Eine Rezension zu Felix Kracke "Bist’n good boy, Matze." Bist’n good boy, Felix – Felix Kracke beim open mike

(von Mario Bartlewski)

„Wenn wir von dir reden, Matze, sehen wir dich durch die Straßen pflügen, pflügen, wenn man das so sagen kann. Wir, das sind Tim und Pete und Jess und du, du Bist’n good boy, Matze“ (S.68), heißt es in Felix Krackes Bist’n good boy, Matze. Zwei Sätze, mit denen Kracke bereits zu Beginn eine Richtung einschlägt, die er im Laufe seiner Lesung fortsetzt: jung, cool und trotzdem ernstzunehmend.

Das immer wieder wiederholte „wir“ besteht aus vier Jugendlichen. Gemeinsam begibt sich die junge Crew auf seine Tour – über die Dächer der Großstadt hinweg. Doch einer von ihnen ist dieses Mal nicht dabei. So entwickelt sich der Text zu einem Nachruf an den good boy, Matze, der der notwendige Antrieb war und die Zurückgebliebenen bestätigte. Und damit weicht die Gegenwart im Laufe der Erzählung der Vergangenheit. „Du warst’n good boy, Matze, und wir nur Lügner, Blender, Schwachmaten. Schnaps & Hasch statt rauer Gischt. Doch uns hast du’s abgekauft, die falschen Posen zur Kür erklärt,  uns die Tarnung entrissen. Wir sind nur Wannabes, doch für dich war’n wir’s nicht.“  (S.70)

Und genauso wenig wirkt Felix Kracke auf der open mike-Bühne wie ein Möchtegern. Die junge Sprache mit vielen Anglizismen und einem Touch Straßenslang wirkt stimmig und glaubhaft. Es gelingt dem 25-Jährigen mit einfacher Sprache das Verlustgefühl der Gruppe darzustellen – ohne überhaupt jemals den Grund zu nennen, warum Matze nicht mehr da ist. Doch es ist nicht nur die Alltagssprache, mit der Kracke seine Zuhörer in den Bann zieht. Er kombiniert eine moderne Geschichte im urbanen Stil mit antiken Symbolen und Metaphern.  Auch, wenn die Vermischung zunächst widersprüchlich klingt, bringt Kracke Medusa und Troja in Einklang mit seiner Story von der Straße. Ohne, dass es aufgesetzt oder gar fehl am Platze wirkt.  Gleiches gilt für die Meeres-Metaphorik, die sich durch den Text zieht: „Das Meer als verlässliches Terrain. Wir stehen in den Nächten vor den Tagen auf den Dächern und fantasieren auf hoher See. Die Stadt wogt, als sei die das Meer.“ (S. 69) Aber auch der Titel selbst nimmt einen großen Platz ein und ist prägend für den Text. Als Repetitio taucht dieser immer wieder auf und gibt eine Struktur vor, die das Gefühl der Gruppe verdeutlicht und den ZuschauerInnen keineswegs langweilt. Immer wieder bekundet die Crew, welch guter Typ ihr Matze war. Und immer wieder erfahren Leser auch ein Stückchen mehr von den gemeinsamen Erlebnissen.

Ebenso, wie Kracke nach und nach mehr Einblicke in die Welt der Jugendlichen gibt, variiert er die Geschwindigkeit, mit der sich der Text fortsetzt. Mal ist es Hauptsatz an Hauptsatz zu sein, mal sind es lange Sätze, die aus Aufzählungen bestehen. Auf diese Weise steigert der Autor Frequenz und Tempo, nur um sie im nächsten Moment wieder zu zügeln. Immer nah an der Jugendsprache dran, eng am Plot und stets mit der Absicht, das Publikum zum Lachen zu bringen – ohne dabei die ernste Thematik ins Lächerliche zu ziehen.

Krackes Text wirkt stimmig. Und zwar nicht nur inhaltlich, sondern insbesondere auf der Bildebene. Doch bleibt die Frage offen, was eigentlich mit Matze passiert ist. Eine Frage, die Leser und Zuhörer mit Fragezeichen zurücklässt. Aber vielleicht ist auch gerade das offene Ende, mit dem der Text in den Gedanken des Publikums verankert wird. Ein Werk, mit dem Felix Kracke zu den Höhepunkten des open mikes 2015 gilt, obwohl er letztlich ohne einen Preise nach Hause fahren muss: Bist’n good boy, Felix.

Bibliographische Angaben:
Felix Kracke: Bist’n good boy, Matze. In: 23. open mike. Internationaler Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik. München: Allitera Verlag 2015. S. 68-72.