blicken, so oder so“(S. 380), die Streuung amerikanischer Begriffe und Halbsätze in Form von Code-Switching unterstreichen, dass die Handlung in Amerika der 2000er Jahre spielt. So heißt es im Roman: „Na ja, anyway“ (S. 255). Auch die Sprachstruktur des Englischen greift Modick auf und überträgt sie ins Deutsche, in dem er bei der Figur eines Amerikaners zum Beispiel anstelle des Englischen „man“, das häufig am Satzende im Englischen benutzt wird, mit dem deutschen „Mann“ ersetzt: „Das wär’s doch wirklich, Mann“ (S. 443).

Äußere und innere Form
Das Gefühlsleben der Protagonisten wird häufig in äußeren Handlungen widergespiegelt. So zeigt das Summen eines Kühlschranks Moritz Carlsens Gedanken (vgl. Die Schatten der Ideen, S. 234) oder die Natur veranschaulicht in einer Szene seine Überlegungen, ob er die alten Tagebücher von Julian Steinberg abschreiben und aus ihnen einen neuen Roman schreiben soll: „An der Zufahrt zum Haus standen zwei abgestorbene Bäume, so vollständig von Efeu überwuchert, daß man ihre Konturen kaum noch erkannte und es den Anschein hatte, als hielte sie nur noch das hemmungslos zum Licht strebende Efeu aufrecht. Und hinterm Haus blühten auf einem vergessenen Komposthaufen prächtige Kürbisse. Carlsen starrte die Tastatur an, tippte Fundstück und schloß die Datei“ (S. 148).

Titel
Der Titel von Die Schatten der Ideen hat darüber hinaus eine zweifache Bedeutung. Zum einen ist er die deutsche Übersetzung von Giordano Brunos Entwurf namens De umbris idearum, in dem es um eine Denkmaschine geht, die „die komplette Menschheitsgeschichte speichern“ (S. 338) könnte. Indem der Roman sich mit der Wiederholung historischer Ereignisse auseinandersetzt und die aktuelle amerikanische Geschichte thematisiert, leistet er selbst auch einen Beitrag dazu, Menschheitsgeschichte zu speichern. Andererseits zeigt der Roman, dass von den amerikanischen Werten und Ideen nur noch Schatten übrig geblieben sind.

Ironie und satirische Elemente
Der Sicherheitswahn der amerikanischen Gesellschaft wird von Modick satirisch auf die Spitze getrieben. So beschreibt eine Szene in Die Schatten der Ideen, wie die amerikanische Botschaft in Berlin aus Terrorangst beinahe evakuiert werden muss, weil Carlsen im Gebüsch davor seinen Reisekoffer versteckt oder weil bei der Flughafenkontrolle seine „Nagelfeile, keine fünf Zentimeter lang, für waffenfähig“ (S. 17) erklärt wird.

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Pressespiegel zu Die Schatten der Ideen [ ↑ ]
Von der Literaturkritik wird der Roman Die Schatten der Ideen überwiegend positiv bewertet. So lobt Edo Reents in der FAZ (04.10.2008) Modicks "historische Tiefenschärfe“, da der Roman eine beeindruckende Bestandsaufnahme der paranoiden Strukturen in der amerikanischen Geschichte sei: „Dass der Roman unter dieser ideologisch-historischen Last nicht zusammenbricht, ist kein Wunder, sondern Modicks Fabuliertalent und seinem Willen zur Unterhaltung zu danken“. Besonders Modicks intime Landeskenntnis und seine pointierten Beobachten machen den Roman für Reents zum „großen Wurf“. Daneben zeigt Volker Hage vom Spiegel (13.10.2008) beeindruckt von Modicks historischer Genauigkeit, die „so beklemmend wie fesselnd“ sei. Auch Hendrik Werner (Die Welt, 14.02.2009) ist begeistert von Modicks Campusroman: „Modick ist ein formidabler Roman gelungen, der literarische Vergangenheitsbewältigung so bewundernswert betreibt wie eine ketzerische Nahaufnahme des Innenlebens nicht nur amerikanischer Institutionen der Academia.“
Für Steffen Martus (Süddeutsche Zeitung, 14.10.2008) hingegen betreibt Modick „Geschichtstheorie mit dem Hammer. Und so grob wie diese historische Assoziationskette geschmiedet ist, so unfein wird der Leser durch den Roman geführt“. So fühle sich der Rezent durch die ständigen Fingerzeige vom Autor unterschätzt. Zwar sei die Binnengeschichte um Julian Steinberg im Grunde interessant, doch sei sie lieblos erzählt und werde immer langweiliger, je mehr sich die Geschichte von einer Exilantengeschichte zu einem Thriller verwandele. Vor allem das Ende, „ein überdrehtes James-Bond-Finale“, missfällt ihm. Lobende Worte findet er jedoch für die zweite Handlungsebene und Modicks ironische Erzählweise: „Die Rahmenhandlung über Carlsen fällt dagegen sehr viel witziger und spannender aus, so wie man das von Modick gewohnt ist.“ 

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Forschungsspiegel zu Die Schatten der Ideen [ ↑ ]

Postmodernismus
In Die Schatten der Ideen gewinnt der Roman durch das Manuskript von Steinberg eine zweite Handlungsebene (vgl. Düsing 2010, S. 185) und sei somit eine „Fiktion in der Fiktion – mit dem Effekt, dass erstens die erste Fiktion logisch gleichwertig und zusammenhängend mit der eingebauten zweiten ist; und dass zweitens Klaus Modick auf der Stelle als postmoderner Schriftsteller verhaftet wurde“ (Winkels 2010, S. 111). Für Mörchen sind die postmodernen Impulse der Grund dafür, dass „Modick nie ins Triviale abrutscht“ (Mörchen 2011, S. 74). Schließlich sei tagesaktuelles Politisieren nicht seine Sache: „Aufklärung möchte er via Unterhaltung leisten“ (ebd.), aber auf einer literarischen Ebene, die Ironie, Parodie, Satire, metasprachliches und intertextuellem Spiel beinhalte (vgl. ebd.).
Zwei weitere Begriffe der Postmoderne, die auch bei Modick eine große Rolle spielen, sind Intertextualität und Zitat. Ralf Schnell schreibt dazu: „Kritiker ‚postmoderner Schreibweisen‘ sehen in der zitathaften Verwendung literarischer Traditionen entweder ein Zeichen für die Austauschbarkeit von Stillagen oder einen Mangel an Originalität. In Wahrheit geht es den Autoren der ‚Postmoderne‘ um eine besondere Form der Traditionsaneignung. Wenn in gegenwärtiger Literatur mit literarischen Traditionen spielerisch verfahren wird, dann bringt sich darin – so Klaus Modick (geb. 1951), einer der als ‚postmodern‘ geltenden jüngeren Autoren – ein ‚gebrochenes‘ Wiedererkennen von Wirklichkeit zur Geltung“ (Schnell 1993, S. 448). Modick zitiert sowohl sich selbst als auch zahlreiche andere Autoren wie Thomas Mann, Kurt Tucholsky oder Johann Wolfgang von Goethe.

Autor in der eigenen Fiktion
In der Forschungsliteratur wird häufig thematisiert, dass der Autor sich bewusst in seine eigenen Texten einschriebe. Düsing stellt beispielsweise fest, dass die Namen der Protagonisten häufig Wortspiele aus Klaus Modicks Namen sind. So könnte der Name des Protagonisten Moritz Carlsen auch eine Anlehnung an die Umkehrung seiner Initialen sein (vgl. Düsing 2010, S. 184). Zudem durchziehen autobiographische Elemente die Texte. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf drei Themenbereichen: Das Schriftstellerdasein, seine Heimat Norddeutschland und Amerika. So stellt Winkels fest, dass „immer wieder das Oldenburgische“ (Winkels 2010, S. 108) eine wichtige Rolle spielt. Dass Modick seine Romane wie Die Schatten der Ideen auch häufig in Amerika ansiedelt, führt er auf dessen Biographie zurück: „Dabei ist nicht entscheidend, aber trotzdem bedeutsam, dass Klaus Modick seit über zwanzig Jahren mit der Amerikanerin Marjorie Jamison verheiratet ist, […] dass er fast jeden Sommer in den USA verbringt, dass seine älteste Tochter dort studiert und dass er vor allem Bücher amerikanischer Autoren der Moderne seit vielen Jahren erfolgreich übersetzt […]. Was zur Folge hat, dass der Schauplatz einiger Modick-Bücher tatsächlich an der Ostküste liegt, in den Neuenglandstaaten“ (Winkels 2010, S. 108f.). Auch für Düsing sind „Übereinstimmungen mit realen Personen gewollt und unvermeidlich“ (Düsing 2010, S. 184). 

Kriminal- und Universitätsroman
In Die Schatten der Ideen verbindet Modick die Gattung des Kriminal- und Universitätsromans miteinander. Diese beiden Elemente untersucht auch Düsing in seinem Aufsatz Die Universität im Spiegel des Kriminalromans. Für ihn ist diese Verknüpfung charakteristisch für den modernen Roman. Zunächst stellt er fest, dass der zum Genres der Campus-Novel gehört, „weil der Roman Vorgänge auf dem Campus eines College in Vermont darstellt“ (Düsing 2010, S. 183). Jedoch wechsele das Genre mit dem Fund von Julian Steinbergs Aufzeichnungen zum Kriminalroman, dessen Zentrum aber immer noch der Campus sei (vgl. Düsing 2010, S. 186). Carlsen werde durch seine Spurensuche immer mehr zu einem Detektiv., Für Düsing ist Lauren nicht nur Lavalles Gehilfin, sondern er interpretiert beide auch als Angestellte des FBI, so dass er das Ende als „Zusammenstoß zwischen dem Poeten und der Polizei, zwischen Geist und Macht“(Düsing 2010, S. 188) sieht.
Auch Düsing weist daraufhin, dass der Roman das James-Bond-Motiv ins Gegenteil verkehre. Carlsen und Lauren wirkten darüber hinaus „wie die Parodie eines James-Bond-Abenteuers, wozu auch gehört, dass er nicht der unbesiegbare Frauenheld und geniale Detektiv ist, sondern etwas naiv auf das schöne, intelligente Biest hereinfällt“ (Düsing 2010, S. 187). Da der Autor außerdem ein ausgezeichneter Amerikakenner sei, würde er sein Wissen und seine Haltung auch in die Geschichte miteinfließen lassen: „Diese Ereignisse haben die USA, aus der Sicht des deutschen Autors, negativ verändert“ (Düsing 2010, S. 184). Der Aufsatz thematisiert darüber hinaus auch die „aus dem Kalten Krieg stammende, geradezu paranoide Überwachungsmentalität, die heute wieder, vor allem in den USA, die Freiheit des Denkens und damit die Universität bedroht“ (Düsing 2010, S. 188). 

Krumme Touren

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Krumme Touren [ ↑ ]
Der aus mehreren Kurzgeschichten bestehende Erzählband Krumme Touren erscheint im Jahr 2009 im Eichborn Verlag. In insgesamt neunzehn Kapiteln werden jeweils neunzehn, unterschiedlich lange und nicht zusammenhängende Kurzgeschichten erzählt, die teilweise heute, teilweise aber auch in anderen Jahrzehnten wie den 1960er oder 80er Jahren spielen. Die Geschichten spinnen sich um alltägliche Begebenheiten und zufällige Begegnungen, ein gemeinsames Element sind jedoch Erinnerungen: Ob an Kindheits-und Jugendlieben oder an den ersten Urlaub an der Nordsee, jeder der durchweg männlichen Protagonisten erzählt von einer Erinnerung, die ihn und sein Leben geprägt hat, seien sie noch so banal.
Auf dem Cover des Bandes ist eine Kassette zu sehen und beim Lesen wird deutlich, dass auch Musik eine tragende Rolle spielt: So dreht sich eine Geschichte um das Weiße Album der Beatles, eine andere spannt sich um eine Songzeile von Jimi Hendrix. Darüber hinaus steht vor fast jeder Geschichte ein thematisch passendes Songzitat. Die Stimmung der Kurzgeschichten variiert von gruselig-schaurig (Die Toten vom Watt) über skurril (Kiss the sky) bis hin zu dramatisch (Die Geschichte einer Narbe). Oftmals sind pointierte Wendungen eingebaut, welche den Erzählungen Ironie und Witz verleihen und die die Leser*innen mit Unerwartetem überraschen.
In Krumme Touren lassen sich einige intertextuelle Bezüge zu anderen literarischen Werken erkennen. So handelt die Geschichte Wasserfall und Zauberberg davon, wie der Protagonist und zwei Frauen nacheinander den Roman Der Zauberberg von Thomas Mann lesen und wie sie sich danach für immer auf eine gewisse Art und Weise verbunden fühlen. Eines der kapitelvorangehenden Zitate ist aus einem Werk des amerikanischen Autors Harold Brodkey und der Erzählband endet mit einem Haiku des japanischen Dichters Matsuo Bashô.

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Thematische Aspekte zu Krumme Touren [ ↑ ]

Erinnerung
Erinnerungen sind in mehreren Werken Modicks ein zentrales Thema.
In Krumme Touren beispielsweise besteht jede Geschichte aus Erinnerungen; ob Kindheits- und Jugenderinnerungen oder die Erinnerung an ein bestimmtes, prägendes Ereignis. Die erste Fahrt an die Nordsee, die Geschichte, wie es zu einer Narbe kam oder die düstere Sage um die Vergangenheit eines Hauses auf dem Watt zum Beispiel. Modick zeigt, wie wichtig Erinnerungen für eine Person sein können und was für Auswirkungen sie auf ihr denken und handeln haben.

Musik
Musik ist das gemeinsame Element aller Geschichten. In fast jeder Kurzgeschichte ist Musik ein konstitutives Element – ob in Form von Songtexten, Musikern oder Albumtiteln. Hier sind vor allem Kiss the sky und Ein weißes Album zu nennen. In Ersterem kommt der als Seele im All umherschwirrende Jimmy Hendrix im Körper eines älteren Deutschen Mannes auf die Welt. Zufällig landet er bei einem Casting der Castingshow Deutschland sucht den Superstar und wundert sich über die Unmusikalität, die nun auf der Erde vorzuherrschen scheint. Er tritt als Begleitung zweier Mädchen auf, wird aber von der Jury mit den Worten „antiquiert […] psychedelisch ist megaout“ (Krumme Touren, S. 76) abgewiesen. Als Pointe sagt eines der Jurymitglieder, das sei fast wie Jimi Hendrix gewesen, aber Hendrix sei „für’n Arsch“ (ebd.), das mache jeder Musikcomputer heute besser, als Hendrix es selbst gekonnt hätte. Dieser beschließt daraufhin zurück ins All zu kehren und verabschiedet sich mit den Worten „‘scuse me while I kiss the sky“ (Krumme Touren, S .77) – eine Zeile aus einem von Hendrix Liedern. Die Geschichte kann als ein ironischer Kommentar des Autors zu dem Phänomen ‚Castingshow‘ verstanden werden.
In der zweiten Geschichte Ein weißes Album legt die 19-jährige Babysitterin Annika eine Vinyl-Platte – das Weiße Album der Beatles – ausversehen auf die Heizung, wodurch es unbrauchbar wird. Bestürzt darüber, beginnt der Vater des Kindes von seinen Erinnerungen zu erzählen, die er mit der Platte verbindet: „Ich saß vor der Stereoanlage und verschwand im Weißen Album. Es gehörte mir und ich gehörte ihm“ (Krumme Touren, S. 33). Mit Jimi Hendrix und diesem Vater als Musikliebhaber und Beatles-Fan werden zwei verschiedene Figuren beschrieben, in deren Leben die Musik eine identitätsbildende Rolle spielt.

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Formale Aspekte zu Krumme Touren [ ↑ ]

Intertextualität
Nahezu jedes von Modicks Werken weist intertextuelle Bezüge auf. In Klack finden sich intertextuelle Bezüge teils zu Klassikern der Weltliteratur, teils aber auch zu seinen eigenen Texten. So weist der Roman Parallelen zu der Kurzgeschichte Erste Lieben und andere Peinlichkeiten aus dem Erzählband Krumme Touren auf. Sie sind in einer ähnliche Zeit angesiedelt, irgendwann in den 60er Jahren. Zum Teil finden sich regelrechte Selbstzitate. So heißt es in Klack: „Die Wände waren mit Deco-Fix beklebt, und an einer Stelle, an der die Klebebahnen ungenau aneinanderstießen, fuhr eine abgeschnittene Gondel gegen das Kolosseum, und aus dem Ausschnitt einer vollbusigen, glutäugigen Italienerin ragte eine Mandoline“ (Klack, S.206). In Krumme Touren heißt es: „Die Wände waren mit Deco-Fix beklebt, und wo die Klebebahnen ungenau aneinanderstießen, fuhren abgeschnittene Gondeln gegen das Kolosseum, und aus dem Ausschnitt einer feurigen Italienerin ragte eine Mandoline (Krumme Touren, S. 66). Man kann die Kurzgeschichte also als Vorarbeit zum späteren  Roman lesen. Aber auch intertextuelle Bezüge zu anderen literarischen Texten lassen sich finden. Ein ganzes Kapitel in Krumme Tourenliest sich als Bezug zu Der Zauberberg von Thomas Mann und in Klack lassen sich Referenzen zu Günter Grass‘ Die Blechtrommel finden.

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Pressespiegel zu Krumme Touren [ ↑ ]
Marc Peschke schreibt auf HR online (13.02.2010) Modicks Buch sei ein wunderbares Beispiel für die Liebe zur kurzen Form und dem Hang, Großes zu erzählen. Dieser Meinung schließt sich auch Andreas Heimann (Berliner Literaturkritik15.02.2010) an: „Modick kann auch kurz.“ Der Kritiker lobt außerdem Modicks Gespür für überraschende Wendungen und Pointen, die die Geschichten lesenswert und unterhaltsam machen. Nicht begeistern für Krumme Touren kann sich Jörg Magenau von der Süddeutschen Zeitung (16.03.2010). In seinen Augen sind die Geschichten „harmlos, altbacken und abgestaubt“. Der Erzählband mit seinen „zombifizierten Kerngeschichten“ sei „Konfektionswäre“.2010) ist der Ansicht, dass Klaus Modick sogar Alltagsbanalitäten zu Lebensgefühl verdichten kann. Dies betont auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.05.2010): „Ob geheimnisvoller Spuk hinter dem Deich, Rhabarberkuchen im Ausflugslokal oder ein zerkochtes Nudelgericht – kein Ereignis ist zu gering, als dass Modick nicht eine Geschichte daraus entwickeln könnte.“ 

Sunset

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Sunset [ ↑ ]
Sunset erscheint 2011 im Eichborn Verlag. Der Roman beschreibt die Freundschaft der deutschen Schriftsteller Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht während ihrer gemeinsamen Zeit im amerikanischen Exil. Die Handlung setzt ein, als Feuchtwanger im August 1956 per Telegramm die Nachricht von Brechts Tod erhält. Feuchtwanger, der noch immer in Kalifornien lebt, während Brecht einige Jahre zuvor zurück nach Deutschland gegangen war, erinnert sich fortan an seinen langjährigen Freund und Weggefährten, geht in Gedanken noch einmal alle Stationen ab, die sie gemeinsam erlebt haben. Feuchtwanger hatte sich stets als Mentor des erheblich jüngeren Brechts verstanden, hatte ihn beraten und gefördert und auch finanziell unterstützt. Nun ist er umso erschütterter über dessen frühzeitigen Tod. Gleichzeitig begleiten die Leser*innen Feuchtwanger selbst durch seine eigene Geschichte, sein literarisches Schaffen und seinen fortwährenden Kampf um die amerikanische Staatsbürgerschaft in Zeiten der McCarthy-Ära.
So ziehen sich Zitate aus Feuchtwangers Werken wie ein roter Faden durch die Geschichte. Stets wird dabei erläutert, wie er zu einer bestimmten Romanidee oder zu gewissen Sätzen kam. Zum Zeitpunkt von Brechts Tod arbeitet Feuchtwanger gerade an Jefta und seine Tochter, seinem letzten veröffentlichten Roman. Feuchtwanger stirbt nur zwei Jahre nach Brecht an Magenkrebs, der sich zum Zeitpunkt der Handlung bereits durch immer wiederkehrende Schmerzen ankündigt.
Während der Reflexion des eigenen Schreibens zeichnen sich zudem Feuchtwangers persönlichen Erfahrungen und Gefühle ab, wie zum Beispiel die in Jefta und seine Tochter verarbeitete Trauer um seine als Säugling verstorbene Tochter, seine Schuldgefühle gegenüber seinem Vater, der seinen Beruf niemals anerkannte und dessen Anforderungen er nie gerecht werden konnte. Am Ende des Tages und auch des Romans hat Feuchtwanger schlussendlich nicht nur eine Bilanz der Freundschaft mit Brecht, sondern auch des eigenen Lebens gezogen.
Darüber hinaus wird aus Feuchtwangers Perspektive der Literaturbetrieb problematisiert und dabei vor allem das Verhältnis von Kunst und Kommerz kommentiert. Vor allem Brecht tut sich schwer als Autor in Amerika Fuß zu fassen, denn Hollywood lehnt seine Ideen ab und er ist enttäuscht von der amerikanischen Unfähigkeit, sich für seine Literatur zu begeistern. Aus diesem Grund kehrt er schließlich nach Berlin zurück. Feuchtwanger hingegen, der stets die Massen sowohl die deutschen als auch die amerikanischen erreicht und so durch den erfolgreichen Vertrieb seiner Romane finanziell gut abgesichert ist, interpretiert Brechts Unmut als Neid und lebt bis zu seinem Tod 1958 in seiner Villa am Sunset Boulevard.

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Thematische Aspekte zu Sunset [ ↑ ]

Erinnerung
Sunset ist ein Roman, der sich ausschließlich aus den Erinnerungen Feuchtwangers zusammensetzt; er ist eine Collage aus seinen Erinnerungen an Brecht, denen er im Laufe eines Tages nachsinnt.

Liebe und Freundschaft
In Sunset liegt der Fokus vor allem auf der Freundschaft zwischen Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger. „Der Freund, vielleicht der einzige wirkliche Freund seines Lebens“ (vgl. Sunset, S. 172) sagt Feuchtwanger an einer Stelle über Brecht. Feuchtwanger seinerseits war für Brecht viel mehr als nur ein Freund, er war sein Mentor, übernahm in gewisser Weise sogar eine Vaterfunktion für den fast fünfzehn Jahre jüngeren Brecht. Modicks Erzähler fasst dies so zusammen: „Sehr gute Freunde sind sie gewesen. Und Partner. Manchmal ist Brecht ihm wie ein jüngerer Bruder vorgekommen. Und manchmal hat er sogar väterliche Gefühle für ihn gehegt“ (S. 18). So half Feuchtwanger Brecht mit finanziellen Mitteln aus und stand ihm jederzeit in beratender Funktion zur Seite. Innerhalb ihrer Konversationen werden jedoch auch immer wieder die Gegensätze zwischen den beiden klar: Brecht, der zynische Provokateur und Feuchtwanger, der sachliche Fleißmensch.  Hier lassen sich Parallelen zu der von Modick in Konzert ohne Dichter beschriebenen Freundschaft zwischen Rilke und Vogeler erkennen. Der Maler Heinrich Vogeler und der Dichter Rainer Maria Rilke werden dort ähnlich kontrastiv dargestellt wie Brecht und Feuchtwanger. Zudem hilft Vogeler dem jüngeren Rilke immer wieder mit finanziellen Mitteln aus. Vogeler und Feuchtwanger haben jeweils die Rolle des Mentors inne. 

Schriftstellerdasein und Selbstreflexion
Reflexionen und Kommentare über das literarische Schreiben finden sich auch in Sunset. So begleitet der Roman den Protagonisten Lion Feuchtwanger bei der Ideenfindung und Überlegungen zu seinem Roman Jefta und seine Tochter und beschreibt Konversationen zwischen Brecht und Feuchtwanger über die Schwierigkeiten des Schreibprozesses. Darüber hinaus kommentiert Lion Feuchtwanger selbst die Eigenschaften des Literaturbetriebs und seine eigene Motivation: „Er hat keinen Ehrgeiz mehr, sich ans Fließband der Literatur zu stellen, will nur noch schreiben wie das lautlose Atmen des Nebels, nur noch in Augenblicken, in denen das Leben sich verrät“ (Sunset, S.186). Auch seine Vorgehensweise beim Schreiben wird mehrmals hervorgehoben: „Er blätterte in seinen Notizen, […], schrieb: Ich habe geglaubt, Revolution sei: Menschlichkeit für alle, und jetzt soll ich die strafen, die Menschen sind, und den verkommenen die Zügel lösen. Lasst mich. Ich will nicht mehr. Ich will ich sein, ich. Auch das war peinlich pathetisch, überspannt, aber es war eine wahre Empfindung. Doch in Worte gefasst, missfiel sie ihm ebenso wie das O-Mensch-Gefasel. Vielleicht war es überhaupt ein Fehler über das zu schreiben, was gerade vor sich ging. Vielleicht brauchte man mehr Distanz, mehr Vergangenheit, mehr Geschichte, um die Gegenwart zu begreifen“ (S. 33). Feuchtwanger notiert sich permanent Einfälle und Ideen in sein Notizbuch, auch Gedanken, die ihm im Traum oder im Halbschlaf kommen (vgl. S. 65). Zudem wird vermehrt das schriftstellerische Werk Feuchtwangers und und das von Brecht beleuchtet; die beiden Autoren werden nicht selten gegenüber gestellt: „Baal war Brechts erstes Werk. Vielleicht wird der Baalbezwinger Jefta Feuchtwangers letztes?“ (S. 40) Auch die Charaktereigenschaften der beiden werden kontrastiert, Brechts Genie gegen Feuchtwangers Fleiß sowie Brechts Unbekanntheit in Amerika gegen Feuchtwangers Beliebtheit: „Hätte Feuchtwanger einen Galilei geschrieben, wäre vielleicht auch kein Film daraus geworden, aber Hollywood hätte ihm augenblicklich die Rechte abgekauft“ (S. 52). Umso mehr leidet Brecht daran, dass sich Hollywood nicht für Brecht und seinen Stoff interessiert (vgl. S. 61).

Exil
Das thematische Feld des Exils steht sowohl in Sunset als auch in Die Schatten der Ideen im Zentrum der Romane. In Sunset leidet Feuchtwanger, der im amerikanischen Exil lebt, an dem ermüdenden Kampf um die amerikanische Staatsbürgerschaft: „Die Einwanderungsbehörden machen Marta und ihm die Entscheidung leicht, aber das Leben schwer. Vielleicht ist der Wartesaal des Exils, in dem er nun seit einem Vierteljahrhundert sitzt, gar kein Wartesaal, sondern ein lebenslängliches Gefängnis? Ein Käfig, vergoldet vom Glücksversprechen Amerikas, komfortabel möbliert mit Weltruhm und einer Flut von Tantiemen?“ (Sunset, S. 21). Dabei spielt auch immer wieder der Gegensatz zwischen Europa und Amerika eine Rolle: So wollte Brecht stets, dass Feuchtwanger nach Europa kommt, dieser hatte jedoch Angst, dass er wegen seiner fehlenden amerikanischen Staatsbürgerschaft dann nicht mehr zurückkehren könnte. Somit ist das Exil für Feuchtwanger „eine Reise ohne Wiederkehr“ (S. 25). Feuchtwanger leidet jedoch nicht nur unter dem Kampf um die Staatsbürgerschaft, sondern auch unter den sprachlichen Barrieren, mit denen er sich im Exil konfrontiert sieht. Einige der Autorenkollegen verstummen sie, weil sie unübersetzt bleiben: „Im Exil sind sie Entmündigte, Autoren ohne Werk wie Heinrich Mann oder Döblin“ (S.67 f.). Zwar findet Feuchtwanger immer schnell jemanden, der seine Werke in andere Sprachen übersetzt, doch betrachtet er es als „bitter, abgespalten zu sein vom lebendigen Strom der Muttersprache“ (ebd.). „Gewiss, man kann lernen, sich in fremden Sprachen auszudrücken, aber man kommt einer fremden Sprache nie ganz auf den Grund “(S.68).

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Formale Aspekte zu Sunset [ ↑ ]

Intertextualität
In Sunset finden sich viele intertextuelle Bezüge. Im Vordergrund stehen hier die Bezüge zu Lion Feuchtwangers Werk  von 1957. Da die Handlung dessen Schreib- und Entstehungsprozess thematisiert, werden vermeintliche Hintergründe zu dem Werk ergänzt und Ideen hergeleitet. Andere Bezüge sind zum Beispiel zu Kurt Tucholskys Augen der Großstadt, wenn es heißt: „Vorbei. Verweht. Nie wieder“ (Sunset, S. 24).

Perspektive, Zeit und Handlung 
In Sunset bestehen die beiden Handlungsebenen zum einen aus den Ereignissen eines Tages aus dem Leben von Lion Feuchtwanger. Der Leser* begleitet ihn morgens beim Beobachten des Sonnenaufgangs und am Abend desselben Tages beim Beobachten des Sonnenuntergangs. Die Sonne markiert hier passend zum Titel den Rahmen der ersten Handlungsebene. Die zweite Handlungsebene besteht aus den Erinnerungen Feuchtwangers, denen er an eben jenem Tag nachsinnt. Diese haben vor allem seine Freundschaft mit Bertolt Brecht zum Gegenstand, Begegnungen, Unterhaltungen und andere Ereignisse werden hier geschildert. Beide Handlungsebenen werden jedoch aus Feuchtwangers Perspektive dargestellt.

Vorausschau und Rückblicke
Durch Analepsen und Prolepsen werden die verschiedenen Handlungs- und Zeitebenen in den Romanen miteinander verknüpft. Sunset kann dabei als eine Collage aus Analepsen bezeichnet werden, die das strukturierende Handlungselement des Romans bilden. Feuchtwanger gedenkt seines langjährigen Freundes Brecht, wobei die zahlreichen Erinnerungen die gegenwärtige Handlung lediglich zum Rahmen werden lässt.

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Pressespiegel zu Sunset [ ↑ ]
Die Rezensionen zu Sunset fallen ausschließlich positiv aus. So schreibt Andreas Heimann im Stern (04.03.2011), Modick habe ein eindrucksvolles Buch über Feuchtwanger geschrieben, eines, das dem Leser keine Mühen abverlangt und ihn en passant noch einiges lernen lässt über Brecht und Feuchtwanger, über Literatur und das Exil der Literaten im Zweiten Weltkrieg“. Katharina Teutsch vom Tagesspiegel (09.04.2011) kommt zu folgendem positiven Fazit: „Zwei Männer, zwei Weltbilder, zwei weltberühmte Künstler: Der Romancier Klaus Modick hat ihre Beziehung jetzt in einem kleinen, aber feinen Buch herausgearbeitet.“ Edo Reents von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (02.05.2011) ist der Meinung, Klaus Modick habe zu seinem 60. Geburtstag einen Feuchtwanger-Roman geschrieben, der sein eigenes Werk runde und Bekenntnisse in eigener Sache enthalte. Volker Heigenmooser konstatiert auf literaturkritik.de (11.05.2011), Klaus Modicks Roman Sunset sei ein historischer Roman in der Tradition Lion Feuchtwangers. In diese Richtung äußert sich auch Johannes Kaiser von DeutschlandradioKultur (12.05.2011): „Klaus Modick gelingt es – und darin ähnelt sein Buch denen des Exilschriftstellers – bei aller Faktentreue die historische Persönlichkeit Feuchtwangers mit Leben zu füllen, sie zur literarischen Figur werden zu lassen, zum durchaus sympathischen Protagonisten seines Romans. […] Ein rundherum geglücktes Buch über einen Mann am Ende seines Lebens, altersmilde, ein bisschen altersweise.“ Hubert Winkels (DIE ZEIT, 30.06.2011) ist darüber hinaus davon überzeugt, dass Modick hier "sein schönstes Buch" vorgelegt habe. Die Qualität des Buches liege laut Winkels in der „Vergegenwärtigung des alten Lion Feuchtwanger, der am Tag, als er in seinem prächtigen Haus in Los Angeles vom Tod Bertolt Brechts erfährt, seinen Gedanken nachhängt. Das Erfolgsschriftstellertum hat er hinter sich, will loslassen, und auch so schreiben: ohne Druck und ohne Plot.“ Ganz, so Winkels, wie Modick in diesem Buch.

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Forschungsspiegel zu Sunset [ ↑ ]

Metafiktionalität – Narrative Gedankenspiele
Dirk Frank befasst sich vor allem mit den narrativen Gedankenspielen im postmodernen Roman. Es falle auf, dass „[i]n Klaus Modicks erzählerischem Oeuvre fast immer Schriftsteller und Künstler als Handelnde und Schreibende im Mittelpunkt [stehen]“ (Frank 2001, S. 199). „Diese komplexe Erzählform ist doppelsträngig konzipiert, wobei Primär- und Sekundärstrang auf engste aufeinander bezogen sind“ (Frank 2001, S. 10). In Bezug auf Modicks Werk untersucht Frank vornehmlich die Romane Ins Blaue und Weg war weg. Frank spricht von „Metafiktionalität“, die er als „Einzelwerkphänomen“ charakterisiert, genauer als eine „Form von intratextueller Kommunikation“ (Frank 2001, S. 16).Laut Frank lasse vor allem der Roman Ins Blaue thematische und strukturelle Vergleiche mit einem längeren Gedankenspiel zu, da der „Roman im Roman in direkter Auseinandersetzung mit der Schreib- und Erlebnisgegenwart entsteht“ (Frank 2001, S. 199.). Beides trifft auch auf Modicks Roman Sunset zu. Hierzu ist bisher so gut wie keine Forschungsliteratur erschienen, dennoch lassen sich auch hier einige Aspekte der Metafiktion und des Gedankenspiels finden. Zum einen stehen in Sunset die Schriftsteller Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger im Mittelpunkt, darüber hinaus ist der Roman so konzipiert, dass Feuchtwanger, aus dessen Perspektive erzählt wird, zum einen den Arbeitsprozess an seinem Roman Jefta und seine Tochter begleitet und kommentiert. Zum anderen besteht der Roman aus einem einzigen Gedankenspiel, nämlich der Erinnerung an das gemeinsame Leben und die Freundschaft mit Brecht im Laufe eines Tages. Frank konstatiert: „das Verhältnis von Realität und Gedankenspiel ist als ‚Kontrast‘ konzipiert“ (Frank 2001, S. 200). In Sunset wird dieser Kontrast durch das Gegenpaar Leben und Tod verdeutlicht. Im Gedankenspiel ist Brecht lebendig, während er in der eigentlichen Gegenwart bereits gestorben ist.
Hubert Winkels vertritt außerdem die These, dass in den meisten Texten Modicks immer zwei Schauplätze existieren. Dabei impliziere ‚Schauplatz‘ auch eine Gedankenwelt bzw. das Unterbewusste im Freud’schen Sinne (vgl. Winkels 2010, S. 110).

Klack

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Klack [ ↑ ]
Im Jahr 2013 erscheint bei Kiepenheuer & Witsch Klaus Modicks Roman Klack. Dieser erzählt die Geschichte von Markus, einem knapp fünfzehn-jährigen Jungen, der in das italienische Nachbarsmädchen Clarissa verliebt ist und alles dafür tun würde, um sich ihr anzunähern. Die Geschichte findet 1961 statt und in Markus Leben sind der Mauerbau und das geteilte Deutschland ebenso präsent wie der Kalte Krieg. Bevor die eigentliche Handlung des Romans einsetzt, wird die Ausgangssituation, die zugleich als Handlungsrahmen fungiert, geschildert. Markus, der Protagonist des Romans, entdeckt als erwachsener Mann eine alte Kiste mit Fotos auf dem Dachboden seines Elternhauses. Dabei handelt es sich um Fotos, die er als Fünfzehnjähriger mit einer auf dem Jahrmarkt gewonnenen Kamera gemacht hat. Jedes der folgenden Romankapitel hat eines der Fotos als Ausgangspunkt und entfaltet die Geschichte, die sich mit der Fotografie verbindet. Die Kapitelüberschriften entsprechen den handschriftlichen Notizen, die Markus einst auf die Fotos geschrieben hat. Zu Beginn eines jeden Kapitels erfolgt ein kurzes Exposé aus der Perspektive des erwachsenen Markus, welches die auf dem Bild dargestellte Situation beschreibt sowie gleichzeitig eine Metareflexion über das Fotografieren darstellt: „Fotos sind Dokumente des Tatsächlichen, die Erinnerungen auslösen. Diese mischen sich dann in die Fotos ein, reichern sie an und lassen sie wie unsichtbare Fingerabdrücke der Vergangenheit noch nachträglich Nuancen und Details herauslesen, die auf den Bildern gar nicht zu sehen sind, Details, die sonst längst vergessen wären […]“ (S. 152). Nach dieser kurzen Reflexion erfolgt dann eine Episode aus Markus Kindheit, die die Geschichte um das Foto herum erklärt und beschreibt, wie es zu dem Moment des Fotografierens gekommen ist. So setzt sich Markus Kindheit bzw. Jugend aus vielen einzelnen Fotos und Geschichten mosaikartig zu einem Gesamtbild zusammen.
Eine Besonderheit des Romans ist die häufige Zitation von Werbeslogans aus jener Zeit, den 60er Jahren, wodurch das spezifische Zeitgefühl evoziert wird. Bei den meisten Produktnamen werden die dazugehörigen Werbesprüche kursiv und in Klammern genannt: „Nach dem Mittagessen wünschte mein Vater uns allen eine gute Verdauung, schluckte eine Leo-Pille (Wie Balsam für den Darm), rauchte eine HB (Warum denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur HB. Dann geht alles wie von selbst) und legte sich dann wohlig seufzend zu einem Nickerchen auf die Couch“ (S. 67). Dies vermittelt auf authentische Weise den Zeitgeist und lässt eventuell bei älteren Leserinnen und Lesern auch Erinnerungen hochkommen. Ähnlich wie mit den Werbeslogans verhält es sich auch mit Songtexten. Meist handelt es sich um Zeilen aus bekannten Schlagerliedern der 1960er Jahre, die einerseits inhaltlich zur Situation von Markus passen und andererseits ähnlich wie die Werbeslogans den Zeitgeist und die Stimmung der Jahre wiedergeben: „Marina, Marina, Marina, dein Chic und Charme gefällt. Marina, Marina Marina, du bist ja die Schönste der Welt. Wunderbares Mädchen, bald sind wir ein Pärchen, komm und lass mich nie alleine, oh nononono no. […] Oh nononono no! Was war mit mir los? War das, was ich fühlte, das ominöse Verliebtsein?“ (S. 105). An einer anderen Stelle wird der folgende Song zitiert: „Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang“ (S. 168). Diese Zeilen, die auch Markus Angst einjagen, vergegenwärtigen die damalige Angst vor einem Atomkrieg. Doch nicht nur Songtexte und Werbeslogans, auch die Verwendung des Jargons aus der Zeit sowie die Widergabe von Nachrichten des damaligen Fernsehsprechers Karl-Heinz-Köpcke oder die Zitation von Fernsehkrimis wie Das Halstuch von Francis Durbridge lassen die Leser*innen in die Atmosphäre der 1960er Jahre eintauchen.

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Thematische Aspekte zu Klack [ ↑ ]

Erinnerung
In Klack ist das Thema Erinnerung vor allem mit dem Medium des Erinnerns, der Fotografie, verknüpft. Alleine die Konstruktion des Romans, der Aufbau als Collage, die sich aus den Erzählungen rund um die jeweilige Fotografie zusammensetzt, stellt das Fotografieren als die Frage nach dem Speichern von Erinnerungen ins Zentrum. Damit verbunden ist die Reflexion über die Fotos zu Kapitelanfang: „Fotos sind nicht die Erinnerung selbst, spannen aber Erinnerungen auf wie Zeltstöcke, über denen der Stoff zum Gewesenen hängt“ (Klack, S. 47). Diese Reflexion geschieht oft auch im Zusammenhang mit Erinnerungen. Denn Fotos sind im Grunde nichts anderes als //konservierte Erinnerungen.

Liebe und Freundschaft
Klack dreht sich vor allem um die erste Jugendliebe. Der Protagonist Markus ist ein typischer pubertierender Teenager, der sich unsterblich in das italienische Nachbarsmädchen Clarissa verliebt und immer wieder neue Dinge einfallen lässt, um ihr näher zu kommen. So hilft er nur aus diesem Grund beim Renovieren der Eisdiele von Clarissas Vater und nimmt bei diesem aus dem gleichen Grund auch Gitarrenunterricht. Als er am Ende jedoch einsehen muss, dass er keine Chancen hat, kann ihn auch die vorerst durch Kennedy verhinderte Atomkrise nicht über seinen Liebeskummer hinwegtrösten.

Frauenbild
In Klack werden die Frauenfiguren vor allem im Kontext der Familie betrachtet: Der Protagonist Markus wohnt gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Schwester und seiner Großmutter in einem Haus. Interessant ist hierbei die Darstellung der unterschiedlichen Frauentypen; es findet sich die gebieterische, tyrannische Großmutter, die nach konservativen, prüden Vorstellungen Abneigungen gegen Ausländer hegt und Günter Grass Roman Die Blechtrommel für reine Pornographie hält (vgl. Klack, S. 191). Daneben gibt es die kleinlaute Mutter, die sich nicht traut, gegen den störrischen Vater zu reden, die die Musik von Elvis Presley für sittenwidrig hält und die für Kennedy schwärmt. Und dann ist da noch Hanna, Markus Schwester, die als Vertreterin der dritten Frauengeneration entsprechend progressiver ist; sie wird als provokant, freiheitsliebend und mit großem intellektuellem dargestellt.

Der Kalte Krieg
Der Roman Klack reflektiert deutsche Geschichte über die Erinnerungen an die Jugendzeit des Protagonistin Markus, dessen Pubertät überschattet ist von dem eskalierenden West/Ost-Konflikt sowie vom Kalten Krieg und der damit einhergehenden Bedrohung eines Atomkriegs. Der politische Konflikt findet sich symbolisch in der Familiengeschichte gespiegelt. So baut zum Beispiel Markus tyrannische Großmutter eine Mauer, um das Grundstück der Familie von dem der italienischen Nachbarn abzugrenzen, während in Berlin die ersten Menschen bei dem Versuch aus der DDR in den Westen zu fliehen, sterben (vgl. Klack, S. 200 ff.).Auch die ersten Zeilen des Romans können symbolisch verstanden werden. Hier heißt es: „Im Westen ist die Luft wieder rein, ausgewaschen die bleierne Schwüle. Die regenschwere Schleppe des Sommergewitters zieht letzte Wolkenfetzen nach Osten“ (S. 7). Der Satz könnte eine einfache Beschreibung der Wetterlage zu Beginn der Handlung sein, gerade aber in Bezug auf die geschichtlichen Geschehnisse in Markus Jugend, dem Mauerbau und dem atomaren Wettrüsten Anfang der 60er Jahre, kann er ebenfalls als eine politische Einordnung gesehen werden. Markus ist erwachsen, die Mauer ist bereits gefallen, aber die letzten Nachwirkungen des geteilten Deutschlands sind immer noch spürbar. Somit fungiert der erste Satz als eine Art Vorschau auf das, was im Roman wichtig wird. Später im Roman wird ein Streit bei Kaffee und Kuchen mit dem Kalten Krieg verglichen (vgl.S. 194) und die italienischen Nachbarn sind in den Augen der Großmutter „der Feind von drüben“ (S. 196). 

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Formale Aspekte zu Klack [ ↑ ]

Perspektive, Zeit und Handlung 
In Klack werden Zeitebenen wie folgt verschränkt: Zu Beginn eines jeden Kapitels steht ein kurzes ‚Exposé‘, welches sich typographisch von dem Rest des Romans unterscheidet, auch die Erzählerperspektive ist eine andere. Ein auktorialer Erzähler, den der Leser* jedoch schnell als Markus‘ älteres Ich erkennen kann, reflektiert über das Medium Fotografie und erinnert sich gleichzeitig an die auf den Bildern dargestellten Situationen aus seiner Kindheit. Diese Episoden werden jeweils sichtbar vom Rest des darauffolgenden Kapitels abgetrennt. Hier beschreibt der Ich-Erzähler Markus dann in Gegenwartsform seine Eindrücke und Gefühle als Teenager.

Vorausschau und Rückblicke
In Klack werden darüber hinaus Metaphern aus der Natur verwendet, um Handlungen vorauszudeuten. So heißt es zu Beginn des Romans: „Im Westen ist die Luft wieder rein, ausgewaschen die bleierne Schwüle. Die regenschwere Schleppe des Sommergewitters zieht letzte Wolkenfetzen nach Osten“ (Klack, S. 7). In Bezug auf die geschichtlichen Geschehnisse in Markus Jugend – dem Mauerbau und dem atomaren Wettrüsten Anfang der 60er Jahre – schafft dieser Satz eine politische Einordnung innerhalb der ersten Handlungsebene: Markus ist mittlerweile erwachsen, die Mauer ist bereits gefallen, aber die letzten Nachwirkungen des geteilten Deutschlands sind immer noch spürbar. Somit fungiert der erste Satz als eine Art Vorschau für das, was im Roman wichtig wird.

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Pressespiegel zu Klack [ ↑ ]
Die Rezensionen zu Modicks Roman Klack sind durchweg positiv. In einer Kritik im Focus (19.02.2013) heißt es „Klaus Modick hat einen seiner besten Romane geschrieben: Klack. [...] Er beweist einmal mehr, wie angenehm unaufgeregt er erzählen kann, schnörkellos, aber pointenreich, mit viel Gespür für subtile Komik." Walter Hinck von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (03.05.2013) ist überzeugt, dass die Romane von Modick nie langweilig werden. Dabei täusche die Sprache keine „dunklen Sinntiefen“ vor, sie tummle sich viel mehr im Saloppen, „aber mit Witz“. Auch Kerstin Herrnkind vom Stern (16.05.2013) bezeichnet die Lektüre von Klack als einen „genussvollen Spaß“, weil Modick nicht nur präzise erzähle, sondern sich auch traue, „zuweilen sehr, sehr komisch zu sein". Sabine Peters (Deutschlandradio, 18.07.2013) findet, Klack sei ein realitätsgesättigter, unangestrengter, gut lesbarer Roman, der unterhält und dabei doch die Frage nach den Mustern stellt, die jede Generation auf unterschiedliche Weise bestimmen. 

Forschungsspiegel zu Klack [ ↑ ]

Familie Heimat und Erinnerungsliteratur
Viel beachtet in der Forschungsliteratur über Modicks Werk wurde auch das Thema ‚Familie‘. Hubert Winkels stellt heraus, dass sich familiäre und regionale Motive durch fast alle seine Romanen ziehen. In Klack geht es hauptsächlich um die Unterschiede zwischen den – in einem Haus lebenden – verschiedenen Generationen einer Familie. Winkels spricht sogar von der „Rückkehr der Familie“ (Winkels 2010, S.105) bei Modick: „Und es kommt noch konzentrischer: Dieses Familienleben ist eingebettet in eine Landschaft, eine historisch definierte Region, in Wind und Wetter und fürstliche und Nazi- und Nachkriegsgeschichte und immer wieder ins Oldenburgische, ins Oldenburger Land, in die Stadt Oldenburg“ (Winkels 2010, S. 108). Vor allem die Handlung von Klack konzentriert sich auf die Nachkriegsgeschichte par excellence, den Kalten Krieg und die Bedrohung einer Atomkatastrophe. So arbeitet Winkels heraus, dass Heimat bei Modick durchaus nicht im negativ-konnotierten Sinne des Provinzialismus als Konzept gesehen werden kann.
Dietmar Till befasst sich eher mit der Familie im Kontext des Nationalsozialismus und bezieht sich dabei auf Modicks Der kretische Gast und auf Bestseller. Letzterer ist laut Till wiederum eine Satire darüber, wie die Verlagsbranche Kapital aus der Erinnerungsliteratur schlägt (vgl. Till 2009, S. 34).
Ein neuer Zweig der Forschungsliteratur über Modick befasst sich mit seiner Darstellung des Exils vornehmlich in seinem 2011 erschienenen Roman Sunset über den im kalifornischen Exil lebenden deutsch-jüdischen Schriftsteller Lion Feuchtwanger. Narloch und Dickow konstatieren: „Indem Modick das Medium der Literatur einerseits als transnational und kosmopolitisch beschreibt, zugleich aber auch an einer spezifischen Stätte des historischen Exils verortet, verweist er indirekt auch auf die Notwendigkeit, Gedächtnisorte zu schaffen, an denen die Erinnerung an das Exil dauerhaft und generationenübergreifend gebunden werden kann“ (Narloch und Dickow 2014, S. 1).

Konzert ohne Dichter

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Konzert ohne Dichter  [ ↑ ]
Im Jahr 2015 erscheint Konzert ohne Dichter im Kiepenheuer&Witsch Verlag. Der Heimat- und Künstlerroman ist zugleich ein Doppelporträt des Dichters Rainer Maria Rilke und des Künstlers Heinrich Vogeler. Modick entwickelt anhand von Vogelers Gemälde Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff (1905) eine Geschichte, die aus der Perspektive des Malers rekonstruiert, wie es zu der Entfremdung der einstigen Freunde als Folge von unterschiedlichen Auffassungen zu Kunst, Leben und Liebe kommen konnte. Zwar beruht der Roman auf Rilkes Tagebüchern und Briefen sowie Vogelers fragmentarischen Lebenserinnerungen, doch die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion sind nicht ganz eindeutig und bleiben dem Leser selbst überlassen. Indem der Roman Vogelers Kunstwerk nicht als Abbild von Harmonie und Freundschaft, sondern als Darstellung von Distanz und Isolation interpretiert, dekonstruiert er so den Mythos um das Gemälde und thematisiert darüber hinaus die Bedeutung von Kunst und Dichtung, hinterfragt den Kunstbetriebs und zeigt die Probleme einer gelebten Utopie am Beispiel der Worpsweder Künstlerkolonie auf.
Die Handlung des Romans erstreckt sich über drei Tage und beginnt am 7. Juni 1905 auf Vogelers Anwesen in Worpswede. Zu diesem Zeitpunkt steht der noch junge Künstler bereits auf dem Höhepunkt seiner Karriere, denn ihm soll zwei Tage später im Rahmen der Nordwestdeutschen Kunstausstellung in Oldenburg, deren Mittelpunkt sein Gemälde Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff ist, die Große Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen werden. Doch den Künstler plagen Selbstzweifel. Er hadert inzwischen mit seinem Erfolg und dem Bild, das Öffentlichkeit und Experten als Meisterwerk der Idylle feiern, da sie „entschlossen sind, die Wirklichkeit hinterm schönen Schein zu verbergen“ (S. 211). Für ihn ist es jedoch nur noch ein Ausdruck für Verlust und persönliches Scheitern: Das Gemälde zeigt den Freundeskreis um die Worpsweder Künstlerkolonie bei scheinbar entspannter Atmosphäre an einen Sommerabend auf Vogelers Anwesen, dem Barkenhoff. Hinter dieser trügerischen Harmonie schauen die Protagonisten jedoch ins Leere, denn das Bild „zeigt Musizierende doch es klingt nichts. Und die Lauschenden hören nichts. Sind taub“ (S. 11). Seine Frau Martha steht isoliert am Gartentor, umgeben von zwei Gruppen. Einerseits die Musiker mit dem halbversteckten Cello-spielenden Vogeler im Hintergrund und andererseits eine Gruppe um die Künstlerinnen Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff, mit denen Rilke in eine Dreiecksbeziehung verwickelt war. Und so bleibt auch der Platz zwischen den beiden Frauen demonstrativ leer: Rilke fehlt. Es ist Das Kontert ohne Dichter, zugleich Abbild für Vogelers größten Erfolg und das Scheitern der Freundschaft zwischen den einstigen Seelenverwandten Vogeler und Rilke.
Durch Analepsen wird aus Vogelers Perspektive geschildert, wie die beiden sieben Jahre zuvor das erste Mal in Florenz aufeinandertreffen. Obwohl die beiden charakterlich sehr unterschiedlich sind, fühlen sich der noch unbekannte Dichter und der aufstrebende Maler gleich freundschaftlich sowie künstlerisch verbunden, denn in Rilke Sprache ist „ähnlich wie in Vogelers Zeichnungen, etwas üppig Ornamentales, wuchernd Florales, das von der Fron befreit war, sachlich zutreffend, sinnvoll oder gar nützlich sein zu müssen“ (S. 74). Und so findet sich Rilke anschließend immer wieder als Gast auf dem Barkenhoff ein. Das einstige Bauernhaus hat Vogeler, der auch als Innenarchitekt und Kunsthandwerker tätig ist, nach seinen Vorstellungen restauriert und bildet damit das Zentrum der Künstlerkolonie, eine „Insel der Seligen“ (S. 163) für seine Kollegen Franz OverbeckFritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn. Hier treffen sich die Künstler, zu denen auch Paula Becker und Clara Westhoff gehören, Rilke und geladene Gästen nach getaner Arbeit, um Feste zu feiern und Konzerte zu geben. Es ist die gelebte Utopie vom kreativen Leben, denn Dorf und Leute im sogenannten Teufelsmoor sind für die Künstler eine unversiegbare Inspirationsquelle. Vogeler verliebt sich hier nicht nur in die norddeutsche Landschaft, sondern auch in seine Muse und spätere Ehefrau Martha.
Doch die Jugendstilidylle der „Familie“ (S. 11) bekommt ihre ersten Risse, als Rilke, ein notorischer Frauenheld, sich an einem der Konzertabende, sowohl in Paula Becker als auch in Clara Westhoff verliebt. Der gleiche Abend inspiriert Vogeler auch zu seinem Gemälde Sommerabend, auf dem er das Beziehungsgeflecht festhält. Denn anschließend beginnt Rilke mit beiden Frauen eine komplizierte Dreiecksbeziehung, da er sich nicht zwischen den beiden nicht entscheiden kann. Vogeler verändert das Bild je nach Stand der Liaison, variiert die Mimik der Protagonisten, lässt Paula oder Clara mal näher an Rilke herantreten. Letztendlich endet die Liebschaft, als Paula Otto Modersohn heiratet und Rilke die schwangere Clara zur Frau nimmt.
Für Vogeler, der immer erfolgreicher wird und immer mehr arbeitet, um den Ausbau des Barkenhoffs, seine Gäste und den Lebensstandard weiter unterhalten zu können, wird es indessen immer schwieriger auch auf seinen Bildern „ständig Harmonie zu behaupten“ (S. 82). Seine Ehe und seine Gesundheit leiden unter der Arbeit und auch Selbstzweifel schleichen sich ein: Wozu ist Kunst eigentlich da? Will er das alles noch? Was kostet ihn sein Erfolg? Er hat das Gefühl, mit seiner bisherigen Kunst den Problemen aus dem Weg gegangen zu sein und empfindet die Bilder seiner Kollegin Paula Becker als ehrlicher und realistischer. Doch sein Kunsthändler, der Unternehmer Ludwig Roselius, will von sozialpolitischer Kunst nichts hören, er möchte das Dekorative und Schöne.
Indem Vogeler sich einerseits nicht mehr mit dem überladenden, spätromantischen Stil identifizieren kann und Rilke andererseits versucht, eine elitäre Kunstreligion zu etablieren und sich als Chefideologe der Künstlerkolonie aufzuspielen, beginnt auch ihre Freundschaft auseinanderzubrechen. So stimmt zum einen ihre künstlerische Auffassung nicht mehr überein und zum anderen kristallisiert sich auch immer mehr heraus, dass der bodenständige, selbstzweifelnde Vogeler und der selbstverliebte, gefühlskalte Rilke menschlich nicht zueinander passen. Da der Dichter auch seine Ehefrau Clara seit der Hochzeit vom Rest der Gruppe isoliert, zerbricht die Künstlergemeinschaft: Die Freundschaft zwischen Vogeler und Rilke ist zu „steifer Höflichkeit verdunstet“ (S. 56), wodurch Vogeler Rilke endgültig aus seinem Bild löscht.
In der Gegenwart ist Vogeler auf der Reise zur Ausstellungseröffnung und seinem Ehrenbankett in Oldenburg. Seine Zweifel haben inzwischen Überhand gewonnen, vor allem kann er sich nicht mehr mit dem Gemälde identifizieren. Für ihn ist es nur noch das beschämende Zeugnis von Realitätsflucht. Da Roselius das Gemälde bereits gekauft hat, möchte er ihm wieder abkaufen, um es vernichten zu können. Dieser lehnt dies jedoch demonstrativ ab. Wütend darüber, Roselius „Geisel“(S. 205) zu sein, beschließt Vogeler, dass sich etwas ändern muss. Er plant als Auszeit und zur Erholung seines Augenleidens eine Seereise: „Nur weg von hier, denkt er, heraus aus dem goldenen Käfig. Weg von hier, das ist mein Ziel“ (S. 229).

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Thematische Aspekte zu Konzert ohne Dichter [ ↑ ]

Erinnerung
In Konzert ohne Dichter findet sich die Erinnerungsthematik wieder. So rekonstruiert der Roman anhand Vogelers Erinnerungen und anhand seines Gemäldes Sommerabend die Entstehung des Worpsweder Freundeskreises. Das Bild ist somit das Speichermedium, über das die Abende der Worpsweder Künstlergemeinde auf dem Barkenhoff konserviert sind; zugleich wird in Modicks Romananalyse deutlich, dass es sich um eine bestimmte Erinnerungsperspektive handelt, die unterschiedlich gedeutet werden kann. In Modicks Darstellung handelt sich bei dem Bild nicht um eine positive Erinnerung Vogelers, sondern diese sind negativ konnotiert, da das Bild ihn nach dem Auseinanderbrechen des Freundeskreis ständig an diese Zeit erinnert und ihm das Scheitern dessen immer wieder vor Augen hält. 

Liebe und Freundschaft
Gegensätzliche Formen und Ansichten von Liebe finden sich auch in Modicks Roman Konzert ohne Dichter wieder. Rilke und Vogeler vertreten beide unterschiedliche Auffassungen dazu, denn während Vogeler eine lange Beziehung mit Martha eingeht und trotz Eheproblemen weiter an die ewige Liebe glaubt (vgl. Konzert ohne Dichter, S. 120), kann Rilke sich nicht lange an eine Frau binden. Er „will für nichts und niemanden verantwortlich sein, nicht einmal für sein eigenes Kind, will niemandem angehören“ (S. 59). Schon in ihrem Werben um Frauen sind beide sehr unterschiedlich. Martha, das einfache Mädchen vom Lande, besticht Vogeler vor allem durch ihre Natürlichkeit: „Marthas Bewegungen waren von natürlicher Anmut, ohne Bedürfnis, wirken zu wollen, ohne Kalkül“ (S. 103) und ist somit das Gegenteil von Vogelers kostümiertem Auftreten und seinen überladenen Werken. Ihre Beziehung funktioniert, weil sie ungekünstelt und natürlich ist. Für Vogeler ist seine Kleidung nicht Teil seiner Persönlichkeit, sondern Teil seiner Arbeit und so kann er Martha auch durch seine Bodenständigkeit und harte Arbeit am Barkenhoff von sich überzeugen: „Dieser Mann sprach nicht nur Platt, sondern er wusste genau, was er wollte, konnte kräftig zupacken, verstand eine Menge vom Handwerk und sogar ein bisschen was von der Landwirtschaft. Und Martha war sich jetzt sicher, ihn zu lieben“ (S. 109).
Im Gegensatz zu Vogeler ist Rilkes übertriebener Kleidungsstil untrennbar mit seiner Person verbunden. Er schafft es vor allem durch seine inszenierte Erscheinung, die Mischung „aus altklugem Strebertum und poetischer Empfindsamkeit“ (S. 84) und seine opulenten Gedichte, die „wie Zaubersprüche klingen“ (S. 14), dass die Frauen ihm zu Füßen liegen. Hier stehen Vogelers Taten Rilkes bloßen Worten gegenüber. Denn der schöne Schein seiner Sprache täuscht darüber hinweg, dass er selbstsüchtige Interessen verfolgt, da er in erster Linie „von allen bewundert und geliebt werden“ (S. 59) will. So verwundert es auch nicht, dass er sich nicht zwischen Paula und Clara entscheiden kann und sich letztlich gezwungen sieht, Clara zu heiraten, weil diese ein Kind von ihm erwartet. Er zieht anschließend wegen ihr und dem Kind in das Dorf Westerwede. Doch da er niemals lange an einem Ort bleiben kann, bricht er nach einem Jahr wieder auf, um zu reisen. Denn eigentlich kann er mit dem bürgerlichen Leben und deren Familienwerten nichts anfangen. Dennoch weiß er, dass er sich der Bürgerlichkeit nicht entziehen kann und in gewisser Weise von ihr abhängig ist, was seinen Unmut nur noch mehr verstärkt. So kann er auch seinem Kind keine Liebe entgegenbringen kann und lässt es stattdessen bei den Großeltern aufwachsen. Hinzu kommt, dass Rilke, der niemals ruhende Dichter, Arbeit und Leben nicht trennen kann. Für ihn bedeutet die Kunst sein Leben, so dass er alles Wirkliche, wie seine Frau und sein Kind nicht ertragen kann.
Rilke ist also in Modicks Darstellung zu keiner richtigen Liebe fähig. Daher muss auch die Freundschaft zwischen ihm und Vogeler zwangläufig scheitern. Rilke ist in keinerlei Hinsicht auch nicht auf freundschaftlicher Ebene zu einer langfristigen Beziehung in der Lage. Modick stellt den Dichter in kein gutes Licht; Rilke nutzt die Menschen für seine Arbeit, sie sind ihm nicht um ihrer selbst willen wichtig: „Rilke war leicht entflammbar, konnte Menschen Gefühle entgegenbringen, kein Zweifel, aber diese Menschen waren ihm weniger wichtiger als die Worte, die sie in ihm auslösten, der Erguss seiner Empfindungen auf Papier“ (S. 220). Darüber hinaus werden die beiden Künstler auch charakterlich sehr unterschiedlich dargestellt. Modicks Sympathien liegen vor allem bei Vogeler. Dieser ist trotz seiner Inszenierung als Kunstfigur auf dem Boden geblieben, großzügig und treu, während Rilke überheblich, geizig und selbstverliebt erscheint. Da die beiden Künstler menschlich sehr weit auseinander liegen, sind sie nur durch ihre gemeinsame Ansicht zur Kunst verbunden und verwechseln dies fälschlicherweise mit einer Seelenverwandtschaft. Denn als sich Vogelers Kunstverständnis ändert und er sich für die realistischen und sozialen Bezüge von Kunst zu interessieren beginnt, bekommt die Freundschaft ihre ersten Risse. Auch ihre Ansicht, was ein Künstler eigentlich sei, weicht stark voneinander ab. So stellt sich Rilke selbst unter Genieverdacht, was Vogeler missfällt, da er sich vor allem als Handwerker sieht. Schlussendlich kann Rilke sich mit Vogelers Veränderung nicht anfreunden. Dies wird besonders daran deutlich, dass Vogeler ihm den befreundeten Künstler Zwintscher empfiehlt, der seine Frau Clara malen soll, doch Rilke ist die Darstellung des Künstlers zu realistisch. Er hält nichts von mimetischen Darstellungen und verübelt Vogeler dessen Empfehlung, obwohl jener sogar das Honorar für Rilke übernimmt (vgl. S. 221). Es zeigt sich also, dass die Freundschaft nur auf einer gemeinsamen Kunstauffassung basiert, doch das dies nicht ausreicht, da Charaktereigenschaften und Ansichten über Liebe und Lebensansichten stark differieren.
Auch in den Kurzgeschichten in Krumme Touren ist die Liebe ein immer wiederkehrendes Motiv. Dabei geht es immer um die Liebe eines Mannes für eine Frau, welche er in den meisten Fällen jedoch nicht für sich gewinnen kann. In Solveigs Tagebuch ist der Protagonist der festen Überzeugung, die Freundin seines besten Freundes Solveig sei eigentlich in ihn verliebt und werde bald mit seinem besten Freund Schluss machen. In Gedanken spinnt er sich ihre Tagebucheinträge zusammen und wartet nur darauf, dass sie eines Tages vor seiner Tür steht, um mit ihm durchzubrennen. Was sich zunächst tatsächlich anzubahnen scheint, entpuppt sich dann jedoch als Missverständnis: Solveig zieht in eine andere Stadt – zu ihrem Liebhaber. In der Geschichte Punkt sechs am Pantheon lässt der Protagonist viel Ärger über sich ergehen, nachdem er von einer schönen Unbekannten eine Nachricht mit einem Treffpunkt zugesteckt bekommen hat. Dieses Zeichen deutet er als Chance auf die große Liebe, muss am Ende jedoch feststellen, dass Rosetta eine transsexuelle Prostituierte ist, die nach einer gemeinsamen Nacht schnell wieder verschwunden ist.

Frauenbild
Modick ist kein Autor, der einen ausgeprägten feministischen Ansatz vertritt. Doch in seinem Roman Konzert ohne Dichter zeigt er die Schwierigkeiten von Künstlerinnen Anfang des 19. Jahrhunderts in einem männerdominierten Kunstbetrieb, der Frauen eher toleriert als respektiert. Auch der Verein der Künstlerkolonie Worpswedes besteht nur aus Männern, obwohl die Künstlerinnen und Bildhauerinnen Clara Westhoff und Paula Becker in Worpswede ansässig sind. Zwar setzt sich Vogeler dafür ein, die beiden Frauen aufzunehmen, da sie offensichtlich Talent haben, doch bleibt dies ohne Erfolg, da sie von ihren Kollegen nur als „Malweiber“ (S. 214) belächelt werden. Erschwerend kommt für sie hinzu, dass auch die Staatlichen Künstlerakademien keine Frauen aufnehmen und die Kunsthändler im Roman die Ansicht vertreten, dass diese „weder Ahnung von Kunst noch von Geld haben“ (S. 159). Auch die männliche Jury der Nordwestdeutschen Kunstausstellung in Oldenburg hat kein Gemälde einer Frau aufgenommen, mit Ausnahme der Büste von Clara Westhoff, da sie Heinrich Vogeler zeigt. Der Roman zeigt somit, wie stark künstlerisch tätige Frauen vom Betrieb marginalisiert wurden.
Vogeler bewundert heimlich Paulas Talent und ihre Arbeit als „[s]chlicht. Ehrlich. Klar“ (S.1 5) und zeigt sich reflektierter als die meisten seiner männlichen Zeitgenossen, wenn er die eigenen Ressentiments erkennt: „Und Vogeler? Ein eitler, erfolgsbesessener Dekorateur. Dagegen war Paula eine künstlerische Naturgewalt. Er gestand es sich nur ungern ein und brachte es immer noch nicht über sich, das auch offen auszusprechen. Vielleicht fürchteten alle, die ihre Bilder als plump und primitiv abtaten, ihre Kraft?“ (S. 40f.) Einerseits zeigt er Sympathien für seine Kolleginnen und verherrlicht seine Frau. Andererseits drückt gerade in der Verherrlichung eine nicht eben frauenfreundliche Haltung aus. Denn, als Martha mit dem Alter nicht mehr den Engel darstellt, in den er sich verliebt hat, zeigt sich, dass er auch in ihr nicht viel mehr als nur eine Muse sieht: „Das ist nicht mehr das Mädchen, in das er sich auf den ersten Blick verliebte, nicht mehr die zarte, märchenleise Frau, die er wieder und wieder gemalt hat und die Königin im Staat des Schönen herrschen und zugleich edelste Schmuck sein sollte. So hat er sie formen, zu seinem Geschöpf machen wollen“ (S. 14).
Auch Rilke sieht in Frauen seine Musen, doch ist seine Einstellung Frauen gegenüber noch etwas drastischer, denn für ihn sind sie eher lästig und sollen bloß wortlose Stichwortgeberinnen sein: „Es bedeutete, dass die Dichter das Sagen hatten, die Maler das Zeigen und den Frauen blieb das Sein. Insbesondere das Da-Sein, das ständige Bereit-Sein für die Dichter und Maler. Rilke brauchte die Frauen. Aber im Grunde liebte er sie nicht“ (S. 29). Während Vogeler Paula und Clara also als selbstständige Künstlerinnen wahrnehmen, kommen sie bei Rilke nicht als Künstlerinnen vor, „nicht einmal als Ehefrauen. Da konnte Clara noch so gehorsam bei Rodin studieren – Frauen waren für Rilke Geliebte, Musen bestenfalls“ (S. 29). So schafft es Rilke auch nach kürzester Zeit seiner Ehefrau alle Lebensfreude zu nehmen und bevormundet sie. Mit feinem Spott schreibt Modick Clara vermeintlich männlich-herbe Eigenschaften und Äußerlichkeiten zu und stellt Rilke als feminin-zerbrechlich dar (vgl. S. 165). So muss sich Clara ducken, um nicht größer als Rilke zu wirken. Ironischerweise ist Rilke auch finanziell von Frauen abhängig. So sind es gerade die „großherzigen Herzoginnen, freigiebigen Freifrauen, betuchten Baronessen und spendablen Gräfinnen“ (S. 57), denen Rilke immer wieder seine Aufwartung macht und die ihn mit ihrem Geld finanzieren.

Schriftstellerdasein und Selbstreflexion
Auch in Konzert ohne Dichter finden sich selbstreflexive Elemente. Für seinen Protagonisten Vogeler ist die Künstlerinszenierung eine wirtschaftliche Notwendigkeit, um seine Bilder besser verkaufen zu können. 

Darstellung des Kunstbetriebs
Modick hat in seinen Romanen wie Bestseller oder die Schatten der Ideen immer wieder den Literaturbetrieb thematisiert. In Konzert ohne Dichter wendet er sich dem Kunstbetrieb zu und zeigt Parallelen zwischen den beiden Branchen auf, indem er die patriarchalen Strukturen und die Autonomie des Kunstmarktes als Schauplatz für Interessenvertretungen, Manipulation und Gefälligkeiten demaskiert.
Die Kunstszene wird als Spielplatz der angeblichen Kunstenthusiasten dargestellt, die Kunst vornehmlich als Ware betrachten und eigennützige Interessen verfolgen. So wird die Ausstellungseröffnung als Event inszeniert bei dem die Kunst nebensächlich wird. Es geht vielmehr ums Sehen und Gesehen werden, die geladenen Gäste werfen sich in Schale, „als ginge es zu Hofe oder in die Oper“ (Konzert ohne Dichter, S. 205). Auch Vogeler und Rilke sind ein Teil dessen und bedienen diese Erwartungen, indem sie sich als Kunstfiguren mit Kostümierungen in Szene setzen. Ihre Selbstvermarktungsstrategien gehören zum alltäglichen Geschäft, um ihre Kunst verkaufen zu können. Doch nicht nur Künstler und Publikum sollen die Maske des Schönen wahren, auch die Bilder selbst sollen das Schöne abbilden.
So macht Vogelers Mäzen Roselius, ein Bremer Kaufmann und Millionär, dem Maler schnell klar, dass er von ihm keine Bilder mit sozialpolitischen Inhalt will: „Aber überlassen sie die Politik den Menschen, die in der Wirklichkeit des Erwerbslebens stehen und Erfahrung haben. Bleiben Sie, liebe Freunde, beim Malen, beim Dichten. Toben Sie ihre Gefühle in Farben, Linien und Reimen aus. […] Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ (S. 529). Roselius symbolisiert hier die Öffentlichkeit, für die Kunst nur einen dekorativen Zweck und keinen tieferen Sinn erfüllen soll. Darüber hinaus spricht er den Künstlern auch jede Selbstbestimmung ab. Der Kunsthändler verfolgt hinter dem Anschein Maler zu fördern vor allem eigennützige wirtschaftliche Interessen. Dies wird ironisch pointiert in einer Szene deutlich, als er mit Vogeler durch die Dörfer fährt, um den mittellosen Künstlern ihre Werke abzukaufen und beim Abschluss eines Geschäfts noch einen kolonialen Präsentkorb aus Schokolade oder Zigarren beisteuert (vgl. S. 53f.).
Der Roman verdeutlicht, dass bei den Künstlern nicht viel von dem Geld ankommt und insbesondere Künstlerinnen im patriarchalen Kunstbetrieb unter erschwerten Bedingungen leben, da ihre Bilder nur deshalb nicht gekauft oder ausgestellt werden, weil sie Frauen sind. An anderer Stelle zeigt auch dieser Roman die Bedingungen von Literaturproduktion an dem Beispiel Rilkes, der sich als noch unbekannter Dichter in einer finanziell schwierigen Lage befindet und erst durch Vogelers finanzielle Unterstützung und dessen Kontakte langsam Fuß fassen kann. Vogeler als Star der Kunstszene verdient gutes Geld, aber auch nur, weil er ständig arbeitet und sich als „Kunstschranze“ (S. 144) abhängig von Roselius macht. Denn um seinen Lebensstandard halten zu können, muss er sich den Vorstellungen und Erwartungen der Kunsthändler und des Publikums unterordnen.
Zu Beginn macht ihm das nichts aus, doch mit der Zeit wird er sich dieser Abhängigkeit immer mehr bewusst und dieser schließlich überdrüssig: „König des Jugendstils. Er weiß aber, dass er nur ein Bettler am Hof der Kunst ist“ (S. 138). Vogeler fängt an, nach dem tieferen Sinn von Kunst zu suchen und sich zu fragen, was Kunst eigentlich zu leisten habe. Seiner Ansicht nach, soll Kunst nicht nur dekorativ sein, sondern praktisch und sich in den Alltag integrieren lassen. Daher betätigt er sich nicht nur als Maler, sondern auch vermehrt als Innenarchitekt und Handwerker. Da er auch sein Anwesen, seine Möbel und seine Garten nach seinen künstlerischen Vorstellungen gestaltet, wird sein Leben mehr und mehr der Kunst untergeordnet, so dass er „Martha, vielleicht sogar seine Kinder, missbraucht als Material, als Mörtel seiner Arbeit“ (S. 113).
Doch Vogelers Zweifel reichen weiter, er wird das Gefühl nicht los, mit seinen Bildern zugunsten des Erfolgs einer unbequemen Wahrheit ausgewichen zu sein und Realitätsflucht zu betreiben: „Vogeler ahnt, dass seine Romantik nicht ins Offene weist, sondern Träume, Wolkenkuckucksheime, Luftschlösser, Kulissen, Märchen verkauft – handwerklich erstklassige Kinkerlitzchen, teuren Klimbim, edlen Firlefanz. Das alles flieht vor der Gegenwart und ihren Konflikten, und gerade deshalb hat es Erfolg, liefert Trost- und Schönheitspflästerchen gegenüber eine Zeit, deren Industrielärm, Tempo und Rhythmus im Maschinentakt man nicht mehr folgen kann“ (S. 155). Das beste Beispiel hierfür ist sein Gemälde Konzert ohne Dichter, das für die Öffentlichkeit nur das Abbild einer harmonischen Künstlerfamilie ist, obwohl hinter dieser Illusion ein zerstrittener Freundeskreis steht, der sich nicht mehr viel zu sagen hat. Da seine Jugendstilgemälde mit ihren Schnörkeln und Ornamenten so mehr verschleiern, als Missstände aufzuzeigen, kann er sich nicht mehr mit seinen Bildern identifizieren und merkt, dass er mit seiner Selbstinszenierung in einer Sackgasse gelandet ist. Für das Publikum und Roselius soll er den Märchenprinz spielen, der er nicht mehr sein möchte, da er im Grund ein bodenständiger Mann ist und ihm seine Ideale inzwischen wichtiger geworden sind als Ruhm und Erfolg. Diese Diskrepanz zwischen Erwartungen der Außenwelt und inneren Bedürfnissen zeigt sich auch an seinem Augenleiden, das durch seine viele Arbeit hervorgerufen wird und sich auch immer dann auftritt, wenn er arbeitet.
Doch während Vogeler beginnt, seinen Kunststil zu hinterfragen und schließlich den Ausweg wählt, versteift sich Rilke immer mehr in seine Selbstpräsentation, biedert sich bei den Kunsthändlern an und „spielt der Welt eine Rolle vor, die sich untrennbar in seine Person verstickt hat“ (S. 20). Der Roman zeigt also an der Entwicklung Vogelers, dass er im Gegensatz zu Rilke zur Selbstreflexion in der Lage ist und die Konsequenzen daraus zieht: Er beschließt, dass sich etwas ändern muss, indem er sich eine Auszeit nimmt. Der Roman deutet hier also auch die Entwicklung Vogelers an, der sich später dem Kommunismus zugewendet hat, um Kunst mit politischen und sozialkritischen Fragen zusammenbringen.

Das Norddeutsche / Regionalismen
Klaus Modick, der aus Oldenburg stammt, hat viele seiner Romane in Norddeutschland angesiedelt. In Die Schatten der Ideen studieren beide Protagonisten in Hamburg, in Klack lebt Markus mit seiner Familie in einer unbenannten Stadt in Norddeutschland und das Setting in Konzert ohne Dichter ist hauptsächlich auf Worpswede, Bremen und Oldenburg konzertiert. In diesem Roman finden sich viele detaillierte Naturbeschreibungen der norddeutschen Dorflandschaft wieder. Da diese vor allem anhand von Farben intensiv geschildert wird, wirkt es, als würde Modick mit seiner Sprache die Idylle von Vogelers Bildern imitieren: „Vogeler legte den Kopf in den Nacken und blickte ins flimmernde, an manchen Stellen bereits gelb gesprenkelte Grün der Birkenallee, ins Tintenblau des Spätsommerhimmels, ins weiß und silbern vorbeiwischende Spalier der Birkenstämme“ (S. 39). Auch das dörfliche Leben wird in der Handlung reflektiert, die Dorfbewohner werden als einfache, bodenständige und hart arbeitende Leute beschrieben und stehen so im Kontrast zu den eingewanderten Künstlern aus der Stadt. So zeichnen sich die Dorfleute durch derbe Herzlichkeit aus und auch wenn sie nicht so gebildet sind wie die Künstler, steckt in ihren einfachen Weisheiten mehr Ehrlichkeit und Wahrheit als hinter Rilkes opulenter und gewandter Sprache. Die Darstellung der Dorfbewohner auf Paula Beckers Bildern bringt Vogeler erst zum Nachdenken darüber, dass diese Motive vielmehr die reale Welt widerspiegeln als die Abbildung seiner Muse Martha in einer harmonisierten Natur. Die Dorfbewohner sind damit also ein Spiegel der Wirklichkeit und fungieren als Gegenpol zu der Künstlergemeinde, so dass Vogeler schlussendlich ins Zweifeln kommt und sich mit seinen idealisierten Bildern nicht mehr identifizieren kann.
Zwar gewöhnen sich die beiden Parteien aus Dörflern und Künstlern mit der Zeit aneinander, doch Aktmalerei oder die exzentrischen Kostümierungen sorgen immer wieder für Klatsch und Tratsch im Dorf (vgl. Konzert ohne Dichter, S. 18). Erschwerend kommt hinzu, dass die Dörfler nur Plattdeutsch sprechen. Durch Misstrauen und Vorurteile kann der Graben zwischen beiden Seiten letztlich nie ganz überwunden werden. Allein der bodenständige Vogeler kann sich die Sympathien der Dorfbewohner sichern, da er den Dialekt beherrscht und sich selbst auch als Handwerker und nicht als Künstler betrachtet.

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Formale Aspekte zu Konzert ohne Dichter [ ↑ ]

Intertextualität
Konzert ohne Dichter ist hinsichtlich seiner Intertextualität ein besonderer Fall, da die fiktionale Geschichte auf Biographien und Werken von Personen beruht, die tatsächlich existiert haben. Orte, Personen und Geschehnisse haben damit einen hohen Wiedererkennungswert. So bezieht sich der Roman auf zahlreiche Kunstwerke und rezipiert Texte von Gerhart Hauptmann und Rainer Maria Rilke. Daher verschmelzen Fiktionalität und Historisches.

Perspektive, Zeit und Handlung 
Auch in Konzert ohne Dichter ist eine zweite Handlungsebene vorhanden, die in diesem Fall von einem Gemälde ausgeht: Anhand Vogelers Sommerabend auf dem Barkenhoff oder Das Konzert entwickelt sich durch Wechsel der Vergangenheit und Gegenwart die Handlung des Romans. Die Rahmengeschichte umfasst drei Tage im Sommer 1905, als Vogeler zu einer Preisverleihung und zu einer Ausstellungseröffnung fährt. Auf der metadiegetischen Ebene rekonstruiert die Binnengeschichte die Ereignisse um Rilke und die Worpsweder Künstlergemeinschaft, die aus der Sicht von Heinrich Vogeler erzählt werden. Anhand der erlebten Rede werden seine Gedankengänge geschildert und die Satzkonstruktion ist zum Teil Vogelers Gedankengang nachempfunden. So werden zum Teil Sätze nicht beendet und die Geschichte springt mit Einschüben von Analepsen und Prolepsen in die Gegenwart oder die Vergangenheit. Dies hat zur Folge, dass man zu Rilkes Beweggründen sehr wenig erfährt und die Sympathielenkung auf Vogeler liegt. 

Vorausschau und Rückblicke
In Konzert ohne Dichter wird durch Prolepsen schon zu Beginn deutlich, dass sich Vogelers Leben an einem Scheidepunkt befindet, auch wenn man noch nicht den Grund dafür weiß: „Verstimmt wie so vieles in diesem Haus, verstimmt wie sein Leben“ (Konzert ohne Dichter, S. 12).

Realistisches Erzählen
Für Konzert ohne Dichter wählt Modick eine den Figuren angemessene, zeitgemäße Sprache des frühen 20. Jahrhunderts: „Vogeler fürchtete, Rilke könne ihn für einen Urning halten, dem der Sonn eher nach holden Epheben als nach Modellen und sogenannten Gräfinnen stand“ (Konzert ohne Dichter, S. 72). Auch dass die Dörfler nur Plattdeutsch sprechen, vermittelt dem Leser glaubhaft, dass die Handlung in Norddeutschland angesiedelt ist. Zudem inszeniert sich der Roman selbst als Kunstwerk und erinnert an Vogelers Bilder, indem die Sprache aus sehr detailreichen und bildhaften Passagen besteht. Malerisch wird zum Beispiel die Natur mit Farben ausführlich beschrieben. Auch die poetische Sprache Rilkes wird imitiert: „Der fast volle Mond stand über den Birken und Pappeln und erzeugte einen Lichtstrom von mattem Silber. Der Vorplatz mit den Urnen schimmerte weiß wie mit Apfelblüten bestreut. Gleich dahinter schossen sich die Nebelschwaden zu dichteren Schleiern, und davor standen die Bäume wie Türen zu einer anderen Welt. Das Lachen, Lärmen und Singen im Haus wurde leiser. Unberührt wartete diese fremde, silberne Welt, von Fabelwesen bewohnt, unter der Schwärte des Himmels, und solange das Mondmärchen mit Sternen und wehenden Gestalten dauerte, blieb alles Kunst und Traum, und nichts und niemand wurde wirklich“ (Konzert ohne Dichter, S. 175). So harmoniert die Form mit dem Inhalt und wird durch ihn gespiegelt.

Äußere und innere Form
Weitere Beispiele zeigen, dass Vogelers Boot schwankt, als ihn seine Selbstzweifel plagen (vgl. Konzert ohne Dichter, S. 36) oder die Diskrepanzen zwischen Vogler und Rilke werden durch Vögel verdeutlicht: „Auf einer im Fluss dümpelnden Torfinsel stehen sich zwei Birkhähne gegenüber, die Halskragen kampfbereit aufgeplustert, die spitzen Schnäbel schon gegeneinander gerichtet, doch bevor das Kampfritual der braunbunten Vögel ernst wird, treiben sie auf dem kreiselnden schwarzen Wasser vorbei wie ein verspäteter Traum“ (S. 58).

Titel
Manche Romantitel sind programmatisch zu verstehen und weisen eine Mehrfachcodierung auf. So ist die Bedeutung des Titels Konzert ohne Dichter, der an den Titel von Vogelers Gemälde Das Konzert angelehnt ist, offensichtlich: Der Roman erzählt, warum der Dichter Rilke auf dem Gemälde nicht zu sehen ist. Hier gewinnt also eine Leerstelle durch den Roman an Bedeutung.

Ironie und satirische Elemente
Modicks Romane zeichnen sich durch satirische Elemente und Ironie aus. Beispielweise wird der Schriftsteller Carl Hauptmann in Konzert ohne Dichter betrunken dargestellt und somit die Wichtigtuerei der Schriftsteller, selbst im betrunkenen Zustand noch etwas Wichtiges sagen zu müssen, ironisch bloßgestellt: „Wie ein Satyr tanzte Hauptmann abwechselnd mit allen Damen, bis er kreideweiß gegen die Wand taumelte und mit erhobenem Zeigefinger um Aufmerksamkeit bat. ‚Jetzt ist mir schwindelig‘, verkündete er, als wäre das eine Offenbarung“ (S. 174).

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Pressespiegel zu Konzert ohne Dichter [ ↑ ]
Da Konzert ohne Dichter einige Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, finden sich zu dem Roman zahlreiche Besprechungen. Nicht nur von der Leserschaft auch im Feuilleton wurde der Roman durchweg positiv aufgenommen: Die Darstellung der Kunst- und Literaturszene sei gut recherchiert und die Inszenierung der einstigen Künstlerfreunde unterhaltsam. Insbesondere die komische und überspitzte Darstellung Rilkes sei ebenso gewagt wie gekonnt.
Kristina Maidt-Zinke schreibt in der Süddeutschen Zeitung (10.03.2015), dass Modick „diesmal eine sehr charmante Kreuzung aus Künstler- und Heimatroman gelungen“ sei. Vor allem der Konflikt zwischen Vogeler und Rilke sei charmant und mit Feingefühl geschildert, da Modick keinem der beiden die Ernsthaftigkeit abspreche: „Der Autor jongliert klug mit Ambivalenzen, ohne viel Aufhebens darum zu machen.“ Auch Christine Regus (taz, 21.02.2015) votiert ähnlich; sie habe das Buch wegen der „atmosphärisch genauen Beschreibung von Landschaft, Leuten und Sprache“ gerne gelesen. Markus Schwering von der Frankfurter Rundschau (11.02.2015) findet, dass es Modick gelingt, dem abgedroschenen Thema Kunst im Roman, neue und interessante Sichtweisen aufzuzeigen, da es, „wenn es wie hier mit Verve, Humor und Stilvermögen angepackt wird, ein hintergründiges Spiel der Spiegelungen und Selbstbezüglichkeiten freizusetzten vermag“. Auch die Figur Rilkes, der als „egomanischer Kitsch-Heiliger der anbrechenden Moderne“ erscheint, ist für ihn ein starkes Statement und bereitet ihm großes Lesevergnügen.
Auch Denis Scheck im ARD-Literaturmagazin Druckfrisch (08.02.2015) zeigt sich vom Roman ganz begeistert und lobt ihn sogar als „Meisterstück“, da er gekonnt Fragen der Kunst und Ethik verhandele: „Dieser Roman lässt seine Leser ungeschaute Bilder sehen, unerhörte Musik hören, ja er öffnet seinen Lesern die Augen und Ohren für die Wahrheiten von Kunst und Leben selbst.“ Sabine Peters vom Deutschlandfunk (28.08.2015) kritisiert einige Ausrutscher, da „nicht die Figuren, sondern der Erzähler selbst ins ‘Tümeln‘ gerät und bei den Landschaftsbeschreibungen einen zu hohen Tonfall wählt.“ Insgesamt sei Konzert ohne Dichter jedoch in hohem Maße stimmig: „Ein unangestrengt daherkommendes, facettenreiches, kluges und spannendes Buch.

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Postmodernismus
Die meisten Forschungstexte über Modick setzen sich mit ihm als Autor der Postmoderne auseinander, der die Postmoderne reflektiert.. Dieter Wrobel hält fest: „Sowohl Klaus Modick als auch Michael Krüger äußern sich in ihren Texten zur literarischen Praxis der Postmoderne auf zweifache Weise: zum einen befassen sich beide Texte mit Literatur, die im Prozeß des Verschwindens begriffen ist […], und zum anderen beziehen sie Position zur Diskussion um die Postmoderne. Beide schalten diesen Äußerungen jedoch Schriftsteller vor, die in ihren Texten die Hauptfiguren sind“ (Wrobel 1997, S. 236). Als ein weiteres von Modick aufgegriffenes Merkmal der Postmoderne nennt Hubert Winkels das „gleichrangige[…] Ineinander von diversen Erzählungen“ (vgl. Winkels 2010, S. 111). So lassen sich in vielen von Modicks Romanen mindestens zwei, zeitlich auseinanderliegende, Erzählstränge finden. Dass Modicks Texte fast immer einen zweiten Schauplatz besitzen, ist für Winkels offensichtlich und ein wichtiges postmodernistisches Element seiner Texte. So gehen sowohl Konzert ohne Dichter als auch Das Grau der Karolinen von einem Gemälde als zweiten Schauplatz aus.

Pressespiegel

Die Schatten der Ideen
Von der Literaturkritik wird der Roman Die Schatten der Ideen überwiegend positiv bewertet. So lobt Edo Reents in der FAZ (04.10.2008) Modicks "historische Tiefenschärfe“, da der Roman eine beeindruckende Bestandsaufnahme der paranoiden Strukturen in der amerikanischen Geschichte sei: „Dass der Roman unter dieser ideologisch-historischen Last nicht zusammenbricht, ist kein Wunder, sondern Modicks Fabuliertalent und seinem Willen zur Unterhaltung zu danken“. Besonders Modicks intime Landeskenntnis und seine pointierten Beobachten machen den Roman für Reents zum „großen Wurf“. Daneben zeigt Volker Hage vom Spiegel (13.10.2008) beeindruckt von Modicks historischer Genauigkeit, die „so beklemmend wie fesselnd“ sei. Auch Hendrik Werner (Die Welt, 14.02.2009) ist begeistert von Modicks Campusroman: „Modick ist ein formidabler Roman gelungen, der literarische Vergangenheitsbewältigung so bewundernswert betreibt wie eine ketzerische Nahaufnahme des Innenlebens nicht nur amerikanischer Institutionen der Academia.“
Für Steffen Martus (Süddeutsche Zeitung, 14.10.2008) hingegen betreibt Modick „Geschichtstheorie mit dem Hammer. Und so grob wie diese historische Assoziationskette geschmiedet ist, so unfein wird der Leser durch den Roman geführt“. So fühle sich der Rezent durch die ständigen Fingerzeige vom Autor unterschätzt. Zwar sei die Binnengeschichte um Julian Steinberg im Grunde interessant, doch sei sie lieblos erzählt und werde immer langweiliger, je mehr sich die Geschichte von einer Exilantengeschichte zu einem Thriller verwandele. Vor allem das Ende, „ein überdrehtes James-Bond-Finale“, missfällt ihm. Lobende Worte findet er jedoch für die zweite Handlungsebene und Modicks ironische Erzählweise: „Die Rahmenhandlung über Carlsen fällt dagegen sehr viel witziger und spannender aus, so wie man das von Modick gewohnt ist.“ 

Krumme Touren
Marc Peschke schreibt auf HR online (13.02.2010) Modicks Buch sei ein wunderbares Beispiel für die Liebe zur kurzen Form und dem Hang, Großes zu erzählen. Dieser Meinung schließt sich auch Andreas Heimann (Berliner Literaturkritik15.02.2010) an: „Modick kann auch kurz.“ Der Kritiker lobt außerdem Modicks Gespür für überraschende Wendungen und Pointen, die die Geschichten lesenswert und unterhaltsam machen. Nicht begeistern für Krumme Touren kann sich Jörg Magenau von der Süddeutschen Zeitung (16.03.2010). In seinen Augen sind die Geschichten „harmlos, altbacken und abgestaubt“. Der Erzählband mit seinen „zombifizierten Kerngeschichten“ sei „Konfektionswäre“.2010) ist der Ansicht, dass Klaus Modick sogar Alltagsbanalitäten zu Lebensgefühl verdichten kann. Dies betont auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.05.2010): „Ob geheimnisvoller Spuk hinter dem Deich, Rhabarberkuchen im Ausflugslokal oder ein zerkochtes Nudelgericht – kein Ereignis ist zu gering, als dass Modick nicht eine Geschichte daraus entwickeln könnte.“ 

Sunset
Die Rezensionen zu Sunset fallen ausschließlich positiv aus. So schreibt Andreas Heimann im Stern (04.03.2011), Modick habe ein eindrucksvolles Buch über Feuchtwanger geschrieben, eines, das dem Leser keine Mühen abverlangt und ihn en passant noch einiges lernen lässt über Brecht und Feuchtwanger, über Literatur und das Exil der Literaten im Zweiten Weltkrieg“. Katharina Teutsch vom Tagesspiegel (09.04.2011) kommt zu folgendem positiven Fazit: „Zwei Männer, zwei Weltbilder, zwei weltberühmte Künstler: Der Romancier Klaus Modick hat ihre Beziehung jetzt in einem kleinen, aber feinen Buch herausgearbeitet.“ Edo Reents von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (02.05.2011) ist der Meinung, Klaus Modick habe zu seinem 60. Geburtstag einen Feuchtwanger-Roman geschrieben, der sein eigenes Werk runde und Bekenntnisse in eigener Sache enthalte. Volker Heigenmooser konstatiert auf literaturkritik.de (11.05.2011), Klaus Modicks Roman Sunset sei ein historischer Roman in der Tradition Lion Feuchtwangers. In diese Richtung äußert sich auch Johannes Kaiser von DeutschlandradioKultur (12.05.2011): „Klaus Modick gelingt es – und darin ähnelt sein Buch denen des Exilschriftstellers – bei aller Faktentreue die historische Persönlichkeit Feuchtwangers mit Leben zu füllen, sie zur literarischen Figur werden zu lassen, zum durchaus sympathischen Protagonisten seines Romans. […] Ein rundherum geglücktes Buch über einen Mann am Ende seines Lebens, altersmilde, ein bisschen altersweise.“ Hubert Winkels (DIE ZEIT, 30.06.2011) ist darüber hinaus davon überzeugt, dass Modick hier "sein schönstes Buch" vorgelegt habe. Die Qualität des Buches liege laut Winkels in der „Vergegenwärtigung des alten Lion Feuchtwanger, der am Tag, als er in seinem prächtigen Haus in Los Angeles vom Tod Bertolt Brechts erfährt, seinen Gedanken nachhängt. Das Erfolgsschriftstellertum hat er hinter sich, will loslassen, und auch so schreiben: ohne Druck und ohne Plot.“ Ganz, so Winkels, wie Modick in diesem Buch.

Klack
Die Rezensionen zu Modicks Roman Klack sind durchweg positiv. In einer Kritik im Focus (19.02.2013) heißt es „Klaus Modick hat einen seiner besten Romane geschrieben: Klack. [...] Er beweist einmal mehr, wie angenehm unaufgeregt er erzählen kann, schnörkellos, aber pointenreich, mit viel Gespür für subtile Komik." Walter Hinck von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (03.05.2013) ist überzeugt, dass die Romane von Modick nie langweilig werden. Dabei täusche die Sprache keine „dunklen Sinntiefen“ vor, sie tummle sich viel mehr im Saloppen, „aber mit Witz“. Auch Kerstin Herrnkind vom Stern (16.05.2013) bezeichnet die Lektüre von Klack als einen „genussvollen Spaß“, weil Modick nicht nur präzise erzähle, sondern sich auch traue, „zuweilen sehr, sehr komisch zu sein". Sabine Peters (Deutschlandradio, 18.07.2013) findet, Klack sei ein realitätsgesättigter, unangestrengter, gut lesbarer Roman, der unterhält und dabei doch die Frage nach den Mustern stellt, die jede Generation auf unterschiedliche Weise bestimmen. 

Konzert ohne Dichter
Da Konzert ohne Dichter einige Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, finden sich zu dem Roman zahlreiche Besprechungen. Nicht nur von der Leserschaft auch im Feuilleton wurde der Roman durchweg positiv aufgenommen: Die Darstellung der Kunst- und Literaturszene sei gut recherchiert und die Inszenierung der einstigen Künstlerfreunde unterhaltsam. Insbesondere die komische und überspitzte Darstellung Rilkes sei ebenso gewagt wie gekonnt.
Kristina Maidt-Zinke schreibt in der Süddeutschen Zeitung (10.03.2015), dass Modick „diesmal eine sehr charmante Kreuzung aus Künstler- und Heimatroman gelungen“ sei. Vor allem der Konflikt zwischen Vogeler und Rilke sei charmant und mit Feingefühl geschildert, da Modick keinem der beiden die Ernsthaftigkeit abspreche: „Der Autor jongliert klug mit Ambivalenzen, ohne viel Aufhebens darum zu machen.“ Auch Christine Regus (taz, 21.02.2015) votiert ähnlich; sie habe das Buch wegen der „atmosphärisch genauen Beschreibung von Landschaft, Leuten und Sprache“ gerne gelesen. Markus Schwering von der Frankfurter Rundschau (11.02.2015) findet, dass es Modick gelingt, dem abgedroschenen Thema Kunst im Roman, neue und interessante Sichtweisen aufzuzeigen, da es, „wenn es wie hier mit Verve, Humor und Stilvermögen angepackt wird, ein hintergründiges Spiel der Spiegelungen und Selbstbezüglichkeiten freizusetzten vermag“. Auch die Figur Rilkes, der als „egomanischer Kitsch-Heiliger der anbrechenden Moderne“ erscheint, ist für ihn ein starkes Statement und bereitet ihm großes Lesevergnügen.
Auch Denis Scheck im ARD-Literaturmagazin Druckfrisch (08.02.2015) zeigt sich vom Roman ganz begeistert und lobt ihn sogar als „Meisterstück“, da er gekonnt Fragen der Kunst und Ethik verhandele: „Dieser Roman lässt seine Leser ungeschaute Bilder sehen, unerhörte Musik hören, ja er öffnet seinen Lesern die Augen und Ohren für die Wahrheiten von Kunst und Leben selbst.“ Sabine Peters vom Deutschlandfunk (28.08.2015) kritisiert einige Ausrutscher, da „nicht die Figuren, sondern der Erzähler selbst ins ‘Tümeln‘ gerät und bei den Landschaftsbeschreibungen einen zu hohen Tonfall wählt.“ Insgesamt sei Konzert ohne Dichter jedoch in hohem Maße stimmig: „Ein unangestrengt daherkommendes, facettenreiches, kluges und spannendes Buch.

Forschungsspiegel

Postmodernismus
Die meisten Forschungstexte über Modick setzen sich mit ihm als Autor der Postmoderne auseinander, der die Postmoderne reflektiert.. Dieter Wrobel hält fest: „Sowohl Klaus Modick als auch Michael Krüger äußern sich in ihren Texten zur literarischen Praxis der Postmoderne auf zweifache Weise: zum einen befassen sich beide Texte mit Literatur, die im Prozeß des Verschwindens begriffen ist […], und zum anderen beziehen sie Position zur Diskussion um die Postmoderne. Beide schalten diesen Äußerungen jedoch Schriftsteller vor, die in ihren Texten die Hauptfiguren sind“ (Wrobel 1997, S. 236). Als ein weiteres von Modick aufgegriffenes Merkmal der Postmoderne nennt Hubert Winkels das „gleichrangige[…] Ineinander von diversen Erzählungen“ (vgl. Winkels 2010, S. 111). So lassen sich in vielen von Modicks Romanen mindestens zwei, zeitlich auseinanderliegende, Erzählstränge finden. Dass Modicks Texte fast immer einen zweiten Schauplatz besitzen, ist für Winkels offensichtlich und ein wichtiges postmodernistisches Element seiner Texte. So gehen sowohl Konzert ohne Dichter als auch Das Grau der Karolinen von einem Gemälde als zweiten Schauplatz aus. Auch in Die Schatten der Ideen gewinnt der Roman durch das Manuskript von Steinberg eine zweite Handlungsebene (vgl. Düsing 2010, S. 185) und sei somit eine „Fiktion in der Fiktion – mit dem Effekt, dass erstens die erste Fiktion logisch gleichwertig und zusammenhängend mit der eingebauten zweiten ist; und dass zweitens Klaus Modick auf der Stelle als postmoderner Schriftsteller verhaftet wurde“ (Winkels 2010, S. 111). Für Mörchen sind die postmodernen Impulse der Grund dafür, dass „Modick nie ins Triviale abrutscht“ (Mörchen 2011, S. 74). Schließlich sei tagesaktuelles Politisieren nicht seine Sache: „Aufklärung möchte er via Unterhaltung leisten“ (ebd.), aber auf einer literarischen Ebene, die Ironie, Parodie, Satire, metasprachliches und intertextuellem Spiel beinhalte (vgl. ebd.).
Zwei weitere Begriffe der Postmoderne, die auch bei Modick eine große Rolle spielen, sind Intertextualität und Zitat. Ralf Schnell schreibt dazu: „Kritiker ‚postmoderner Schreibweisen‘ sehen in der zitathaften Verwendung literarischer Traditionen entweder ein Zeichen für die Austauschbarkeit von Stillagen oder einen Mangel an Originalität. In Wahrheit geht es den Autoren der ‚Postmoderne‘ um eine besondere Form der Traditionsaneignung. Wenn in gegenwärtiger Literatur mit literarischen Traditionen spielerisch verfahren wird, dann bringt sich darin – so Klaus Modick (geb. 1951), einer der als ‚postmodern‘ geltenden jüngeren Autoren – ein ‚gebrochenes‘ Wiedererkennen von Wirklichkeit zur Geltung“ (Schnell 1993, S. 448). Modick zitiert sowohl sich selbst als auch zahlreiche andere Autoren wie Thomas Mann, Kurt Tucholsky oder Johann Wolfgang von Goethe.

Metafiktionalität – Narrative Gedankenspiele
Dirk Frank befasst sich vor allem mit den narrativen Gedankenspielen im postmodernen Roman. Es falle auf, dass „[i]n Klaus Modicks erzählerischem Oeuvre fast immer Schriftsteller und Künstler als Handelnde und Schreibende im Mittelpunkt [stehen]“ (Frank 2001, S. 199). „Diese komplexe Erzählform ist doppelsträngig konzipiert, wobei Primär- und Sekundärstrang auf engste aufeinander bezogen sind“ (Frank 2001, S. 10). In Bezug auf Modicks Werk untersucht Frank vornehmlich die Romane Ins Blaue und Weg war weg. Frank spricht von „Metafiktionalität“, die er als „Einzelwerkphänomen“ charakterisiert, genauer als eine „Form von intratextueller Kommunikation“ (Frank 2001, S. 16).Laut Frank lasse vor allem der Roman Ins Blaue thematische und strukturelle Vergleiche mit einem längeren Gedankenspiel zu, da der „Roman im Roman in direkter Auseinandersetzung mit der Schreib- und Erlebnisgegenwart entsteht“ (Frank 2001, S. 199.). Beides trifft auch auf Modicks Roman Sunset zu. Hierzu ist bisher so gut wie keine Forschungsliteratur erschienen, dennoch lassen sich auch hier einige Aspekte der Metafiktion und des Gedankenspiels finden. Zum einen stehen in Sunset die Schriftsteller Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger im Mittelpunkt, darüber hinaus ist der Roman so konzipiert, dass Feuchtwanger, aus dessen Perspektive erzählt wird, zum einen den Arbeitsprozess an seinem Roman Jefta und seine Tochter begleitet und kommentiert. Zum anderen besteht der Roman aus einem einzigen Gedankenspiel, nämlich der Erinnerung an das gemeinsame Leben und die Freundschaft mit Brecht im Laufe eines Tages. Frank konstatiert: „das Verhältnis von Realität und Gedankenspiel ist als ‚Kontrast‘ konzipiert“ (Frank 2001, S. 200). In Sunset wird dieser Kontrast durch das Gegenpaar Leben und Tod verdeutlicht. Im Gedankenspiel ist Brecht lebendig, während er in der eigentlichen Gegenwart bereits gestorben ist.
Hubert Winkels vertritt außerdem die These, dass in den meisten Texten Modicks immer zwei Schauplätze existieren. Dabei impliziere ‚Schauplatz‘ auch eine Gedankenwelt bzw. das Unterbewusste im Freud’schen Sinne (vgl. Winkels 2010, S. 110).

Autor in der eigenen Fiktion
In der Forschungsliteratur wird häufig thematisiert, dass der Autor sich bewusst in seine eigenen Texten einschriebe. Düsing stellt beispielsweise fest, dass die Namen der Protagonisten häufig Wortspiele aus Klaus Modicks Namen sind. So könnte der Name des Protagonisten Moritz Carlsen auch eine Anlehnung an die Umkehrung seiner Initialen sein (vgl. Düsing 2010, S. 184). Zudem durchziehen autobiographische Elemente die Texte. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf drei Themenbereichen: Das Schriftstellerdasein, seine Heimat Norddeutschland und Amerika. So stellt Winkels fest, dass „immer wieder das Oldenburgische“ (Winkels 2010, S. 108) eine wichtige Rolle spielt. Dass Modick seine Romane wie Die Schatten der Ideen auch häufig in Amerika ansiedelt, führt er auf dessen Biographie zurück: „Dabei ist nicht entscheidend, aber trotzdem bedeutsam, dass Klaus Modick seit über zwanzig Jahren mit der Amerikanerin Marjorie Jamison verheiratet ist, […] dass er fast jeden Sommer in den USA verbringt, dass seine älteste Tochter dort studiert und dass er vor allem Bücher amerikanischer Autoren der Moderne seit vielen Jahren erfolgreich übersetzt […]. Was zur Folge hat, dass der Schauplatz einiger Modick-Bücher tatsächlich an der Ostküste liegt, in den Neuenglandstaaten“ (Winkels 2010, S. 108f.). Auch für Düsing sind „Übereinstimmungen mit realen Personen gewollt und unvermeidlich“ (Düsing 2010, S. 184). 

Kriminal- und Universitätsroman
In Die Schatten der Ideen verbindet Modick die Gattung des Kriminal- und Universitätsromans miteinander. Diese beiden Elemente untersucht auch Düsing in seinem Aufsatz Die Universität im Spiegel des Kriminalromans. Für ihn ist diese Verknüpfung charakteristisch für den modernen Roman. Zunächst stellt er fest, dass der zum Genres der Campus-Novel gehört, „weil der Roman Vorgänge auf dem Campus eines College in Vermont darstellt“ (Düsing 2010, S. 183). Jedoch wechsele das Genre mit dem Fund von Julian Steinbergs Aufzeichnungen zum Kriminalroman, dessen Zentrum aber immer noch der Campus sei (vgl. Düsing 2010, S. 186). Carlsen werde durch seine Spurensuche immer mehr zu einem Detektiv., Für Düsing ist Lauren nicht nur Lavalles Gehilfin, sondern er interpretiert beide auch als Angestellte des FBI, so dass er das Ende als „Zusammenstoß zwischen dem Poeten und der Polizei, zwischen Geist und Macht“(Düsing 2010, S. 188) sieht.
Auch Düsing weist daraufhin, dass der Roman das James-Bond-Motiv ins Gegenteil verkehre. Carlsen und Lauren wirkten darüber hinaus „wie die Parodie eines James-Bond-Abenteuers, wozu auch gehört, dass er nicht der unbesiegbare Frauenheld und geniale Detektiv ist, sondern etwas naiv auf das schöne, intelligente Biest hereinfällt“ (Düsing 2010, S. 187). Da der Autor außerdem ein ausgezeichneter Amerikakenner sei, würde er sein Wissen und seine Haltung auch in die Geschichte miteinfließen lassen: „Diese Ereignisse haben die USA, aus der Sicht des deutschen Autors, negativ verändert“ (Düsing 2010, S. 184). Der Aufsatz thematisiert darüber hinaus auch die „aus dem Kalten Krieg stammende, geradezu paranoide Überwachungsmentalität, die heute wieder, vor allem in den USA, die Freiheit des Denkens und damit die Universität bedroht“ (Düsing 2010, S. 188). 

Familie Heimat und Erinnerungsliteratur
Viel beachtet in der Forschungsliteratur über Modicks Werk wurde auch das Thema ‚Familie‘. Hubert Winkels stellt heraus, dass sich familiäre und regionale Motive durch fast alle seine Romanen ziehen. In Klack geht es hauptsächlich um die Unterschiede zwischen den – in einem Haus lebenden – verschiedenen Generationen einer Familie. Winkels spricht sogar von der „Rückkehr der Familie“ (Winkels 2010, S.105) bei Modick: „Und es kommt noch konzentrischer: Dieses Familienleben ist eingebettet in eine Landschaft, eine historisch definierte Region, in Wind und Wetter und fürstliche und Nazi- und Nachkriegsgeschichte und immer wieder ins Oldenburgische, ins Oldenburger Land, in die Stadt Oldenburg“ (Winkels 2010, S. 108). Vor allem die Handlung von Klack konzentriert sich auf die Nachkriegsgeschichte par excellence, den Kalten Krieg und die Bedrohung einer Atomkatastrophe. So arbeitet Winkels heraus, dass Heimat bei Modick durchaus nicht im negativ-konnotierten Sinne des Provinzialismus als Konzept gesehen werden kann.
Dietmar Till befasst sich eher mit der Familie im Kontext des Nationalsozialismus und bezieht sich dabei auf Modicks Der kretische Gast und auf Bestseller. Letzterer ist laut Till wiederum eine Satire darüber, wie die Verlagsbranche Kapital aus der Erinnerungsliteratur schlägt (vgl. Till 2009, S. 34).
Ein neuer Zweig der Forschungsliteratur über Modick befasst sich mit seiner Darstellung des Exils vornehmlich in seinem 2011 erschienenen Roman Sunset über den im kalifornischen Exil lebenden deutsch-jüdischen Schriftsteller Lion Feuchtwanger. Narloch und Dickow konstatieren: „Indem Modick das Medium der Literatur einerseits als transnational und kosmopolitisch beschreibt, zugleich aber auch an einer spezifischen Stätte des historischen Exils verortet, verweist er indirekt auch auf die Notwendigkeit, Gedächtnisorte zu schaffen, an denen die Erinnerung an das Exil dauerhaft und generationenübergreifend gebunden werden kann“ (Narloch und Dickow 2014, S. 1).