Das Forschungsprojekt

Ziel des Projektes IMGES I war es, für die Bundestagswahl 2017 die erste deutsche Wahlstudie unter deutschen Staatsbürger/innen mit Migrationshintergrund durchzuführen, d.h. unter solchen Personen, die entweder selbst nach Deutschland immigriert sind oder die mindestens einen Elternteil mit eigener Migrationserfahrung haben. Das Projekt wurde bis Oktober 2020 gefördert. Die zweite Phase startete in 2021 (siehe Projekt-Startseite).

Bisherige Studien konnten aufgrund der geringen Fallzahlen kaum differenzierte Aussagen über das Wahlverhalten von Migrant/innen verschiedener Migrationsgruppen und -generationen in Deutschland treffen.

Während zur Erklärung der Wahlbeteiligung von Migrant/innen bereits einige theoretische Erklärungsmodelle bestehen, fehlen theoretische Überlegungen zur Erklärung des Wahlinhalts bislang fast völlig. Gleichzeitig ist die Erforschung des Wahlverhaltens dieser wachsenden Bevölkerungsgruppe(n) von erheblicher wissenschaftlicher und politischer Relevanz. Für die Wahlforschung stellen Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund eine hoch interessante Zielgruppe dar, da sich ihre politische Sozialisation von den Erfahrungen der autochthonen Bevölkerung zum Teil deutlich unterscheidet. Wir konzentrieren uns dabei aus forschungspraktischen Gründen auf die zwei bedeutendsten Migrantengruppen in Deutschland, deutsche Staatsbürger/innen mit türkischem Migrationshintergrund (etwa 1,3 Mio. Personen) und sowie deutsche Staatsbürger/innen, die aus der Sowjetunion bzw. ihren Nachfolgestaaten stammen (etwa 2,4 Mio. Personen).

Ob etablierte Theorien der Wahlforschung auch das Wahlverhalten von Deutschen mit Migrationshintergrund erklären können, oder ob dieses überwiegend von migrantenspezifischen Eigenschaften bestimmt wird, ist daher das zentrale Erkenntnisinteresse des beantragten Projektes.

Unser Vorgehen ist dabei in zwei Phasen unterteilt. Zuerst haben wir in einer qualitativen Phase Fokusgruppeninterviews mit türkischstämmigen bzw. russlanddeutschen Staatsbürger/innen durchgeführt, um einen genaueren Einblick in die Kandidatenbewertungen und Themenorientierungen zu erlangen. Die Erkenntnisse aus den Fokusgruppeninterviews wurden anschließend für die Fragebogenentwicklung der quantitativen Phase genutzt. Hier haben wir zeitgleich mit der GLES-Nachwahlbefragung Ende 2017 je 500 deutsche Staatsbürger/innen, die oder deren Eltern aus der Türkei bzw. der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden, befragt.

Das mehrsprachige Erhebungsdesign ermöglicht erstmalig die repräsentative Analyse der wichtigsten Motive des Wahlverhaltens von Migrant/innen.

Beide Wellen unserer Erhebung ist mittlerweile abgeschlossen. Eine erste Auswertung, weitere Forschungsbeiträge und Updates zum Projekt finden Sie auf Englisch und Deutsch bei Research Gate.


Qualitative Phase

Ziel der qualitativen Phase (Oktober 2016 bis Juli 2017) war der explorative Zugang zur Themen- und Kandidatenorientierung von Migrant/innen, um die Ergebnisse für die Fragebogenentwicklung der quantitativen Phase zu nutzen: Welche Themenfelder werden als wichtig erachtet? Welche Vorstellung von Links-Rechts gibt es? Welche Kandidateneigenschaften sind besonders relevant? Wie stark ist die Bindung an das Herkunftsland?

Als Methode haben wir dabei auf Gruppendiskussionen mit Russlanddeutschen zurückgegriffen, die in Duisburg und Köln durchgeführt wurden. Dabei haben wir mit etwa 6-7 Teilnehmer/innen jeweils knapp zwei Stunden lang diskutiert.

Quantitative Phase

Durchgeführt wurde eine standardisierte CAPI-Befragung von jeweils 500 Befragten mit deutscher Staatsangehörigkeit und türkischem Migrationshintergrund bzw. russischem/sowjetischem Migrationshintergrund.

Im Gegensatz zu den GLES-Hauptstudien haben wir ausschließlich Deutsche mit einem Migrationshintergrund befragt und diese somit in einer für statistische Analysen ausreichenden Fallzahl durch eine geschichtete Zufallsstichprobe auf Basis des Melderegisters und mithilfe onomastischer Verfahren erfasst. Je 500 deutsche Staatsbürger/innen mit türkischem bzw. russischem/sowjetischem Migrationshintergrund sind unsere Zielpopulation.

Die Befragung (knapp 60 min) erfolgte synchron zur Nachwahlbefragung der German Longitudinal Election Study (GLES). Das Interview konnte auf Deutsch, Russisch oder Türkisch durchgeführt werden.

Der Fragebogen umfasste zwei Teile. Erstens bestand er aus in der Wahlforschung etablierten Items, wobei diese mit der ebenfalls zu diesem Zeitpunkt stattfindenden GLES-Nachwahlstudie identisch waren, um die Vergleichbarkeit mit der Gruppe der autochthonen Wähler/innen zu gewährleisten. Zweitens umfasste er Items, die diverse migrantenspezifische Charakteristika erfassen (z.B. Staatsbürgerschaft, Mitgliedschaft in ethnischen Organisationen und ethnische Identität).

Die Stichprobe kann nach Abschluss der ersten Erhebung durch Abfrage der Wiederbefragungsbereitschaft für Folgestudien genutzt werden.