Eine Rezension zu Stefan Hornbach "Violently happy" Über doppelt belichtete Bilder, die keinesfalls überladen wirken

(von Nina Kiedrowicz)

In einem wunderbar authentischen Ton widmet sich Stefan Hornbach in seiner Erzählung Violently Happy den großen Themen der Literatur: Liebe und Vergänglichkeit. Wie die doppelt belichteten Fotos, die der Protagonist betrachtet, findet auch der Leser/die Leserin verschiedene Themen und Bilder vor, die in einer Weise miteinander verbunden sind, die erfrischend neu ist.

Die Erzählung setzt sich zusammen aus Erinnerungen und Überlegungen eines jungen Mannes – 27 Jahre alt – der sein vorheriges Lebensjahr rekapituliert, das geprägt ist von seiner Krebserkrankung und einer Liebesbeziehung. Unaufgeregt und wissend werden dabei große Fragen gestellt, nach dem Sinn des Lebens, nach Vergänglichkeit und nach der Liebe. Man könnte meinen, dass ein Text bei relativer Kürze heillos überfrachtet wirkt, wenn er sich gleich an mehreren großen Themen versucht. Auch könnte man ihm unterstellen, dass er wenig Originalität und Innovation aufweist. Hornbach beweist jedoch, dass dies keineswegs der Fall sein muss.

Als der ehemalige Freund des Protagonisten ihm ein Jahr nach ihrem „Summer of Love & Poison“ (S. 80) Fotos zuschickt, die doppelt belichtet sind und sowohl Bilder aus der Zeit während als auch nach der Beziehung zeigen („Dann ein Bild von irgendeinem Typen unter der Dusche, und meine Mutter sitzt vorm Schokokuchen, die Stirn in Falten, das Kinn auf eine Hand gestützt“ (S. 83)), werden nicht nur Raum und Zeit in der Erzählung aus den Fugen gehoben, sondern der Text reflektiert sich auch selbst und verweist auf Hornbachs Erzählverfahren, Bilder zu erzeugen, die sich mehr als nur einem Themenfeld widmen. Diese sprachlichen Bilder zeugen oftmals gleichermaßen von Komik und Tiefgang; wenn der Protagonist beispielsweise homoerotische Phantasien entwickelt, als sein Onkologe sich streckt, um einen Antrag für einen Schwerbehindertenausweis vom Regal zu holen und seine Unterwäsche dabei aufblitzt, oder wenn er überlegt, ob er sich im Mutterleib seinen Zwilling einverleibt hat, da er oft das Gefühl hat, dass „da [einer] ist, der fehlt“ (S. 85). Die Sprache, der sich Hornbach bedient, lässt die Gedanken des Protagonisten unglaublich authentisch wirken („Ich erstelle mir ebenfalls ein Profil und überlege, ihn anzuschreiben, aber mit jedem neuen Versuch komme ich mir ein bisschen lächerlich vor: Hallo, vielleicht erinnern Sie sich …, und so weiter“ (S. 84)). Hornbach erzählt nicht mit übertriebenem Pathos und zeigt nicht mit dem Finger auf die Krebserkrankung des jungen Mannes, sondern lässt ihn mit ruhiger, unaufdringlicher Stimme Eindrücke und Erinnerungen schildern. Der Tonfall des Protagonisten vermittelt dabei den Eindruck von Mündlichkeit, wobei er keinesfalls „schnodderig daher redet“, sondern ehrlich, verletzlich und durchweg authentisch erscheint.  „Wir treffen uns dann auf der Straße […] und ich bin total cool und du gratulierst mir zu meiner neuen Frisur, die ist super, ja, danke“ (S. 83). Der Eindruck, direkt an seinen Gedanken teilzuhaben und ihm in den Kopf schauen zu können, wird verstärkt durch den teilweise vorliegenden Telegrammstil, in dem Beschreibungen auch prima ohne Prädikat funktionieren („Vor mir auf der Fensterbank eine Reihe von Bilderrahmen, dazwischen Postkarten, aus Paris, Jerusalem und von Omi aus dem Allgäu“ (S. 84)). Neben einer eindrücklichen Stimme verfügt der Protagonist auch über eine klare Figurenzeichnung. Der Leser/die Leserin lernt einen jungen Mann kennen, der bewegt ist von Fragen, die seine Existenz und seine Vergänglichkeit betreffen, der sich trotz der liebevollen Menschen in seinem Leben manchmal einsam fühlt und der nicht weiß, ob er seinen (Ex)Freund schrecklich vermisst oder ob er ihm eigentlich egal ist. Diesen Zwiespalt vermittelt Hornbach mit eindrucksvollen Bildern: der Protagonist, der beim Zwiebelschneiden anfängt zu weinen, doch plötzlich beschließt, einfach damit aufzuhören („[…] da lieg ich also, und heule mir die Seele aus dem Leib, obwohl. Ich wische mir die Tränen einfach weg […]“ (S. 86)) oder die Wiese, auf der die beiden einmal gemeinsam lagen, über die sie zusammen gehen könnten, aber auf der er (ihm) nicht fehlt.

Der junge Autor Stefan Hornbach schafft es, sich die Themen zu eigen zu machen und erschafft eine Figur, die dem Leser mit ihrer unaufgeregten Unsicherheit viele Identifikationsmöglichkeiten bietet. Sein Studium der Theaterwissenschaft, der Psychologie und der Neueren deutschen Literatur waren ihm sowohl beim Schreiben als auch bei seinem gelungenen Vortrag sicherlich zuträglich. Stefan Hornbach gelingt es, die Stimme einer Generation einzufangen. Ein Autor, von dem man gerne mehr hören möchte.

Bibliographische Angabe:
Stefan Hornbach: Violently happy. In: 21. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2013. S. 80-87.