Eine Rezension zu Joey Juschka "SCHAF e.V." Ritter in Berlin

(von Mirijam Unnerstall) 

SCHAF e.V. ist eine Art Kreuzberger Rittergeschichte. In einer lustig lockeren Sprache schreibt Juschka über Tarzan, Bulldog und K.C., die im Verlauf der Geschichte zu modernen Rittern werden, die Frauen beschützen.

Die Autorin Joey Juschka (1977), Halle/Saale, studierte Germanistik und Anglistik/Amerikanistik in Halle, Newcastle (Großbritannien) und Berlin. Mittlerweile lebt sie in Berlin und hat verschiedene Jobs. Hauptsächlich widmet sie sich aber dem Schreiben und schreibt seit kurzem auch Geschichten auf Bestellung.

SCHAF e.V. ist die Geschichte von Tarzan und seiner Kreuzberger Gang. Die Jungs verbringen die meiste Zeit im Park und haben untereinander die Regel, sich nur Fragen zu stellen, denn: „Antworten sind irgendwie nicht wichtig. Fragen sind gut.“ Außerdem braucht man Regeln, meint Tarzan, „sonst hat man nichts zu tun und knallt weg oder so, geht kaputt.“ Tarzan hat einen neuen 1,50 Euro-Job bei SCHAF e.V. Als die anderen ihn fragen, was er dort mache, zeigt er ihnen die Visitenkarte: „Verein zum Schutz alleinlaufender Frauen“, „Sch A Eff SCHAF e.V.“ Er beschützt Frauen, die ohne Begleitung in Berlin unterwegs sind, sodass in Zukunft weniger Überfälle und Gewalttaten passieren werden. Nach und nach bekommen auch die anderen aus seiner Gang einen Job bei SCHAF e.V. Sie laufen den Frauen einfach hinterher und falls diese angemacht werden, gehen sie unauffällig dazwischen, da die Frauen nicht merken sollen, dass sie beschützt werden. „Wir sollen wie Ritter sein, galant und im Hintergrund, immer da bei Gefahr und danach gleich wieder weg. Mir macht das Spaß und Bulldog wohl auch.“

So werden aus den harten Jungs sozusagen moderne Ritter. Der Text weist durchaus eine starke Weltverbesserungshaltung auf. Doch es ist eine nette und unterhaltsame Geschichte – ein guter Text für den open mike.

Da es sich um Rollenprosa handelt, bildet der Text Sprache und Stil seiner Berliner Figuren ab. Der Erzähl- und Schreibstil werden die ganze Zeit konsequent beibehalten. Außerdem ist die Geschichte insgesamt gut aufgebaut, witzig und in sich stimmig. Man kann sich leicht in die Welt der Protagonisten hineinversetzen und auch wenn so ein Verein vielleicht eine Illusion ist, ist es doch ein netter, sehr sympathischer Versuch einer positiven Weltdarstellung.

Die Autorin wurde beim Lesen von den Lachern des Publikums angespornt, sodass sie die letzten Sätze, trotz des Weckerklingelns, noch zu Ende las. Der Text war erheiternd und erhielt daher besonders viel Applaus und Zustimmung. Es ist vielleicht kein literarisches Meisterwerk, aber doch eine Unterhaltungsliteratur, die gut in das Format des Wettbewerbs passte. So entschied sich auch die taz-Publikumsjury einstimmig für diesen Text. Wie ich finde, eine gute Entscheidung!

Kommentar zu „SCHAF e.V.“ von Joey Juschka ‚Böse‘ Jungs als Weltverbesserer

(von Sonja Assen) 

Der Publikumspreis, vergeben von der Publikumsjury, die alljährlich von der taz für den Berliner Literaturwettbewerb gesucht wird, geht diesmal an den Text „SCHAF e.V.“ von Joey Juschka. Dieser handelt von vermeintlich „bösen“ Jungen, die für 1,50€ pro Stunde Frauen beschützen und großen Gefallen daran finden. Sowohl die Handlung als auch die sprachliche Ausgestaltung des Textes sprechen ein sehr junges Publikum an, das noch an die Moral ‚Jeder Mensch kann und will etwas Gutes leisten‘ glaubt. Auf Erwachsene allerdings muss dieser Text eher naiv wirken. Es dominiert ein ideologischer Anspruch, der besagt, dass aus den einfachen Straßenjungs Helden werden können, wenn sie die Chance dazu bekommen. Der einfach gestrickte und endlos gutmütige Ich-Erzähler berichtet von seinem Leben in einer friedvollen und zufriedenen Art. Die moralische Pointe, arbeitssuchende Jungs nicht aufzugeben, irritiert Leser, die an das stereotype Bild des arbeitslosen, rumlungernden und gewalttätigen Jugendlichen glauben. Nun könnte man argumentieren, dass die Geschichte genau diese Vorurteile vernichtet und den Leser mit einer neuen Sichtweise überrascht. Das Problem dieses Gegendiskurses ist jedoch, dass der welterfahrene Leser die Figuren nicht in die Realität einordnen kann, da sie ganz ohne Ecken und Kanten daherkommen. Auf der einen Seite behaupten die Jungs von sich, sie seien „rotzig“ und „großkotzig“, auf der anderen Seite reden sie von „Omis und Opis“ und „netten Mädels“.  Sie verlieren nur nette Worte über die Frauen: „Direkt vor uns läuft eine Blondine die Treppe runter, so dunkelblond, gewelltes Haar, enges T-Shirt und Stöckelschuhe.“ Es werden keine Kommentare über ihre sexuellen Reize, sondern nur über ihre ‚Nettigkeiten‘ gemacht: „Was ich dem Bulldog alles erzähle, von wegen was für Nette ich immer kennen lerne auf Streife.“ Neben diesem braven Wortschatz irritiert der Text den Leser mit einem höchst toleranten und liebenswürdigen Umgang miteinander und dem selbstverständlich gewaltfreien Problemlösen. Schlussfolgernd könnte der Text Vorurteile über diese Jugendliche entkräften, würde die Autorin ihre Figur nicht in einem realitätsfremden Stil als Weltverbesserer sprechen lassen und ihnen auch den ein oder anderen Fehler eingestehen.

Bibliographische Angabe:
Joey Juschka: SCHAF e.V. In: 20. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2012. S. 78-87.