Grußwort von Prof. Dr. Klaus Klemm

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© Klaus Klemm

Als ich 1977 als junger Professor nach Essen kam, gab es an meiner neuen Universität den ‚Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund‘ bereits seit drei Jahren. Als ich dreißig Jahre später, 2007, pensioniert wurde und die Universität wieder verließ, gab es ihn immer noch. Und heute, noch einmal dreizehn Jahre danach, ist diese Einrichtung lebendiger denn je. In den vielen Jahren seit der Gründung wurde aus der zarten Pflanze eine bundesweit vorbildliche Institution - ein Leuchtturm, der weit ausstrahlt und vergleichbaren Einrichtungen zahlreicher Hochschulen zum Vorbild wurde.

Wer wie ich in den vergangenen Jahren immer wieder an Absolvent*innenfeiern des Förderunterrichts teilgenommen hat, weiß dessen Bedeutung zu schätzen: Zu diesen Feiern versammelten sich Jahr für Jahr junge Leute aus allen Ländern der Welt, um sich über ihre Erfolge anstrengender Arbeit, zertifiziert in Abschlusszeugnissen, gemeinsam zu freuen. Wenn ich die jungen Erwachsenen sah und wenn ich ihnen zuhörte, wie sie mit ihren zahlreichen Herkunftssprachen aus allen Teilen der Welt, ihrer Versiertheit im Deutschen, ihren sprachlichen und musischen Kompetenzen, ihrer Souveränität und auch ihrem Stolz auf das Geleistete vor Mitschülerinnen und -schülern, Eltern und Freunden auftraten, dann ging mir, dem Beobachter, regelmäßig durch den Kopf: Was für ein großer Verlust wäre es für diese jungen Menschen selbst, aber auch für unser Land, wenn sie nicht aus eigener Kraft und mit Hilfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Förderunterrichts ihren erfolgreichen Weg hätten gehen können.

Dass ich dem Jahrgang 2020 nur auf diesem Weg gratulieren und Ihnen nur so alles Gute auf ihrem weiteren Weg wünschen kann, bedaure ich sehr. Mir bleibt nur der Wunsch und die Hoffnung, dass es auch 2021 eine Absolvent*innenfeier geben wird.

Und ich wünsche noch etwas: Ich wünsche, dass der Förderunterricht fortleben wird. Denn bei allen Erfolgen muss auch erinnert werden: Zur Zeit haben knapp die Hälfte aller Grundschüler Nordrhein-Westfalens einen Migrationshintergrund. In den Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I gilt dies im Gymnasium nur noch für ein Drittel und in der gymnasialen Oberstufe nur noch für ein Viertel. Es bedarf noch großer Anstrengungen, um zu erreichen, dass die Herkunft eines jungen Menschen für seinen Bildungserfolg keine Rolle mehr spielt. Daran hat der Förderunterricht seit Jahrzehnten gearbeitet, dafür muss es ihn weiterhin geben und dafür wünsche ich ihm viel Erfolg.