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Handeln mit EmojisVom Schreiben mit Bildern

„Wenn ich ein guter Zeichner wäre, könnte ich mit vier Strichen unzählige Gesichtsausdrücke hervorbringen“, heißt es bei Wittgenstein in den „Vorlesungen über Ästhetik“. Im Text sind nach diesem Satz drei Gesichter abgedruckt, die Smileys ziemlich ähnlich sehen. „Wörter wie ‚majestätisch‘ oder ‚pompös‘ könnte man so durch Gesichter ausdrücken. Dann würden unsere Beschreibungen viel flexibler und vielgestaltiger sein als beim Gebrauch von Adjektiven.“ Das war in den 1930er Jahren. Mit den erweiterten Möglichkeiten digitaler Kommunikation trat das Emoji in den 2000er Jahren seinen weltweiten Siegeszug an. Heute sind knallbunte, detaillierte kleinen Bildchen für jede Gefühls- und Lebenslage aus SMS, E-Mails und Chatkommunikation nicht mehr wegzudenken. Selbst zeichnen können muss man nicht – Plattformen bieten die unterschiedlichsten Varianten an.

Das Zitat weist auf die sprachlich-pragmatische Funktion, die solche Bilder in der Schriftkommunikation übernehmen können. Tatsächlich sind sie mittlerweile fester Bestandteil unserer alltäglichen Schreibpraxis. Systematisch untersucht wurde diese Dimension von Emojis in der deutschen Sprachwissenschaft jedoch bisher nicht. Mit „Handeln mit Emojis – Grundriss einer Linguistik kleiner Bildzeichen in der WhatsApp-Kommunikation“ legen Michael Beißwenger und Steffen Pappert jetzt die erste wissenschaftliche Buchpublikation in deutscher Sprache zum Thema vor und zeigen, warum sich Emojis so großer Beliebtheit erfreuen. Für ihre Untersuchung nutzten sie – pseudonymisiert – gespendete Daten echter Chatverläufe und erhielten so einen authentischen Einblick in die Nutzung von Emojis.

Ein zentrales Ergebnis: Emojis ersetzen nicht einfach Gestik und Mimik der direkten Interaktion in schriftlicher Kommunikation. Sie sind „Ressourcen eigener Qualität“ und übernehmen wichtige Aufgaben bei der sozialen Organisation und Gestaltung von Kommunikation. So erleichtern sie das Verständnis, wie das, was sprachlich gesagt wurde, gemeint ist. Und sie drücken etwas über die (tatsächliche oder angestrebte) Beziehung zum Gegenüber aus. Diese beiden Grundfunktionen nennen die Autoren „Lesbarmachen“ und „Sichtbarmachen“ – und zeigen anhand der Daten, wie vielfältig, kreativ und humorvoll NutzerInnen Emojis einsetzen, um in schriftlicher Kommunikation Verständns und Verstehen zu organisieren.

Soeben erschienen: Beißwenger, Michael/Pappert, Steffen: Handeln mit Emojis. Grundriss einer Linguistik kleiner Bildzeichen in der WhatsApp-Kommunikation. 147 S. Duisburg: UVRR 2019