PITCH-Projektbeschreibung

Kurzfassung PITCH-Projekt Prüfungen innovieren, Transfer schaffen, Chancengerechtigkeit fördern in der organischen Chemie

Im Rahmen des Projektes PITCH wird an der Universität Duisburg Essen an vielen beteiligten Fachbereichen ein Schritt in Richtung einer neuen – digitalen – Prüfungskultur gegangen (Übersicht über die beteiligten Fachbereiche). Gefördert wird dieses Vorhaben durch die Stiftung Innovationen in der Hochschullehre.

Im Bereich der organischen Chemie fehlen aktuell geeignete Möglichkeiten, um in Lehre und Prüfung typische Aufgabenformate digital umsetzen zu können. Zentraler Gegenstand der organischen Chemie ist die Auseinandersetzung mit komplexen organischen Molekülen, die in Form von Strukturformeln abgebildet werden (siehe beispielsweise Abbildung 1). In der aktuellen Praxis von Lehre und Prüfung geschieht dieses mit Stift und Papier (paper-pencil basiert) beziehungsweise Kreide und Tafel.

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Abbildung 1: Strukturformel eines Citronensäuremoleküls

Für die digitale Darstellung solcher Moleküle stehen verschiedene lizenzpflichtige Programme zur Verfügung. Diese richten sich allerdings an Experten und sind auf eine professionelle Nutzung ausgerichtet. Eine Nutzung im Rahmen von Lehre und Prüfung gestaltet sich aus zwei wesentlichen Gründen schwierig: (1) diese Programme setzen Expertise des Nutzers voraus und erlauben bestimmte Darstellungen und klassische Anfängerfehler, die im Rahmen von Lernprozessen gemacht werden, nicht. Lernende können Moleküle daher nicht so (fehlerhaft) darstellen wie sie es paper-pencil basiert tun würden; entsprechend können diese Fehler nicht Gegenstand der Lehre und bewertbare Leistung in der Prüfung werden.

 

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Abbildung 2: Darstellung eines Citronensäuremoleküls mit einem digitalen Zeichenprogramm

(2) Die Implementation dieser professionellen Programme in Lernplattformen wie Moodle ist – aufgrund ihrer Zielgruppe – nicht vorgesehen. Selbst wenn, wie an der Universität Duisburg Essen, eine Campuslizenz für ein solches Programm vorliegt, sind die Möglichkeiten der Aufgabengestaltung mithilfe dieser Programme begrenzt und bieten neben der reinen Digitalisierung der Zeichnung keinen Mehrwert im Sinne einer Integration didaktischer Unterstützungsmaßnahmen wie sie innovative Lernangebote erfordern. Es besteht stattdessen die Gefahr, dass eine umständliche Einbettung in Lernplattformen wie Moodle zu unnötiger kognitiver Belastung durch die Bedienung führen und sich dies negativ auf den Lernerfolg der Studierenden auswirkt (extraneous processing, für einen Überblick siehe Mayer, 2009; Paas & Sweller, 2014).

Wünschenswerte Unterstützungsmaßnahmen, die eine Innovation und eine zusätzliche Lerngelegenheit gegenüber dem aktuellen paper-pencil basierten Präsenslehreangebot bieten, stellen zusätzliche digitale Lerngelegenheiten mit sofortigem individuellen, fehlerspezifischem beziehungsweise regelbasiertem Feedback dar (für einen Überblick siehe Johnson & Priest, 2014; Narciss, 2006, Shute 2008). Studierende können so eine umgehende Rückmeldung zu ihrem aktuellen Fähigkeitsstand erhalten und können bei Bedarf flexibel weitere Übungen bearbeiten. Das sofortige Feedback zur bearbeiten Aufgabe wird motivational als günstiger betrachtet als ein beispielsweise im Rahmen einer mehrere Tage später stattfinden Präsensveranstaltung erhaltenes Feedback. Darüber hinaus kann in einer Präsensveranstaltung in der Regel kein individuelles Feedback für alle Studierenden zu all ihren Aufgaben gleistet werden.

Für die Lehrenden bietet ein solches digitales Lernangebot eine Entlastung, weil es sie von der Korrektur von Übungsaufgaben der Studierenden entlastet. Präsenslehrveranstaltungen können sich so auf eine Besprechung klassischer Schwierigkeiten oder gehäuft aufgetretener Fehler bei der Bearbeitung von Aufgaben konzentrieren und müssen nicht komplette Übungszettel Schritt-für-Schritt besprechen, um Studierenden eine Musterlösung für den Abgleich der eigenen Ergebnisse anzubieten.

Wenn ein solches digitales Lernangebot reibungslos funktioniert, kann es darüber hinaus im Prüfungsbereich eingesetzt werden. Hier kann es Studierende und Lehrende entlasten, weil Studierende nicht wochenlang auf Prüfungsergebnisse warten müssen und sich für Lehrende aufwändige Korrekturen reduzieren.

Entscheidend für den Erfolg eines solchen digitales Lernangebot ist es, dass (1) die technische Umsetzung so gelingt, dass das System leicht zu bedienen ist und nicht zu unnötiger kognitiver Belastung führt, die den Lernprozess der Studierenden beeinträchtigt – sei es durch kognitive Überlastung oder affektive Faktoren (wie Ablehnung des Lernangebots), (2) das System für Lehrende entlastend ist – dies kann nur durch automatische Aufgabengeneration und -bewertung gelingen. Wenn jede Aufgabe und das erforderliche fehler- beziehungsweise regelbasierte Feedback händisch erstellt werden muss, wird die Mehrbelastung dazu führen, dass Lehrende das System nicht nutzen, (3) das System zuverlässig funktioniert. Falls bei der Nutzung Fehler auftreten oder das System phasenweise nicht zur Verfügung steht, wird dies zu Ablehnung auf Seiten der Lernenden und Lehrenden führen und eine Nutzung im Rahmen von Prüfungen nicht möglich sein.

Im Rahmen des PITCH Projektes wird ein Editor, der die Darstellung von Strukturformeln ermöglicht, in das Übungs- und Prüfungssystem JACK® integriert. So wird die Möglichkeit geschaffen charakteristische Aufgabenformate der organischen Chemie auch digital anbieten zu können. Mithilfe von JACK® wird regelbasiertes Feedback angelegt, dass den Studierenden Hinweise zu ihren Fehlern gibt. Dieses Feedback soll im Rahmen des Projektes so automatisiert werden, dass es nicht mehr für einzelne Aufgaben individuell erstellt werden muss, sondern für bestimmte Aufgabentypen verfügbar ist. Erstelle Aufgaben werden über die Moodle Kurse der Lehrveranstaltung der organischen Chemie erprobt und hinsichtlich ihrer Lernwirksamkeit sowie ihrer Auswirkung auf kognitive wie affektive Variablen evaluiert, um diese, wenn sie ausreichend erprobt sind, auch im Rahmen von Prüfungen nutzen zu können.

 

Literatur

Johnson, Ch. I. & Priest, A. H. (2014). The Feedback Principle in Multimedia Learning (pp.449-463), in: Mayer, R. E. [Hg.]. The Cambridge Handbook of Multimedia Learning – Second Edition, Cambridge University Press, New York.

Mayer, R. E. (2009). Multimedia learning (2nd ed.). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511811678

Narciss, S. (2006). Informatives tutorielles Feedback. Entwicklungs- und Evaluationsprinzipien auf der Basis instruktionspsychologischer Erkenntnisse, Münster / New York / München / Berlin, Waxmann Verlag GmbH.

Paas, F., & Sweller, J. (2014). Implications of cognitive load theory for multimedia learning. In R. E. Mayer (Ed.), The Cambridge handbook of multimedia learning (pp. 27–42). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9781139547369.004

Shute, V. J. (2008). Focus on formative feedback. Review of educational Research, 78(1), 153-189. https://doi.org/10.3102/0034654307313795